Inhalt

LG München I, Beschluss v. 16.04.2021 – 5 HK O 5711/19
Titel:

Sachverständigenablehnung, Datenschutzgrundverordnung, wiederkehrende Leistungen, Gesellschaftsrechtliche Streitigkeit, Spruchverfahrensgesetz, Angemessene Barabfindung, Sachverständigengutachten, Steuerliches Einlagekonto, Geschäftswert, Dividendenbesteuerung, Außergerichtliche Kosten, Kostentragungspflicht, Privatgutachten, Konzernrecht, Ertragswertverfahren, Solidaritätszuschlag, Nicht betriebsnotwendiges Vermögen, Marktrisikoprämie, Verfahrensbeteiligte, Gerichtlich bestellter Sachverständiger

Schlagworte:
Barabfindung, Ertragswertmethode, Unternehmenswert, Angemessenheit, Planung, Diskontierung, Schätzung, Plausibilität der Planung, Einflussnahme des Vorstands, Umsatzplanung, Anstieg der Umsätze, Margendruck, Investitionsplanung, Konvergenzphase, Basiszinssatz, Steuerbelastung, Zinsstrukturkurve, Laufzeitäquivalenz, Thesaurierung, Ausschüttungsquote, Risikozuschlag, Kapitalisierungszinssatz, Marktrisikoprämie, Beta-Faktor, Wachstumsabschlag, Detailplanungsphase, Ewige Rente, Börsenwert, Anhörung, Arbeitspapiere, Vorerwerbspreise, Gerichtskosten, Geschäftswert
Fundstelle:
BeckRS 2021, 67815

Tenor

I. Die Anträge auf Festsetzung einer höheren Barabfindung als € 9,64 je Aktie werden zurückgewiesen.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Gerichtskosten. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
III. Der Geschäftswert für das Verfahren erster Instanz sowie der Wert für die Berechnung der von der Antragsgegnerin geschuldeten Vergütung des gemeinsamen Vertreters der nicht selbst als Antragsteller am Verfahren beteiligten ehemaligen Aktionäre werden auf € 200.000,-- festgesetzt.

