Titel:
Kein Schadensersatzanspruch bei Diesel-Fahrzeug wegen unzulässigen Abschalteinrichtungen (hier: Mercedes-Benz E 250)
Normenketten:
ZPO § 522 Abs. 2
BGB § 826
Leitsatz:
Dass die Vorgaben des Prüfzyklus während der normalen Fahrt im Regelfall nicht eingehalten werden, lässt nicht den Rückschluss zu, dass die Bedatung so eng wäre, dass die Funktion nahezu nur auf dem Prüfstand wirkt. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Diesel-Abgasskandal, OM 651, unzulässige Abschalteinrichtung, Sittenwidrigkeit, (kein) Rückruf, Auskunft, Kraftfahrbundesamt, Kundendienstmaßnahme, Prüfzyklus, Bedatung
Vorinstanz:
LG Landshut, Endurteil vom 22.12.2020 – 24 O 1419/20
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Urteil vom 20.11.2024 – VIa ZR 764/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 67665
Tenor
1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 22. Dezember 2020, Aktenzeichen 24 O 1419/20, wird zurückgewiesen.
2. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Landshut ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klagepartei kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf … € festgesetzt.
Gründe
1
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Landshut vom 22. Dezember 2020 Bezug genommen. Änderungen oder Ergänzungen im Sachverhalt haben sich im Berufungsverfahren nicht ergeben.
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Die Klagepartei wendet sich mit ihrer Berufung gegen die Abweisung ihrer Klage. Sie erstrebt die Abänderung des landgerichtlichen Urteils und wie in erster Instanz die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von € … nebst jährlichen Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.05.2020 Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeugs Mercedes-Benz E 250 mit der FIN … abzüglich einer Nutzungsentschädigung in EUR, deren Höhe sich nach der folgenden Formel beziffert: (Bruttokaufpreis x gefahrene Kilometer) / Restlaufleistung im Erwerbszeitpunkt. Daneben begehrt die Klagepartei die Feststellung, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des vorbezeichneten Fahrzeugs in Verzug befindet sowie die Verurteilung der Beklagten, an den Kläger weitere € … nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Auf die Berufungsbegründung vom 17. Februar 2021 (Bl. 11 ff.) wird verwiesen.
3
Der Senat hat mit Beschluss vom 30. September 2021 (Bl. 62 ff.), der Klagepartei zugestellt am 12. Oktober 2021, darauf hingewiesen, dass er die einstimmige Zurückweisung des Rechtsmittels gemäß § 522 Abs. 2 ZPO beabsichtigt und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
4
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 22. Dezember 2020, Aktenzeichen 24 O 1419/20, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
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Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats vom 30. September 2021 (Bl. 62 ff.) Bezug genommen, an dem nach erneuter Überprüfung in vollem Umfang festgehalten wird.
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Auch die Ausführungen in der Gegenerklärung vom 16. November 2021 (Bl. 75 ff.) geben zu einer Änderung keinen Anlass.
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1. Zwar ist der Einwand der Berufung zutreffend, dass es der Bewertung eines Verhaltens als sittenwidrig nicht grundsätzlich entgegensteht, wenn eine in einem Motor vorgesehene Funktion auf Prüfstand und Straße in gleicher Weise arbeitet. Allerdings müssen in diesem Fall nach höchstrichterlicher Rechtsprechung weitere Umstände hinzutreten, die das Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen lassen (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021, VI ZR 433/19, juris). Dies ist hier nicht der Fall.
8
Das weitere Vorbringen der Gegenerklärung, die von ihr beanstandete Funktion wirke aufgrund der konkreten Bedatung „faktisch nur unter Prüfstandsbedingungen optimierend“, ist ins Blaue hinein erfolgt und deshalb unbeachtlich. Denn dafür, dass die Bedatung so eng wäre, dass die Funktion nahezu nur auf dem Prüfstand wirken würde, gibt es keinerlei Anhalt. Dass die Vorgaben des Prüfzyklus während der normalen Fahrt im Regelfall nicht eingehalten werden, ändert hieran nichts.
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2. Soweit die Gegenerklärung eine Auskunft des Kraftfahrbundesamtes vom 2. Juni 2021 vorlegt, ist eine Relevanz für den hiesigen Fall nicht ersichtlich. Insbesondere genügt es nicht, dass – wie die Klagepartei behauptet – in dem von dieser Auskunft betroffenen Pkw wie beim streitgegenständlichen Pkw ein unter die Schadstoffklasse EU 6 fallender Motor OM 651 verbaut ist. Vielmehr ist gerichtsbekannt, dass sich die Softwarefunktionalität in Pkw trotz gleicher Schadstoffklasse und Motorausstattung deutlich unterscheiden kann. Hinzu kommt, dass für den hiesigen Pkw anders als offenbar für den von der Auskunft betroffenen kein verpflichtender Rückruf existiert, sondern im Gegenteil eine freiwillige Kundendienstmaßnahme genehmigt wurde. Letzteres aber erfolgt – worauf der Senat bereits hingewiesen hat – nur dann, wenn das KBA bei der amtlichen Überprüfung des Fahrzeugs gerade keine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt hat.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit erfolgte gemäß § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
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Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.