Gründe

A.
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1. a. Die Hauptversammlung der P… AG (im Folgenden auch: die Gesellschaft) fasste am 10.1.2019 den Beschluss, die Aktien der Minderheitsaktionäre gegen eine Barabfindung in Höhe von € 9,64 je Aktie auf die Antragsgegnerin als Hauptaktionärin zu übertragen.
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Das in ... auf den Inhaber lautende Stückaktien eingeteilte Grundkapital belief sich zum Stichtag der Hauptversammlung auf € 14.589.900,-. Die Aktien wurden im Freiverkehr an der Börse ... gehandelt. In einem Zeitraum von drei Monaten vor der mittels Ad hoc-Mitteilung am 22.8.2018 erfolgten Bekanntgabe der Übermittlung des förmlichen Verlangens der Antragsgegnerin zur Durchführung eines Squeeze out betrug der umsatzgewichtete Durchschnittskurs € 7,86.
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Ausweislich der Regelung in § 2 Nr. 1 der Satzung der P… AG liegt ihr Unternehmensgegenstand in der Tätigkeit einer geschäftsführenden Holding, d.h. dem Erwerb, dem Halten und der Veräußerung von Beteiligungen an Unternehmen im In- und Ausland, deren Schwerpunkt auf Beratungs-, Entwicklungs-, Betriebs- und ergänzenden Leistungen im Bereich der Informationstechnologie liegt. In diese Tätigkeit eingeschlossen ist nach der Satzung die Erbringung administrativer Dienstleistungen für diese Unternehmen, ferner die Führung dieser Unternehmen durch Übernahme der strategischen Steuerung und Koordination einschließlich der Bestimmung der Geschäftsfelder und der Unternehmenspolitik, der Ausübung einheitlicher Leitung, der Tätigkeitsabstimmung, Ergebniskontrolle und der Mitentscheidung bei solchen Maßnahmen der Unternehmen, an denen die Antragsgegnerin unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist. Die P… AG bietet ihren Kunden – überwiegend in Deutschland ansässigen mittelständischen Unternehmen – Outsourcing-Dienstleistungen hinsichtlich Informations- und Telekommunikationstechnik sowie damit in Zusammenhang stehende IT-Anwendungen sowie Beratungsleistungen an. Operativ tätig sind die beiden Tochtergesellschaften C… P… und E… S… AG. Daneben gibt es noch die P… N… LLCohne eigenen operativen Geschäftsbetrieb.
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b. Im Vorfeld der Hauptversammlung vom 10.1.2019 erstattete die E… GmbH & Co. KG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft (im Folgenden: E…) eine gutachtliche Stellungnahme über die Ermittlung des Unternehmenswerts zum 10.1.2019 in Bezug auf die P… AG (Anlage zum Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 14.5.2019). Die Wirtschaftsprüfer von E… ermittelten in Anwendung der Ertragswertmethode einen Unternehmenswert der Gesellschaft zum 10.1.2019 von € 136,6 Mio., woraus sich eine Abfindung von € 9,36 je Aktie errechnete. Dabei gingen die Bewertungsgutachter von einer die Jahre 2019 bis 2021 umfassenden Detailplanungsphase aus, an die sich eine annuitätisch dargestellte Übergangsphase anschloss, die die Jahre 2022 bis 2038 umfasste, bevor ab dem Jahr 2039 ff. in die Ewige Rente übergeleitet wurde. In der Übergangsphase wurde ein weiterer Anstieg der Gesamtumsätze und eine auf rund 13% verminderte EBITDA-Marge ausgewiesen. In dieser Konvergenzphase wurde rechnerisch ein Umsatzwachstum von rund 5% angesetzt; im Terminal Value wurde ein Wachstum von 1% angesetzt. Im Bewertungsgutachten wurde durchgängig von einer Ausschüttungsquote von 50% ausgegangen und eine Veräußerungsgewinnbesteuerung für den Wertbeitrag auf Thesaurierung in Höhe von 13,19% angesetzt. Bei der Kapitalisierung der Überschüsse gingen die Bewertungsgutachter von einem Basiszinssatz von 1,25% vor Steuern aus. Die im Vergleich zum ursprünglichen Bewertungsgutachten auf € 9,64 erhöhte Barabfindung beruht auf einem Absinken des Basiszinssatzes von 1,25% vor Steuern auf 1% vor Steuern, wie in der Stichtagserklärung der Bewertungsgutachter von E… dargelegt wurde. Den Risikozuschlag ermittelten sie mit Hilfe des (Tax-)CAPM, wobei sie eine Marktrisikoprämie von 5,5% nach Steuern und einen sich aus einer insgesamt fünf Unternehmen unter Einschluss der Antragsgegnerin zusammensetzenden Peer Group abgeleiteten unverschuldeten Beta-Faktor von 0,95 ansetzten. Für die Ewige Rente legte das Bewertungsgutachten einen Wachstumsabschlag von 1% zugrunde.
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Die vom Landgericht Köln mit Beschluss vom 19.9.2018, Az. 82 O 104/18 zur Abfindungsprüferin bestellte I… AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (im Folgenden auch: I…) gelangte in ihrem Prüfungsbericht vom 26.11.2018 (Anlage zum Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 14.5.2019) zu dem Ergebnis, die angebotene Barabfindung der Antragsgegnerin an die Aktionäre der P… AG sei angemessen. Ebenso bestätigten die Abfindungsprüfer der I… die Angemessenheit der durch die Aktualisierungserklärung von E… erhöhten Barabfindung in einer eigenen Aktualisierungserklärung zum Stichtag der Hauptversammlung.
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c. Der Beschluss über den Squeeze out wurde am 10.4.2019 in das Handelsregister eingetragen und am 11.4.2019 gem. § 10 HGB bekannt gemacht. Im Zeitpunkt der Eintragung waren 716.642 Aktien von dem Squeeze out betroffen. Alle Antragsteller waren im Zeitpunkt der Eintragung in das Handelsregister Aktionäre der Gesellschaft.
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2. Zur Begründung ihrer spätestens am 11.7.2019 zumindest per Telefax beim Landgericht München I eingegangenen Anträge machen die Antragsteller im Wesentlichen geltend, aufgrund ihrer zulässigerweise gestellten Anträge müsse die Barabfindung angesichts ihrer Unangemessenheit erhöht werden.
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a. Die Notwendigkeit der Erhöhung resultiere bereits aus den unplausiblen und folglich korrekturbedürftigen Planannahmen.
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(1) Dies zeige sich bereits am Fehlen einer eigenständigen Planung und der Möglichkeit unzulässiger Eingriffe der Antragsgegnerin. Das Ergebnis der Vergangenheitsanalyse mit nicht unwesentlichen Abweichungen von Plan- und Ist-Zahlen lasse Rückschlüsse auf eine fehlerhafte Planungssystematik zu. Auch vernachlässige die Beschreibung des Planungsprozesses die zentrale Finanzierungs- und Managementfunktion der Antragsgegnerin. Zudem könne es zum Zeitpunkt der Hauptversammlung am 10.1.2019 Anhaltspunkte für weiteres externes Wachstum der Gesellschaft wie in der Vergangenheit mit Übernahmen sowie M & A-Transaktionen gegeben haben. Die Planung vernachlässige zudem die Möglichkeit des Absenkens des Grundkapitals bis auf € 50.000,-.
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(2) Die Planung der Umsatzerlöse mit einem Anstieg von € 66 Mio. in 2019 auf € 84 Mio. im Geschäftsjahr 2021 sei angesichts von Wachstumsraten von 36% im Cloud-Markt zu konservativ. Aus der Umsatzausweitung mit einem größeren Bestandskunden als Ursache für den starken Anstieg im Jahr 2020 müsse der Schluss gezogen werden, die Planung bilde weder Neukundengewinnung noch Umsatzausweitung mit Bestandskunden ab. Den rückläufigen Wachstumsraten bei Cloud fehle angesichts hoher Hürden für den Markteintritt in Form von Kapitalbedarf, Know how und der Bereitstellung von Strukturen gleichfalls die Plausibilität. Angesichts besserer Ressourcen und der Möglichkeit, sich gegenüber größeren Anbietern behaupten zu können, müsse das Zurückbleiben hinter den allgemeinen Wachstumsraten des Marktdurchschnitts als unplausibel bezeichnet werden. Die Planung überbetone ebenso wie das Bewertungsgutachten und der Prüfungsbericht die Risiken des Geschäftsmodells, nachdem P… AG im deutschen Mittelstand gut etabliert sei und es zu einem weltweiten Anstieg der Umsätze im Cloud Computing komme. Die regionale Ausrichtung bedeute einen bei den Planannahmen unterschätzten Vorteil der Gesellschaft auch im Hinblick auf die Wissbegierde amerikanischer Stellen, der Konformität der Leistungen mit der DSGVO und die Sicherheit der Angebote der Gesellschaft. Angesichts der erwarteten Wachstumsraten beim Umsatz von SAP mit 34%, 28% und 20,6% müsse auch bei der P… AG in Phase I mit höherem Umsatzwachstum gerechnet werden. Zudem vernachlässige die Planung eine Sonderkonjunktur durch die Kundenwanderung von der Antragsgegnerin hin zur P… AG, deren Ende 2020 nicht nachvollzogen werden könne. Der zu pessimistische Ansatz beim Umsatzwachstum übersehe die hohe Qualität der Leistungen in einem zukunftsträchtigen Geschäftsfeld. Der Vergleich mit dem Jahresabschluss 2018 bestätige die zu pessimistischen Planansätze. Zu hinterfragen sei, ob es Ansatzpunkte für die Notwendigkeit der Auflösung von Rückstellungen gebe und ob das Verfahren „Priobase“ zum Ende des Geschäftsjahres 2018 bereits abgeschlossen gewesen sei.
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(3) Bei den Kosten seien die Ursachen für den steigenden Wareneinsatz bzw. von Fremdleistungen mit der Folge eines sinkenden Rohertrags und einer von 65,2% im Ist auf 59,9% im Geschäftsjahr 2021 sinkenden Rohertragsmarge unklar. Dem Anstieg der Personalkosten pro Mitarbeiter fehle bei einer Einstellung vor allem junger Mitarbeiter zu niedrigeren Gehältern die Plausibilität. Zudem stehe der Anstieg der Personalaufwendungen im Widerspruch zur sinkenden Bedeutung dieses Kostenblocks im Public Cloud-Bereich und zur rückläufigen Entwicklung in der Vergangenheit samt deren Synergiepotenzial. Beim Cloud-Computing hätten Skaleneffekte stärker in die Planung einfließen müssen.
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(4) Die Entwicklung der EBIT-Marge könne nicht plausibel sein, weil diese bei den Peer Group-Unternehmen A…, R… und T… O… mit Werten zwischen 16,1% und 18,8% beispielsweise bei R… deutlich höher lägen als bei der P… AG. Auch zeige die Entwicklung der Wachstumsraten von SAP beim Cloud-Computing, dass auch bei der P… AG wegen des Übergangs zu Cloud-Lösungen mit steigenden Margen gerechnet werden müsse. Der Vergleich des Anstiegs der EBIT-Marge der P… AG von 9,3% auf gerade einmal 12,4% im Jahr 2021 mit Full Service IT-Anbietern sei fehlerhaft, weil dort das Cloud-Computing nur einen Bruchteil des Umsatzes und der Erträge ausmache. Der Vorteil des Angebots kleinteiliger Lösungen spreche für bessere Margen als Angebote einem gesättigten Markt.
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(5) Angesichts ständig wechselnder Bedürfnisse der Kunden und sich wandelnder Technik entsprechend einem Hinweis im Lagebericht für das Geschäftsjahr 2018 sei der Ansatz einer 17 Jahre andauernden Konvergenzphase zu lang. Der Hinweis auf die neu eingeführte Public Cloud sei angesichts der Einführung schon im Geschäftsjahr 2016 und einer Steigerung der EBITDA-Marge bis zum Ende der Detailplanungsphase nicht zielführend. Mit Blick auf den weltweit stark wachsenden Cloud Computing-Markt und die Margen der Jahre 2016 und 2017 müsse die Wachstumsrate im Übergangsjahr 2022 erhöht werden. Aus der Branchenstudie von Ga… ergebe sich eine Marktsättigung allenfalls bis 2021, weshalb auch mit Blick auf eine Forbes-Studie mit größerem Wachstum ab 2021 die Ansätze in der Übergangsphase zu niedrig seien. Die im Bewertungsgutachten angesprochenen Veränderungen auf den Absatz- und Beschaffungsmärkten müssten sowohl in die Detailplanungsphase wie auch in die Konvergenzphase einfließen.
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(6) Der Beginn des Terminal Value erfolge wegen des starken Wachstums der Software-as-a-Service-Leistungen und des Projektgeschäfts zu früh. Der Einbruch der EBITDA-Marge auf 13% nach 19,2% im letzten Planjahr 2021 sei nicht mehr nachvollziehbar, weil nichts dafür spreche, die P… AG werde sich nicht an die am Markt feststellbaren Margen anpassen, zumal der Cloud-Markt weltweit stark wachsen solle.
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(7) Bei der Innenfinanzierung in Phase I erfolge fehlerhaft ein Abzug in Höhe von € 1,5 Mio. bei gleichzeitigem Ansatz einer nicht betriebsnotwendigen Liquidität von € 28 Mio. Ebenso sei es fehlerhaft gewesen, anstelle der nachhaltigen Abschreibungen die höheren nachhaltigen Investitionen anzusetzen und dann einen zusätzlichen Beitrag des Jahresüberschusses für Wachstumsthesaurierung heranzuziehen. In der Detailplanungsphase hätte auf die historischen Ausschüttungsquoten angesetzt werden müssen, mithin maximal 40%, was auch dem Durchschnitt der Peer Group eher entspreche. Fehlerhaft erfolgt sei sowohl der Ansatz einer Thesaurierung zur Finanzierung des Wachstums von € 176.000,- in der Ewigen Rente, wie auch die Besteuerung inflationsbedingter Veräußerungsgewinne.
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(8) Nicht hinreichend berücksichtigt werde bei den Planannahmen die Möglichkeit der Erwirtschaftung weiterer Synergien durch die Einbindung in den Konzern der Antragsgegnerin.
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b. Korrekturbedarf zugunsten der Minderheitsaktionäre bestehe beim Kapitalisierungszinssatz in all seinen Komponenten.
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(1) Der Basiszinssatz müsse angesichts der aktuell zur Wiederanlage verfügbaren risikofreien Zinssätze deutlich abgesenkt werden. Der Ansatz eines einheitlichen Basiszinssatz missachte den Grundsatz der Laufzeitäquivalenz. Die Existenz von Credit Default Swaps erfordere gleichfalls das Absenken des Basiszinssatzes, bei dem eine Rundung nicht vorgenommen werden dürfe.
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(2) Ebenso müsse der Risikozuschlag – sofern ein solcher überhaupt angesetzt werden dürfe – herabgesetzt werden. Das zu seiner Ermittlung herangezogene (Tax-)CAPM stelle sich zumindest als wenig geeignet dar und sei anderen Methoden nicht überlegen. Keinesfalls aber rechtfertige sich der einer Empfehlung des FAUB des IDW folgende Ansatz einer Marktrisikoprämie von 5,5% nach Steuern, weil sich dieser Wert auch nicht mit einer Fortdauer der Staatsschuldenkrise begründen lasse. Das geometrische Mittel sei dem arithmetischen Mittel überlegen. Das unternehmenseigene Risiko müsse über den individuellen Beta-Faktor der Gesellschaft und nicht über eine ohnehin fehlerhaft zusammengesetzte Peer Group abgeleitet werden. Namentlich die Pro Act könne angesichts vor allem in Skandinavien erwirtschafteter Umsätze und Gewinne sowie eines Cloud-Anteils von nur 34% mit der P… AG nicht vergleichen werden. Die gelte angesichts ihrer Größe auch für die B… AG und A… Stattdessen hätten T… O…, R… sowie Y… in die Peer Group aufgenommen werden müssen. Angesichts des Auftretens wiederkehrender Umsätze in einem viel größeren Umfang als bei der Antragsgegnerin müsse der Beta-Faktor der P… AG zwingend niedriger sein als der der Muttergesellschaft, zumal auch die Existenz langfristiger Verträge für ein niedrigeres Risiko spreche.
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(3) Der Wachstumsabschlag von 1% müsse angesichts von Steigerungsraten von 12% sowie des dynamischen Wachstums mit einer Tätigkeit in einem ausgesprochenen Wachstumsmarkt höher eingestuft werden. Hierfür spreche auch die Möglichkeit der Überwälzbarkeit von Kostensteigerungen auf die Abnehmer angesichts der Regelung in Verträgen mit Preisanpassungsklauseln. Der niedrige Wachstumsabschlag stehe in Widerspruch zu den hohen Umsatzsteigerungen in der Detailplanungsphase.
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c. Die nicht betriebsnotwendige Liquidität müsse auf wenigstens € 30,8 Mio. erhöht werden angesichts einer Liquidität von € 33,4 Mio. am Ende des Jahres 2018. Unklar bleibe die Darstellung des steuerlichen Einlagenkontos sowie gegebenenfalls zu berücksichtigender Verlustvorträge bei den Konzernunternehmen. Ebenso müsse geklärt werden, inwieweit es Anhaltspunkte für das Vorhandensein weiteren nicht betriebsnotwendigen Vermögens gebe. Auch fehle die Berücksichtigung des Werts der Marke „P…“ beim nicht betriebsnotwenigen Vermögen.
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d. Aufgrund der letzten Börsenkurse vor dem Wirksamwerden des Squeeze out sowie gezahlter Vorerwerbspreise müsse die Barabfindung ebenfalls erhöht werden.
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3. Die Antragsgegnerin beantragt demgegenüber die Zurückweisung der Anträge angesichts der Angemessenheit der mittels Beschlusses der Hauptversammlung festgesetzten Barabfindung.
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a. Die in der Planung getroffenen Annahmen seien sachgerecht erfolgt und demzufolge nicht korrekturbedürftig.
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(1) Von einer anlassbezogenen, eigens vor dem Hintergrund der anstehenden Strukturmaßnahme aufgestellten Planung könne nicht ausgegangen werden, nachdem der Planungsprozess wie in den Vorjahren durchlaufen worden und unabhängig vom Squeeze out sei. Es habe weder inhaltliche Vorgaben seitens der Antragsgegnerin noch eine Anpassung der Planungsrechnung auf deren Verlangen gegeben.
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(2) Die Umsatzplanung stelle sich als realistisch und plausibel dar. Wachstumsaussichten auf den von wenigen Unternehmen beherrschten Markt für Cloud Infrastructure seien nicht auf kleinere, vergleichsweise lokal agierende Unternehmen wie die P… AG aufgrund der regionalen Beschränkung der Rechenzentren übertragbar. Nach erfolgter Überleitung des Rests an Bestandskunden von der Antragsgegnerin auf die Cloud-Lösung der P… AG sänken die Wachstumsraten naturgemäß. Besonders im Segment Outsourcing gebe es einen intensiven Wettbewerb um IT-Dienstleistungen, der zu Preis- und/oder Leistungszugeständnissen mit prinzipiell negativen Auswirkungen auf die Marge führe. Der hohe Anstieg im Jahr 2020 beruhe auf der Umsatzausweitung mit einem Bestandskunden als einem für den Anstieg relevanten Faktor. Zum Bewertungsstichtag habe es keine Pläne zur Übernahme einer anderen Gesellschaft gegeben. Ein Ansatz vorhandener nicht betriebsnotwendiger liquider Mittel komme hierfür nicht in Betracht, weil es sich dabei um eine unternehmenspolitische Entscheidung handele, auf die die Minderheitsaktionäre keinen Einfluss hätten. Aufgrund der Vielfalt der angebotenen Leistungen könne vom Kundenwachstum der gesamten C…-Gruppe nicht auf das bei der P… AG geschlossen werden; auch lasse sich nicht jeder Kunde der Antragsgegnerin auf die Gesellschaft überleiten, weil diese deren Bedürfnisse nicht bedienen könne. Die ausschließliche Leistungserbringung durch die P… AG bedeute einerseits ein Qualitätsmerkmal, andererseits aber auch ein gewisses Wachstumshemmnis wegen der regionalen Beschränkung der regionalen Rechenzentren für hauptsächlich in Deutschland agierende Unternehmen. Aus den Wachstumsraten der SAP könne kein Rückschluss auf die der P… AG gezogen werden, deren Schwerpunkt im Geschäftsfeld Public Cloud mit der Auslagerung der gesamten IT-Umgebung der Kunden in das Rechenzentrum der P… AG liege, während die S… Cloud Plattform ein spezielles Angebot für S…-Nutzer beinhalte, das Dienste für die Entwicklung, Integration und anschließend Betrieb von Cloud-Anwendungen sowie Erweiterungen der jeweiligen Kunden individuellen S…-Landschaft bereitstelle.
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(3) Das Zurückbleiben der Rohertragsentwicklung hinter den Umsatzerlösen beruhe auf einer überproportionalen Umsatzsteigerung in dem aufgrund der geringen Wertschöpfungstiefe gegenüber dem Outsourcing-Geschäft deutlich margenschwächeren Bereich Public Cloud. Die Personalkosten seien plausibel in die Planung eingeflossen; der leichte Rückgang in der Hochrechnung des Jahres 2018 bis hin zum Jahr 2021 reflektiere den Ausbau der Belegschaft durch junge Mitarbeiter. Der Ansatz relativ konstanter Personalkosten je FTE belege die Ambitioniertheit der Planung gerade vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels im IT-Bereich. Die Ausweitung des Umsatzvolumens gehe notwendigerweise mit einem gewissen Bedarf an zusätzlichem Personal einher, woran auch die Skalierbarkeit nichts ändere. Der Anstieg der Personalkosten um jährlich 8% liege unterhalb des geplanten Umsatzwachstums von 11,2% pro Jahr. Bei den sonstigen betrieblichen Aufwendungen gebe es ein deutlich hinter dem prozentualen Anstieg der Umsätze zurückbleibendes Wachstum mit der Folge einer Verbesserung der EBITDA-Marge.
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(4) Aufgrund der Zugehörigkeit der P… AG zum C…-Konzern seien die daraus resultierenden Synergien bereits nahezu vollständig realisiert gewesen. Weitere im Übertragungsbericht genannten Synergieeffekte träten erst mit Eintragung der Übertragung der Aktien auf die Antragsgegnerin ein und seien deshalb nicht zu berücksichtigen.
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(5) Die Konvergenzphase sei im Bewertungsgutachten sachgerecht durch den Ansatz des Übergangsjahres abgebildet, das das volle Ertragspotenzial der Gesellschaft widerspiegele. Das Absinken der EBITDA-Marge sei nachvollziehbar, weil weiteres Wachstum durch Anpassung der Preise zu generieren sei. Einen Großteil der Umsätze aus dem margenschwächeren Public Cloud-Bereich erziele die Gesellschaft mit der Vermittlung von am Markt eingeführten Mi… -Produkten, weshalb man mit diesen nur geringere Rohertragsmargen erwirtschafte. Eine Vornahme der Anpassungen in der Phase I verbiete sich, weil erst das starke Wachstum im Bereich Public Cloud in dieser Zeitspanne dazu führe, dass kein eingeschwungener Zustand vorliege. Die zugrunde gelegten Wachstumsraten seien sachgerecht. Auch in der Vergangenheit hätten die Wachstumsraten der P… AG unter den in Marktstudien genannten Zahlen gelegen. Im Software-as-a-Service-Bereich lägen die Wachstumschancen vorwiegend bei den Herstellern von Software, nicht bei Rechenzentrumsdienstleistern wie der P… AG, denen bei diesem Geschäftsmodell nur eine reine Vermittlerrolle ohne eigentliche Wertschöpfung zukomme.
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(6) Die Auflösung einer Verlustausgleichsrückstellung würde aufgrund der steuerlichen, zahlungswirksamen Auswirkungen den Jahresüberschuss mindern und zudem den Verschuldungsgrad erhöhen.
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(7) Die nachhaltige Ausschüttungsquote von 50% im Terminal Value widerspreche nicht den Verhältnissen der Gesellschaft zum Bewertungsstichtag und repräsentiere das langfristige durchschnittliche Ausschüttungsverhalten börsennotierter Aktiengesellschaften. Die Wachstumsthesaurierung in Höhe von 1% des bilanziellen Eigenkapitals stelle sicher, dass das mit dem langfristig erwarteten Wachstum der G + V-Rechnung bzw. der Überschüsse einhergehende Wachstum der Bilanz mit unveränderten Eigenkapital- und Fremdkapitalanteilen finanziert werde, weil anderenfalls das Kapitalstrukturrisiko und die Finanzierungskosten überproportional steigen würden. Diese Vorgehensweise mindere folglich nicht in den Unternehmenswert, sondern diene der Erwirtschaftung von Wachstum im Terminal Value. Die angewandte Methodik der Berücksichtigung persönlicher Steuern auf inflationsbedingte Kursgewinne stehe in Einklang mit dem geltenden Steuerrecht sowie allgemeinen Grundsätzen der Unternehmensbewertung und sei in der Bewertungspraxis weit verbreitet. Die im Rahmen der Innenfinanzierung in den Jahren 2019 bis 2021 thesaurierten Mittel von € 1,5 Mio. p.a. seien zur Finanzierung von Wachstum erforderlich gewesen und demzufolge nicht verlorengegangen.
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b. Angesichts des in allen Parametern zutreffend angesetzten Kapitalisierungszinssatzes könne es auch insofern nicht zu einer Erhöhung der Barabfindung kommen.
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(1) Der dem Beschluss der Hauptversammlung zugrunde gelegte Basiszinssatz von 1% vor Steuern sei zutreffend entsprechend der Svensson-Methode aus der Zinsstrukturkurve der D Bbk abgeleitet worden. Die ohnehin zulässige Rundung wirke sich hier zugunsten der Minderheitsaktionäre aus. Der Zeitraum von drei Monaten stelle eine angemessene Balance zwischen Aktualität und statistischer Verlässlichkeit dar. Eine Verringerung um die Kosten für Credit Default Swaps lasse sich nicht rechtfertigen.
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(2) Die Ermittlung des Risikozuschlags mit Hilfe des (Tax-)CAPM sei zutreffend erfolgt. Dabei dürfe das weniger verzerrende arithmetische Mittel zugrunde gelegt werden, aus dem sich entsprechend den Empfehlungen des FAUB der Mittelwert von 5,5% aus einer Bandbreite von 5% bis 6% nach Steuern ergebe. Der originäre Beta-Faktor der P… AG spiegele nicht das operative Risiko der Gesellschaft wider, weshalb auf eine Peer Group zurückgegriffen werden müsse, deren Zusammensetzung nicht beanstandet werden könne. Namentlich seien die Umsatzgrößen oder der Sitz im Ausland keine relevanten Größen für diese Auswahl. Infolge der Thesaurierung sinke die Verschuldung der Gesellschaft mit der Folge eines niedrigeren Beta-Faktors. Der angesetzte Wert von 0,95 für den unverschuldeten Beta-Faktor liege am unteren Ende einer Bandbreite von 1,21 für den 2-jährigen und von 0,89 für den 5-jährigen Beobachtungszeitraum.
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(3) Eine Erhöhung des Wachstumsabschlags lasse sich nicht rechtfertigen. Ungeachtet der Wachstumsraten des Marktes für Cloud Computing zeichne sich gerade das wachstumsstarke Segment Public Cloud aufgrund der geringen Wertschöpfungstiefe durch niedrige Markteintrittsbarrieren für potenzielle Wettbewerber aus. Auch im klassischen Out Sourcing-Geschäft seien in der Vergangenheit bereits bei Vertragsverlängerungen den Kunden teilweise Preiszugeständnisse zur Vermeidung der Abwanderung an kostengünstigere Wettbewerber gemacht worden. Der Wachstumsabschlag erfasse nicht das thesaurierungsbedingte Wachstum. Auch müsse er nicht die Höhe der Inflationsrate erreichen, weil nicht zwangsläufig zu erwarten sei, künftige Kostensteigerungen könne die Gesellschaft in vollem Umfang auf die Kunden abwälzen bzw. durch Effizienzsteigerungen auffangen. Die Entwicklung von Unternehmensgewinnen hänge nicht allein von der Inflation, sondern auch von der Markt- und Konkurrenzsituation ab.
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c. Eine Berücksichtigung von Verlustvorträgen als Sonderwert müsse wegen ihres Verbrauchs zum 31.12.2018 ausbleiben. Das steuerliche Einlagenkonto zum 31.12.2018 sei ebenso zutreffend berücksichtigt worden wie auch das € 28 Mio. betragende nicht betriebsnotwendige Vermögen in Form von nicht betriebsnotwendiger Liquidität.
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d. Der maßgebliche Börsenkurs ergebe sich aus dem volumengewichteten Durchschnittskurs über einen Drei-Monats-Zeitraum vor Bekanntgabe der Strukturmaßnahme; auf den Aktienkurs der Gesellschaft vom 12.4.2019 komme es daher nicht an. Etwaige Vorerwerbspreise seien für die Höhe der Barabfindung ohne Bedeutung.
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4. a. Das Landgericht München I hat mit Beschluss vom 29.10.2019, Az. 5HK O 5711/19 (Bl. 79 d.A.) Frau Rechtsanwältin … zur gemeinsamen Vertreterin der nicht selbst als Antragsteller am Verfahren beteiligten ehemaligen Aktionäre bestellt. Der Vorsitzende hat mit Verfügung vom selben Tag die Veröffentlichung der Bekanntmachung dieser Bestellung (Bl. 80 d.A.) im Bundesanzeiger veranlasst. Die gemeinsame Vertreterin rügt im Wesentlichen, die Annahme einer Beschränkung auf regionale Rechenzentren als Grund für das Hemmnis von Wachstum stehe in Widerspruch dazu, dass die Gesellschaft als Vermittlerin für Cloud-Anbieter und dabei insbesondere die globalen Großanbieter auftrete, weshalb sie mittelbar am globalen Marktwachstum partizipiere. Die Marktrisikoprämie müsse abgesenkt werden; bei der Bestimmung des Beta-Faktors solle eine freie Schätzung Vorrang genießen vor der in hohem Maße von subjektiven Komponenten geprägten Ermittlung über eine Peer Group. Heraufgesetzt werden müsse der Wachstumsabschlag, nachdem insbesondere die Aufstellung in spezielleren und kleineren Gebieten höhere Margen und Wachstumsraten in der Zukunft ermögliche.
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b. In der mündlichen Verhandlung vom 5.3.2020 hat das Gericht die gerichtlich bestellten Abfindungsprüfer – Herrn Wirtschaftsprüfer Dr. … Be… sowie Herrn J… von I… – mündlich angehört. Ferner hat das Gericht die Abfindungsprüfer mit Beschlüssen vom 5.3.2020 (Bl. 158 d.A.), vom 15.5.2020 (Bl. 257/260 d.A.) und vom 24.11.2020 (Bl. 320/321 d.A.) gebeten, in ergänzenden Stellungnahmen zu bestimmten Fragen der Unternehmensbewertung Stellung zu nehmen und Alternativberechnungen mit geänderten Parametern zum Kapitalisierungszinssatz sowie zu Fragen der Ausschüttung bzw. Thesaurierung vorzulegen. Hinsichtlich des Ergebnisses der mündlichen und schriftlichen Anhörung der Abfindungsprüfer wird in vollem Umfang auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 5.3.2020 (Bl. 130/158 d.A.) sowie die allen Verfahrensbeteiligten zugestellten ergänzenden Stellungnahmen der Abfindungsprüfer vom 1.4.2020 (Bl. 192/218 d.A.), vom 1.7.2020 (Bl. 267/290 d.A.) und vom 15.12.2020 (Bl. 326/339 d.A.) Bezug genommen.
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5. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 5.3.2020 (Bl. 130/158 d.A.).
B.
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Die Anträge auf Festsetzung einer angemessenen Barabfindung sind zulässig, jedoch nicht begründet.
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I. Die Anträge aller Antragsteller sind zulässig.
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1. Die Antragsteller sind jeweils antragsbefugt im Sinne des § 3 Satz 1 Nr. 2 SpruchG, weil sie im Zeitpunkt der Eintragung des Beschlusses über den Squeeze out in das Handelsregister der P… AG am 10.4.2019 Aktionäre der Gesellschaft waren. Die Antragsgegnerin hat den entsprechenden Antrag aller Antragsteller entweder von vornherein nicht bestritten oder im Laufe des Verfahrens unstreitig gestellt bzw. nicht mehr bestritten, weshalb er gemäß §§ 8 Abs. 3 SpruchG, 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt.
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2. Die Anträge wurden jeweils fristgerecht gem. § 4 Abs. 1 Nr. 3 SpruchG beim Landgericht München I eingereicht, also innerhalb einer Frist von drei Monaten ab Bekanntmachung der Eintragung des Übertragungsbeschlusses entsprechend den Vorgaben aus § 10 HGB. Diese Bekanntmachung erfolgte am 11.4.2019, weshalb die Frist am 11.7.2019 endete. Spätestens an diesem Tag gingen alle Anträge zumindest per Telefax und folglich fristwahrend beim Landgericht München I ein.
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3. Alle Antragsteller haben innerhalb der Frist des § 4 Abs. 1 SpruchG konkrete Einwendungen gegen die Angemessenheit der Kompensation erhoben, weshalb die Voraussetzungen von § 4 Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 SpruchG erfüllt sind. Aufgrund dieser Vorschrift sind konkrete Einwendungen gegen die Angemessenheit nach § 1 SpruchG oder gegebenenfalls den als Grundlage für die Kompensation ermittelten Unternehmenswert in die Antragsbegründung aufzunehmen. Diesen Anforderungen werden alle Anträge gerecht, weil die Anforderungen an die Konkretisierungslast nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer in Übereinstimmung mit dem BGH nicht überspannt werden dürfen (vgl. BGH NZG 2012, 191, 194 = ZIP 2012, 266, 269 = WM 2012, 280, 283 = DB 2012, 281, 284; LG München I ZIP 2015, 2124, 2126; Beschluss vom 21.6.2013, Az. 5HK O 19183/09; Beschluss vom 28.5.2014, Az. 5HK O 22657/12; Beschluss vom 30.6.2017, Az. 5HK O 13182/15; Drescher in: BeckOGK, Stand 1.2.2021, § 4 SpruchG Rdn. 22). Die Antragsgegnerin hat insoweit auch keine Bedenken geäußert, weshalb weitere Ausführungen hierzu nicht veranlasst sind.
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II. Die Anträge sind jedoch nicht begründet, weil die Barabfindung in Höhe von € 9,64 je Aktie als angemessen angesehen werden muss.
47
Aufgrund von § 327 b Abs. 1 Satz 1 AktG legt der Hauptaktionär die Höhe der Barabfindung fest; sie muss die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung ihrer Hauptversammlung berücksichtigen. Die Barabfindung ist dann angemessen, wenn sie dem ausscheidenden Aktionär eine volle Entschädigung dafür verschafft, was seine Beteiligung an dem arbeitenden Unternehmen wert ist, die also den vollen Wert seiner Beteiligung entspricht. Unter Berücksichtigung des Eigentumsgrundrechts aus Art.14 Abs. 1 GG muss der Aktionär einen vollständigen wirtschaftlichen Ausgleich für die Beeinträchtigung seiner vermögensrechtlichen Stellung als Aktionär gewährt werden, wobei dieser Ausgleich nicht unter dem Verkehrswert liegen darf. Hierzu muss der „wirkliche“ oder „wahre“ Wert des Anteilseigentums widergespiegelt werden. Zu ermitteln ist also der Grenzpreis, zu dem der außenstehende Aktionär ohne Nachteil aus der Gesellschaft ausscheiden kann (vgl. nur BGH NZG 2020, 1386, 1387 = AG 2020, 949, 950 = ZIP 2020, 2230, 2232 = WM 2020, 22139, 2140 = DB 2020, 2399, 2401 = DZWIR 2021, 104, 105 f. = DStR 2020, 2742, 2743 – Wella III; OLG München WM 2009, 1848 f. = ZIP 2009, 2339, 2340; ZIP 2007, 375, 376; AG 2020, 133, 134 f. = WM 2019, 2104, 2106; Beschluss vom 11.9.2014, Az. 31 Wx 278/13; OLG Frankfurt AG 2012, 513, 514 = ZIP 2012, 124, 126; AG 2017, 790, 791 = Der Konzern 2018, 74, 75; Beschluss vom 28.3.2014, Az. 21 W 15/11, zit. nach juris; OLG Stuttgart ZIP 2010, 274, 276 = WM 2010, 654, 646; OLG Düsseldorf AG 2019, 92, 94 = ZIP 2019, 370, 373 = DB 2018, 2108, 2111; LG München I AG 2016, 51, 52 = ZIP 2015, 2124, 2127; AG 2020, 222, 223; Beschluss vom 24.5.2013, Az. 5HK O 17096/11; Beschluss vom 30.6.2017, Az. 5HK O 13182/15).
48
1. Der Unternehmenswert wurde dabei im Ausgangspunkt zutreffend unter Anwendung der Ertragswertmethode ermittelt, bei der es sich um eine in der Wissenschaft wie auch der Praxis anerkannte Vorgehensweise handelt (vgl. hierzu nur Peemöller/Kunowski in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, 7. Aufl., S. 333), die folglich auch der Ermittlung des Unternehmenswertes der P… AG zugrunde gelegt werden kann. Danach bestimmt sich der Unternehmenswert primär nach dem Ertragswert des betriebsnotwendigen Vermögens; er wird ergänzt durch eine gesonderte Bewertung des nicht betriebsnotwendigen Vermögens, das regelmäßig mit dem Liquidationswert angesetzt wird.
49
Der Ertragswert eines Unternehmens wird dabei durch Diskontierung der den Unternehmenseignern künftig zufließenden finanziellen Überschüsse gewonnen, die aus den künftigen handelsrechtlichen Erfolgen abgeleitet werden. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass es einen exakten oder „wahren“ Unternehmenswert zum Stichtag nicht geben kann. Vielmehr kommt dem Gericht die Aufgabe zu, unter Anwendung anerkannter betriebswirtschaftlicher Methoden den Unternehmenswert als Grundlage der Abfindung im Wege der Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO zu bestimmen (vgl. nur BGHZ 208, 265, 272 = NZG 2016, 461, 462 = AG 2016, 359, 360 f. = ZIP 2016, 666, 668 = WM 2016, 711, 713 f. = DB 2016, 883, 885 = MDR 2016, 658 f. = NJW-RR 2016, 610, 611 f.; OLG München WM 2009, 1848, 1849 = ZIP 2009, 2339, 2340; AG 2007, 287, 288; Beschluss vom 11.9.2014, Az. 31 Wx 278/13; OLG München, Beschluss vom 13.11.2018, Az. 31 Wx 372/15; OLG Stuttgart AG 2007, 128, 130; OLG Düsseldorf WM 2009, 2220, 2224; AG 2016, 329 = ZIP 2016, 71, 72 = WM 2016, 1685, 1687; OLG Frankfurt AG 2012, 513, 514 = ZIP 2012, 124, 126; LG München I Der Konzern 2010, 188, 189; AG 2016, 51, 52 = ZIP 2015, 2124, 2127; Beschluss vom 28.6.2013, Az. 5HK O 18685/11; Beschluss vom 28.4.2017, Az. 5HK O 16513/11; Beschluss vom 30.5.2018, Az. 5HK O 10044/16; Beschluss vom 29.8.2018, Az. 5HK O 15685/15; Beschluss vom 28.3.2019, Az. 5HK O 3374/18). Dabei ist es nicht geboten, zur Bestimmung des wahren „Wertes“ stets jede denkbare Methode der Unternehmensbewertung heranzuziehen oder die Kompensationsleistung nach dem Meistbegünstigungsprinzip zu berechnen. Verfassungsrechtlich geboten sind nur die Auswahl einer im vorliegenden Fall geeigneten, aussagekräftigen Methode und die gerichtliche Überprüfbarkeit ihrer Anwendung (vgl. BVerfG NJW 2011, 2497, 2498 = NZG 2011, 869, 870 = AG 2011, 511 f. = ZIP 2011, 1051, 1053 = WM 2011, 1074, 1075 f. = BB 2011, 1518, 1520; NZG 2012, 907, 908 f. = AG 2012, 625, 626 = ZIP 2012, 1408, 1410 = WM 2012, 1374, 1375 = BB 2012, 2780 f.; OLG München AG 2020, 133, 134 = WM 2019, 2104, 2106; Beschluss vom 30.7.2018, Az. 31 Wx 136/16; OLG Düsseldorf AG 2016, 864, 865). Die Ertragswertmethode ist – wie ausgeführt – in Rechtsprechung und Literatur wie auch der bewertungsrechtlichen Praxis weithin anerkannt. Auch bei dem Standard IDW S1 handelt es sich um eine fachliche Bewertungsweise, mit deren Hilfe der Ertragswert bestimmt werden kann. Die Kammer sieht diese Methode, auch wenn sie von einem privaten Verein entwickelt wurde und daher keinen bindenden Rechtsnormcharakter haben kann, als zur Unternehmenswertermittlung geeignet an, weshalb sie hier zugrunde gelegt werden kann.
50
Die Möglichkeit, den Unternehmenswert anhand des Ertragswertverfahrens entsprechend den Grundsätzen des IDW S1 sachgerecht zu ermitteln, zeigt sich letztlich auch aus der Wertung der §§ 199 ff. BewG. Aufgrund von § 201 BewG bildet der zukünftig nachhaltig zu erzielende Jahresertrag die Grundlage für die Bewertung bei steuerlichen Anlässen. Dieses Verfahren ist zwar von Typisierungen geprägt, um die steuerliche Abwicklung zu erleichtern (vgl. Krumm in: Leingärtner, Besteuerung der Landwirte, 39. Erg.Lfg, Stand: September 2020, Kap. 94 Rdn. 25), orientiert sich aber von der Methodik her an den Grundsätzen des Ertragswertverfahrens entsprechend dem Standard IDW S1, wie es sich in der – auch von der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung gebilligten – Praxis durchgesetzt hat. Der Gesetzgeber geht in §§ 199 ff. BewG sehr wohl davon aus, dass sich der Unternehmenswert auf diese Art und Weise durch Kapitalisierung der künftig zu erzielenden Überschüsse ermitteln lässt, wies dies auch dem Standard IDW S1 zugrunde liegt (vgl. auch OLG München AG 2020, 133, 136 = WM 2019, 2104, 2113 f.). Daher ist den im Hinweisbeschluss des Landgerichts Köln, Az. 82 O 2/16 geäußerten Zweifeln an der Tragfähigkeit der Ermittlung des objektivierten Unternehmenswerts nach dem Standard IDW S1 nicht zu folgen.
51
Auf dieser Basis kann keinesfalls eine höhere Barabfindung als € 22,16 je Aktie angesetzt werden.
52
a. Grundlage für die Ermittlung der künftigen Erträge ist die Planung der Gesellschaft, die auf der Basis einer Vergangenheitsanalyse vorzunehmen ist und vorliegend auch vorgenommen wurde. Bei Anwendung des Ertragswertverfahrens sind die in die Zukunft gerichteten Planungen der Unternehmen und die darauf aufbauenden Prognosen ihrer Erträge allerdings nur eingeschränkt überprüfbar. Sie sind in erster Linie ein Ergebnis der jeweiligen unternehmerischen Entscheidung der für die Geschäftsführung verantwortlichen Personen. Diese Entscheidungen haben auf zutreffenden Informationen und daran orientierten, realistischen Annahmen aufzubauen; sie dürfen zudem nicht in sich widersprüchlich sein. Kann die Geschäftsführung auf dieser Grundlage vernünftigerweise annehmen, ihre Planung sei realistisch, darf diese Planung nicht durch andere – letztlich ebenfalls nur vertretbare – Annahmen des Gerichts oder anderer Verfahrensbeteiligter ersetzt werden (vgl. BVerfG NJW 2012, 3020, 3022 = NZG 2012, 1035, 1037 = AG 2012, 674, 676 = ZIP 2012, 1656, 1658 = WM 2012, 1683, 1685 f.; OLG München BB 2007, 2395, 2397; ZIP 2009, 2339, 2340 = WM 2009, 1848, 1849; Beschluss vom 11.9.2014, Az. 31 Wx 278/13; OLG Stuttgart NZG 2007, 112, 114; AG 2006, 420, 425; 2007, 705, 706). Demzufolge kann eine Korrektur der Planung nur dann erfolgen, wenn diese nicht plausibel und unrealistisch ist (vgl. OLG München WM 2009, 1148, 1849 = ZIP 2009, 2339, 2340; OLG Frankfurt ZIP 2010, 729, 731; OLG Karlsruhe AG 2013, 353, 354; OLG Stuttgart AG 2014, 291, 296 f.; OLG Düsseldorf AG 2015, 573, 575 = Der Konzern 2016, 94, 96 = DB 2015, 2200, 2202; LG München I Der Konzern 2010, 188, 189 f.; ZIP 2015, 2124, 2127; Beschluss vom 28.6.2013, Az. 5HK O 18685/11; Beschluss vom 8.2.2017, Az. 5HK O 7347/15; Beschluss vom 28.4.2017, Az. 5HK O 16513/11; Beschluss vom 28.3.2019, Az. 5HK O 3374/18). Diese Grundsätze wurden bei der P… AG zutreffend angewandt.
53
(1) Dies gilt zunächst für die allgemeinen Erwägungen, auf denen die Planung der P… AG beruht.
54
(a) Aus der Analyse der Vergangenheit lässt sich kein Rückschluss auf eine fehlerhafte und für eine Bewertung untaugliche Bewertungssystematik ziehen. Diese Analyse verfolgt in erster Linie den Zweck zu ermitteln, inwieweit die für die Ermittlung des Ertragswertes wesentlichen und bestimmenden Zukunftsprognosen tragfähig und plausibel sind (vgl. OLG Frankfurt AG 2020, 955, 956; LG München I AG 2020, 222, 224 = Der Konzern 2020, 311, 312). Zwar zeigt der Plan-Ist-Vergleich auf, dass es im Zeitraum der Vergangenheitsanalyse von 2015 bis 2018 zu nicht unerheblichen Abweichungen bei den Umsatzerlösen wie auch dem EBIT kam. Daraus kann aber bei der Gesellschaft kein Rückschluss auf eine fehlerhafte Planungssystematik gezogen werden. Die Abfindungsprüfer verwiesen im Verlaufe ihrer Anhörung auf Verzögerungen von Projekten und das Erfordernis eines vermehrten Einsatzes von Fremdleistungen; ebenso spielen unvorhersehbare Dinge wie der Abgang von Service- oder Vertriebsteams hier eine Rolle. Derartige Ereignisse sind regelmäßig nicht vorhersehbar, kommen aber in Unternehmen immer wieder vor. Auch muss gesehen werden, dass die Planverfehlung im ersten Jahr nach der Aufstellung im Laufe der Zeit vor allem bei den Umsatzerlösen – ausgenommen das Planjahr 2016 – vergleichsweise gering ausfiel. Für die fernere Zukunft ist es nachvollziehbar, dass die Prognosequalität und -genauigkeit abnimmt, weil sich hier unvorhersehbare Ereignisse addieren. Die Abfindungsprüfer zeigten auch auf, dass sich im Verlaufe der Jahre der Vergangenheitsanalyse die Planung stabilisierte, was auf dem Anstieg wiederkehrender Umsatzerlöse beruhte.
55
(b) Von einer nicht mehr eigenständigen Planung des Vorstandes der P… AG, bei der es zu Eingriffen seitens der Antragsgegnerin gekommen sein könnte, kann nicht ausgegangen werden. Herr Dr. Be… erläuterte im Termin vom 5.3.2020, aus den Gesprächen mit den Ansprechpartnern bei der Gesellschaft hätten sich hierfür keinerlei Anhaltspunkte gegeben, auch wenn der Alleinvorstand Richter zugleich Mitglied des Vorstands der Antragsgegnerin war. Die Abfindungsprüfer fanden keinerlei Hinweise dafür, Planvorgaben von Beteiligten seien in irgendeiner Weise von außen gekommen und vom Controlling der Gesellschaft nicht akzeptiert worden. Ebenso wenig gab es eine nachträgliche Korrektur der Planung. Auch stimmt die Planungssystematik der Vergangenheit mit der überein, die der Unternehmensbewertung zugrunde gelegt wurde. Es gab neben der Hochrechnung für das laufende Geschäftsjahr, in dem die Planung erstellt wurde, eine Detailplanung der G+V-Rechnung für das Geschäftsjahr 2019 als erstem Planjahr und eine nicht mehr ganz so detailliert fortgeführte Planung für die beiden nachfolgenden Planjahre 2020 und 2021. Da für die Planung top down der kaufmännische Leiter und der Controller die Verantwortung trugen, spricht auch dieser Umstand gegen Einflussnahmen seitens der Antragsgegnerin.
56
(c) Die Beurteilung des Planungsprozesses vernachlässigt nicht die zentrale Finanzierungs- und Managementfunktion der Antragsgegnerin. Die Planung der Gesellschaft bezog ihre gegenwärtigen Geschäftsbeziehungen zur Antragsgegnerin mit ein, was die Zusammenarbeit im Konzern einschließlich konzerninterner Dienstleistungen umfasste – Veränderungen zur bisher gehandhabten Praxis wurden dabei nicht erkennbar. Die sich aus einem Cashpool ergebende Problematik spielte bei der Bewertung und vor allem auch bei der Prüfung eine weniger bedeutende Rolle, weil das Zinsergebnis nicht auf der Basis liquider Mittel von € 30 Mio. entsprechend dem Ausweis in der Bilanz geplant wurde, sondern weil € 28 Mio. als nicht betriebsnotwendiges Vermögen gesondert bewertet wurden. Die verbleibenden liquiden Mittel müssen nach den Erläuterungen von Herrn Dr. Be… als betriebsnotwendig angesehen werden, weshalb eine Verzinsung ausbleiben muss; sie müssen für die laufenden Kosten stets verfügbar sein. Erst später wird bei nicht betriebsnotwendiger Liquidität eine Guthabenverzinsung mit dem Basiszinssatz unterstellt, was sich risikomindernd auswirkt. In der Fortschreibung kann es nämlich aufgrund von Investitionszyklen zu Unterschieden zwischen dem Cashflow und den Ausschüttungen kommen, weshalb sich wieder nicht betriebsnotwendige Liquidität ansammeln kann, die für das Jahr 2038 mit € 10 Mio. angesetzt wurde und zu einem im Vergleich zum unverschuldeten Beta-Faktor niedrigeren Beta-Faktor führen kann.
57
(d) Die Möglichkeit der Kapitalherabsetzung bis auf das Mindestgrundkapital von € 50.000,- mit ihren Auswirkungen auf den Ertragswert waren ebenso wenig zu untersuchen wie stille Reserven. Dies stünde in Widerspruch zur Wurzeltheorie. Danach sind nur solche Faktoren zu berücksichtigen, die zu den am Stichtag herrschenden Verhältnissen bereits angelegt waren (vgl. nur BGHZ 138, 136, 140; 140, 35, 38 = NZG 1999, 70, 71; BGH NZG 2016, 139, 143 = AG 2016, 135, 141 = ZIP 2016, 110, 115 = WM 2016, 157, 162 = = BB 2016, 304, 305 = DB 2016, 160, 165 = NJW-RR 2016, 231, 236 = DStR 2016, 424, 427 = MDR 2016, 337, 338; OLG München AG 2015, 508, 511 = ZIP 2015, 1166, 1169; OLG Frankfurt AG 2016, 551, 553; OLG Düsseldorf WM 2009, 2220, 2224; OLG Stuttgart NZG 2007, 478, 479; AG 2008, 510, 514; LG München I, Urteil vom 18.1.2013, Az. 5HK O 23928/09; Beschluss vom 28.5.2014, Az. 5 HK O 22657/12; Beschluss vom 6.3.2015, Az. 5HK O 662/13; Beschluss vom 29.8.2018, Az. 5HK O 16585715; Beschluss vom 28.3.2019, Az. 5HK O 3374/18; Riegger in: Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl., Anh § 11 SpruchG Rdn. 10; Riegger/Wasmann in: Festschrift für Goette, 2011, S. 433, 435; Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, 7. Aufl., Rdn. 315). Es gab zum Stichtag der Hauptversammlung am 10.1.2019 indes keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Einberufung einer Hauptversammlung mit einer Herabsetzung des Grundkapitals entsprechend §§ 222 ff. AktG oder §§ 229 ff. AktG oder eine Liquidation, bei der es zum Heben stiller Reserven – anders als bei der hier anzunehmenden Fortführung des Unternehmens – geplant gewesen sein könnte.
58
(2) Die Umsatzplanung muss als plausibel eingestuft werden und bedarf folglich keiner Korrektur.
59
(a) Aus dem Jahresabschluss zum 31.12.2018 lassen sich keine Hinweise auf eine zu pessimistische Planung ableiten. Die Abfindungsprüfer ließen sich am 4.1.2019 – also knapp eine Woche vor dem Stichtag der Hauptversammlung – die aktuellen Zahlen des Controllings mit einem Update vom 27.12.2018 vorlegen. Zudem erhielten sie am 7.1.2019 eine weitere Aktualisierung der Hochrechnung. Aus diesen aktuellen Zahlen ergab sich, dass diese leicht unter dem Plan lagen. Zwar erhöhten sich auf der Basis dieser aktuellen Informationen die Summe der Umsatzerlöse im Vergleich zur vorläufigen Hochrechnung aus dem Jahr 2018, die ihnen im Rahmen der Prüfung zur Verfügung stand, um 1,6% bzw. 2,4%. Doch stiegen gleichzeitig auch die Aufwendungen, weshalb es zu einer Kompensation des Umsatzwachstums durch höhere Kosten kam. Namentlich bei den Wareneinsätzen/Fremdleistungen musste die Gesellschaft ausweislich der Ausführungen in der ergänzenden Stellungnahme vom 1.4.2020 überproportionale Kostenanstiege von 6,7% bzw. 8.4% hinnehmen, wobei der Schwerpunkt bei den deutlich über den Planansätzen liegenden externen Wareneinsätzen im Segment Public Cloud lag, wo die ursprünglich geplanten Rohertragsmargen auf dieser Kostensteigerungen nicht mehr erzielt werden konnten. Demgemäß war das tatsächliche Ergebnisniveau aus der aktualisierten Hochrechnung beim EBITDA um € 600.000,- bzw. 6,6% schlechter als im Rahmen der Unternehmensbewertung angenommen. Eine zu pessimistische Planung kann daraus nicht abgeleitet werden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem von der Antragsgegnerin im Nachgang zum Termin vom 5.3.2020 vorgelegten Prüfungsberichten der P… AG, der C… P… AG & CO. KG sowie den Jahresabschlüssen der P… N… Beteiligungs GmbH sowie der P… E… S… GmbH jeweils zum 31.12.2018. Die Abfindungsprüfer leiteten in ihrer ersten ergänzenden Stellungnahme aus diesen Zahlen ab, dass das EBIT der P…-Gruppe von € 5,07 Mio. geringfügig unter dem EBIT der konsolidierten und vorläufigen Hochrechnung von 2018 lag.
60
Angesichts dessen kann aus den ohnehin ex post – nach dem Stichtag der Hauptversammlung – erstellten Jahresabschlüssen für 2018 kein höheres Umsatzniveau für die Planjahre 2019 bis 2021 abgeleitet werden.
61
(b) Der Anstieg des Umsatzes von € 66 Mio. in 2019 auf € 84 Mio. im Jahr 2021 kann nicht als zu pessimistisch angesetzt angenommen werden, auch wenn im Cloud-Markt deutlich höhere Wachstumsraten verzeichnet werden. Herr Dr. Be… verwies im Termin vom 5.3.2020 vor allem darauf, dass die Entwicklung des Gesamtumsatzes bei der P… AG einer differenzierenden Betrachtung bedürfe. Das traditionelle Hauptgeschäft liegt im Outsourcing mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 11,5%. Im Bereich der Public Cloud sind die Wachstumsraten sehr viel höher, wobei allerdings auch die niedrigere Ausgangsbasis für die prozentualen Berechnungen zu beachten ist. Bei der Public Cloud soll es im Jahr 2019 fast zu einer Verdoppelung der Umsätze von € 5,289 Mio. auf € 10,26 Mio. kommen; im Jahr 2020 ist eine Steigerung auf € 14,32 Mio. und im letzten Planjahr auf € 17,58 Mio. angenommen, woraus sich ein CAGR von 49,2% im Zeitraum von 2018 bis 2021 errechnet. Allerdings ist der Bereich der Public Cloud margenschwächer – die Rohertragsmarge soll im Jahr 2019 bei 20% und in den beiden anderen Jahren bei jeweils 17% liegen.
62
(c) Auch wenn der Umsatzanstieg im Jahr 2020 auf einer Umsatzausweitung mit einem Bestandskunden zurückzuführen ist, kann daraus nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, die Planung weise praktisch keine Neukundengewinnung und keinen Umsatzanstieg mit Bestandskunden aus. Die Abfindungsprüfer wiesen ausdrücklich darauf hin, dass die Planung auch eine Neukundengewinnung zugrunde legte. Das Gewinnen von Neukunden und Umsatzsteigerungen mit Bestandskunden müssen auch deshalb sachgerecht in die Planung eingeflossen sein, weil es daneben ebenso zum Verlust von Bestandskunden kommt. Die Churn Rate bezifferten die Abfindungsprüfer auf etwa 8% bis 9%. Zudem wiesen sie darauf hin, dass bei Vertragsverlängerungen Kunden vielfach Preisnachlässe verlangen. Ungeachtet dieses auch auf zusätzliche Kundengewinne beruhenden Umsatzanstiegs und zu berücksichtigender Skaleneffekte führt das Absinken der Rohertragsmarge im Bereich der Public Cloud nicht zur Annahme einer unplausiblen und damit korrekturbedürftigen Planung. In diesem Bereich steht die Gesellschaft nämlich zwischen den Anbietern der Software und dem Endkunden. Dabei muss in einem reifer werdenden Markt mit zurückgehenden Rohertragsmargen gerechnet werden. In einem solchen Markt können die Kunden die Leistungen auch bei den großen Cloud-Anbietern wie Mi…, A… oder Y… nachfragen. Daraus resultiert aber dann gerade der Margendruck, weil diese Anbieter die Preise diktieren. Zudem werden die Preise immer transparenter, wodurch auch von der Umsatzseite her Druck auf die Preise ausgeübt wird.
63
In diesem Zusammenhang darf auch nicht übersehen werden, dass die Roherträge in der Detailplanungsphase von € 35,905 Mio. entsprechend der Hochrechnung für das Jahr 2018 bis auf € 50,516 Mio. erheblich ansteigen, weshalb auch die Zahlen das Marktpotenzial der Gesellschaft reflektieren. Dann aber kann allein aus einem Alleinstellungsmerkmal der P… AG als Mehrfachanbieter eine unplausible Planung nicht angenommen werden. Zudem muss beachtet werden, dass Public Cloud ein junges Geschäftsmodell ist und erst seit 2016 von der Gesellschaft angeboten wird, wobei damit das Ziel verfolgt wurde, zu verhindern, dass Kunden die Leistungen bei den Hyperscalern beziehen. Selbst wenn diese ihre eigenen Preismodelle zwecks Maximierung ihrer eigenen Ergebnisse regelmäßig anpassen, verhindert dieser Umstand nicht, dass die Gesellschaft einem erheblichen Margendruck ausgesetzt ist. Zudem wies Herr Wirtschaftsprüfer So… von der Bewertungsgutachterin im Termin vom 5.3.2020 darauf hin, dass auch sehr viel größere Unternehmen derartige Lizenzen im Vergleich zur P… AG zu günstigeren Konditionen anbieten können. Auch dies macht Zugeständnisse der Gesellschaft beim Preis erforderlich.
64
(d) Allein die Tatsache, dass der Gesamtmarkt über alle Cloud-Segmente mit 17,5% stärker wächst als die P… AG mit 15,2% im Zeitraum von 2018 bis 2021 und damit der Anteil des Umsatzes am Gesamtmarkt leicht zurückgeht, beruht auf der fehlenden Strategie zur Internationalisierung. Bei der Gesellschaft gab es keine korrespondierende Planung, die den Aufbau geeigneter ausländischer Vertriebs- und Servicemitarbeiter sowie den Aufbau ausländischer Rechenzentrum oder die Verlagerung der Backbones vorsah. Angesichts des deutlich serviceintensiveren und deutlich größeren Segments Cloud Business Process Services – vergleichbar dem klassischen Outsourcing, kann die Gesellschaft am weltweiten Wachstumspotenzial so nicht teilhaben, wie die Abfindungsprüfer in der dritten ergänzenden Stellungnahme dargestellt haben.
65
(e) Die rückläufige Wachstumsrate ist nicht deshalb unplausibel, weil es hohe Bürden für den Markteintritt in Form von Kapitalbedarf, Know how und der Bereitstellung der Strukturen geben könnte. Davon kann nämlich nach den Erläuterungen von Herrn Dr. Be… und Herrn J… nicht ausgegangen werden. Public Cloud hat nämlich gerade keine hohen Markteintrittsbarrieren. Es ist eine Art Portal zu errichten; dann werden Speicher- und Softwarekapazitäten an Dritte verkauft, wobei man auch gegen andere etablierte Verkehrswege und den Direktvertrieb durch die Softwareanbieter antreten muss. Dem kann nicht entgegengehalten werden, es gebe deutlich höhere Eintrittsbarrieren für das Rundumpaket mit beispielsweise automatischen Updates ohne weitere Installationen. Dieses Geschäftsfeld betrifft nämlich gerade nicht die Public Cloud, sondern die Private Cloud, also das angeschlossene Rechenzentrum eines Unternehmens, das im Rechenzentrum der Gesellschaft in einem abgeschlossenen Bereich betreut und bedient wird, wo es zudem eine Firewall zum Schutz der Daten gibt. Im Bereich der Public Cloud sind dagegen die Markteintrittsbarrieren niedrig.
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(f) Aus der Rüge eines im Vergleich zu den Wachstumsraten des Marktdurchschnitts kann nicht auf einen Korrekturbedarf bei der Planung geschlossen werden, auch wenn die P… AG über die besseren Ressourcen verfüge und sich gegenüber den großen Anbietern behaupten könne. Der Vergleich zeigt nämlich, dass die Gesellschaft gerade nicht hinter dem Marktwachstum zurückbleibt. Vergleicht man die Zahlen aus einer Studie von Ga… und die Peer Group-Schätzungen von Analysten, so geht Ga… in der mit dem Segment Qutsourcing bei der Gesellschaft vergleichbaren Segment „Business Process as a Service“ für den Zeitraum von 2018 bis 2021 von einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 8% aus, während die Planungsrechnung der P… AG für dieselbe Spanne ein CAGR von 11,6% aufweist. Für den Public Cloud-Bereich geht Ga… von einem durchschnittlichen Wachstum von 21,9% aus; im Vergleich dazu beträgt diese Rate bei der Gesellschaft 49,2%. In der Tendenz gehen im Bereich „Business Process as a Service“ die Wachstumsraten nach der Studie von Ga… von 8,9% auf 7,95% und im Bereich „Software as a Service“ als Teilbereich der Public Cloud von 22% auf knapp 15% zurück. Diese Tendenz stimmt mit der bei der P… AG in der Planung angesetzten Entwicklung überein, weshalb auch insoweit die Plausibilisierung durch den Vergleich mit einer Marktstudie für die Plausibilität der Planannahmen spricht.
67
(g) Von einer Überbetonung der Risiken kann in der Unternehmensplanung nicht ausgegangen werden, auch wenn die P… AG im deutschen Mittelstand gut etabliert ist und es zu einem weltweiten Anstieg der Umsätze im Cloud Computing kommen werde. Der Markt der Gesellschaft ist auf Deutschland beschränkt. Dies limitiert die Wachstumschancen in nicht unerheblichem Umfang, wobei das vorhandene Wachstum auch entsprechend den obigen Ausführungen in der Planung der Gesellschaft abgebildet ist. Auch bieten die Zahlen von Ga… hier eine gewisse Orientierung, selbst wenn die Prüfer keine Zahlen in dieser Studie sahen, die sich auf Deutschland beziehen. Allerdings ist dabei nicht zu verkennen, dass es im internationalen Bereich Märkte gibt, die sicherlich deutlich stärker wachsen als der Markt in Deutschland, weshalb allein aus der Studie nicht 1 : 1 auf die Lage am Markt der P… AG geschlossen werden kann.
68
Der nicht zu unterschätzende Vorteil der Datenspeicherung in Deutschland einschließlich der Vereinbarkeit mit den Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung wird von der Gesellschaft beworben und floss demgemäß auch in die Planung ein, nachdem sich dieser Vorteil bereits in den Jahren der Vergangenheitsanalyse ausgewirkt hatte. Namentlich die Präferenz für die Datenspeicherung in Deutschland trägt wesentlich zu dem Wachstum auch gegen starke internationale Konkurrenz wie Y… bei, das große Data-Seiten aufbaut. Gerade deshalb ist es sehr gut nachvollziehbar, dass das Umsatzwachstum im Private Cloud-Bereich auch von diesem Faktor der Datensicherheit getrieben wird.
69
(h) Aus deutlich höheren Wachstumsraten bei der SAP SE mit 34%, 28% und 20,6% lässt sich keine Schlussfolgerung dergestalt ziehen, bei der P… AG müsse ebenfalls mit höheren Wachstumsraten gerechnet werden. Zwar weist auch die SAP SE Cloud Computing-Komponenten auf; doch unterscheidet sich ihr Geschäftsmodell deutlich von dem der P… AG. Der Schwerpunkt der SAP SE liegt im Software-Geschäft, das durch neue Produkte oder Teilprodukte ergänzt wird und gut skalierbar ist. Dabei können immer mehr Lizenzen bei geringen Mehrkosten verkauft werden. Aus den namentlich von den Antragstellerinnen zu 74) und 75) herangezogenen Ist-Zahlen der Antragsgegnerin für das Geschäftsjahr 2020 lässt sich kein Rückschluss auf die Fehlerhaftigkeit der Planung ziehen. Zum einen müssen die Planannahmen aus Sicht ex ante zum Stichtag beurteilt werden. Die Entwicklung der Ist-Zahlen kann danach allenfalls der Plausibilisierung dienen. Zum anderen kann aus der Entwicklung bei einer anderen Gesellschaft, auch wenn es sich dabei um die Konzernobergesellschaft handelt – nicht auf die mangelnde Plausibilität der Planannahmen bei der P… AG geschlossen werden. Das Jahr 2020 betrifft die Detailplanungsphase, bei der in der Planung der P… AG tatsächlich mit höheren Wachstumsraten gerechnet wurde.
70
(i) Aus einer Sonderkonjunktur durch die Kundenwanderung von der Antragsgegnerin hin zur P… AG können keine höheren Wachstumsraten abgeleitet werden. Die Abfindungsprüfer bestätigten zwar, dass im Bereich Public Cloud Kunden der Antragsgegnerin in die Public Cloud der Gesellschaft vermittelt werden. Auch wenn dieses Kundenpotenzial endlich ist, wird gerade in der Fortschreibung der Planung gerade nicht unterstellt, dass dies 2021 aufhören würde. Damit ist aber auch kein Ende im Jahr 2020 anzunehmen. Dieses Potenzial floss somit in die Planannahmen ein.
71
(j) Ein Vergleich mit Marktstudien bestärkt die Annahme einer nicht zu pessimistischen Planung, denn die Wachstumsraten liegen ohne die Public Cloud mit 10,2% über dem angenommenen Wachstum aus der Marktanalyse von Ga… mit 8%. Selbst im letzten Planjahr für den Bereich Public Cloud liegt das angenommene Wachstum von 22,8% noch immer deutlich über dem Ansatz von Ga… für die Zeitspanne von 2018 bis 2021 und von 18,7% im Jahr 2021 entsprechend der April-Studie bzw. von 18,6% aus der Studie von September 2018. Auch die von einigen Antragstellern herangezogene Studie von Ga… aus dem April 2019 bestätigt für das Cloud Segment „Business Process as-a-Service“, das mit dem Outsourcing vergleichbar ist, rückläufige Wachstumsraten von nur mehr 7,2% vom Jahr 2021 auf das Jahr 2022, nachdem nach dieser Studie das Wachstum von 2020 auf 2021 noch bei 7,3% und nach den Ga… -Studien von April und September 2018 bei 7,9% bzw. 7,4% liegen soll. Auch für den Gesamtmarkt des Cloud Computing geht die Ga… -Studie von April 2019 nur mehr von einem Wachstum von 14,5% für das Jahr 2022 und noch 16,1% in 2021 aus. Diese zurückgehende Umsatzdynamik bildet auch die Konvergenzphase ab, weshalb bei der Gesellschaft nicht höhere Wachstumsraten als 20% beim Umsatz angenommen werden können.
72
(3) Bei der Aufwandsplanung und den damit verbundenen Margen müssen angesichts der Plausibilität der Ansätze in Phase I keine Veränderungen vorgenommen werden.
73
(a) Dies gilt zunächst für den steigenden Wareneinsatz und Fremdleistungen in ihrem Gesamtumfang, wobei vor allem der wachsende Anteil der Public Cloud einen höheren Wareneinsatz in Form der Entgelte für die zu erwerbenden Lizenzen verlangt. Ohne diese Lizenzen könnte die Gesellschaft nicht die geplanten Umsatzerlöse generieren. Die Fremdleistungen ergeben sich aus geplanten Umsatzsteigerungen und Neukunden im Bereich Private Cloud, die mit dem vorhandenen Personal nicht zu erledigen sind, worauf Herr Dr. Be… hingewiesen hat.
74
(b) Im Segment Public Cloud kann dabei nicht von einem Anstieg der Rohertragsmarge ausgegangen werden, auch wenn die Umsätze hier stark ansteigen. Dies lässt sich insbesondere nicht mit Skaleneffekten begründen. Die anfallenden Umsatzkosten in diesem Segment beruhen nämlich im Wesentlichen auf den von den großen Hyperscalern erworbenen Softwarelizenzen sowie auf den Leitungskosten für die Anbindung der Kunden. Dabei handelt es sich um von der Absatzmenge abhängige variable Kosten, bei denen Skaleneffekte nicht oder allenfalls in geringem Ausmaß erzielt werden können. Der Rückgang der Rohertragsmarge beruht auf der im Vergleich zu A…, Go…, Y… und Mi… deutlich schlechteren Wettbewerbsposition als vergleichsweise kleiner und unbedeutender Kunde, dem die Preise „diktiert“ werden, worauf der Leiter Vertrieb die Prüfer hingewiesen hatte. Dieser letztgenannte Umstand entspricht den Erfahrungen der Kammer aus einer Reihe von Spruchverfahren, in denen ein relativ kleines Unternehmen mit marktbeherrschenden Großunternehmen zusammenarbeiten muss. Mit Blick auf die regelmäßigen Kundenabwanderungen können die steigenden Kosten im Einkauf für die Lizenzpreise auch nicht an die Kunden weitergegeben werden, weil diese sich dann gegebenenfalls günstigere Anbieter suchen werden. Eine Substitutionsmöglichkeit anderer Anbieter besteht für die P… nicht, weil bezüglich der Leitungskosten, die in erster Linie gegenüber der D… T… AG entstehen, und hinsichtlich der Lizenzkosten, bei denen es sich im Wesentlichen um die für die Kunden bezogenen Produkte von Mi… handelt, keine Substitutionsprodukte zur Verfügung stehen.
75
(c) Beim Personalaufwand lässt sich angesichts der Plausibilität der Planansätze kein Korrekturbedarf begründen.
76
(aa) Dies gilt zunächst für den Anstieg der Personalkosten pro Mitarbeiter. Die Planung geht dabei von moderat angesetzten Gehaltssteigerungen von 1,5% pro Jahr aus. Für Neueinstellungen müssen angesichts der Personalknappheit allerdings höhere Gehälter gezahlt werden. Die Zahl der Mitarbeiter soll in der Detailplanungsphase moderat ansteigen, weshalb der mit der Verjüngung des Mitarbeiterbestands erzielbare Effekt in Übereinstimmung mit den Ausführungen der Abfindungsprüfer als gering eingestuft werden muss. Bei einem Ausscheiden eines Mitarbeiters müssen angesichts der Marktstudien mit einer großen Nachfrage nach qualifizierten Bewerbern für den als Ersatz eingestellten Mitarbeiter höhere Gehälter gezahlt werden. Diese Entwicklung gerade in der IT-Branche ist der Kammer auch aus anderen Spruchverfahren bekannt.
77
(bb) Der Anstieg der Personalkosten um durchschnittlich 8% steht nicht in Widerspruch zur sinkenden Bedeutung der Personalaufwendungen im Public Cloud-Bereich. Der Umsatz pro Mitarbeiter steigt nach den Feststellungen von Herrn Dr. Be… deutlich von € 225.000,- auf 273.000,-; darin spiegelt sich der höhere Anteil der Public Cloud wider. Auch steht der Umfang des Anstiegs der Personalkosten nicht im Widerspruch zur rückläufigen Entwicklung in der Vergangenheit und zu denkbaren Synergiepotenzialen, nachdem die Personalkosten auch in der Vergangenheit um durchschnittlich 7,6% p.a. gestiegen sind und zusätzliche Synergien im Hinblick auf die Personalaufwendungen nicht zu erwarten sind, wie Herr Dr. Be… erläutert hat.
78
(cc) Ebenso erfolgte eine Berücksichtigung von Skaleneffekten bei den Ansätzen zu den Personalkosten. Herr Dr. Be… wies darauf hin, dass die Planung unverändert von zwei Rechenzentren ausgehe und im Public Cloud-Bereich Skaleneffekte gerade durch die verstärkte Nutzung der Plattform in hohem Maße in die Planung eingeflossen seien.
79
(d) Die Kammer vermag keinen Widerspruch zwischen dem Anstieg der Kosten bei IT-Kunden und der Planung von Anbietern entsprechender Dienstleistungen wie der P… AG, die von Preisrückgängen ausgehen, zu erkennen. Herr Dr. Be… und Herr J… wiesen zutreffend darauf hin, dass sich in dem sehr heterogenen IT-Markt mit zahlreichen Geschäftstätigkeiten (beispielsweise Softwareentwickler oder Hardware-Hersteller, Beratung, Unternehmen mit Fokus auf An- und Verkauf, Private versus Public Cloud, diverse andere Cloud-Segmente) und deutlich differenziert zu betrachtenden Kostenstrukturen ein einfacher Vergleich der IT-Kostenentwicklungen bei den IT-Anwendern und der Umsatzentwicklung eines im Wesentlichen auf ein Segment fokussierten Anbieters ein Vergleich nicht anbietet und auch zu fehlenden Schlussfolgerungen führen kann. Dies gilt hier gerade auch deshalb, weil die Gesellschaft einen nicht unerheblichen Teil ihrer Leistungen selbst beschaffen muss, wobei das von der übergroße Markt- und Preissetzungsmarkt verfügenden D… T… AG geschieht. Bestätigt wird dies durch die Veränderungen der Aufwendungen für Fremdleistungen, die vom Zeitpunkt der Prüfung in der Hochrechnung für 2018 von € 19,161 Mio. auf € 20,711 Mio. zum Update am 7.1.2019 gestiegen waren. Auf Abnehmerseite ist dagegen – wie schon ausgeführt – ein erheblicher Wettbewerbsdruck zu verspüren, weshalb eine Weitergabe gestiegener Bezugskosten nicht oder nur in eingeschränktem Umfang möglich ist. Auch deshalb ist der von Seiten der Antragsteller vorgebrachte Vergleich beispielsweise mit der Sanacorp P1.  AG, die als IT-Kunde mit einem Anstieg der Kosten plane, nicht aussagekräftig.
80
An der Heterogenität des IT-Marktes kann kein Zweifel bestehen. Insoweit besteht namentlich kein Widerspruch zwischen den Aussagen in den Textziffern 26 und 22 der ergänzenden Stellungnahme mit der Nennung der vier großen IT-Unternehmen A…, Go…, Y… und Mi… . Wenn die in der Stellungnahme der Antragstellerinnen zu 74) und 75) namentlich benannten Unternehmen, die zusammen 69,1% Marktanteil am „Infastructure-as-a-Service-Markt – also dem Public Cloud-Bereich – haben, dann entfallen 29,9% auf andere Anbieter, die offensichtlich mit Ausnahme von A… B… mit 7,7% Marktanteil nicht gesondert ausgewiesen werden. Dann aber muss daraus die Schlussfolgerung gezogen werden, dass sich die restlichen 23,2% auf viele kleine Unternehmen aufteilen, zu denen dann auch die P… AG gehört. Dies rechtfertigt aber durchaus den Schluss auf einen heterogenen Markt im Segment Public Cloud. Allein der Rückgang des Marktanteils von Y… im Jahr 2018 im Vergleich zum Vorjahr um 0,1 Prozentpunkte rechtfertigt keine andere Beurteilung dieses Unternehmens.
81
(4) Für die Plausibilität der Umsatzwie auch der Aufwandsplanung spricht ein Vergleich mit den Margen einer Reihe von Vergleichsunternehmen, die in allen Jahren der Detailplanungsphase im Mittelwert mit Margen von 12%, 12,1% und 8,5% deutlich unter der EBITDA-Marge der P… AG von 18%, 18,4% und 19,2% in diesen drei Jahren liegen.
82
Die Entwicklung der EBIT-Marge und damit der ihr zugrunde liegenden Parameter kann auch unter Berücksichtigung eines Vergleichs mit den Peer Group-Unternehmen A…, R… und T… O… mit Werten zwischen 16,1% und 18,8% nicht als unplausibel bezeichnet werden. Die Abfindungsprüfer verwiesen darauf, dass man angesichts der unterschiedlichen Geschäftsmodelle nicht einfach die EIBT-Margen der in eine Peer Group aufgenommenen Unternehmen an die Stelle des Bewertungsobjekts setzen dürfe. Dies zeigt sich auch an Unterschieden bei den Ist-Zahlen, wobei eine Angleichung in der Zukunft nicht einfach unterstellt werden dürfe. EBIT-Margen zwischen 16,1% und 18,1% zeigte nur Y… auf, während R… eine EBIT-Marge von 12% aufweise, was mit der P… AG durchaus verglichen werden könne, worauf Herr J… im Termin vom 5.3.2020 hinwies. Bei einem Software-Unternehmen wie der SAP SE ergeben sich steigende Margen durch das Wachstum beim Umsatz, das infolge von Skaleneffekten nicht zu ähnlich hohen Wachstumsraten bei den Kosten führt. Dies kann entsprechend den von den Abfindungsprüfern vermittelten Erkenntnissen gerade nicht auf die P… AG übertragen werden.
83
Der Anstieg der EBIT-Marge der P… AG von 9,3% auf 12,4% im Jahr 2021 kann im Vergleich zu Full Service IT-Dienstleistern nicht als fehlerhaft angenommen werden. Für das Cloud-Computing lassen sich nicht einfach deutlich höhere Margen als beim Service-Geschäft unterstellen. Zudem muss auch gesehen werden, dass die Unternehmen aus der Peer Group das Cloud-Geschäft ausbauen wollen.
84
Ein Vorteil des Angebots kleinteiliger Lösungen spricht auch nicht zwingend für bessere Margen als Angebote in einem gesättigten Markt. Kleinteilige Lösungen erzeugen nämlich proportional mehr an Aufwand, weshalb man nicht auf bessere Margen schließen kann, nachdem sie im gleichen Markt angeboten und verkauft werden, wie Herr Dr. Be… im Rahmen seiner Anhörung erklärte.
85
(5) Die Investitionsplanung bedarf angesichts ihrer Plausibilität keiner Korrektur. Die Abfindungsprüfer führten in ihrer dritten ergänzenden Stellungnahme aus, für welche Bereiche die Investitionen in den Jahren der Detailplanungsphase vorgesehen waren. Ein Schwerpunkt soll dabei in Investitionen für das Gebäude des Rechenzentrums in H. sowie in Erweiterungs- und Ersatzinvestitionen für die Infrastruktur des Rechenzentrums wie Server, Storage und Software liegen. Zusammen mit Investitionen in die Netzwerkinfrastruktur belaufen sich diese Positionen auf insgesamt € 3,7 Mio. und damit etwa 53% der Gesamtinvestitionen von € 7 Mio. im Geschäftsjahr 2019. Im Folgejahr sollen die Investitionen auf insgesamt € 7,3 Mio. steigen, wobei immerhin rund € 2 Mio. im Zusammenhang mit Rechenzentren stehen. Im Jahr 2021 sollen die Investitionen € 5,5 Mio. betragen. Die Investitionsquote in Relation zum Umsatz beträgt in diesen drei Jahren somit 10,5%, 9,7% und 6,5%. Neben einem hohen Anteil von Ersatzinvestitionen, die sich nach den vom Management den Prüfern mitgeteilten Informationen zwischen € 3 Mio. und € 4,5 Mio. pro Jahr infolge des regelmäßigen Austausch des Equipments nach der fünfjährigen wirtschaftlichen Nutzungsdauer bewegen, beruhen die Investitionen vor allem auf dem Aufbau des im Geschäftsjahr 2017 neu gestarteten Segments Public Cloud sowie den regulatorischen Anforderungen an die Ausgestaltung der Rechenzentrum einschließlich von Redundanzen.
86
Diese von den Abfindungsprüfern mitgeteilten Daten lassen einen Rückschluss auf die Plausibilität dieser Ansätze zu Investitionen in Phase I zu. Gerade mit Blick auf den Start des neuen Segments Public Cloud ist es nachvollziehbar, dass die Investitionsquote in den Jahren der Vergangenheitsanalyse höher lag.
87
(6) Die die Jahre 2022 bis 2038 umfassende Konvergenzphase wurde zutreffend abgebildet, wobei dies sowohl hinsichtlich ihrer Länge als auch bezüglich der angenommenen Parameter gilt, die dann annuitätisch als Übergangsjahr 2022 abgebildet wurden.
88
(a) Die Modellierung einer Übergangsphase zwischen dem Ende der Detailplanungsphase und dem Übergang in der Ewigen Rente war notwendig, weil am Ende des Jahre 2021 noch nicht von einem eingeschwungenen Zustand ausgegangen werden konnte. Dies ist erst dann der Fall, wenn sich Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Bewertungsobjektes am Ende von Phase I im sogenannten Gleichgewichts- oder Beharrungszustand befinden und sich die zu kapitalisierenden Ergebnisses annahmegemäß nicht mehr wesentlich verändern bzw. mit einer konstanten Rate, der mit dem Wachstumsabschlag im Kapitalisierungszinssatz Rechnung getragen wird, verändern. Dabei zeichnet sich die Ewige Rente durch die Berücksichtigung langfristiger Entwicklungstendenzen bei der Projektion der in der Detailplanungsphase gewonnenen Erkenntnisse aus (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 14.9.2011, Az. 20 W 7/08 – zit. nach juris; LG München I, Beschluss vom 31.7.2015, Az. 5HK O 16371/13; Beschluss vom 30.5.2018, Az. 5HK O 10044/16; Simon/Leverkus in: Simon, SpruchG, 1. Aufl., Anh. § 11 Rdn. 72; Paulsen in: Münchener Kommentar zum AktG, 5. Aufl., § 305 Rdn. 119). Das bei der Gesellschaft infolge des im Geschäftsbereich Public Cloud vorhandene Wachstumspotenzial würde bei einem unmittelbaren Übergang in den Terminal Value nicht hinreichend abgebildet. Das Segment Public Cloud zeichnet sich im Vergleich zum Outsourcing-Bereich, in dem Wachstumsraten von 7,7, % angenommen wurden, durch höhere Wachstumsraten, aber auch um ¾ geringere Rohertragsmargen aus. Angesichts dessen erstreckt sich die Veränderung der operativen Planung in der Public Cloud dabei bis in das Jahr 2033, bei den anderen Segmenten der Gesellschaft bis in das Jahr 2030. In der Folgezeit wurde das durchschnittliche Wachstum jeweils mit 1% fortgeschrieben; eine Veränderung bis zum Ende der Konvergenzphase wird nur noch bei den Investitionen und den Abschreibungen vorgenommen. Dies resultiert aus der Erwägung heraus, dass der Bereich Private Cloud angesichts der großen Rechenzentren und Sicherheitseinrichtungen wie Notstromaggregaten sehr kapitalintensiv ist. Der Abschreibung unterliegen auch die Immobilien und Backbones. Mit Veränderungen auf den Absatz- und Beschaffungsmärkten, die das Bewertungsgutachten auf Seiten 37 ff. anspricht, lässt sich die Notwendigkeit der Modellierung einer Konvergenzphase nicht verneinen, wie die Abfindungsprüfer überzeugend dargestellt haben. Der Margendruck war bereits in Phase I erkennbar, nachdem hier die Rohertragsmarge von rund 20% auf 17% zurückgeht. Aufgrund des steigenden Wettbewerbsdrucks ist dieser Trend auch im Jahr 2021 noch nicht beendet. Die rückläufigen Wachstumsraten sprechen bereits für die sich abzeichnende Marktsättigung, die gleichfalls mit dem Ende der Detailplanungsphase nicht abgeschlossen ist und folglich auch in der Übergangsphase fortgeschrieben wurde. Auch ist der im Outsourcing-Bereich angesprochene strukturelle Wandel bereits in der Detailplanungsphase zu erkennen, nachdem der Anteil der Umsatzebene im Public Cloud-Bereich von 10% in 2018 auf 20% in 2021 und in der Fortführungsphase bis auf 35% im Jahr 2038 ansteigen soll.
89
Da es für diesen Zeitraum keine konkreten Planungen – auch nicht im Sinne einer Grobplanung wie für die Jahre 2020 und 2021 – gab, musste die Übergangsphase von den Bewertungsgutachtern von E… modelliert werden, wobei sie allerdings auf die Expertise des Vorstands zurückgreifen konnten und dies auch durften.
90
(b) Der Rückgang des Wachstums – bezogen auf das erste Planjahr 2019 – auf 2,3% im Jahr 2030 steht der Plausibilität der Ansätze in der Phase II nicht entgegen. Dabei wurde entsprechend der von den Abfindungsprüfern übersandten Aufstellung der von den Bewertungsgutachtern erstellen Ableitung der Konvergenzphase nicht mit festen Wachstumsraten, sondern im Segment Public Cloud mit prozentualen Wachstumsraten der Umsätze gerechnet, die von 20% im Jahr 2022 auf 1% in den Jahren 2034 ff. abschmelzen, während sie für das Segment „P… ohne Public Cloud“ von 7,7% im Jahr 2022 auf 1% in 2029 ff. zurückgehen.
91
(aa) Im Jahr 2021 betrug das gesamte Umsatzwachstum der Gesellschaft 21,1% nach 13,5% im Jahr 2020. Zehn Jahre später beträgt das Umsatzwachstum 2,3%. Allein die Tatsache eines immer höheren Basiswertes führt zu sinkenden Wachstumsraten bei absolut gleichbleibenden Wachstumszahlen. Vor allem aber muss gesehen werden, dass das Marktvolumen für die P… AG begrenzt ist. Die Verhältnisse der Gesellschaft lassen den Wachstumsrückgang als plausibel erschienen. Die P… AG ist angesichts ihres Auftretens als nahezu ausschließlich im deutschsprachigen Raum auftretender Anbieter für Outsourcing-Lösungen der gesamten IT eines Unternehmens bezüglich ihrer Umsatzausweitung regional limitiert. Eine regionale Expansion ließe sich nur mit hohen Investitionen in den Backbone und in weitere Rechenzentren und sonstige Hardware sowie in Vertriebs- und Servicemitarbeiter realisieren. Nachdem im Verlaufe der Prüfung gewonnenen Erkenntnisse gab es hierfür keinerlei Anhaltspunkte in dem der Bewertung zugrundeliegenden Geschäftsmodell. Eine Berücksichtigung einer solchen Expansion stünde im Widerspruch zur Wurzeltheorie.
92
(bb) Zudem verwiesen die Abfindungsprüfer in ihrer zweiten ergänzenden Stellungnahme auf den seit Jahren bestehenden und steigenden Fachkräftemangel und die weiterhin zunehmende Digitalisierung hin, was die Mitarbeitergewinnung immer weiter erschwert und dadurch zu einer Umsatzbegrenzung führt, wenn die Mitarbeiterzahl nicht ohne Weiteres gesteigert werden kann. Herr Dr. Be… und Herr J… wiesen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass bereits in der Vergangenheit freie Stellen nicht besetzt werden konnten oder Mitarbeiter sowie ganze Vertriebs- und IT-Consulting-Teams durch Wettbewerber abgeworben wurden. Damit können Umsätze nur deutlich verzögert oder nur durch Zugeständnisse im Preis mit der Folge eines Rückgangs der Marge oder auch gar nicht mehr erwirtschaftet werden. Exemplarisch nannten die Abfindungsprüfer den gesamten Umsatzrückgang um 5,2% im Jahr 2016 oder den Rückgang im Segment „E… S…“ in 2018 um 15.2%.
93
(cc) In dem kleinen, aber wachstumsstarken Segment Public Cloud ist die P… AG außerdem der erheblichen Marktmacht und dem Preisdruck der großen USamerikanischen Wettbewerber bzw. Softwareanbieter A…, Go…, Y… und Mi… ausgesetzt. Gerade dieser Bereich ist im Vergleich zu dem dem Outsourcing-Geschäft vergleichbaren Segment „Cloud Business Process as a Services“ mit einem Umsatzanteil von 0,1%, 0,09% und 0,08% entsprechend der Planung der Gesellschaft und der Marktanalyse von Ga… ohne große Bedeutung. Am deutschen Markt hat die P… AG einen Anteil von 0,1% in 2019 und von 0,09% in 2020. Gerade der weltweite Vergleich bestätigt auch die Aussage der Abfindungsprüfer, wonach es stärker expandierende Märkte als den deutschen Markt gibt, auf den die P… AG konzentriert ist.
94
(dd) Die Gesellschaft muss mit einer abflauenden Wachstumsdynamik rechnen, weil die in der Vergangenheit gezeigten Wachstumseffekte bis 2018 im Segment Public Cloud überwiegend durch vermittelte Kunden der Antragsgegnerin erzielt wurden und nach Überleitung aller Kunden auf das P… Portal sich diese Entwicklung so nicht fortsetzen kann.
95
(ee) In beiden Segmenten, besonders aber im Bereich Public Cloud bestehen vom Ansatzpunkt her austauschbare Produktangebote, weshalb versucht wird, Kunden über Preisnachlässe zu halten. Bereits in der Vergangenheit lag die Churn-Rate zwischen 8% und 9%; dieser Erfahrungswert kann auch für die Zukunft zugrunde gegelt werden, wobei aber zu beachten ist, dass Umsatzwachstum erst durch einen erheblichen Zuwachs an Neukunden oder deutlich steigendes Geschäft mit Bestandskunden erwirtschaftet werden kann. Zudem muss gesehen werden, dass der Leiter Vertrieb in den mit ihm geführten Gesprächen die Abfindungsprüfer darauf hinwies, bei Vertragsverlängerungen würden Kunden Preisnachlässe von 20% bis 25% fordern, die die Gesellschaft in der Vergangenheit habe akzeptieren müssen, um Kunden nicht an einen Wettbewerber wie vor allem in Deutschland die D… T… AG oder die B… AG zu verlieren.
96
(ff) Langfristig rechnet die P… AG weiterhin mit einem Rückgang der Umsätze mit einem Großkunden, der bis in das Jahr 2021 über 12% der gesamten Umsätze bzw. über 15% der auf das Outsourcing entfallenden Umsätze liefern soll. Dieser Rückgang beruht auf dem Geschäftsmodell dieses Kunden – der Bestandsverwaltung von Lebensversicherungspolicen im Run-Off ohne Neugeschäft als Private Equity-Investor. Da systemimmanent kein Neugeschäft gemacht wird, konnte die Gesellschaft auf der Grundlage der mit diesem Kunden gemachten Erfahrungen von einem Abschmelzen der Versicherungsbestände um 10% pro Jahr ausgehen, weshalb über einen Zeitraum von zehn Jahren der gesamte verwaltete Vertragsbestand zumindest weitgehend aufgelöst sein wird und nur mehr marginale Umsätze getätigt werden können. Für die Detailplanungsphase konnten ab 2019 mit diesem Kunden andererseits auch hohe Umsätze in den Geschäftsbereichen Services und Consulting erwirtschaftet werden, weil dieser Großkunde mit Wirkung vom April 2019 eine Mehrheitsbeteiligung an einer großen Lebensversicherungsgesellschaft mit € 2,7 Mrd. an Beitragseinnahmen und € 41,4 Mrd. an Kapitalanlagen übernahm. Durch die Verwaltung der Verträge und Kapitalanlagen über die Systeme und Outsourcing-Anlagen der P… AG – im Wesentlichen Computer-/Client-Lösungen der rund 300 vom Großkunden übernommenen Versicherungsmitarbeiter nebst Rechenzentrumsleistungen – sollten sich in den Jahren 2019 bis 2021 auch die Umsätze im Bereich Outsourcing erhöhen, was in der Detailplanungsphase vollständig in die Planung einfloss. Ab dem Jahr 2022 werden indes auch mit diesem Kunden rückläufige Umsätze erwartet, wie die den Prüfern vorgelegten Unterlagen und die erläuternden Gespräche ergeben haben. Demgemäß wird in der Konvergenzphase ohne die Übernahme von Run-Off-Beständen anderer Versicherer der Umsatz mit diesem Großkunden bis ca. 2030 in großen Teilen wegfallen. Auch deshalb ist der Ansatz rückläufiger Wachstumsraten in der Übergangsphase plausibel und nachvollziehbar.
97
(gg) Aus der Branchenstudie von Ga… lässt sich eine Marktsättigung allenfalls bis 2021 nicht herleiten. Dabei muss gesehen werden, dass die P… AG ihre Leistungen mit einem Anteil von ca. 80% im Cloud-Segment „Business Process as-a-Service“ erbringt, in dem die Wachstumsraten seit Jahren zurückgehen, weshalb auch der Marktanteil am gesamten Cloud-Segment von knapp 28% in 2017 auf nur mehr knapp 20% im Jahr 2021 zurückgehen soll. Dies zeigt die Studie von Ga… von April 2018. Eine gleichlaufende Tendenz lässt sich mit etwas höheren prozentualen Anteilen auch aus der neueren Studie vom September 2018 entsprechend den Ausführungen in der dritten ergänzenden Stellungnahme feststellen. Wenn dann aber diese Tendenz in der Übergangsphase für die P… AG gleichfalls zu beobachten ist, spricht dies ganz wesentlich für die Bejahung der Plausibilität der Annahmen im Bewertungsgutachten und im Prüfungsbericht. Dabei liegt die von Ga… vorgelegte Studie etwas über den Abschmelzraten des Umsatzwachstums von 2,7 Prozentpunkten für den Bereich Public Cloud, nachdem die Bewertungsgutachter von einer Abschmelzrate von 1,7 Prozentpunkten für dieses Segment ausgingen. Diese Rate entspricht auch den Ausführungen im zweiten Ergänzungsgutachten zur Marktentwicklung. Für das Outsourcing unterstellten die Bewertungsgutachter eine um 1,0 Prozentpunkte zurückgehende Abschmelzrate, die zwischen der Abschmelzrate des Gesamtmarktes und dem Segment „Business Process as-a-Service“ liegt, was angesichts des begrenzten Umsatzpotenzials der P… AG nachvollziehbar ist.
98
(hh) Der sich über einen Zeitraum von zehn Jahren erstreckende Rückgang der Rohertragsmarge in der Konvergenzphase berücksichtigt ausweislich der dritten ergänzenden Stellungnahme auch den Effekt und die Erwartung, dass der Zugang zu den virtuellen Produkten für die Kunden immer einfacher wird, weshalb diese immer weniger bereits sein werden, Gebühren für ein Nutzungsportal wie die P… AG zu bezahlen. Diese Entwicklung steht in Einklang mit den schon in der Detailplanungsphase zu beobachtenden Tendenz, wie sie oben unter B. II. 1. a. (3) (b) dargestellt wurde.
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(c) Die Entwicklung der Kosten mit einem Anstieg der Kostenquote und einem damit verbundenen Rückgang der Rohertragsmarge am Ende der Phase I von 16,7% im Bereich Public Cloud auf nachhaltig 11,5%, im Übrigen Konzern von 71,34% auf nachhaltig 68,01% und im Gesamtkonzern von 59,94% auf nachhaltig 48,2% im Verlaufe der Übergangsphase muss nicht zugunsten der Minderheitsaktionäre angepasst werden, weil diese Zahlen plausibel sind.
100
(aa) Zwar ist der Geschäftsbereich Public Cloud mit der Bereitstellung externer Standardsoftware wie beispielsweise Mi… Office 365⁰ über das P…-Portal Marketplace wachstumsstark. Allerdings ist die Wertschöpfungstiefe durch die Weiterleitung an die und Verarbeitung der Kundendaten in den Rechenzentren der Drittanbieter sehr gering, worauf in der zweiten ergänzenden Stellungnahme hingewiesen wurde. Dieses Geschäftsmodell ist nämlich vergleichbar mit einer Warenhandelstätigkeit mit geringer Vertriebsprovision. Dabei sieht sich die P… AG der erheblichen Marktmacht und dem Preisdruck der großen amerikanischen Hyperscaler wie den Softwareanbietern A…, Go…, Y… und Mi… wie auch der deutschen Wettbewerber B… AG und D… T… AG ausgesetzt. Diese Annahmen der Prüfer müssen als nachvollziehbar angesehen werden, weil vielen Kunden auch die Wahl der Softwarenutzung über ihren A… – oder Go… -Account oder die direkte und kurzfristige Buchung der Leistungen bei Y… oder Mi… zur Verfügung steht. Da Wettbewerbsbarrieren so gut wie nicht vorhanden sind, lässt sich das Geschäftsmodell der P… AG schnell und einfach kopieren. Die im Zeitpunkt der Hauptversammlung noch bestehende Vorreiterrolle lässt eine Margenreduktion daher nicht entfallen; ungewiss bleibt nur, wie schnell und wie hoch diese ausfällt.
101
(bb) Bei der Entwicklung der Rohertragsmarge muss auch gesehen werden, dass über den gesamten Zeitraum bis hin zum Beginn des Terminal Value unter Einschluss der Detailplanungsphase mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate des Rohertrags von 11,4% gerechnet wird. Ab 2018 steigt aber der Rohertrag 20 Jahre lang um diesen Prozentsatz. Im Durchschnitt aller Jahre wird eine Rohertragsmarge von 13,5% erwirtschaftet. Das schnelle Absinken der Rohertragsmarge um rund zwei Prozentpunkte bis ins Jahr 2030 muss in Übereinstimmung mit den Erkenntnissen der Abfindungsprüfer vor dem Hintergrund des sowohl regional als auch mitarbeiterbedingt begrenzten Umsatzpotenzials als angemessen angesehen werden. Dies gilt vor allem auch deshalb, weil über den gesamten Zeitraum der Konvergenzphase jedes Jahr im Durchschnitt eine Rohertragsmarge von 69,3% erzielt und der Rohertrag jährlich um 3,4% zunimmt. Damit aber liegt die Rohertragsmarge über dem Wert des letzten Jahres der Vergangenheitsanalyse, als diese auf der Basis der Hochrechnung bereinigt bei 65,2% lag. Selbst der Wert der Jahre ab 2030 mit 68,01% liegt noch über dem des Jahres 2018. Der Rückgang der Rohertragsmarge in den Jahren von 2022 bis 2038 beruht auf der Verschiebung der Geschäftsanteile weg vom hochmargigen Outsourcing mit einer durchschnittlichen Rohertragsmarge von 2018 bis 2038 von 69,3% zum niedrigmargigen Public Cloud-Geschäft, wo diese im selben Zeitraum lediglich bei 13,4% liegt.
102
(cc) Dieser plausiblen Entwicklung lässt sich nicht entgegenhalten, bei den Kosten für die Lizenzpreise handele es sich um variable Kosten, die nur zu sinkenden Umsatzerlösen, nicht jedoch zu niedrigeren Ertragsmargen führen würden. Dies übersieht nämlich, dass die Abfindungsprüfer vor allem auch nachvollziehbar darauf hingewiesen haben, die Gesellschaft werde nicht in der Lage sein, steigende Leitungskosten an ihre Kunden weiterzugeben. Der zudem herangezogene Verlust an Kunden zeigt sich bereits an der Churn Rate von 8% bis 9% in der Vergangenheit, von der auch in der Zukunft ausgegangen werden muss, weil eine andere Betrachtung mit deutlich niedrigeren Abwanderungszahlen angesichts des Vorhandenseins von – auch großen und leistungsstarken, mit Marktmacht versehenen – Wettbewerbern als nicht der Realität entsprechend angesehen werden muss.
103
(d) Die Wachstumsrate des EBIT von 5,2% im Übergangsjahr 2022 wurde sachgerecht aus der Konvergenzphase von 2022 bis 2038 abgeleitet. Ein Widerspruch zu den Wachstumsraten der Ga… -Studie ist nicht erkennbar, weil sich diese Analyse auf die Umsatz-, nicht jedoch auf die EBIT-Entwicklung bezieht. Zudem kann angesichts des heterogenen Cloud Computing-Markt ein unspezifizierter Vergleich der Geschäfte der P… AG mit verschiedenen Segmenten – also dem Outsourcing-Geschäft bzw. Business Process-as-a-Service und dem wachsenden Public Cloud-Geschäft, mit dem gesamten Markt für Cloud-Computing nicht sinnvoll sein. Für das Jahr 2022 gab es im Zeitpunkt der Prüfung zudem keine aussagekräftigen Markterwartungen für das Umsatzwachstum und das EBIT.
104
(7) Für den Zeitraum der Ewigen Rente vermag die Kammer Korrekturbedarf nicht zu bejahen. Die angesetzten Ergebnisse sind sachgerecht hergeleitet.
105
(a) Ein zu früher Beginn im Anschluss an die 17 Jahre umfassende Konvergenzphase und damit im Jahr 2039 lässt sich nicht bejahen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des starken Wachstums der Software-as-a-Service-Leistungen und das Projektgeschäft.
106
(aa) Der Bereich Software-as-a-Service ist nur ein Teil des gesamten Public Cloud-Segments. Hier ist allerdings in der Planung ein starkes Wachstum angesetzt, das deutlich über den in der Ga… -Studie angesetzten Markterwartungen liegt. Die barwertig als Annuität in das Übergangsjahr 2022 umgerechnete Konvergenzphase dient entsprechend den obigen Ausführungen dazu, das Ertragspotenzial aus den Angeboten der Public Cloud-Leistungen mit niedrigen Margen, aber höherem Wachstum abzubilden, nachdem diese begonnene Entwicklung und der damit verbundenen Verschiebung der Geschäftsbereiche im Jahr 2021 noch nicht abgeschlossen war.
107
(bb) Das Projektgeschäft, das die Geschäftsfelder EDI-Service und E… S… umfasst, hat im letzten Jahr des Detailplanungsphase ein Umsatzvolumen von etwa € 8 Mio., was einem Anteil von 9,4% am Gesamtumsatz entspricht. Allerdings muss gesehen werden, dass diese Umsätze nicht wiederkehrend sind, weil sie von den Kunden individuell und über einen Zeitraum begrenzt nachgefragt werden. Dennoch flossen auch diese Umsätze als Teil der Outsourcing-Umsätze langfristig und nachhaltig wachsend in die Bewertung ein.
108
(b) Die Fehlerhaftigkeit der Ansätze im Terminal Value lässt sich nicht mit dem Rückgang der EBITDA-Marge auf 13% nach einem Wert von 19,2% im letzten Planjahr begründen. Die EBITDA-Margen in den beiden Bereichen Public Cloud sowie P… ohne Public Cloud unterscheiden sich ganz erheblich – im Jahr 2021 betragen sie nach den Planungen 4% bzw. 23%. Die Ausweitung des Geschäftsbereichs Public Cloud mit niedrigeren Margen von 10% bei einem Anstieg des Umsatzanteils im Geschäftsjahr 2018 auf 20% im Jahr 2021 und 35% im letzten Jahr der Übergangsphase führt somit automatisch zu einer Verringerung der gesamten EBITDA-Marge. Allein durch diese Verschiebung der Umsatzanteile sinkt die EBITDA-Marge in der Konvergenzphase um etwa 3 Prozentpunkte. Darüber hinaus führen die am Ende von Phase I noch nicht abgeschlossenen Veränderungen der Absatz- und Beschaffungsmärkte sowie die Besonderheiten bei der P… AG zu dem Margenrückgang, der kontinuierlich in der Übergangsphase bei deren Modellierung berücksichtigt wurde. Dies sind nach den Erläuterungen der Abfindungsprüfer in erster Linie der Margendruck und eine künftige Marktsättigung im Public Cloud-Bereich, der strukturelle Wandel im Outsourcing, die geringere Ausnutzung von Skaleneffekten, der Fachkräftemangel mit der Folge deutlich steigender Personalkosten, das Ende der Kundenübermittlungen durch die Antragsgegnerin sowie Preisnachlässe bei Vertragsverlängerungen und eine nicht gänzlich zu vernachlässigende Kundenabwanderungsrate. Folglich kann nicht davon ausgegangen werden, die P… AG könne im Zeitraum der Ewigen Rente nachhaltig Überrenditen erwirtschaften.
109
(8) Die Annahmen zur Thesaurierung und zur Ausschüttungsquote müssen nicht angepasst werden.
110
(a) Der Abzug für Innenfinanzierung in Höhe von € 1,5 Mio. kann nicht als fehlerhaft angesehen werden, auch wenn vom Vorhandensein nicht betriebsnotwendiger Liquidität in Höhe von € 28 Mio. ausgegangen wurde. Die Investitionsplanung sah für die Detailplanungsphase Gesamtinvestitionen in Höhe von etwa € 20 Mio. vor, wobei dies entsprechend den obigen Ausführungen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Generierung von Umsätzen steht. Dieser Mittelverwendung in das Anlagevermögen auf der Aktivseite steht die Mittelherkunft auf der Passivseite in Form von Eigen- oder Fremdkapital in der Bilanz gegenüber. In der Vergangenheit war bei der Gesellschaft ein erheblicher Liquiditätsaufbau aus dem operativen Geschäft zu beobachten. Daher konnten die Bewertungsgutachter angesichts der vollständigen Eigenkapitalfinanzierung unterstellen, dass die erforderlichen Mittel auch für die zukünftigen Investitionen aus dem Unternehmen selbst erwirtschaftet werden. Andererseits muss beachtet werden, dass aufgrund der unterstellten Ausschüttung der nicht betriebsnotwendigen Liquidität und entsprechender Herabsetzung von Eigenkapital in Höhe von € 28 Mio. zum Beginn der Detailplanungsphase nicht mehr ausreichende finanzielle Mittel für die geplanten Investitionen zur Verfügung standen. Die betriebsnotwendigen Mittel der Innenfinanzierung von € 1,5 Mio. können demzufolge in den Planjahren 2019 bis 2021 den Aktionären nicht als Wertbeitrag zugerechnet werden, weil sie für die Teilfinanzierung der Investitionen in diesem Zeitraum benötigt werden. Demzufolge muss in Übereinstimmung mit den Erkenntnissen der Abfindungsprüfer aus ihrer ersten ergänzenden Stellungnahme von einer Reduktion der Bruttoausschüttungen ausgegangen werden.
111
(b) Die Annahme einer Ausschüttungsquote in der Detailplanungsphase von 50% kann nicht beanstandet werden. Zwar wird regelmäßig davon ausgegangen, dass sich der Umfang der Ausschüttungen bzw. Thesaurierung in der Planungsphase I an den konkreten Planungen der Gesellschaft zu orientieren hat (vgl. nur LG München I, Beschluss vom 24.5.2013, Az. 5 HK O 17095/11, S. 37; Beschluss vom 6.11.2013, Az. 5 HK O 2665/12; Beschluss vom 28.5.2014, Az. 5 HK O 22657/12; Beschluss vom 31.7.2015, Az. 5HK O 16371/13; Beschluss vom 29.8.2018, 5HK O 16585/15; Beschluss vom 26.7.2019, Az.: 5HK O 13831/17), wobei dies auch für die Konvergenzphase gilt. Allerdings gab es für die Detailplanungsphase keine Ansätze des Vorstands zur Ausschüttung der Jahresüberschüsse. Ebenso wenig kann aus der Vergangenheitsanalyse vorliegend abgeleitet werden, wie eine sachgerechte Ausschüttungsplanung bei der P… AG aussehen soll. Das Ausschüttungsverhalten war sehr schwankend, wie Herr Dr. Be… im Termin vom 5.3.2020 beschrieben hat. Im Jahr 2013 gab es keine Ausschüttungen; im Jahr 2014 war es negativ, für das Jahr 2015 lag die Ausschüttungsquote über 100%, während in den Jahren 2016 und 2017 nur 13,6% bzw. 10,4% ausgeschüttet wurden. Aus diesen Schwankungen lässt sich folglich nur schwer eine Regel ableiten. Daher ist es nicht unplausibel, wenn auf das durchschnittliche Ausschüttungsverhalten am Markt sowie auf Vergleichsunternehmen aus der IT-Branche abgestellt wird. Insoweit kam es zu einer Erweiterung der Peer Group um Y… und SAP SE, die im Zeitraum von 2015 bis 2018 Ausschüttungsquoten von knapp 50% aufwiesen. Die Annahme der Ausschüttungsquote von 50% in Phase I wie auch in der Konvergenzphase muss auch deshalb als sachgerecht angesehen werden, weil die P… AG unverschuldet ist und über eine gute Eigenkapitalausstattung verfügt, weshalb eine im Vergleich zur Peer Group auch leicht höhere Ausschüttungsquote angesetzt werden konnte. Ein unverschuldetes Unternehmen hat weniger Grund zur Thesaurierung als ein hoch verschuldetes Unternehmen. Dem kann auch nicht die ebenfalls vergleichsweise geringe Verschuldung anderer Peer Group-Unternehmen entgegengehalten werden, weil bei diesen der Zuwachs durch Unternehmenszukäufe zu beachten ist, weshalb diese eine höhere Thesaurierungsquote benötigen. Ein derartiger Zukauf ist nach den Grundsätzen der Wurzeltheorie bei der P… AG hingegen nicht anzunehmen.
112
(c) Nicht zu beanstanden ist der Ansatz einer Ausschüttungsquote von 50% im Terminal Value. Anders als in der Detailplanungsphase kann bei der Festlegung der Ausschüttungsquote in der Ewigen Rente nicht auf die Planung des Unternehmens zurückgegriffen werden, weil es eine solche ab den Jahren 2039 ff. nicht mehr gibt. Angesichts dessen ist es sachgerecht, auf den Durchschnitt der Marktteilnehmer abzustellen (vgl. OLG München AG 2015, 508, 511 = ZIP 2015, 1166, 1170; OLG Stuttgart AG 2011, 560, 563; LG München I AG 2020, 222, 224; Beschluss vom 28.5.2014, Az. 5 HK O 22657/12; Beschluss vom 29.8.2014, Az. 5HK O 7455/13; Beschluss vom 31.7.2015, Az. 5HK O 13671/13; Beschluss vom 30.12.2016, Az. 5HK O 414/15; Beschluss vom 8.2.2017, Az. 5HK O 7347/15; Beschluss vom 30.5.2018, Az. 5HK O 10044/16). Der Kammer sind die marktüblichen Werte auch aus anderen Spruchverfahren bekannt, weshalb gegen den Ansatz einer innerhalb der genannten Bandbreite von Ausschüttungsquoten, die zwischen 40 und 60% bzw. 70% liegt, angesiedelte Ausschüttungsquote von 50% keine Bedenken bestehen.
113
Ein Absenken der Ausschüttungsquote auf 40% ist vorliegend gerade wegen der Besonderheiten der Gesellschaft nicht veranlasst, auch wenn bei Vergleichsunternehmen in der Vergangenheit eine breite Streuung bei den Ausschüttungsquoten zu beobachten war. Die Gesellschaft, die in den Konzern der Antragsgegnerin eingebunden ist, verfügt über eine hohe nicht betriebsnotwendige Liquidität von € 28 Mio. zum bewertungstechnischen Stichtag. In der Detailplanungsphase soll wieder viel Liquidität aufgebaut werden. Gerade dies spricht für eine zukünftig höhere Ausschüttungsquote als nur 40%, weil die zu thesaurierenden Mittel bei einer Anlage in risikolose Anleihen keine den Kapitalkosten entsprechende Rendite abwerfen würden. Ein Verbleib von thesaurierten Mitteln unterstellt eine kapitalwertneutrale Anlage mit einer Rendite in Höhe der Kapitalkosten. Die entsprechenden Anlagemöglichkeiten im Unternehmen zur Erzielung derart hoher Renditen sind bei einem bereits voll eigenfinanzierten Unternehmen indes nicht hinreichend konkretisiert und folglich bei der Unternehmensbewertung nicht zu berücksichtigen, wie die Abfindungsprüfer in ihrer ersten ergänzenden Stellungnahme erläutert haben.
114
(d) Der Abzug eines Betrages von € 176.000,- im Terminal Value zur Finanzierung des nachhaltigen Wachstums erfolgte sachgerecht.
115
(aa) Die im nachhaltigen Ergebnis angesetzte Thesaurierung in dieser Höhe berücksichtigt, dass das mit dem langfristig erwarteten Wachstum der G+V-Rechnung bzw. der Überschüsse einhergehende Wachstum der Bilanz entsprechend finanziert werden muss. Demgemäß bedingt das nachhaltige Wachstum der finanziellen Überschüsse auch ein entsprechendes Wachstum der Bilanz, was entweder über Eigenkapital erfolgen kann oder aber durch Fremdkapital aufgebracht werden muss. Für die Finanzierung über das Eigenkapital müssen zu dessen Stärkung Erträge thesauriert werden. Die Alternative der Finanzierung über Fremdkapital würde zwangsläufig das Zinsergebnis (negativ) beeinflussen. Ein Wachstum ohne den Einsatz zusätzlicher Mittel ist folglich nicht möglich; nachhaltiges Gewinnwachstum kommt ohne Finanzierung nicht in Betracht (so ausdrücklich: OLG Karlsruhe, Beschluss vom 15.11.2012, Az. 12 W 66/06 – zit. nach juris; OLG München AG 2020, 440, 442 = WM 2020, 1028, 1032; LG München I, Beschluss vom 6.3.2015, Az. 5HK O 662/13; Beschluss vom 16.4.2019, 5HK O 14963/17; auch Dörschell/Franken/Schulte, Der Kapitalisierungszinssatz in der Unternehmensbewertung, 2. Aufl., S. 326 f.). Zudem ist zu berücksichtigen, dass bei einer sich im eingeschwungenen Zustand befindlichen Gesellschaft die Kapitalstruktur in der Ewigen Rente konstant bleiben soll. Auch dies spricht für die Notwendigkeit des Ansatzes eines entsprechenden thesaurierungsbedingten Wachstums.
116
Dem kann nicht entgegengehalten werden, dadurch werde der Effekt des Wachstumsabschlags rückgängig gemacht. Es ist nämlich eine differenzierende Betrachtungsweise erforderlich. Die Erfassung von thesaurierungsbedingtem Wachstum erfolgt in der Phase des Terminal Value zum einen zur Abbildung des preisbedingten Wachstums in Form des Wachstumsabschlages und zum anderen zur Berücksichtigung des durch die Thesaurierung generierten Mengenwachstums durch eine nominale Zurechnung des über die Finanzierung des preisbedingten Wachstums hinausgehenden Thesaurierungsbeitrages (vgl. Schieszl/Bachmann/Amann in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, a.a.O., S. 706). Damit aber hat der Wachstumsabschlag eine andere Funktion als der Ansatz des thesaurierungsbedingten Wachstums. Dabei müssen Investitionen in der Ewigen Rente höher sein als die Abschreibungen, weil auch das Anlagevermögen im Terminal Value wächst und es ohne Finanzierung auf dem Niveau des letzten Jahres der Detailplanungsphase verharren würde.
117
(bb) Ebenso wenig resultiert die Fehlerhaftigkeit dieses Ansatzes aus dem Umstand, dass anstelle der nachhaltigen Abschreibungen die höheren nachhaltigen Investitionen angesetzt würden und dann zusätzlich der Beitrag des Jahresüberschusses für die Wachstumsthesaurierung herangezogen wurde. Investitionen sind regelmäßig eigen- und fremdfinanziert. Dabei wachsen die Zinsen mit der Wachstumsrate, die vorliegend mit 1% angenommen wurde. Wenn die Reinvestitionen größer sind als die Abschreibungen, entsteht zusätzlich fremdfinanzierter Cash-Bedarf, was wiederum eine andere Handhabung erfordert als nur die Fortführung der Abschreibungen in bisheriger Höhe. Vorliegend wurden die Abschreibungsraten angesetzt. Wenn dann aber in Zukunft alle Bilanzpositionen um 1% wachsen, muss dies auch für das Anlage- und Umlaufvermögen gelten. Dann aber muss auch das Eigenkapital wachsen, weil es anderenfalls prozentual immer kleiner würde. Diesem Umstand trägt die Wachstumsthesaurierung in Höhe von € 176.000,- Rechnung. Dabei enthielt die Bilanz keine wesentlichen nicht abschreibbaren Werte, insbesondere keine entgeltlich erworbenen Firmenwerte.
118
(e) Im Rahmen der Ermittlung des Ertragswerts konnte die Besteuerung auch unter Einschluss inflationsbedingter Kursgewinne erfolgen.
119
(aa) Der Ansatz einer typisierten Einkommensteuer auf den Wertbeitrag aus Thesaurierung mit dem hälftigen Steuersatz zuzüglich des Solidaritätszuschlages ist angemessen. Die Festlegung eines Steuersatzes bedarf typisierender Annahmen. Aus empirischen Studien, die es wenigstens in den Vereinigten Staaten von Amerika, wenn auch nicht für Deutschland gibt, erkennt man eine Haltedauer zwischen 25 und 30 Jahren. Auch wenn diese lange Dauer entsprechend den Erkenntnissen der Kammer aus anderen Spruchverfahren mit der Existenz von sehr langfristig engagierten Pensionsfonds zusammenhängt und dies für Deutschland nicht zwingend sein mag, kann es beim angesetzten Steuersatz bleiben. Dem lässt sich insbesondere auch nicht die Regelung aus § 52 a Abs. 10 EStG entgegenhalten. Ohne eine typisierende Betrachtung ließe sich nämlich ein einheitlicher Unternehmenswert nicht festlegen. Die Verwendung typisierter Steuersätze ist die notwendige Folge der Ermittlung eines objektivierten Unternehmenswerts und folglich unvermeidbar. Es ist deshalb auch nicht zu beanstanden, wenn eine inländische unbeschränkt steuerpflichtige natürliche Person als Anteilseigner angenommen wird. Wenn für Stichtage nach dem 1.1.2009 im Rahmen der Ermittlung der Zuflüsse an die Anteilseigner von der Besteuerung der Veräußerungsgewinne auszugehen ist, im Einzelfall aber ein Anteilsinhaber einen steuerfreien Veräußerungsgewinn haben kann, so muss dies bei der notwendigen Typisierung außer Betracht bleiben (vgl. OLG München NJW-RR 2014, 473, 474; AG 2015, 508, 511 f. = ZIP 2015, 1166, 1170; Beschluss vom 18.6.2014, Az. 31 Wx 390/13; Beschluss vom 3.12.2020, Az. 31 Wx 330/16; OLG Frankfurt AG 2020, 954, 957; OLG Stuttgart AG 2013, 724, 728; AG 2014, 208, 211; Beschluss vom 18.12.2009, Az. 20 W 2/08; LG München I, Beschluss vom 21.6.2013, Az. 5HK O 19183/09; Beschluss vom 31.7.2015, Az. 5HK O 16371/13; Beschluss vom 30.12.2016, Az. 5HK O 414/16; Beschluss vom 30.6.2017, Az. 5HK O 13182/15; Beschluss vom 29.8.2018, Ahl 5HK O 16585/15; Kunowski/Popp in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, a.a.O., S. 1060 f.; in diese Richtung auch Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, a.a.O., Rdn. 488 ff., insbesondere 491).
120
Ein Abstellen auf die individuelle Haltedauer und die individuellen Steuersätze eines jeden einzelnen Aktionärs – gegebenenfalls auch mit Sitz im Ausland – würde eine Unternehmensbewertung unmöglich machen, zumal die Gesellschaft über Inhaberaktien verfügt und folglich die Aktionäre nicht einmal namentlich bekannt sind. Angesichts dessen ist die hier vorgenommene typisierende Betrachtung unausweichlich und rechtlich unbedenklich.
121
(bb) Allerdings muss auch eine effektive Ertragssteuer auf inflationsbedingte Wertsteigerung in das Bewertungskalkül einfließen. Soweit die Kammer hierzu in der Vergangenheit die gegenteilige Auffassung vertreten hat (vgl. LG München I, Beschluss vom 29.8.2028, Az. 5HK O 16585/15; Beschluss vom 16.4.2019, Az. 5HK O 14963/17; auch LG Dortmund, Beschluss vom 26.8.2019, Az. 20 O 4/12) wird daran nicht mehr festgehalten. Die Berücksichtigung einer effektiven Ertragssteuer führt zu einer besseren Annäherung an den „wahren“ oder „wirklichen“ Unternehmenswert. Dies beruht zunächst auf der Erwägung, dass der Teil des Unternehmenswertes, der auf laufenden operativen Gewinnen beruht, den Anteilseignern über eine fiktive Vollausschüttung zugerechnet wird. Im Termin Value steigt der Unternehmenswert aber nicht nur durch diese laufenden operativen Gewinne, sondern auch inflationsbedingt. Auch diese Wertsteigerung steht den Aktionären zu, die aber konsequenter Weise ebenso wie die Dividende in Phase I und thesaurierungsbedingte Wertsteigerungen in der Ewigen Rente um die persönlichen Steuern zu kürzen sind. Soweit Steuern abfließen, kann dieser Teil des Unternehmenswerts den Anteilseignern nicht fiktiv als Nettozufluss zugerechnet werden. Die von der Kammer bislang als Argument für die unterbliebene Berücksichtigung angeführte Inkonsistenz zwischen Zähler und Nenner im Bewertungskalkül kann nach nochmaliger Überprüfung nicht aufrechterhalten werden. Erst durch die Berücksichtigung der Besteuerung inflationsbedingter Kursgewinne kann das sogenannte Steuerparadoxon vermieden werden. Die Marktrisikoprämie im Nenner wird aus nominellen, empirisch am Markt beobachtbaren Aktienrenditen abgeleitet, in denen alle Wachstumsaspekte enthalten sind, mithin auch inflationsbedingtes Wachstum. Bei einer Umrechnung des Vorsteuerin den Nachsteuerwert werden also auch die inflationsbedingten Kursveränderungen hiervon erfasst. Wenn aber im Nenner (implizit) das inflationsbedingte Wachstum berücksichtigt ist, muss dies dann konsequenterweise auch bei den Überschüssen im Zähler folgen. Folglich kann von einer Inkonsistenz zwischen Zähler und Nenner nicht ausgegangen werden. Ebenso wenig liegt darin ein Widerspruch zwischen der grundsätzlichen Annahme einer unbegrenzten Lebensdauer des zu bewertenden Unternehmens einerseits und einer Besteuerung von tatsächlich nur durch Veräußerung zu realisierenden Kursgewinnen. Es handelt sich hierbei um eine bewertungstheoretische Annahme, ohne die den Aktionären wesentliche Teile des Unternehmensvermögens vorenthalten würden (so OLG München, Beschluss vom 3.12.2020, Az.: 31 Wx 330/16 – zit. nach juris; OLG Frankfurt AG 2020, 954, 956; Popp/Ruthardt in: Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, 2. Aufl., § 12.150 ff.; WP Handbuch 2014, Band 2, Rdn. 399; Popp Der Konzern 2019, 149, 153 ff.; Laas WPg 2020, 1256, 1258 ff.).
122
(9) Für einen relevanten Ausweis weiterer Synergieeffekte in der Unternehmensbewertung besteht kein Anhaltspunkt.
123
(a) Bei der Ermittlung des Ertragswerts im Zusammenhang mit aktienrechtlichen Strukturmaßnahmen finden angesichts des grundlegenden Stand alone-Prinzips nur solche Synergien oder Verbundeffekte Berücksichtigung, die auch ohne die geplante Strukturmaßnahme durch Geschäfte mit anderen Unternehmen hätten realisiert werden können (vgl. OLG Stuttgart NZG 2000, 744, 745 f. = AG 2000, 428, 429; AG 2011, 420; BayOblG AG 1996, 127, 128; LG München I AG 2016, 51, 54 = ZIP 2015, 2124, 2129; Beschluss vom 21.12.2015, Az. 5HK O 24402/13; Beschluss vom 25.4.2016, Az. 5HK O 9122/14; Beschluss vom 30.6.2017, Az. 5HK O 13182/15; Beschluss vom 29.6.2018, Az. 5HK O 4268/17; Beschluss vom 16.4.2019, Az. 5HK O 14963/17; Zeidler in: Semler/Stengel, UmwG, 4. Aufl., § 9 Rdn. 47).
124
(b) Gegen diese Grundsätze wurde nicht verstoßen.
125
(aa) Durch die mit mindestens 75% seit mehreren Jahren bestehende Beteiligung der Antragsgegnerin an der P… AG kam es zur Zusammenarbeit der beiden Gesellschaften bei verschiedenen Serviceleistungen oder der gemeinsamen Bearbeitung von Kunden. Verlustvorträge waren bis zum Jahr 2018 aufgezehrt. Eine separate Planung von Synergien war letztlich angesichts der bereits über mehrere Jahre sich erstreckende Zusammenarbeit zwischen den beiden Gesellschaften nicht mehr möglich.
126
(bb) Soweit es um den Wegfall der Kosten für eine Publikumshauptversammlung geht, können diese Kosten als echte Synergien nicht in die Planung einfließen. Dies stünde namentlich in Widerspruch zu einer Bewertung stand alone, mithin ohne Berücksichtigung der jeweiligen Strukturmaßnahme. Ohne den Squeeze out hätte die Gesellschaft nämlich aufgrund der Vorgaben aus §§ 175 Abs. 1, 118, 119 AktG jedes Jahr zumindest zu ihrer ordentlichen Hauptversammlung einladen und diese als Publikumshauptversammlung durchführen müssen.
127
Angesichts dessen stellen sich die Jahresüberschüsse der P… AG wie folgt dar:

2019

2020

2021

2022

2023 ff.

T€

PLAN

PLAN

PLAN

ÜBERGANG

TV

Geschäftsbereiche

Outsourcing

42.026

47.910

52.701

Public Cloud

10.526

14.320

17.580

Services / Consulting

4.432

4.820

4.980

Retail

1.080

980

1.050

E… S…

7.471

6.360

6.550

EDI Services

1.152

1.280

1.410

Sonstige

Umsatzerlöse

66.687

75.670

84.271

124.551

125.797

Wareneinsätze/Fremdleistungen

- 25.508

- 29.644

- 33.755

- 62.299

- 62922

Rohertrag

41.179

46.026

50.516

62.252

62.875

Personalaufwand

- 21.004

- 22.681

- 24.356

- 33.129

- 33.461

Sonstige betriebliche Aufwendungen

- 8.164

- 9.390

- 10.000

- 12.906

- 13.035

Sonstige betriebliche Erträge

EBITDA

12.010

13.955

16.160

16.217

16379

Abschreibungen Sachanlagen

- 4.814

- 5.406

- 5.676

- 5.192

- 5.244

EBIT

7.196

8.548

10.483

11.025

11.135

Finanzergebnis

- 1

0

- 0

13

13

EBT

7.195

8.548

10.483

11.038

11.148

Ertragssteuern

- 2.303

- 2.742

- 3.371

- 3.586

- 3.622

Teilkonzernjahresüberschuss

4.892

5.806

7.113

7.452

7.526

Wachstumsthesaurierung

- 176

Innenfinanzierung

- 1.500

- 1.500

- 1.500

Brutto-Ausschüttung nach Finanzierung

3.392

4.306

5.613

7.452

7.350

Ausschüttungsquote

50,0%

50,0%

50,0%

50,0%

50,0%

Wertbeitrag aus Ausschüttung

1.696

2.153

2.806

3.726

3.675

Dividendenbesteuerung

- 448

- 983

- 969

Dividendenbesteuerung in %

0,00%

0,00%

15,96%

26,38%

26,38%

Wertbeitrag aus Thesaurierung

1.696

2.153

2.806

3.726

3.675

Veräußerungsgewinnbesteuerung

- 224

- 284

- 370

- 491

- 485

Veräußerungsgewinnbesteuerung in %

13,19%

13,19%

13,19%

13,19%

13,19%

Nettoausschüttung

3.169

4.022

4.795

5.978

5.896

128
b. Für Anpassungen des Kapitalisierungszinssatzes sieht die Kammer vorliegend keinen Anlass. Der Wert der so ermittelten Überschüsse muss nach der Ertragswertmethode auf den Stichtag der Hauptversammlung abgezinst werden. Der hierfür heranzuziehende Kapitalisierungszinssatz soll die Beziehung zwischen dem bewerteten Unternehmen und den anderen Kapitalanlagemöglichkeiten herstellen.
129
Zutreffend ist der Ausgangspunkt bei der Ermittlung des Kapitalisierungszinssatzes unter Berücksichtigung persönlicher Ertragsteuern in der Bewertung durch die Antragsgegnerin. Da die finanziellen Überschüsse aus der alternativ am Kapitalmarkt zu tätigenden Anlage der persönlichen Ertragsbesteuerung der Unternehmenseigner unterliegen, ist der Kapitalisierungszinssatz unter Berücksichtigung der persönlichen Steuerbelastung zu ermitteln (vgl. OLG München ZIP 2006, 1722, 1725; AG 2007, 287, 290; NJW-RR 2014, 473, 474; OLG Düsseldorf AG 2019, 92, 95 = ZIP 2019, 370, 373 f. = DB 2018, 2108, 2111 f.; OLG Stuttgart AG 2007, 128, 134: OLG Karlsruhe AG 2013, 353, 355; Laas WPg 2020, 1256, 1257). Dabei ist im Rahmen der Unternehmensbewertung nach dem im Zeitpunkt der Hauptversammlung maßgeblichen Steuerregime der Abgeltungssteuer von einem Steuersatz von 25% entsprechend der gesetzlichen Regelungen in §§ 43, 43 a Abs. 1 Nr. 1, 32 d Abs. 1 Satz 1 EStG auszugehen, der auch angesetzt wurde. Zudem ist der Solidaritätszuschlag zu beachten, woraus sich dann ein Steuersatz von 26,375% errechnet.
130
(1) Der Basiszinssatz war dabei unter Heranziehung der Zinsstrukturkurve der D Bbk auf 1,0% vor Steuern und damit 0,73625% nach Steuern festzusetzen.
131
(a) Der Basiszinssatz bildet eine gegenüber der Investition in das zu bewertende Unternehmen risikolose und laufzeitadäquate Anlagemöglichkeit ab. Die Ermittlung des Basiszinssatzes anhand der Zinsstrukturkurve von Zerobonds quasi ohne Kreditausfallrisiko kann methodisch nicht beanstandet werden. Es ist nämlich betriebswirtschaftlich gefordert, dass der Kapitalisierungszinssatz für den zu kapitalisierenden Zahlungsstrom hinsichtlich Fristigkeit, Risiko und Besteuerung äquivalent sein muss. Die Zinsstrukturkurve stellt den Zusammenhang zwischen der Verzinsung und den Laufzeiten von dem Markt gehandelten Anleihen dar und gibt den Zusammenhang zwischen Verzinsung bzw. Rendite einer Anleihe und deren Laufzeit wider. Die nach der sogenannten Svensson-Methode ermittelte Zinsstrukturkurve bildet den laufzeitspezifischen Basiszinssatz – den sogenannten Zerobond-Zinssatz – ab. Sie ist in der Rechtsprechung zu Recht weithin anerkannt (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 15.11.2012, Az. 12 W 66/06; OLG Frankfurt NZG 2012, 1382, 1383; 2013, 69, 70; OLG München ZIP 2009, 2339, 2341 = WM 2009, 1848, 1850; AG 2012, 749, 752 = Der Konzern 2012, 561, 564; AG 2015, 508, 512 = ZIP 2015, 1166, 1170; OLG Stuttgart AG 2013, 724, 728; LG München I AG 2016, 95, 98; 2020, 222, 225; Beschluss vom 30.12.2016, Az. 5HK O 414/15; Beschluss vom 8.2.2017, Az. 5HK O 7347/15; Peemöller/Kunowski in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, a.a.O., S. 323 f.). Nur dadurch kann der Grundsatz der Laufzeitäquivalenz verwirklicht werden. Die Annahme, es müsse auf den zum Bewertungsstichtag aktuellen Zinssatz für langläufige Bundesanleihen abgestellt werden, übersieht, dass die Unternehmensbewertung auf die Ewigkeit ausgelegt ist. Gerade die Anwendung der Svensson-Methode zeigt aber, dass hier eben nicht auf Daten der Vergangenheit abgestellt wird, sondern künftige Entwicklungen der Ermittlung des Basiszinssatzes zugrunde gelegt werden (vgl. OLG Stuttgart AG 2013, 724, 728; LG München I, Beschluss vom 30.6.2017, Az. 5HK O 13182/15). Aus demselben Grund kann auch nicht auf die Laufzeit der von der Gesellschaft abgeschlossenen Kreditverträge abgestellt werden.
132
Zur Glättung kurzfristiger Marktschwankungen kann dabei allerdings nicht auf den stichtagsgenauen Basiszinssatz abgestellt werden; vielmehr errechnet sich der Basiszinssatz aus einem Drei-Monats-Durchschnitt, wobei der maßgebliche Zeitraum hier von der Hauptversammlung auszugehen hat. Dies ergibt sich aus dem Grundgedanken, dass die Barabfindung gemäß § 327 b Abs. 1 Satz 1 AktG die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung der Hauptversammlung berücksichtigen muss.
133
Auf dieser Grundlage ergibt sich dann ein Basiszinssatz in Höhe von 1,0599% vor Steuern, der dann auf 1,00% vor Steuern abgerundet wird. Einer Rundung stehen keine grundlegenden Bedenken entgegen. Die Verpflichtung zur Zahlung einer angemessenen Barabfindung, die dem vollen Wert der Beteiligung entspricht, liegt ein einfachwie auch verfassungsrechtlich gebotener Ausgleich der jeweils geschützten gegenläufigen Interessen der Minderheitsaktionäre und der Antragsgegnerin als Hauptaktionärin zugrunde. Die Heranziehung von Parametern, die den richtigen Werten möglichst nahe kommen, wird dem gesetzlich vorgegebenen Interessenausgleich am ehesten gerecht. Die vorgenommene Rundung auf 1,25% vor Steuern ist daher von § 287 Abs. 2 ZPO gedeckt (vgl. OLG München, Beschluss vom 30.7.2018, Az. 31 Wx 79/17; OLG Karlsruhe AG 2015, 549, 551 = Der Konzern 2015, 442, 448; OLG Frankfurt Der Konzern 2011, 47, 50 f.; LG München I, Beschluss vom 21.8.2015, Az. 5HK O 1913/14; Beschluss vom 30.6.2017, Az. 5HK O 13182/15; Beschluss vom 29.8.2018, Az. 5HK O 16585/15). Abgesehen davon wirkt sich die Abrundung nicht zum Nachteil der Minderheitsaktionäre aus, nachdem diese werterhöhend wirkt.
134
(b) Eine Reduktion wegen der Existenz von Credit Default Swaps muss nicht erfolgen. Allein der Umstand, dass am Markt auch Credit Default Swaps in Bezug auf staatliche Anleihen der Bundesrepublik Deutschland zu beobachten sind, rechtfertigt nicht den Ansatz einer Kürzung des Basiszinssatzes. Zum einen ist die Bundesrepublik Deutschland – ungeachtet einer möglichen, aber keinesfalls sicheren Verwirklichung von Haftungsrisiken als Folge der Staatsschuldenkrise innerhalb des Euro-Raums – unverändert ein sicherer Schuldner. Auf ein theoretisches Restausfallrisiko kommt es nicht entscheidend an, weil völlig risikofreie Anlagen ohnehin nicht verfügbar sind. Zudem ist aus anderen Spruchverfahren gerichtsbekannt, dass es zwar Spekulationen gegen die Bundesrepublik Deutschland gibt; diese sind indes zahlenmäßig so gering, dass eine Berücksichtigung beim Basiszinssatz nicht gerechtfertigt sein kann. Weiterhin kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Staatsschulden der Bundesrepublik Deutschland aufgrund der Neuregelungen in Art. 109 Abs. 3 und Art. 115 Abs. 2 GG zumindest nicht in dem Ausmaß ansteigen dürfen, wie dies in der Vergangenheit immer wieder zu beobachten war (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.11.2011, Az. 21 W 7/11; LG München I Der Konzern 2020, 311, 313 f.; Beschluss vom 29.8.2014, Az. 5HK O 7455/14; Beschluss vom 6.3.2015, Az. 5HK O 662/13; Beschluss vom 31.7.2015, Az. 5HK O 16371/13; Beschluss vom 21.12.2015, Az. 5HK O 24402/13; 8.2.2017, Az. 5HK O 7347/15; Beschluss vom 28.4.2017, Az. 5HK O 26513/11).
135
(c) Ebenso wenig ist es geboten, den Basiszinssatz in Phase I jeweils für ein konkretes Planjahr gesondert auszuweisen. Die einheitliche Festlegung des Basiszinssatzes für den gesamten Beurteilungszeitraum stellt eine allgemein übliche und nicht zu beanstandende Vorgehensweise dar (so ausdrücklich OLG München NJW-RR 2014, 423, 474; Beschluss vom 30.7.2018, Az., 31 Wx 122716). Dies ergibt sich letztlich auch aus der Überlegung, dass Erträge zwar jährlich erzielt und ausgeschüttet werden sollen, die Dauer des Unternehmens und damit die Ermittlung des Ertragswertes in die Ewigkeit angelegt ist und demzufolge auch nicht von einer jährlich neu stattfindenden Alternativanlage ausgegangen werden kann, wenn Bewertungsanlass das Ausscheiden eines Aktionärs aus der Gesellschaft ist (vgl. LG München I, Beschluss vom 30.3.2012, Az. 5 HK O 11296/06; Beschluss vom 31.7.2015, Az. 5HK O 16371/13; Beschluss vom 21.12.2015, Az. 5HK O 24402/13; Beschluss vom 8.2.2017, Az. 5HK O 7347/15).
136
(2) Für die Ermittlung des Kapitalisierungszinssatzes muss der Basiszinssatz um einen Risikozuschlag erhöht werden, der nach § 287 Abs. 2 ZPO zu schätzen ist und vorliegend im Geschäftsjahr 2019 auf 5,22% in den Geschäftsjahren 2020 und 2021 auf 5,23% sowie im Übergangsjahr und in der Ewigen Rente auf 5,08% festzusetzen ist.
137
(a) Der Grund für den Ansatz eines Risikozuschlages liegt darin, dass Investitionen in Unternehmen im Vergleich zur Anlage in sichere oder zumindest quasi-sichere öffentlichen Anleihen einem höheren Risiko ausgesetzt sind. Dieses Risiko wird bei einem risikoaversen Anleger durch höhere Renditechancen und damit einen erhöhten Zinssatz ausgeglichen, weshalb der Ansatz eines Risikozuschlages unumgänglich ist, zumal der Verzicht auf diesen die ohnehin nicht durch die Planung abgegoltenen Risiken wie politische Krisen, Naturkatastrophen oder weitere nicht in die Planungsrechnung einzubeziehenden allgemeinen wirtschaftlichen Risiken vernachlässigen würde. Ebenso kann die Gefahr des Verfehlens der Planungsziele nicht völlig unberücksichtigt bleiben. Angesichts dessen geht die heute nahezu einhellig vertretene obergerichtliche Rechtsprechung vom Erfordernis des Ansatzes eines Risikozuschlages aus (vgl. nur OLG München ZIP 2009, 2339, 2341 = WM 2009, 1848, 1850; KG NZG 2011, 1302, 1304 = AG 2011, 627, 628 f. = ZIP 2011, 2012, 2013 = WM 2011, 1705, 1706 f.; OLG Stuttgart, Beschluss vom 17.10.2011, Az. 20 W 7/11; AG 2013, 724, 729; AG 2014, 208, 211; OLG Frankfurt NZG 2012, 549, 550 = Der Konzern 2012, 199, 205 f.; AG 2017, 790, 793 = Der Konzern 2018, 74, 78; ebenso Peemöller/Kunowski in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, a.a.O., S. 325).
138
(b) Die Frage, wie der Risikozuschlag im Einzelnen zu ermitteln ist, wird in Rechtsprechung und Literatur nicht einheitlich beurteilt.
139
(aa) Mehrheitlich wird davon ausgegangen, der Risikozuschlag könne mittels des (Tax-)CAPM (Capital Asset Pricing Model) ermittelt werden. Danach wird die durchschnittliche Marktrisikoprämie, die anhand empirischer Daten aus der langfristigen Differenz zwischen der Rendite von Aktien und risikolosen staatlichen Anleihen errechnet wird, mit einem spezifischen Beta-Faktor multipliziert, der sich aus der Volatilität der Aktie des zu bewertenden Unternehmens ergibt. Zur Begründung der Maßgeblichkeit dieses kapitalmarkttheoretischen Modells wird vor allem ausgeführt, dass bei der Feststellung des Unternehmenswertes intersubjektiv nachvollziehbare Grundsätze unter Zugrundelegung von Kapitalmarktdaten Anwendung fänden und dass es kein anderes Modell gebe, das wie das CAPM die Bewertung risikobehafteter Anlagenmöglichkeiten erläutere. Demgegenüber verfüge die herkömmliche Multiplikatormethode über kein festes theoretisches, sondern eher ein empirisches Fundament und werde zudem nicht durch die theoretische Forschung unterstützt. Mit dem CAPM werde gegenüber der Risikozuschlagsmethode eine ungleich höhere Qualität infolge der größeren Nachprüfbarkeit erreicht (vgl. OLG Düsseldorf WM 2009, 2220, 2226; AG 2016, 329, 331 = WM 2016, 1685, 1690; OLG Stuttgart AG 2010, 510, 512; AG 2008, 510, 514 f.; NZG 2007, 112, 117 = AG 2007, 128, 133 f.; OLG Frankfurt AG 2016, 551, 554; Paulsen in: Münchener Kommentar zum AktG, 5. Aufl., § 305 Rdn. 144; Simon/Leverkus in: Simon, SpruchG, a.a.O., Anh § 11 Rdn. 126 f.).
140
(bb) Die Kammer vermag indes der vielfach vertretenen alleinigen Maßgeblichkeit des (Tax-)CAPM in dieser Allgemeinheit nicht zu folgen. Es ist nämlich nicht erkennbar, dass das (Tax-)CAPM den anderen Methoden zur Ermittlung des Risikozuschlages eindeutig überlegen wäre. Auch bei ihm hängt das Ergebnis in hohem Maße von der subjektiven Einschätzung des Bewerters ab, die nur nicht unmittelbar durch die Schätzung des Risikozuschlages selbst ausgeübt wird, sondern mittelbar durch die Auswahl der Parameter für die Berechnung der Marktrisikoprämie sowie des Beta-Faktors. Die rechnerische Herleitung des Risikozuschlages täuscht darüber hinweg, dass aufgrund der Vielzahl von Annahmen, die für die Berechnung getroffen werden müssen, nur eine scheinbare Genauigkeit erreicht wird und nicht etwa eine exakte Bemessung des für die Investition in das konkrete Unternehmen angemessenen Risikozuschlages. Schon die zu treffende Aussage, inwieweit die Daten aus der Vergangenheit auch für die zukünftige Entwicklung aussagekräftig sind, unterliegt subjektiver Wertung. Dies zeigt sich bereits am Auswertungszeitraum, für den die Überrendite ermittelt wird. Aus einer Vielzahl anderer Spruchverfahren ist gerichtsbekannt, dass es eine Reihe von Studien gibt, die für unterschiedliche Zeiträume Werte für die Marktrisikoprämie vor Steuern in Anwendung des arithmetischen Mittels zwischen 4,90% und 10,43% ermittelten; hinsichtlich des geometrischen Mittels werden Studien aufgezeigt, die vor Steuern Werte zwischen 1,7% und 6,80% ergaben. Ebenso ist die Auswahl der Unternehmen, die in eine Peer Group vergleichbarer Unternehmen einbezogen werden, stark von der subjektiven Einschätzung desjenigen abhängig, der über die Vergleichbarkeit der Unternehmen im Einzelnen entscheidet (vgl. OLG München WM 2009, 1848, 1850 f. = ZIP 2009, 2339, 2341; LG München I AG 2016, 95, 99; Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, a.a.O., Rdn. 694 f.; auch Reuter AG 2007, 1, 5; sehr kritisch zum CAPM auch Emmerich in: Festschrift für Uwe H. Schneider, 2011, S. 323, 328 f., 331).
141
Auch sieht die Kammer in der Anwendung des arithmetischen Mittels mit einer jährlichen Wiederanlage des vollständigen Aktienportfolios, wie es in den einzelnen IDW-Standards empfohlen wird, kein hinreichend taugliches Kriterium. Insoweit liegt nämlich ein Widerspruch zu der Annahme einer auf Ewigkeit angelegten Unternehmenstätigkeit vor. Für das aktuelle steuerliche Regime der Abgeltungssteuer unter Einschluss der Versteuerung von Veräußerungsgewinnen gehen empirische Untersuchungen nämlich von einer sehr viel längeren Haltedauer aus. Wenn der Wert des Unternehmens in die Ewigkeit ermittelt werden soll und vor allem auch die Alternativanlage in Aktien anderer Unternehmen vergleichbar sein soll, steht die Annahme eines jährlich stattfindenden vollständigen Aktienaustausches hierzu in Widerspruch. Weiterhin ist gegen das arithmetische Mittel als alleiniger Maßstab zur Ermittlung des Risikozuschlages zu berücksichtigen, dass in all den Fällen, in denen die Anlageperiode nicht 1 ist, es zu Verzerrungen kommt (vgl. Wagner/Jonas/ Ballwieser/ Tschöpel WPg 2006, 1005, 1017 f.).
142
Die Alternative zum arithmetischen Mittel liegt im geometrischen Mittel, bei dem die Wertpapiere zu Beginn des Untersuchungszeitraumes gekauft und an dessen Ende verkauft werden; die jeweiligen Erträge werden dabei jährlich wieder angelegt. Dabei wird allerdings auch zu berücksichtigen sein, dass das geometrische Mittel ebenso wie das arithmetische Mittel zu Verzerrungen des Unternehmenswertes führt, wenn die Anlageperiode nicht gleich 1 ist (vgl. Wagner/Jonas/Ballwieser/Tschöpel WPg 2006, 1005, 1017 f.).
143
Insoweit geht die Kammer in ständiger Rechtsprechung unter Berücksichtigung der gebotenen kritischen Auseinandersetzung mit diesem Modell davon aus, zwischen diesen beiden Extremen liegende Werte anzusetzen (vgl. nur LG München I, Beschluss vom 6.11.2013, Az. 5HK O 2665/12; Beschluss vom 28.3.2014, Az. 5HK O 18925/08; Beschluss vom 7.5.2014, Az. 5HK O 21386/12; Beschluss vom 29.8.2014, Az. 5HK O 7455/13; in diese Richtung auch OLG Karlsruhe Der Konzern 2015, 442, 448 f.).
144
(cc) Vielmehr ist der Risikozuschlag mittels einer empirischen Schätzung zu gewinnen, die im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Gesichtspunkte der konkreten Situation des zu bewertenden Unternehmens Rechnung trägt. Dabei können auch die unter Anwendung des CAPM gewonnenen Daten als eines der zentralen Elemente für die Schätzung des Risikozuschlages herangezogen werden (so auch OLG München ZIP 2009, 2339, 2342 = WM 2009, 1848, 1851).
145
(c) Beim (Tax-)CAPM als einem der maßgeblichen Elemente zur Ermittlung des anzusetzenden Risikozuschlags ergibt dieser aus dem Produkt von Marktrisikoprämie und dem Beta-Faktor.
146
(aa) Dabei geht das kapitalmarktorientierte (Tax-)CAPM von einer Marktrisikoprämie aus, die sich aus der Differenz der erwarteten Rendite des Marktportfolios und dem risikolosen Zinssatz ergibt.
147
Soweit die Kammer bislang die Auffassung vertrat, die Marktrisikoprämie müsse gerade auch wegen der Schwächen einer implizit aus Prognosen von Finanzanalysten und Ratingagenturen ermittelten Marktrisikoprämie im Schnittpunkt der ursprünglichen Empfehlung des FAUB des IDW und der aktuellen Verlautbarung vom 9.12.2012 mit 5% angesetzt werden, wird an dieser Auffassung nicht mehr festgehalten. Ausschlaggebend hierfür ist die andauernde Niedrigzinsphase – zum Stichtag der Hauptversammlung war der Basiszinssatz auf gerundet 1,0% vor Steuern gesunken. Es entspricht der ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung, dass es methodisch nicht zu beanstanden ist, wenn sich Gerichte an den Empfehlungen des FAUB des IDW als einem maßgeblichen Sachverständigengremium orientieren (vgl. nur OLG München AG 2020, 629, 632 = WM 2021, 599, 605 f.; OLG Frankfurt AG 2017, 790, 794 = Der Konzern 2018, 74, 78). Die Rechtsprechung der Kammer wie auch des Oberlandesgerichts München, in der beide Gerichte von einer Marktrisikoprämie von 5,0% ausgingen, betraf Stichtage, die noch in zeitlicher Nähe zur Anpassungsempfehlung vom 19.9.2012 lagen und bei denen von vergleichsweise hohen Basiszinssätzen von mindestens 2,0% vor Steuern bei Stichtagen bis weit in das Jahr 2014 hinein auszugehen war. Der Stichtag der Hauptversammlung liegt nun aber zeitlich hinter der Anpassungsempfehlung des FAUB vom 19.9.2012 und nur ca. neun Monate vor der aktuellen Empfehlung vom 22.10. 2019, durch die nach Anhebung der Obergrenze eine Bandbreite zwischen 5% und 6,5% nach Steuern als sachgerecht bezeichnet wurde. Zur Begründung dieser aktuellen Empfehlung führte der FAUB aus, aufgrund der aktuellen Entwicklung in Bezug auf den risikolosen Zinssatz von damals 0%, der danach sogar negativ wurde, sei eine erneute Anpassung in Bezug auf die Marktrisikoprämie erforderlich. Die Gesamtrenditeerwartung sei tatsächlich bereits in den Jahren 2012/2013 leicht gesunken; der Rückgang stehe doch in keinem Verhältnis zum Rückgang der Renditen deutscher Staatsanleihen. Ausgehend von einer aktuellen Gesamtrenditeerwartung von 7% bis 9% vor Steuern oder rund 5,62% bis 7,22% nach Steuern müsse es zu einer Anhebung der Marktrisikoprämie auf 6% bis 8% vor Steuern, mithin einen Nachsteuerwert von 5% bis 6,5% kommen. Dieses Fazit einer leicht gesunkenen Gesamtrenditeerwartung beruht auf einer vom FAUB vorgenommenen Analyse verschiedenster Methoden, wobei namentlich historisch gemessene Aktienrenditen, langfristig reale Aktienrenditen, ex ante-Analysen impliziter Kapitalkosten und aktuelle Betrachtungen herangezogen wurden.
148
Zwar wird in der Literatur teilweise davon ausgegangen, eine höhere Marktrisikoprämie lasse sich nicht rechtfertigen (vgl. nur Knoll der Konzern 2020, 478 ff.). Allerdings ist gerade die Marktrisikoprämie in der betriebswirtschaftlichen Literatur heftig umstritten. Eine zweifelsfreie Klärung der Problematik wird nicht möglich sein. Da es nicht Aufgabe des Spruchverfahrens sein kann, wirtschaftswissenschaftliche Streitfragen einer letztverbindlichen Klärung zuzuführen, ist die Kammer auch nicht gehalten, ein Sachverständigengutachten zu diesem Themenkomplex einzuholen. Ein weiterer Erkenntnisgewinn ist hierdurch nicht zu erwarten, nachdem es insbesondere keine belastbaren Studien gibt, die dem Gericht eine bessere Erkenntnisgrundlage vermitteln könnten (so ausdrücklich OLG München AG 2020, 629, 632 = WM 2021, 629, 606). Etwas anderes lässt sich auch nicht aus den Entscheidungen des BGH zur Ermittlung des Risikozuschlags nach § 7 Abs. 4 und Abs. 5 StromNEV durch die Regulierungsbehörde (vgl. BGH, Beschluss vom 9.7.2019, Az. EnVR 41/18; Beschluss vom 3.3.2020, Az. EnVR 34/18 herleiten. Der BGH lässt in diesen Entscheidungen gerade nicht erkennen, dass der Ansatz des FAUB des IDW nicht geeignet sein könnte, die Marktrisikoprämie angemessen abzubilden. Es wird lediglich ausgeführt, es handele sich hierbei um eine alternativ in Betracht kommende Bewertungsmethode, die dem Ansatz der Bundesnetzagentur nicht klar überlegen sei (vgl. OLG München AG 2020, 133, 136 = WM 2019, 2104, 2113; Beschluss vom 3.12.2020, Az. 31 Wx 330/16). Die vom Kartellsenat des BGH aufgestellten Grundsätze lassen sich nach den ausdrücklichen Feststellungen im Beschluss vom 3.3.2020, Az. EnVR 34/18 gerade nicht mit denen zur Ermittlung der angemessenen Barabfindung nach § 327 b AktG vergleichen, weil die Ermittlung des Wagniszuschlags nach § 7 Abs. 5 StromNEV nicht der Ermittlung eines Unternehmenswertes dient, sondern der Bestimmung eines Faktors, dem ausschlaggebende Bedeutung für die Bestimmung einer den Zielen der §§ 1 und 21 EnWG Rechnung tragenden Vergütung für die Nutzung von Strom- und Gasnetzen zukommt.
149
Bei einer Marktrisikoprämie von 5,5% nach Steuern und einem Basiszinssatz von 0,74% nach Steuern errechnet sich eine Gesamtrenditeerwartung von 6,24% nach Steuern, die leicht unterhalb des Mittelwerts der vom FAUB berechneten Bandbreite liegt. Der Basiszinssatz sank im Vergleich zu den Zeiten, als die von der Kammer herangezogene Marktrisikoprämie von 5,0% nach Steuern auch vom Oberlandesgericht München gebilligt und zugrunde gelegt wurde, bis hin zum Stichtag der Hauptversammlung am 10.1.2019 um mehr als 1 Prozentpunkte; mithin deutlich stärker als die Anhebung der Marktrisikoprämie um 0,5 Prozentpunkte nach Steuern. Dies zeigt nach Auffassung der Kammer, dass sich eine Erhöhung der Marktrisikoprämie auf 5,5% nach Steuern als sachgerecht rechtfertigen lässt. Damit wird aber gerade nicht von einer konstant realen Aktienrendite ausgegangen – dies hätte eine deutlichere Erhöhung der Marktrisikoprämie erforderlich gemacht.
150
(bb) Der herangezogene Beta-Faktor von unverschuldet 0,95 kann der Ermittlung des Risikozuschlags zugrunde gelegt werden, wobei er auch aus einer Peer Group vergleichbarer Unternehmen gegen einen jeweils großen nationalen Index abgeleitet werden konnte.
151
Der originäre Beta-Faktor der P… AG konnte dabei nicht herangezogen werden. Dieser belief sich in einem zweijährigen Betrachtungszeitraum mit wöchentlichen Renditeintervall auf 0,01 und in einem fünfjährigen Beobachtungszeitraum bei monatlichen Renditeintervallen auf minus 0,12. Damit aber käme das Risiko einer Aktie dem einer festverzinslichen Staatsanleihe höchster Bonität gleich; dies ist mit dem Wesen einer Aktie als risikobehaftetem Wertpapier nicht vereinbar. Auch bestätigen weitere Parameter die Ungeeignetheit des unternehmenseigenen Beta-Faktors.
152
Die Bid-Ask-Spreads lagen ausweislich der Analyse der Wirtschaftsprüfer von E… nie unter 2%, weshalb ihnen wegen der mangelnden Liquidität der Aktie die Aussagekraft fehlt. Bei Aktien mit einem geringen Handelsvolumen liegt der Bid-Ask-Spread deutlich über dem sehr liquider Aktien. Daher müssen Käufer bzw. Verkäufer einer Aktie mit geringem Handelsvolumen einen erheblich höheren Abschlag auf ihre Bruttorendite hinnehmen als Käufer bzw. Verkäufer einer Aktie mit hohem Handelsvolumen. Infolge dessen wird ein rationaler Investor nicht unmittelbar auf jede neue Kapitalmarktinformation reagieren, weil er bei jeder Transaktion erhebliche Renditeabschläge hinnehmen müsste durch die höheren Bid-Ask-Spreads. Folglich zeigt sich das tatsächliche Risiko eines Unternehmens nicht am empirisch ermittelten Beta-Faktor, da der Kurs aufgrund der hohen Transaktionskosten nur träge auf neue Kapitalmarktinformationen reagiert. Die Grenze, bis zu der Bid-Ask-Spreads auf eine hinreichende Liquidität hinweisen, wird üblicherweise in einer Größenordnung von 1,25% gezogen.
153
Auch das Bestimmtheitsmaß R² spricht gegen die hinreichende Belastbarkeit des unternehmenseigenen Beta-Faktors, nachdem dieses für die beiden soeben beschriebenen Zeiträume bei 0,00 und 0,01 lag. Das Bestimmtheitsmaß als Korrelationskoeffizient zwischen einer Aktie und dem Referenzindex macht deutlich, in welchem Umfang das Risiko einer Aktie durch Marktfaktoren bestimmt wird. Die ermittelten Werte besagen also, dass das Risiko der Aktie gar nicht bzw. nur zu 1% durch Marktfaktoren bestimmt war.
154
Die Entwicklung des Börsenkurses der Aktien der P… AG spricht gleichfalls für eine Entkoppelung vom allgemeinen Marktgeschehen. Während der CDAX im Verlaufe des Jahres 2018 vergleichsweise volatil mit Höchstwerten von etwas über € 7,50 verlief, die in den ersten Wochen des Jahres 2018 erzielt wurden, kam es danach zu einem tendenziellen Absinken des Aktienkurses bis auf Werte von etwa € 6,25. Demgegenüber verlief der Chart der P…-Aktie im gesamten ersten Quartal 2018 sehr konstant, um dann in der Tendenz mit Höchstwerten von etwa € 8,30 in der ersten Woche des dritten Quartals anzusteigen. Eine parallel verlaufende Entwicklung lässt sich dem Kursverlauf der Aktie der P… AG und des CDAX nicht entnehmen.
155
Die Existenz eines Großaktionärs wie hier der Antragsgegnerin rechtfertigt es gleichfalls nicht, auf den sehr niedrigen Beta-Faktor der P… AG abzustellen. Selbst das Vorliegen eines Unternehmensvertrags ändert nichts daran, dass der Anleger bei einer Investition in ein Unternehmen aufgrund der damit verbundenen Risiken eine höhere Rendite erwartet als von einer Anlage in ein sicheres Wertpapier. Selbst das Bestehen eines Unternehmensvertrags ändert nicht den Charakter der Aktie als Risikopapier, das keine feste Verzinsung des eingesetzten Kapitals verspricht (vgl. OLG München ZIP 2007, 375, 379). Dann aber muss dies erst recht gelten, wenn nur von einer faktischen Konzernierung ausgegangen werden kann. Es ist nämlich nicht erkennbar, warum sich der Mehrheitsaktionär sein Investment, das infolge des Umfangs seiner Beteiligung sogar zu einem höheren Risiko führt, nicht durch einen Risikozuschlag oder zumindest einen deutlich niedrigeren Risikozuschlag abgelten lassen sollte (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 18.12.2009, Az. 20 W 2/08 – Beschluss vom 19.1.2011, Az. 20 W 3/09: Simon/Leverkus in: Simon, SpruchG, 1. Aufl., Anh § 11 Rdn. 10; Wittgens/Redeke ZIP 2008, 542, 545). Der in der Literatur zum Teil vertretenen gegenteiligen Auffassung, auch in diesem Falle müsse auf den unternehmenseigenen Beta-Faktor abgestellt werden (vgl. Erhardt/Nowak AG 2005, Sonderheft, S. 3, 7 f.), kann folglich nicht gefolgt werden.
156
Die Zusammensetzung der Peer Group begegnet vorliegend keinen grundlegenden Bedenken. Für die Auswahl der Peer Group-Unternehmen wesentlich ist die Vergleichbarkeit hinsichtlich des Geschäftsmodells, der spezifischen Produktsegmente bzw. des Diversifikationsgrades und der Produktart, hinsichtlich der regionalen Abdeckung und gegebenenfalls auch hinsichtlich ihrer Größe (vgl. Franken/Schulte/Dörschell, Kapitalkosten für die Unternehmensbewertung, 3. Aufl., S. 47). Diese unmittelbare Vergleichbarkeit muss bei den herangezogenen Unternehmen der Peer Group bejaht werden.
157
Da ein zum Bewertungsobjekt komplett vergleichbares Unternehmen praktisch nie existieren wird, steht es der Zusammensetzung der Peer Group nicht entgegen, wenn Full Service IT-Dienstleister und Systemhäuser aufgenommen wurden. Ein Ausschluss von Vergleichsunternehmen anhand mehrerer einzelner Kriterien würde letztlich dazu führen, dass keine geeigneten Vergleichsunternehmen mehr übrig blieben und demzufolge der (verschuldete) Beta-Faktor mit dem Marktdurchschnitt von 1,0 anzusetzen wäre. Folglich kann eine jede Peer Group „nur“ als Annäherung an das Bewertungsobjekt verstanden werden.
158
Die von den Bewertungsgutachtern und dem Abfindungsprüfer gebildete Peer Group stellt sich als geeignete Gruppe von Vergleichsunternehmen dar, aus denen der unverschuldete Beta-Faktor abgeleitet werden konnte. Die Einbeziehung im Ausland ansässiger und gelisteter Unternehmen ist dabei zulässig. Es ist in der Rechtsprechung weithin anerkannt, dass angesichts der internationalen Verflechtung der Kapitalmärkte auch ausländische Unternehmen in eine Peer Group aufgenommen werden können (vgl. OLG Celle AG 2007, 865, 867 = ZIP 2007, 2025, 2028; OLG Düsseldorf WM 2009, 2220, 2226; LG München I, Beschluss vom 28.5.2014, Az. 5HK O 22657/12; Beschluss vom 21.12.2015, Az. 5HK O 24402/13; Beschluss vom 25.4.2016, Az. 5HK O 20672/14; Beschluss vom 30.5.2018, Az. 5HK O 10044/16; Beschluss vom 26.7.2019, Az. 5HK O 13831/17).
159
Die Pr… IT Group AB konnte in die Peer Group aufgenommen werden. Zwar erzielt sie etwa die Hälfte ihrer Umsätze in Skandinavien, aber durchaus auch in Deutschland sowie daneben in den Niederlanden und Großbritannien. Die gute Vergleichbarkeit resultiert in erster Linie aus dem Produktangebot mit eigenen Rechenzentren, Public and Private Cloudsowie Outsourcing-Services. Gerade deshalb bejahten die Abfindungsprüfer zurecht die Vergleichbarkeit, auch wenn der unverschuldete Beta-Faktor über dem Durchschnitt sowie dem Median lag.
160
Ebenso konnten die B… AG sowie die A… SE in die Peer Group aufgenommen werden. Allein die Größe dieser Unternehmen kann kein Ausschusskriterium sein, solange vor allem das Geschäftsmodell und die spezifischen Produktsegmente vergleichbar sind, was bei diesen beiden Gesellschaften zu bejahen ist. Die Abfindungsprüfer wiesen in ihrer zweiten ergänzenden Stellungnahme auf Untersuchungen aus jüngerer Zeit hin, die bezüglich des Einflusses der Größe eines Unternehmens auf die Rendite bzw. das Risiko zu keinen eindeutigen Ergebnissen führten. Zwei jüngere Studien kommen dabei zu dem Schluss, es gebe über zum Teil auch sehr lange Untersuchungszeiträume von bis zu 91 Jahren weltweit kaum Anzeichen für eine Größenprämie in Aktienmärkten und Risikozuschläge für kleinere Unternehmen. Dieser Umstand, dass die Größe allein kein ausschlaggebender Faktor sein wird, steht in Einklang mit den Erfahrungen der Kammer aus anderen Spruchverfahren, wonach im Vergleich zum Bewertungsobjekt deutlich größere Unternehmen innerhalb der Peer Group zum Teil im Vergleich zum Durchschnitt und zum Median deutlich höhere, aber ebenso auch deutlich niedrigere Beta-Faktoren aufwiesen. Gerade bei den hiesigen Peer-Group-Unternehmen führt die Größe namentlich der B… AG zu einem für die Minderheitsaktionäre günstigeren Ergebnis.
161
Eine Aufnahme von T… O… und R… S.p.A. ist nach Auffassung der Kammer nicht als zwingend geboten anzusehen. Die Abfindungsprüfer wiesen in Bezug auf T… O… auf die mangelnde Liquidität der Aktie hin, nachdem das Bestimmtheitsmaß mit 0,079 oder 7,9% für zwei Jahre und 0,063 bzw. 6,3% für fünf Jahre auf eine mangelnde Liquidität hinwies, während dieser Wert bei den in die Peer Group aufgenommenen Unternehmen ausweislich der nicht in Frage gestellten Feststellungen der Bewertungsgutachter bei einem zweijährigen Betrachtungszeitraum mit monatlicher Renditeinterfallen jedenfalls bei 0,16 und bei einer Periode von fünf Jahren mit monatlicher Renditebetrachtung nur bei der Co… einen Wert von 0,10 aufwies, bei dem die hinreichende Liquidität fraglich sein könnte. Angesichts des Beta-Faktors dieses Unternehmens von 1,1 bzw. 0,81 unlevered wirkt sich die Berücksichtigung dieses Unternehmens mit vergleichsweise niedrigen Bestimmtheitsmaß nicht zum Nachteil der Minderheitsaktionäre aus. Zudem verwiesen die Abfindungsprüfer ergänzend auch auf das aus ihrer Sicht zu geringe Handelsvolumen der Aktie der T… O…, ohne dass dieser Umstand aber entscheidend gewesen wäre. Die unterbliebene Aufnahme der R… S.p.A. lässt sich zum einen damit rechtfertigen, dass dieses Unternehmen im Gegensatz zur P… AG über keine Rechenzentren verfügt. Zudem lagen die unverschuldeten Beta-Faktoren für einen zwei- und einen fünfjährigen Referenzzeitraum bei 1,1 bzw. 1,19. Bezogen auf den lokalen Referenzindex lagen die unverschuldeten Beta-Faktoren für verschiedene Jahresscheiben zwischen 1,01 und 1,38. Damit aber liegen alle Beta-Faktoren der R… S.p.A. über dem Wert, der aus der Peer Group abgeleitet wurde.
162
Die Abfindungsprüfer haben zudem auch die Beta-Faktoren gegen die abgeglichen, die mit dem MSCI World All Countries Index als Referenzindex berechnet wurden, wobei sich dabei über beide Betrachtungszeiträume deutlich höhere Werte ergaben. Dies gilt auch dann, wenn Y… Corp. und SAP SE einbezogen würden, weil sich dann ein Median von 0,92 bzw. 1,22 nur für diese beiden Unternehmen ergeben würde, die aber nicht isoliert in eine Gesamtwürdigung einbezogen werden dürften. Daher liegt der Median wie auch der Mittelwert der dann sieben Unternehmen umfassende Peer Group gegen den MSCI World All Countries Index immer noch deutlich über 0,95 unverschuldet.
163
Der Umstand des im Vergleich zur Antragsgegnerin viel größeren Umfangs des Auftretens wiederkehrender Umsätze rechtfertigt nicht den Ansatz eines unverschuldeten Beta-Faktors, der unterhalb dem der Antragsgegnerin liegt. Zum einen muss berücksichtigt werden, dass auch wiederkehrende Umsätze angesichts einer Churn Rate von 8% bis 9% verloren gehen werden und nach dem Ende der Vertragslaufzeit Verhandlungen über deren Verlängerung anstehen, die nach den Erfahrungen aus der Vergangenheit vielfach zu Preisnachlässen auch in der Zukunft führen werden. Ebenso muss berücksichtigt werden, dass sich der Wert der Gesellschaft im Wesentlichen aus Wachstum und Neugeschäft in den Phasen I und II speist und gerade nicht nur auch bestehenden Verträgen. Ein Großteil der Umsätze muss demzufolge noch akquiriert werden, was mit höherer Unsicherheit verbunden ist. Vergleicht man den Anteil des Umfangs an wiederkehrenden Leistungen bei diesen Gesellschaften, kann nicht übersehen werden, dass auch in dem Segment IT-Solutions der Antragsgegnerin, das fünfmal so groß ist wie das Segment Cloud Solutions mit einem entsprechenden Ausweis von „Annual Recurring Revenues“, Umsätze mit einem festen Kundenstamm erzielt werden. Nimmt man den Mittelwert der Beta-Faktoren zwischen dem zweijährigen Betrachtungszeitraum und dem fünfjährigen Betrachtungszeitraum jeweils gegen einen großen nationalen Index, so liegt dieser bei 1,15 und folglich deutlich über dem auf Basis einer Gesamtschau ermittelten Beta-Faktor für die P… AG.
164
Über ein Branchen-Beta lässt sich ein aussagekräftigerer Beta-Faktor nicht herleiten, weil in dessen Berechnung die Werte vieler Unternehmen einfließen, die mit dem Bewertungsobjekt letztlich nicht oder jedenfalls kaum vergleichbar sind (vgl. LG München I, Beschluss vom 25.4.2016, Az. 5HK O 20672/14). Demzufolge musste das Branchen-Beta auch nicht ermittelt werden.
165
Da neben dem operativen Risiko auch das Finanzstrukturrisiko für den Risikozuschlag von wesentlicher Bedeutung ist, muss der unverschuldete Beta-Faktor mit Hilfe des Relevern der Verschuldungsstruktur der Gesellschaft angepasst werden. In den Jahren der Detailplanungsphase gab es einen Liquiditätsüberschuss bzw. in den Jahren 2020 bis 2021 einen Verschuldungsgrad der Gesellschaft von 0, weshalb dieser unverschuldete Beta-Faktor in den Jahren 2020 und 2021 anzusetzen war. Da in der Konvergenzphase wie auch im Terminal Value wieder nicht betriebsnotwendige Liquidität aufgebaut werden wird, musste infolge dessen von einem niedrigeren unverschuldeten Beta-Faktor von 0,92 ausgegangen werden.
166
(d) Der so mit Hilfe des (Tax-)CAPM ermittelte Risikozuschlag steht auch in Einklang mit den sich aus der speziellen Situation der Gesellschaft am Markt ergebenden Risiken, wobei diese operativ leicht über dem Durchschnitt liegend, unter Berücksichtigung der Verschuldungssituation insgesamt aber als leicht unterdurchschnittlich eingestuft werden müssen.
167
(aa) Der Kammer ist aus anderen Spruchverfahren bekannt, dass der Durchschnitt des operativen Risikos über einen Beta-Faktor von etwa 0,8 abgebildet wird, was zu der Annahme des leicht überdurchschnittlichen operativen Risiko führt. Die vorhandenen Stärken des Geschäftsmodells der Gesellschaft werden bei dieser Würdigung nicht verkannt. Die P… AG übernimmt eine Vorreiterrollte im Bereich Public Cloud als Multicloud-Anbieter. Auch wächst das Unternehmen dynamisch mit Partizipation im Bereich Cloud-Computing, wo in der Vergangenheit zudem eine hohe Anpassungsfähigkeit gezeigt wurde. Der Anteil an wiederkehrenden Umsätzen soll steigen, wobei aber nicht gänzlich außer Betracht bleiben kann, dass die Gesellschaft mit Umsätzen von rund € 55 Mio. Ende des Jahres 2018 und damit äußerst zeitnah zum Bewertungsstichtag erst einen geringen Anteil der künftigen in der Bewertung berücksichtigten Umsätze gesichert hat, die im Terminal Value knapp € 126 Mio. betragen sollen – daher besteht auch ein Risiko, dass bei sich verschlechternder konjunktureller Lage IT-Projekte aufgeschoben werden, was zu Leerkosten der beratungsintensiveren Service-Dienstleistungen und zu einem Verfehlen der Wachstumsziele führen kann. Die Abfindungsprüfer wiesen daher in der ergänzenden Stellungnahme vom 1.7.2020 ausdrücklich darauf hin, erhebliches künftiges Kundenpotenzial müsse noch erschlossen werden. Die bereits zum Stichtag vorhandene Einbindung in den Konzern der Antragsgegnerin mit dem breiten Produktportfolio stärkt die Situation der Gesellschaft am Markt ebenso wie ein eigener Backbone und die eigenen Rechenzentren mit einem hohen Zertifizierungsniveau.
168
Dennoch müssen die Risiken der Gesellschaft als die Chancen leicht übersteigend eingeschätzt werden. Die Gesellschaft ist angesichts der geplanten Umsatzzahlen nur ein kleiner Marktteilnehmer mit einem unbedeutenden Marktanteil. Auch ist ihr Tätigkeitsfeld auf den deutschsprachigen Raum begrenzt – es herrscht also eine geringe Internationalisierung und Diversifizierung vor. Ein deutliches Risiko liegt in der Gewinnung qualifizierter Mitarbeiter. Das neue Geschäftsfeld Public Cloud verfügt zwar über eine hohe Umsatzdynamik, die aber vor allem auch durch bisherige Kunden der Antragsgegnerin getrieben wird. Dieses Geschäftsfeld weist zudem deutlich geringere Margen auf und ist durch einen hohen Wettbewerbsdruck gekennzeichnet. Die Risiken diesbezüglich werden durch niedrige Markteintrittsbarrieren verstärkt, zumal das Produktangebot der Gesellschaft austauschbar ist. Im größten Segment Outsourcing wird es zu einer zunehmenden Marktsättigung kommen. Mit dem größten Kunden gibt es ein rückläufiges und vor allem endliches Geschäftsvolumen, das durch neue Kunden kompensiert werden muss. Auch insoweit müssen die sich daraus ergebenden Risiken in die Gesamtbetrachtung einfließen. Zudem darf bei der Risikobeurteilung nicht übersehen werden, dass die bei Vertragsverlängerungen vielfach zu gewährenden Preisnachlässe die Gefahr der Margenerosion nach sich ziehen.
169
(bb) Bei der Beurteilung des Risikos der Gesellschaft muss als Risiko begrenzender Faktor die gute Finanzierungssituation der P… AG auch hier berücksichtigt werden, die sich durch die fehlende Verschulung in der Detailplanungsphase und Liquiditätsüberschüsse im Terminal Value auszeichnet.
170
Insgesamt liegt daher das Gesamtrisiko der Gesellschaft leicht unter dem Marktdurchschnitt von 1,0.
171
(3) Der mit 1% in der Ewigen Rente angesetzte Wachstumsabschlag muss nicht erhöht werden.
172
(a) Mit dem Wachstumsabschlag wird zugunsten der Aktionäre berücksichtigt, dass sich die Geldentwertung bei festverzinslichen Anleihen stärker auswirkt als bei einer Unternehmensbeteiligung. Das Unternehmen hat in der Regel die Möglichkeit, die Geldentwertung zumindest zu einem Teil durch Preiserhöhungen aufzufangen, während die Anleihe ohne Inflationsausgleich zum Nominalwert zurückgezahlt wird. Die Höhe des festzusetzenden Abschlages ist dabei abhängig von den Umständen des Einzelfalles. Maßgeblich ist vor allem, ob und in welcher Weise Unternehmen die erwarteten Preissteigerungen an die Kunden weitergeben können; daneben sind aber auch sonstige prognostizierte Margen und Strukturänderungen zu berücksichtigen (vgl. OLG Stuttgart AG 2007, 596, 599; NZG 2007, 302, 307; AG 2008, 783, 788 f.; OLG München WM 2009, 1848, 1851 = ZIP 2009, 2339, 2342; AG 2015, 508, 512 = ZIP 2015, 1166, 1171; OLG Düsseldorf WM 2009, 2220, 2227; OLG Karlsruhe Der Konzern 2015, 442, 450 f.; 2016, 35, 41; LG München I, Beschluss vom 31.7.2015, Az. 5HK O 16371/13; Beschluss vom 16.4.2019, Az. 5HK O 14963/17; Beschluss vom 27.11.2019, Az. 5HK O 6321/14; Beschluss vom 25.11.2020, Az. 5HK O 12435/05). Ausschlaggebend ist dabei primär die individuelle Situation des Unternehmens, nicht die allgemeine Entwicklung zum Bewertungsstichtag. Dabei kann nicht auf Umsätze und deren Entwicklung in Relation zur allgemeinen Inflationsrate abgestellt werden; entscheidend ist vielmehr das Wachstum der Ergebnisse. Die erwartete durchschnittliche Inflationsrate kann dabei nur einen ersten Ansatzpunkt für die Höhe des Wachstumsabschlages bilden (so auch ausdrücklich OLG München AG 2018, 753, 756 f. = Der Konzern 2019, 277, 282 f.; OLG Düsseldorf AG 2016, 329, 331 = WM 2016, 1686, 1691; Der Konzern 2019, 410, 419; Paulsen in: Münchener Kommentar zum AktG, 5. Aufl., § 305 Rdn. 168). Es ist nämlich zu beachten, dass – wie auch aus anderen Verfahren gerichtsbekannt ist – Unternehmensergebnisse anderen Preiseinflüssen als der Verbraucherpreisindex unterliegen, weil Chancen und Risiken nominaler Ergebnisveränderungen sowohl von der Marktlage und Wettbewerbssituation als auch der Struktur jedes einzelnen Unternehmens abhängen.
173
Angesichts dieser Bedeutung des Wachstumsabschlages ist dieser auch ausschließlich in der Ewigen Rente festzusetzen; Preissteigerungen in der Detailplanungsphase sind bereits über die Planzahlen abgebildet, die dann auch zu einem entsprechenden Umsatzwachstum führen.
174
(b) Unter Berücksichtigung dieser Ausgangslage lässt sich ein höherer Wachstumsabschlag nicht rechtfertigen.
175
(aa) Die Prüfer konnten im Verlauf ihrer Prüfung nur wenig Möglichkeiten der Überwälzung von beschaffungsseitigen Kostensteigerungen auf die Kunden der P… AG identifizieren. Zwar ist die Gesellschaft aufgrund ihrer vertraglichen Regelungen grundsätzlich berechtigt, jederzeit im Rahmen ihrer Preislisten unter Wahrung einer angemessenen Frist vor Inkrafttreten die Preise zu ändern. Dabei hatte die Gesellschaft – wenn auch mit Zeitverzögerung – theoretisch die Möglichkeit der Weitergabe von Preiserhöhungen an ihre Kunden. Dem steht aber entgegen, dass angesichts der bereits wiederholt beschriebenen Wettbewerbsdynamik mit hohem Preisdruck bei austauschbarem und auf Beschaffungsseite immer preisgünstigerem Produktangebot die Kunden vielfach erhebliche Preiszugeständnisse von bis zu 25% zum ursprünglichen Vertragspreis fordern. Diese werden dann den Kunden auch vielfach gewährt, um diese nicht zu verlieren, weshalb eine Überwälzbarkeit von Kostensteigerungen bei der P… AG an die Kunden nicht in einem Ausmaß stattfinden kann, der einen höheren Wachstumsabschlag rechtfertigen könnte. Die bei der P… AG entstehenden Kosten für die Software-Lizenzen für den Geschäftsbereich Public Cloud, die sie vor allem von den großen Hyperscalern bezieht, Leitungskosten für die Anbindung der Kunden an die Rechenzentren der Gesellschaft sowie die Kosten für vorübergehend angeworbene IT-Berater aufgrund fehlender eigener Mitarbeiterkapazitäten lassen sich für die vergleichsweise kleine P… AG nur wenig beeinflussen, weil sie vor allem gegenüber den großen Softwareanbietern und der D… T… AG nicht über die Marktmacht verfügt, die Preise bestimmen zu können. Zudem darf nicht übersehen werden, dass für die Fixkosten der Fachkräftemangel im IT-Bereich zu über der Inflationsrate liegenden Kostensteigerungen bei den Personalkosten für eigene Mitarbeiter wie auch externe Berater führt, die aber angesichts der Wettbewerbslage nicht vollumfänglich an die preissensiblen Kunden weitergegeben werden können. Diese erwarten angesichts sinkender Hardwarekosten auch Preissenkungen für die entsprechenden Leistungen.
176
(bb) Dem Ansatz eines Wachstumsabschlags von 1% können nicht die Tätigkeit in dem weltweit steigenden Cloud-Computing-Markt und die höheren Steigerungsraten in der Detailplanungsphase entgegengesetzt werden. Die zum Cloud Computing-Markt veröffentlichten Studien zeigen bis ins Jahr 2021 ein starkes weltweites Umsatzwachstum, enthalten aber keine Aussagen zur Profitabilität und vor allem auch nicht zum nachhaltigen Ergebniswachstum. In der langen Konvergenzphase wird erst ab dem Jahr 2034 mit einem jährlichen EBITDA-Wachstum von 1% gerechnet. Dies muss angesichts der bereits beschriebenen Lage der Gesellschaft im IT-Markt und der Preissensibilität der Kunden in Übereinstimmung mit den von den Abfindungsprüfern vermittelten Erkenntnissen als angemessen bezeichnet werden. Die Besonderheiten mit einem Wachstumsabschlag von 1% ab dem Jahr 2035 rechtfertigen zudem, dass er knapp unter dem Durchschnitt anderer Unternehmen aus der IT-Branche liegt, der unter Auswertung von insgesamt 195 Bewertungsfällen und 32 Bewertungsfällen aus dem IT-Bereich von I… mit 1,12% ermittelt wurde.
177
(c) Dem Ansatz eines Wachstumsabschlages von 1,5% und damit unterhalb einer von der EZB erstrebten Inflationsrate von 2% kann nicht entgegengehalten werden, dies führe auf Dauer zu einem Schrumpfen und vollständigen Verschwinden der Gesellschaft aus dem Markt. Dieser Ansatz lässt die Auswirkungen zwischen Wachstum, Thesaurierung, Inflation, persönlicher Besteuerung und Verschuldung außer Betracht. Gerade die Folgen der Thesaurierung müssen in die Betrachtung zum künftigen Wachstum einfließen. Der Ansatz thesaurierungsbedingten Wachstums ist angesichts der Aufgabe der Vollausschüttungshypothese notwendig. Durch die Berücksichtigung der Thesaurierung in der Ewigen Rente kann reales Wachstum begründet werden. Dabei muss insbesondere gesehen werden, dass die früher der Unternehmensbewertung zugrunde gelegte Vollausschüttungshypothese den Realitäten nicht entsprochen hat, so dass der Ansatz von Thesaurierung und demgemäß auch von thesaurierungsbedingten Wachstum in der Ewigen Rente als sachgerecht und zutreffend bezeichnet werden muss (vgl. auch LG München I, Beschluss vom 28.3.2014, Az. 5 HK O 18925/08; Beschluss vom 7.5.2014, Az. 5HK O 21386/12; Beschluss vom 8.2.2017, Az. 5HK O 7347/15; Beschluss vom 30.5.2018, Az. 5HK O 10044/16; Beschluss vom 25.11.2020, Az. 5HK O 12435/05). Der Unternehmenswert der Gesellschaft bildet dabei auch das thesaurierungsbedingte Wachstum durch die fiktive Hinzurechnung der Wertbeiträge aus Thesaurierung.
178
Neuere Studien aus der betriebswirtschaftlichen Literatur rechtfertigen keine andere Beurteilung, wie der Kammer aus mehreren anderen Verfahren überzeugend dargestellt wurde, in denen insbesondere auch C. als gerichtlich bestellter Sachverständiger Stellung zu der von ihm erstellten Studie nahm. Diese Studie von C. (BewP 2011, 24) führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung, auch wenn sie die Kerngrößen zur Ermittlung des Wachstumsabschlages – Bruttoinlandsprodukt, Inflationsrate und Gewinnwachstum der Unternehmen – zusammenfasst. Dabei lag das Gewinnwachstum der Unternehmen in Deutschland von 1992 bis 2009 bei 2,4% und damit über der Inflationsrate von 1,9%. Der Wachstumsabschlag von 1% spiegelt dabei aber nicht das Gesamtwachstum der erzielbaren Überschüsse wider. Dieses ist vielmehr unter Einbeziehung des (impliziten) thesaurierungsbedingten Wachstums zu ermitteln, das nach dessen Hinzurechnung deutlich höher liegt.
179
Ebenso wenig führt eine Dissertation von Bork zu abweichenden Erkenntnissen. Dieser Arbeit ist nämlich nicht zu entnehmen, inwieweit der Umstand von Gewinnsteigerungen auch zu Wertsteigerungen des Unternehmens führt. Der auf Zahlen der D Bbk mit der Entwicklung des bilanziellen Eigenkapitals beruhenden Aufstellung ist zu entnehmen, dass das bilanzielle Eigenkapital stärker wuchs als die Gewinne; Ursachen für diese Entwicklung können der Zahlenreihe indes nicht entnommen werden. Das Gewinnwachstum der Vergangenheit konnte nicht kostenlos erfolgen, sondern erforderte Thesaurierungen. Dann aber bestätigen die Zahlen aus der Arbeit von Bork diese Überlegungen – je höher das Wachstum, desto geringer ist der ausschüttungsfähige Teil der Ergebnisse. Etwas anderes lässt sich nicht aus einer Untersuchung von Schüler/Lampenius ableiten, die in Auswertung von 134 Bewertungsgutachten aus dem Zeitraum zwischen 1985 und 2003 zu dem Ergebnis gelangte, für zwei von drei denkbaren Inflationsschätzern sei ein negatives Realwachstum festgestellt worden. Diese Untersuchung rechtfertigt vor allem deshalb kein anderes Ergebnis, weil die Datengrundlage mit dem Ansatz des Verbraucherpreisindex in Deutschland bzw. den Schätzungen der D Bbk nicht zu überzeugen vermag. Wesentlich müssen nämlich – wie bereits ausgeführt – die Preissteigerungen auf den Beschaffungsmärkten für das bewertete Unternehmen sein. Aus demselben Grund überzeugt auch nicht die Annahme von Knoll, eine unvollständige Überwälzung der Inflation stehe in Widerspruch zum Postulat des eingeschwungenen Zustandes, in dem alle Variablen die gleichen Zuwachsraten aufwiesen. Der Ansatz von Knoll geht von der erwarteten langfristigen Inflation seitens der EZB in Höhe von 2% aus, was allerdings nicht hinreichend die relevanten Veränderungen des Preisniveaus auf der Grundlage von Preisänderungen auf den Beschaffungsmärkten für das bewertete Unternehmen berücksichtigt.
180
c. Über den im Bewertungsgutachten und dem Prüfungsbericht angesetzten Sonderwert für nicht betriebsnotwendige Liquidität von € 28 Mio. zum bewertungstechnischen Stichtag 1.1.2019 hinaus musste keine weiteres nicht betriebsnotwendiges Vermögen angesetzt werden.
181
(1) Die nicht betriebsnotwendige Liquidität konnte entsprechend den Feststellungen im Bewertungsgutachten wie auch im Prüfungsbericht auf € 28 Mio. festgesetzt werden. Ausgangspunkt hierfür ist der Bestand an liquiden Mitteln zum 31.12.2018, der ausweislich der ergänzenden Stellungnahme vom 1.4.2020 bei € 33,4 Mio. und um etwa € 3,5 Mio. über dem in der Bewertung unterstellten Bilanzansatz auf Basis der Teilkonzernbilanz zum 30.9.2018 lag. Angesichts eines stark schwankenden Bestands an liquiden Mitteln kann der Anteil betriebsnotwendiger Liquidität nicht anhand eines Stichtags zum Jahresende angesetzt werden. Dieser Bestand variiert an den Monatsenden zwischen dem jährlichen Maximum und dem jährlichen Minimum um rund € 5 Mio. innerhalb eines Jahres erheblich. Daher muss die nicht betriebsnotwendige Liquidität auf der Grundlage historischer Durchschnittsbetrachtungen angesetzt werden. Dabei zeigt ein Vergleich der Jahre 2016 bis 2018 anhand der Monatsendbestände eine sich aufbauende Liquidität im letzten Quartal eines Jahres. Im letzten Jahr der Vergangenheitsanalyse lag der Mittelwert bei etwa € 31 Mio., wie die Grafik auf Seite 10 der ersten ergänzenden Stellungnahme zeigt. Wenn nun davon ausgegangen wird, dass etwa 5% der liquiden Mittel als betriebsnotwendig einzustufen sind, ist der Ansatz von € 28 Mio. zum bewertungstechnischen Stichtag nicht fehlerhaft erfolgt.
182
(2) Weiteres nicht betriebsnotwendiges Vermögen war nicht anzusetzen.
183
(a) Dies gilt zunächst für das steuerliche Einlagenkonto im Sinne des § 27 Abs. 1 KStG in einem Umfang von € 32,9 Mio.. Dieser Betrag wurde im Rahmen der Ausschüttung der nicht betriebsnotwendigen Liquidität sowie weiterer Ausschüttungen in den Jahren der Detailplanungsphase vollständig verbraucht, nachdem die Ausschüttungen in diesen drei Jahren steuerfrei erfolgten, indem sie ohne Abzug persönlicher Ertragssteuern an die Aktionäre flossen.
184
(b) Steuerliche Verlustvorträge bei Konzernunternehmen konnten die Abfindungsprüfer nicht feststellen, weshalb daraus auch kein Sonderwert ermittelt werden konnte.
185
(c) Auch für weiteres nicht betriebsnotwendiges Vermögen fanden die Abfindungsprüfer von I… keine Anhaltspunkte.
186
(d) Die Marke „P…“ durfte nicht als nicht betriebsnotwendiges Vermögen angesetzt werden. Die Marke dient nämlich unmittelbar dem Erzielen der Erlöse, weshalb ihr Wert über die Ertragsplanung in die Unternehmensbewertung einfließt und demzufolge nicht im Rahmen des nicht betriebsnotwendigen Vermögens Berücksichtigung finden kann; anderenfalls käme es zu einer unzulässigen Doppelerfassung (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 19.1.2011, Az. 20 W 3/09; LG München I AG 2017, 501, 507; Beschluss vom 31.7.2015, Az. 5HK O 16371/13; Beschluss vom 21.12.2015, Az. 5HK O 24402/13; Beschluss vom 25.4.2016, Az. 5HK O 20672/14; Beschluss vom 8.2.2017, Az. 5HK O 7347/15; Beschluss vom 29.8.2018, Az. 5HK O 16585/15; Beschluss vom 28.3.2019, Az. 5HK O 3374/18; LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 9.8.2010, Az. 3-5 O 73/04).
187
Angesichts dessen ermittelt sich der Unternehmenswert der P… AG wie folgt:

2019

2020

2021

2022

2023ff.

T€

PLAN

PLAN

PLAN

ÜBERGANG

TV

Nettoausschüttung

3.169

4.022

4.795

5.978

5.896

Kapitalisierungszinssatz

5,96%

5,96%

5,96%

5,83%

4,83%

Barwertfaktor

0,94

0,89

0,84

0,79

16,46

Barwerte

2.990

3.582

4.030

4.748

97.029

Summe Barwerte zum 1.1.2019

112.379

zzgl. Sonderwert

28.000

140.379

Aufzinsungsfaktor

1,0016

Summe 10.1.2019

140.602

188
Aus einem Unternehmenswert von demgemäß € 140,602 Mio. zum Stichtag der Hauptversammlung errechnet sich demgemäß bei 14.590 außenstehenden Aktien ein Wert von € 9,64 je Aktie.
189
d. Weitere Maßnahmen zur Aufklärung des Sachverhalts sind auch unter Berücksichtigung des in § 17 Abs. 1 SpruchG, 26 FamFG normierten Amtsermittlungsgrundsatzes nicht veranlasst.
190
(1) Dabei ist namentlich die Durchführung einer gesonderten Beweisaufnahme durch die Einholung des Gutachtens eines gerichtlich bestellten Sachverständigen nicht erforderlich, weil die Anhörung der gerichtlich bestellten Prüfer bereits zu einem für die Kammer überzeugenden Ergebnis geführt hat.
191
(a) Ein gerichtliches Sachverständigengutachten muss nur dann eingeholt werden, wenn nach der Anhörung des Prüfers, die sachlich auf § 8 Abs. 2 Satz 1 SpruchG gestützt wurde, weiterer Aufklärungsbedarf besteht (vgl. OLG München Der Konzern 2014, 172, 173; AG 2015, 508, 512 = ZIP 2015, 1166, 1172; Beschluss vom 13.11.2018, Az. 31 Wx 372/15; OLG Düsseldorf AG 2015, 573, 575 = ZIP 2015, 1336, 1338 = Der Konzern 2016, 94, 96; LG München I, Beschluss vom 28.3.2019, Az. 5HK O 3374/18; Klöcker/Wittgens in: Schmidt/Lutter, AktG, 4.Aufl., § 8 Rdn. 4; Winter in: Simon, SpruchG, a.a.O., § 8 Rdn. 21; im Grundsatz auch Drescher in: BeckOGK, Stand 1.2.2021, § 8 SpruchG Rdn. 15). Aufgrund des Berichts der Abfindungsprüfer, der ausführlichen Erläuterungen in einem mehrstündigen Anhörungstermin und der aufgrund von § 7 Abs. 6 SpruchG eingeholten ergänzenden Stellungnahmen der Abfindungsprüfer hat die Kammer keinen Zweifel an der Plausibilität der Planannahmen sowie den Feststellungen zur Ewigen Rente einschließlich der Grundfragen des Kapitalisierungszinssatzes sowie zum nicht betriebsnotwendigen Vermögen.
192
Dem kann nicht entgegengehalten werden, die Anhörung der gemäß §§ 327 c Abs. 2 Sätze 2 bis 4, 293 c Abs. 1 AktG bestellten Abfindungsprüfer diene nur der Aufklärung über ihre anlässlich der Prüfung getroffenen Feststellungen, nicht jedoch der Überprüfung der inhaltlichen Angemessenheit der Planung und sonstiger Bewertungsparameter (in diese Richtung aber auch Puszkajler in: Kölner Kommentar zum AktG, a.a.O., Vorb. §§ 7 bis 11 SpruchG Rdn. 29 und § 8 Rdn. 32 f.). Diese Auffassung ist nämlich mit dem vom Gesetzgeber verfolgten Zweck des § 8 Abs. 2 SpruchG nicht vereinbar. Mit der Anhörung des sachverständigen Prüfers soll nach dem Willen des Gesetzgebers die Erkenntnisbasis schon zu Beginn des Verfahrens verbreitert und eine eventuell zusätzlich notwendig werdende Beauftragung eines gerichtlichen Sachverständigen zur Begutachtung bestimmter Fragen erleichtert werden. Damit allerdings erschöpft sich nicht die Zielsetzung dieser Vorschrift. Bereits aus der Formulierung in der Begründung des Regierungsentwurfs zu § 8 SpruchG, die sich der Deutsche Bundestag erkennbar zu eigen gemacht hat, ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber davon ausgeht, es könne auch aufgrund der Anhörung des Prüfers eine abschließende Entscheidung des Gerichts getroffen werden. Hierfür spricht insbesondere auch der Gedanken in den Gesetzesmaterialien, die Prüfungsberichte sollten künftig verstärkt als Grundlage zur Entscheidungsfindung der Gerichte beitragen; der Beschleunigungseffekt soll sich dann gerade auch daraus ergeben, dass ein gerichtliches Sachverständigengutachten als Folge der Bestellung und letztlich auch der Anhörung ganz vermieden werden kann (vgl. BT-Drucksache 15/371 S. 14 f. und 18; auch Riegger/Gayk in: Kölner Kommentar zum AktG, a.a.O., Einl SpruchG Rdn. 50). Dann aber muss es dem Gericht möglich sein, auch Aussagen des gerichtlich bestellten Prüfers zu Bewertungsfragen im Rahmen seiner Entscheidung zu verwerten. Dem steht letztlich auch nicht die Formulierung in § 8 Abs. 2 Satz 1 SpruchG entgegen, wenn dort die Anhörung des Prüfers als „sachverständiger Zeuge“ beschrieben wird. Auch wenn dies suggeriert, er solle dem Gericht nur Tatsachen bekunden, die er aufgrund seiner besonderen Sachkunde wahrgenommen hat (vgl. § 414 ZPO), kann seine Rolle nicht auf die eines sachverständigen Zeugen beschränkt werden, weil anderenfalls der vom Gesetzgeber bezweckte Effekt der Beschleunigung des Verfahrens konterkariert würde. Dies gilt umso mehr, als das Problem der rechtlichen Einordnung des gerichtlich bestellten Prüfers in den Gesetzesmaterialien nicht weiter problematisiert wurde.
193
Die weitere Einschaltung eines gerichtlich bestellten Sachverständigen wird namentlich auch nicht vom Schutz der Minderheitsaktionäre gefordert. Die Einschaltung eines vom Gericht bestellten sachverständigen Prüfers im Vorfeld der Strukturmaßnahmen soll dem präventiven Schutz der Anteilseigner im Spruchverfahren dienen; deshalb kann sein Prüfungsbericht zusammen mit dem Ergebnis einer auf § 8 Abs. 2 SpruchG gestützten Anhörung zusammen mit der aufgrund von § 8 Abs. 2 Satz 3 SpruchG eingeholten ergänzenden Stellungnahme im gerichtlichen Verfahren berücksichtigt werden. Im Übrigen haftet der sachverständige Prüfer nach §§ 327 c Abs. 2 Satz 4, 293 d Abs. 2 AktG, 323 HGB auch gegenüber den Anteilsinhabern. Gerade durch die Verweisung auf die für Abschlussprüfer geltenden Bestimmungen der §§ 319 Abs. 1 bis Abs. 3, 323 HGB ist die Unabhängigkeit des Prüfers sichergestellt. Der Umstand der Parallelprüfung, also der Prüfung zeitgleich mit dem Erstellen des Berichts des Hauptaktionärs, vermag an der Unabhängigkeit der Prüfung nichts zu ändern und begründet für sich genommen keine Zweifel an der Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit des vom Gericht bestellten Prüfers (vgl. OLG München ZIP 2007, 375, 377 f.; AG 2014, 453, 454; OLG Stuttgart AG 2007, 128, 129 f.; LG München I, Beschluss vom 28.6.2013, Az. 5HK O 18685/11; Beschluss vom 29.8.2017, Az. 5HK O 16585/15; Beschluss vom 28.3.2019, Az. 5HK O 3374/18; Winter in: Simon, SpruchG, a.a.O., § 8 Rdn. 21; Emmerich in: Emmerich/ Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, a.a.O., § 8 SpruchG Rdn. 6). § 407 a ZPO ist angesichts der Sonderregelung in § 8 SpruchG unanwendbar.
194
Eine Mitgliedschaft von Herrn Dr. Be… im Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. begründet kein Bestellungsverbot im Sinne des § 319 Abs. 1 bis Abs. 4 HGB, der aufgrund der Verweisung in §§ 327 c Abs. 2 Satz 4, 293 d Abs. 1 AktG Anwendung findet. Angesichts dessen muss die Kammer auch nicht entscheiden, inwieweit sich daraus ein Verwertungsverbot ableiten ließe. Einen Ablehnungsgrund vermag die Kammer gleichfalls nicht zu erkennen. Dabei muss bereits davon ausgegangen werden, dass die Vorschriften über die Sachverständigenablehnung in §§ 17 Abs. 1 SpruchG, 30 Abs. 1 FamFG, 406 Abs. 1, 42 Abs. 2 ZPO auf den gerichtlich bestellten Prüfer keine Anwendung finden. Das Spruchverfahrensgesetz behandelt ihn aufgrund der Vorschrift des § 8 Abs. 2 nicht als Sachverständigen, sondern als sachverständigen Zeugen, weshalb die Vorschriften über die Ablehnung eines Sachverständigen auf ihn nicht anwendbar sind (vgl. LG Stuttgart, Beschluss vom 23.3.2017, Az. 31 O 1/15; LG München I, Beschluss vom 28.3.2019, Az. 5HK O 3374/18; Drescher in: BeckOGK, Stand 1.2.2021, § 8 SpruchG Rdn. 15). Abgesehen davon wäre ein Befangenheitsgrund auch nicht zu bejahen. Ein solcher ergibt sich nicht aus einer Mitgliedschaft der Abfindungsprüfer im IDW. § 4 Abs. 9 der Satzung des IDW enthält nämlich keine unbedingte Verpflichtungserklärung des Wirtschaftsprüfers auf die Vorgaben des IDW. Zwar hat jedes Mitglied die Prüfungsstandards aufgrund dieser Vorschrift zu beachten. Aufgrund von § 4 Abs. 9 Satz 2 und Satz 3 der Satzung kann eine sorgfältige Prüfung indes ergeben, dass ein Prüfungsstandard nicht anzuwenden oder hiervon abzuweichen ist. Somit bietet die genannte Selbstverpflichtung genügend Raum für die dem Abfindungsprüfer auferlegte unparteiische Überprüfung (vgl. OLG Karlsruhe AG 2018, 405, 406). Ein Ablehnungsgrund lässt sich auch nicht daraus ableiten, wenn namentlich Herr Dr. Be… in anderen Fällen als gerichtlich bestellter Prüfer tätig wurde und gegebenenfalls auch Privatgutachten zur Unternehmensbewertung erstellt. Zwar wird davon auszugehen sein, dass bei einem (gerichtlich bestellten) Sachverständigen, der in derselben Sache für einen nicht unmittelbar am Rechtsstreit beteiligten Dritten ein entgeltliches Privatgutachten zu einem gleichartigen Sachverhalt erstattet hat, ein Ablehnungsgrund besteht, weil dann die Besorgnis besteht, er werde von einer früher geäußerten Begutachtung nicht abweichen (vgl. BGH MDR 2017, 479 f. = VersR 2017, 641, 642 = NJW-RR 2017, 569, 570 m.w.N. auch zur Gegenauffassung). Von einem gleichgelagerten Sachverhalt kann vorliegend aber nicht ausgegangen werden, wenn die gerichtlich bestellten Abfindungsprüfer völlig andere Unternehmen bewertet haben (vgl. auch OLG Karlsruhe AG 2018, 405, 406). In dem vom BGH entschiedenen Fall ging es dagegen um die Frage, dass möglicherweise die zu begutachtende Hüftgelenksprothese aus derselben Modellreihe stammte wie die, die dort bestellte Sachverständige auch als Privatgutachter zu beurteilen hatte. Vorliegend wird auch von Seiten der Antragsteller nicht vorgetragen, I… sowie Herr Dr. Be… seien früher mit der Bewertung der P… AG befasst gewesen.
195
Die Kammer hat keinen Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen der Wirtschaftsprüfer der gerichtlich bestellten Abfindungsprüferin I… Herr Dr. Be… und Herr J… verfügen zweifelsohne über die zur Beurteilung auch komplexer Fragen der Unternehmensbewertung erforderliche Fachkompetenz. Sie haben sowohl im Prüfungsbericht als auch bei ihrer mündlichen Anhörung samt der ergänzenden Stellungnahmen die vorgenommenen Prüfungshandlungen deutlich dargestellt und dabei auch begründet, warum sie die Ansätze aus dem Bewertungsgutachten von E… für angemessen und sachgerecht begründet erachten. Dies macht deutlich, dass sich Herr Dr. Be… und Herr J… ihrer Aufgabe und Funktion als Prüfer in vollem Umfang bewusst waren und die Feststellungen der Bewertungsgutachter kritisch durchleuchtet haben. Namentlich bei der Herleitung des Beta-Faktors haben sie gerade nicht nur die Ansätze aus dem Bewertungsgutachten von E… übernommen; vielmehr haben sie das Ergebnis auch einer eigenen Analyse durch eine Regression gegen den MSCI World All Countries Index unterzogen, wobei sie sowohl zwei- als auch fünfjährige Betrachtungszeiträume untersuchten. Auch verprobten sie ihre Ergebnisse durch eine Erweiterung der Peer Group um die beiden weiteren Unternehmen Y… Corp. und SAP SE, bei denen eine Vergleichbarkeit jedenfalls nicht völlig auszuschließen ist, auch wenn gerade bei der SAP SE der Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit auf der Softwareentwicklung liegt. Die Prüfer führten auch eine externe Plausibilisierung der Ergebnisse durch einen Abgleich insbesondere mit der Marktstudie von Ga… aus, auf die die Abfindungsprüfer im Rahmen ihrer Anhörung immer wieder rekurrieren konnten. Zur weiteren Plausibilisierung der Angemessenheit der festgesetzten Barabfindung unterzogen sie ihr Ergebnis auch einem Multiplikatorenvergleich, wobei sie sich vor allem auf EBITDA- und EBIT-Multiplikatoren aus einer erweiterten Peer Group sowie auf Transaktions-Multiplikatoren stützten. Zwar können die aus Trading-Multiplikatoren, bei denen das EBITDA sowie das EBIT der Vergleichsunternehmen in Relation zum Gesamtunternehmenswert gesetzt wird, nur Brandbreiten liefern und folglich eine Ermittlung des Unternehmenswerts nach der Ertragswertmethode nicht ersetzen. Allerdings lassen die hier ermittelten Bandbreiten Rückschlüsse auf eine sachgerechte Ermittlung des Unternehmenswertes zu. Die auf der Basis von EBIT- und EBITDA-Multiplikatoren abgeleiteten Bandbreiten zeigen auf, dass der Marktwert des Eigenkapitals der P… AG innerhalb dieser Bandbreiten liegt, was gleichfalls für die Angemessenheit der festgesetzten Barabfindung spricht. Ungeachtet der Problematik der Vergleichbarkeit von Transaktions-Multiplikatoren wegen der Einbeziehung echter Synergien in die Kaufpreisfindung lieferten die von der Antragsgegnerin durchgeführten Beteiligungserwerbe den Abfindungsprüfern jedenfalls keinen Hinweis auf die fehlende Angemessenheit der Barabfindung, wie sie in ihrem Prüfungsbericht auf Seite 53 dargestellt haben.
196
(2) Bei der Entscheidungsfindung konnte auch auf das Bewertungsgutachten sowie die Äußerungen von Herrn Wirtschaftsprüfer So… im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 5.3.2020 zurückgegriffen werden. Sie können im Wege der freien Beweiswürdigung durch die Kammer verwertet werden, wobei sich die Kammer bewusst ist, dass es hierbei um den Vortrag eines Beteiligten geht. Da die Erkenntnisse der Bewertungsgutachter vom Abfindungsprüfer einer umfassenden Überprüfung unterzogen wurden, hat die Kammer allerdings keinen Zweifel an ihrer Richtigkeit, zumal sie sich in das Gesamtbild des zu bewertenden Unternehmens einfügen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Tatsache, dass E… gegebenenfalls als Abschlussprüfer für die P… AG tätig war. Für den Bewertungsgutachter können die Grundsätze der Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit oder eine Inhabilität wegen Vorbefassung ohnehin keine Anwendung finden.
197
(3) Die Vorlage von Planungsunterlagen der Gesellschaft oder der Arbeitspapiere der beteiligten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften war nicht anzuordnen, weil die Voraussetzungen von § 7 Abs. 7 Satz 1 SpruchG als einzig denkbarer Anspruchsgrundlage nicht erfüllt sind.
198
(a) Nach dieser sehr weit gefassten Vorschrift sind sonstige Unterlagen, die für die Entscheidung des Gerichts erheblich sind, auf Verlangen der Antragsteller oder des Vorsitzenden des Gerichts und gegebenenfalls eines vom Gericht bestellten gemeinsamen Vertreters unverzüglich vorzulegen. Zwar gehören auch Planungsunterlagen einer Gesellschaft zu den sonstigen Unterlagen im Sinne dieser Vorschrift (vgl. nur Winter in: Simon, SpruchG, a.a.O., § 7 Rdn. 55). Allerdings haben die Antragsteller die Entscheidungserheblichkeit der Vorlage der vollständigen Planungsunterlagen nicht plausibel dargelegt, was indes zwingende Voraussetzung für eine entsprechende Anordnung wäre (so OLG Stuttgart, Beschluss vom 14.10.2010, Az. 20 W 17/06; OLG München, Beschluss vom 13.11.2018, Az. 31 Wx 372/15; LG München I, Beschluss vom 7.5.2014, Az. 5HK O 21386/12; Beschluss vom 25.4.2016, Az. 5HK O 20672/14; Beschluss vom 30.6.2017, Az. 5HK O 13182/15; Puszkajler in: Kölner Kommentar zum AktG, a.a.O., § 7 SpruchG Rdn. 57). Eine derartige Entscheidungserheblichkeit vermag die Kammer nicht zu erkennen. In diesem Zusammenhang ist entscheidend zu berücksichtigen, dass wesentliche Grundlagen der Planung im Prüfungsbericht der gerichtlich bestellten Vertragsprüfer dargestellt wurden, weshalb dieser eine ausreichende Basis für die Erhebung hinreichend substantiierter Einwendungen bildet.
199
(b) Die Antragsgegnerin ist weiterhin nicht verpflichtet, die Arbeitspapiere der Bewertungsgutachter von E… sowie der Abfindungsprüfer von I… vorzulegen. Einem derartigen Verlangen steht nach h.M. bereits die Regelung in § 51 b Abs. 4 WPO entgegen, weil es keinen durchsetzbaren Anspruch des Auftraggebers – hier also der Antragsgegnerin – gegen den Wirtschaftsprüfer auf Herausgabe der Arbeitspapiere gibt (vgl. nur Bungert/Mennicke BB 2003, 2021, 2029; Wasmann/Roßkopf ZIP 2003, 1776, 1780; Winter in: Simon, SpruchG, a.a.O., § 7 Rdn. 58; Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, a.a.O., § 7 SpruchG Rdn. 8). Ob dem mit Blick auf §§ 17 Abs. 1 SpruchG, 26 FamFG in jedem Fall zu folgen sein wird (kritisch zur h.M. Drescher in: BeckOGK, Stand 1.2.2021, § 7 SpruchG Rdn. 10), kann vorliegend aber dahinstehen. Es fehlt nämlich jedenfalls an der Entscheidungserheblichkeit. Zwar sind die Arbeitspapiere in der Begründung zum Regierungsentwurf des Spruchverfahrensgesetzes (vgl. BT-Drucks. 15/371 S. 15) beispielhaft aufgeführt. Dies bedeutet indes nicht, dass die Antragsteller verlangen können, ihnen müssten sämtliche Unterlagen, die die Wirtschaftsprüfer verwendet und in ihren Arbeitspapieren festgehalten haben, in jedem Fall zugänglich gemacht werden. Der Bericht der Hauptaktionärin wie auch der Bericht des gerichtlich bestellten Prüfers soll neben den allgemein zugänglichen Erkenntnisquellen nur eine Plausibilitätskontrolle ermöglichen. Diese ist durch die Vorlage des Berichts der Hauptaktionärin sowie des Prüfungsberichts des gerichtlich bestellten Vertragsprüfers gewährleistet. Zudem fehlt es vorliegend an einem begründeten Vorlageverlangen der Antragsteller, die sich auf einen Anspruch nach § 7 Abs. 7 Satz 1 SpruchG hinsichtlich der Arbeitspapiere berufen. Sie haben nicht hinreichend begründet, warum ihnen nur mit Hilfe der Vorlage der Arbeitspapiere eine hinreichend substantiierte Rüge namentlich in Bezug auf die Planung möglich sein sollen; dies wäre indes erforderlich gewesen (vgl. OLG Karlsruhe AG 2006, 463, 464 = NZG 2006, 670, 671 f.; OLG München WM 2019, 2014, 2119 f.; Beschluss vom 13.11.2018, Az. 31 Wx 372/15; LG München I, Beschluss vom 30.6.2017, Az. 5HK O 13182/15; Beschluss vom 29.11.2019, Az. 5HK O 6321/14; Beschluss vom 28.3.2019, Az. 5HK O 3374/18; Puszkajler in: Kölner Kommentar zum AktG, a.a.O., § 7 SpruchG Rdn. 57; Drescher in: BeckOGK, Stand 1.2.2021, § 7 SpruchG Rdn. 10; Klöcker/Wittgens in: Schmidt/Lutter, AktG, a.a.O., § 7 SpruchG Rdn. 13). Gerade auch unter diesem Gesichtspunkt können keine überspannten Anforderungen an die Substantiierungslast bezüglich einzelner Rügen gestellt werden.
200
2. Aus anderen Gründen lässt sich eine höhere Barabfindung nicht rechtfertigen.
201
a. Dies gilt zunächst für den Börsenkurs.
202
(1) Nach der Rechtsprechung insbesondere auch des Bundesverfassungsgerichts ist bei der Bemessung der Barabfindung nicht nur der nach betriebswirtschaftlichen Methoden zu ermittelnde Wert der quotalen Unternehmensbeteiligung, sondern als Untergrenze der Abfindung wegen der Wertung des Eigentumsschutzes aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG der Börsenwert zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 100, 289, 305 ff. = NJW 1999, 3769, 3771 ff. = NZG 1999, 931, 932 f. = AG 1999, 566, 568 f. =ZIP 1999, 1436, 1441 ff. = WM 1999, 1666, 1669 ff. = DB 1999, 1693, 1695 ff. = BB 1999, 1778, 1781 f. – DAT/Altana; BVerfG WM 2007, 73 = ZIP 2007, 175, 176 = AG 2007, 119 f.; BGH NJW 2010, 2657, 2658 = WM 2010, 1471, 1473 = ZIP 2010, 1487, 1488 f. = AG 2010, 629, 630 = NZG 2010, 939, 940 f. = DB 2010, 1693, 1694 f. = BB 2010, 1941, 1942 = Der Konzern 2010, 499, 501 – Stollwerck; OLG München AG 2007, 246, 247; OLG Frankfurt AG 2012, 513, 514; Hüffer/Koch, AktG, 15. Aufl., § 327 b Rdn. 6 und § 305 Rdn. 29; Schnorbus in: Schmidt/Lutter, AktG, a.a.O., § 327 b Rdn. 3; Habersack in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, a.a.O., § 327 b Rdn. 9; Simon/Leverkus in: Simon, SpruchG, a.a.O., Anh § 11 Rdn. 197 f.; Meilicke/Kleinertz in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, a.a.O., § 305 AktG Rdn. 36).
203
Der BGH geht nunmehr in Übereinstimmung mit der überwiegend vertretenen Ansicht in Rechtsprechung und Literatur und unter teilweiser Aufgabe seiner früher vertretenen Auffassung mit Beschluss vom 19.7.2010, Az. II ZB 18/09 (vgl. BGH NJW 2010, 2657, 2658 ff. = WM 2010, 1471, 1472 ff. = ZIP 2010, 1487, 1488 f. = AG 2010, 629, 630 ff. = NZG 2010, 939, 941 ff. = DB 2010, 1693, 1694 f. = BB 2010, 1941, 1942 ff. = Der Konzern 2010, 499, 501 ff. – Stollwerck; bestätigt durch BGH AG 2011, 590 f. = ZIP 2011, 1708 f.; ebenso OLG Stuttgart ZIP 2007, 530, 532 ff. = AG 2007, 209, 210 ff. = NZG 2007, 302, 304 ff. – DaimlerChrysler; ZIP 2010, 274, 277 ff.; OLG Düsseldorf ZIP 2009, 2055, 2056 ff. = WM 2009, 2271, 2272 ff.; Der Konzern 2010, 519, 522; OLG Frankfurt NZG 2010, 664; AG 2012, 513, 514; Paulsen in: Münchener Kommentar zum AktG, 5. Aufl., § 305 Rdn. 105 f.; ebenso Hüffer/Koch, AktG, a.a.O., § 305 Rdn. 45; Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, a.a.O., § 305 Rdn. 45, 46 und 46 a; Tonner in: Festschrift Karsten Schmidt, 2009, S. 1581, 1597 ff.) davon aus, der einer angemessenen Abfindung zugrunde zu legende Börsenwert der Aktie müsse grundsätzlich aufgrund eines nach Umsatz gewichteten Durchschnittskurses innerhalb einer dreimonatigen Referenzperiode vor der Bekanntmachung einer Strukturmaßnahme ermittelt werden.
204
Dies wird auch hier gelten müssen, auch wenn die Aktien der P… AG im Freiverkehr und nicht in einem regulierten Markt gehandelt werden, sofern die Aktienkurse aussagekräftig sind, wofür die Wertung aus § 5 Abs. 4 WpÜG-AngVO ganz zentrale Ansatzpunkte liefert (vgl. OLG Stuttgart AG 2008, 783, 787; OLG Frankfurt, Beschluss vom 9.4.2010, Az. 5 W 57/09 – zit. nach juris; AG 2014 822, 827; OLG Karlsruhe AG 2015, 789, 792 = ZIP 2015, 1874, 1877; OLG Karlsruhe ZIP 2015, 1874, 1877 = AG 2015, 789, 792 = Der Konzern 2016, 35, 48; ZIP 2018, 122, 125 = Der Konzern 2017, 540, 542; LG München I, Beschluss vom 28.3.2019, Az. 5HK O 3374/18; Happ/Bednarz in: Festschrift für Stilz, 2014, S. 219, 227 f.; Steinle/Liebert/Katzenstein in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 7, Gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten – Corporate Litigation, 5. Aufl., § 34 Rdn. 160; Wasmann AG 2011, 179, 191), ohne dass dies hier abschließend entschieden werden müsste.
205
(2) Die Frist von drei Monaten lief nämlich unter Berücksichtigung dieser jüngeren Rechtsprechung des II. Zivilsenats vom 22.5.2018 bis zum 21.8.2018. In diesem Zeitraum betrug der umsatzgewichtete Durchschnittskurs entsprechend den Feststellungen der Bewertungsgutachter wie auch der Abfindungsprüfer € 7,86 und liegt damit deutlich unter der über den Ertragswert ermittelten Barabfindung. Auf die Höhe einzelner Börsenkurse nach diesem einzig relevanten Zeitraum kommt es folglich nicht an. Daher kann insbesondere auch der letzte im Freiverkehr festgestellte Börsenkurs vor der Einstellung des Handels keine Bedeutung beigemessen werden.
206
b. Auch über gegebenenfalls von der Antragsgegnerin gezahlte Vorerwerbspreise lässt sich eine höhere Barabfindung nicht rechtfertigen. Soweit teilweise in Rechtsprechung und Literatur die Ansicht vertreten wird, Vorerwerbspreise seien zu berücksichtigen, weil auch eine sogenannte „Kontrollprämie“ Teil des Unternehmenswertes sei (vgl. LG Köln AG 2009, 835, 838 = Der Konzern 2009, 494, 496 f.; Schüppen/Tretter in: Frankfurter Kommentar zum WpÜG, 3. Aufl., § 327 b AktG Rdn. 16; Behnke NZG 1999, 934; in diese Richtung auch Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, a.a.O., § 305 Rdn. 50; für einen Sonderfall auch LG Frankfurt, Beschluss vom 25.11.2014, Az. 3-05 O 43/13), vermag dem die Kammer nicht zu folgen. Erwerbspreise, die ein Großaktionär in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit einem Squeeze out entrichtet, spielen für die Bemessung der angemessenen Barabfindung keine Rolle. Der Preis, den ein Mehrheitsaktionär an die Minderheitsaktionäre zu zahlen bereit ist, hat zu dem „wahren“ Wert des Anteilseigentums in der Hand der Mindestaktionäre regelmäßig keine Beziehung. In ihm kommt nämlich der Grenznutzen zum Ausdruck, den der Mehrheitsaktionär an den erworbenen Aktien ziehen kann. Dieser ist wesentlich dadurch bestimmt, dass der Mehrheitsaktionär mit den so erworbenen Aktien ein Stimmenquorum erreicht, das aktien- oder umwandlungsrechtlich Voraussetzung für bestimmte gesellschaftsrechtliche Maßnahmen ist. Daher ist der Mehrheitsaktionär vielfach bereit, einen „Paketzuschlag“ zu zahlen. Aus der Sicht des Minderheitsaktionärs ist der vom Mehrheitsaktionär außerbörslich bezahlte (erhöhte) Preis nur erzielbar, wenn es ihm gelingt, gerade seine Aktien an den Mehrheitsaktionär zu veräußern. Darauf aber hat der Minderheitsaktionär weder verfassungsrechtlich aus Art. 14 Abs. 1 GG noch einfachrechtlich angesichts des Grundsatzes der Vertragsfreiheit einen Anspruch (vgl. BVerfGE 100, 289, 306 f. = NJW 1999, 3769, 3771 = NZG 1999, 931, 932 = WM 1999, 1666, 1669 = AG 1999, 566, 568 = ZIP 1999, 1436, 1441 = DB 1999, 1693, 1695 = BB 1999, 1778, 1780 = JZ 1999, 942, 944 – DAT/Altana; BGHZ 186, 229, 241 = NJW 2010, 2657, 2660 = NZG 2010, 939, 943 = ZIP 2010, 1487, 1491 = AG 2010, 629, 632 = DB 2010, 1693, 1697 = WM 2010, 1471, 1475 = Der Konzern 2010, 499, 503 – Stollwerck; LG München I AG 2020, 222, 228; Beschluss vom 24.5.2013, Az. 5HK O 17095/11; Beschluss vom 31.7.2015, Az. 5HK O 16371/13; Beschluss vom 21.12.2015, Az. 5HK O 24402/13; Beschluss vom 25.4.2016, Az. 5HK O 20672/14; Beschluss vom 29.6.2018, Az. 5HK O 4268/17; Beschluss vom 29.8.2018, Az. 5HK O 16858/15; Vetter AG 1999, 569, 572). Aus der Wertung des § 31 Abs. 4 WpÜG lässt sich das gegenteilige Ergebnis nicht begründen, weil das System des WpÜG mit dem der aktienrechtlichen Strukturmaßnahmen wie dem Squeeze out nicht vergleichbar ist. Die Annahme des Erwerbsangebots beruht auf einer freien Entscheidung des Aktionärs, während er sich bei einem Squeeze out der Mehrheitsentscheidung der vom Hauptaktionär dominierten Hauptversammlung beugen muss.
207
Folglich besteht auch keine Veranlassung für das Gericht, Ermittlungen zur Höhe von Vorerwerbspreisen anzustellen oder eine auf § 7 Abs. 7 SpruchG gestützte Anordnung der Vorlage oder auch nur der Nennung gezahlter Vorerwerbspreise zu erlassen.
208
Demzufolge konnten die Anträge keinen Erfolg haben.
209
III. 1. a. Die Entscheidung über die Gerichtskosten ergibt sich aus § 15 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 SpruchG. Schuldner der Gerichtskosten ist nach der Grundsatzregelung aus § 15 Abs. 2 Satz 1 SpruchG nur der Antragsgegner. Allerdings können die Kosten ganz oder zum Teil dem Antragssteller auferlegt werden, wenn dies der Billigkeit entspricht. Für eine Anwendung dieser Ausnahmebestimmung in § 15 Abs. 2 Satz 2 SpruchG ist kein Raum. Es entspricht nicht der Billigkeit, die Gerichtskosten ganz oder teilweise den Antragstellern aufzuerlegen, auch wenn die Anträge keinen Erfolg hatten. Es muss dabei nämlich berücksichtigt werden, dass die Anhörung der Abfindungsprüfer im Termin vom 5.3.2020 sowie deren ergänzenden Stellungnahmen nochmals eine deutlich erhöhte Klarheit und vertiefte Erkenntnisse zu wesentlichen Planannahmen wie namentlich der Entwicklung der Umsatzzahlen, der Kosten sowie zum Kapitalisierungszinssatz und zum nicht betriebsnotwendigen Vermögen gebracht hat.
210
b. Bezüglich der außergerichtlichen Kosten findet die Entscheidung ihre Grundlage in § 15 Abs. 2 SpruchG.
211
(1) Nach dieser Vorschrift ordnet das Gericht an, dass die Kosten der Antragsteller, die zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendig waren, ganz oder zum Teil vom Antragsgegner zu erstatten sind, wenn dies unter Berücksichtigung des Ausgangs des Verfahrens der Billigkeit entspricht. Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden, weil die Anträge in der Sache keinen Erfolg hatten. Die Kammer hält mit Blick auf die nunmehr entgegenstehende Auffassung des Oberlandesgerichts München im Beschluss vom 11.3.2020, Az. 31 Wx 341/17 (AG 2020, 440, 444 f. = ZIP 2020, 761, 762 ff. = WM 2020, 1028, 1034 ff.) an ihrer bisher vertretenen Auffassung zur Kostentragungspflicht der Antragsgegnerin nicht mehr fest. Das Oberlandesgericht München begründet seine Auffassung im Wesentlichen damit, aus der Gesetzgebungsgeschichte (vgl. BT-Drucks. 15/371 S. 18) ergebe sich der Wille des Gesetzgebers, dass im Falle des Unterliegens die Antragsteller ihre Kosten zu tragen hätten. Eine regelmäßige Kostentragungspflicht der Antragsgegnerin widerspreche danach dem Willen des Gesetzgebers, wonach die Kostentragungspflicht der Antragsteller im Falle des Unterliegens die Regel darstellen soll. Auch weist das Oberlandesgericht München neben diesem Argument darauf hin, das mit der Verteilung verbundene Kostenrisiko sei keinesfalls existenzbedrohend – ein Rechtsschutzverlust ist mit dieser Regelung nicht verbunden, weil sich die Antragsteller im Spruchverfahren nicht zwingend anwaltlich vertreten lassen müssen und an die Antragsbegründungspflicht vergleichsweise niedrige Anforderungen zu stellen sind. Infolge der Berechnung der Anwaltsgebühren auf der Grundlage von § 31 RVG und nicht aus dem vollen Geschäftswert ist das Kostenrisiko zudem überschaubar, weshalb eine unzulässige Verkürzung des Rechtsschutzes nicht angenommen werden kann. Die allgemeiner formulierte Vorschrift des § 81 Abs. 1 FamFG findet angesichts der Spezialregelung in § 15 Abs. 4 SpruchG a.F., die im Wesentlichen der Neuregelung in § 15 Abs. 2 SpruchG entspricht, keine Anwendung. Besondere Gründe, die eine hiervon abweichende Entscheidung rechtfertigen könnten, sind vorliegend nicht erkennbar.
212
(2) Der Antragsgegnerin steht indes kein Kostenerstattungsanspruch gegen die Antragsteller zu. Hierfür besteht keine Rechtsgrundlage, weil § 15 Abs. 4 SpruchG a.F. eine abschließende Regelung enthält und dort eine Erstattungspflicht hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners durch die Antragsteller nicht vorgesehen ist (so ausdrücklich BGH NZG 2012, 191, 193 f. = AG 2012, 173, 174 f. = ZIP 2012, 266, 268 f.= WM 2012, 280, 282 f. = DB 2012, 281, 282 f. = MDR 2012, 293 f.; OLG Frankfurt AG 2012, 417, 422 = Der Konzern 2012, 199, 211; LG München I, Beschluss vom 27.6.2014, Az. 5HK O 7819/09; Beschluss vom 31.7.2015, Az. 5HK O 16371/13; Drescher in: BeckOGK, Stand 1.2.2021, § 15 SpruchG Rdn. 26; Klöcker/Wittgens in: Schmidt/Lutter, a.a.O., § 15 SpruchG Rdn. 21; Hüffer/Koch, AktG, a.a.O., § 15 SpruchG Rdn. 6; Steinle/Liebert/Katzenstein in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 7 – Gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten (Corporate Litigation), a.a.O., § 34 Rdn. 74).
213
2. Die Entscheidung über den Geschäftswert hat ihre Grundlage in § 74 GNotKG. Da die Anträge keinen Erfolg hatten, war der Mindestgeschäftswert von € 200.000,- festzusetzen.
214
Dieser Wert bildet aufgrund von § 6 Abs. 2 Satz 3 SpruchG auch die Grundlage für die von der Antragsgegnerin aufgrund von § 6 Abs. 2 Satz 2 SpruchG geschuldete Vergütung des Gemeinsamen Vertreters.