Inhalt

ArbG Würzburg, Beschluss v. 22.01.2021 – 12 BV 12/19
Titel:

Eingruppierung, Warenhaus, Warenpräsentation, Warenausgang, Tätigkeitsmerkmale, Lohngruppe, Tarifvertragspartei, Umgruppierung, Lohntarifvertrag, Betroffener Arbeitnehmer, gewerbliche Arbeitnehmer, Arbeitnehmer als, Gestaltungsspielraum, Zustimmungsverfahren, entsprechende Tätigkeit, Tätigkeitsfelder, Einfache Tätigkeiten, Kaufmännische Tätigkeit, Gemischte Tätigkeit, überwiegende Tätigkeit

Schlagworte:
Umgruppierung, Tarifvertrag, Tätigkeitsbeschreibung, Lohngruppe, Zustimmungsverweigerung, Gewerbliche Tätigkeit, Eingruppierung
Rechtsmittelinstanzen:
LArbG Nürnberg, Beschluss vom 06.09.2022 – 1 TaBV 12/21
BAG Erfurt, Beschluss vom 21.02.2024 – 4 ABR 5/23
Fundstelle:
BeckRS 2021, 66713

Tenor

Die vom Beteiligten zu 2) verweigerte Zustimmung zur Umgruppierung der Mitarbeiter
E.
F.
G.
H.
I.
J.
K.
L.
M.
N.
O.
P.
Q.
R.
S.
in die Lohngruppe L II a nach Maßgabe des Lohntarifvertrages für den Einzelhandel in Bayern wird ersetzt.

Gründe

A.
1
Die Beteiligten streiten um die Umgruppierung von 15 im Warenserviceteam eingesetzten Arbeitnehmerinnen.
2
Die Antragstellerin ist im Einzelhandel tätig und betreibt bundesweit Warenhäuser, unter anderem in C-Stadt. Der Beteiligte zu 2 ist der in C-Stadt gebildete Betriebsrat.
3
Die Antragstellerin war ursprünglich aufgrund einer Verbandsmitgliedschaft an die Tarifverträge des Einzelhandels gebunden, bevor sie im Jahr 2019 in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung gewechselt ist. Die tariflichen Regelungen werden seitdem auf dem Stand von 2017 (letzter Tarifabschluss) aufgrund individualarbeitsrechtlicher Bezugnahmeklauseln in den Arbeitsverträgen weiterhin angewandt.
4
Unter dem 15.05.2019 vereinbarte die Antragstellerin mit dem Gesamtbetriebsrat einen Interessenausgleich und Sozialplan „Restrukturierung 2019“. Hintergrund des unternehmerischen Sanierungskonzeptes war unter anderem die Einführung neuer Strukturen in den Filialen. Teil des Sanierungskonzeptes war dabei auch eine Spezialisierung der in den Warenhäusern beschäftigten Mitarbeiter, unter anderem wurde die Einführung eines sogenannten Warenserviceteams (WST) geregelt. Mitarbeiter im WST sind für alle anfallenden Tätigkeiten im Bereich Warenvorbereitung, Warenmanipulation und Warenrepräsentation zuständig.
5
Die Stellen im WST sollten durch Mitarbeiter besetzt werden, die bisher mit anderen Tätigkeiten beschäftigt waren. Hierzu heißt es im Interessenausgleich vom 15.05.2019 auszugsweise wie folgt:
„§ 3. II. 2.
a) Tätigkeitswechsel in das WST
cc) Bestandsschutz
Mitarbeiter, die aufgrund der unter aa) und bb) genannten Maßnahmen in das WST wechseln, erhalten die Zusage, dass ihre bisherigen Einkünfte unabhängig von ihrer tariflichen Neueingruppierung statisch weiter gezahlt werden, d.h. sie erhalten die Differenz zwischen dem sich bei bisheriger Eingruppierung und dem bei neuer Eingruppierung ergebenden Gehalt als anrechenbare übertarifliche Zulage.
Das WST wurde auch in der ... eingeführt. Die im Antrag bezeichneten Mitarbeiterinnen haben der Änderung ihrer Tätigkeit im Rahmen des Freiwilligenprogramms schriftlich zugestimmt.“
6
Der Beteiligte zu 2 wurde durch die Antragstellerin mit Schreiben vom 10.07.2019 unter Beifügung der Tätigkeitsbeschreibung über die beabsichtigten Versetzungen und Umgruppierungen in die Lohngruppe L II a) unterrichtet und um Zustimmung gebeten. Mit Schreiben vom 11.07.2019, eingegangen am 16.07.2019, teilte der Beteiligte zu 2 mit, dass zwar den Versetzungen zugestimmt werde, nicht jedoch den Umgruppierungen. Hinsichtlich der Anträge auf Zustimmung zur Umgruppierung und zur Zustimmungsverweigerung durch den Beteiligten zu 2 wird verwiesen auf Bl. 39 ff. d.A.
7
Die Tätigkeit der Mitarbeiter im WST gestaltet sich nach der Stellenbeschreibung wie folgt:
„Aufgaben
Vorbereitung/Manipulation der Ware/Auffüllen
Die Mitarbeiter übernehmen die Ware am Übergabepunkt in der Filiale und transportieren sie zum Manipulationsbereich/Pufferfläche bzw. Filiallager und in die entsprechenden Verkaufsabteilungen.
Der Mitarbeiter WST bereitet die Ware für die verkaufsfördernde Warenpräsentation unter Einhaltung der vorgegebenen Standards vor (unter anderem Zonen- und Trendkonzepte). Dies gilt auch für Werbemaßnahmen und Aktionen sowie bei Umbauten.
Der Mitarbeiter packt aus, sichert, zeichnet die Ware aus und bügelt sie auf, sofern diese Leistung nicht bereits durch die ZEWA (ZentraleWarenAufbereitung) oder den Lieferanten erbracht wurde.
Er bearbeitet Retouren, Rücklieferungen und Umlagerungen und führt zentral vorgegebene Abschriften durch.
Der Mitarbeiter hält die Verkaufsabteilung in einem verkaufsfähigen Zustand (das Ordnen und Sortieren von Tischen und Regalen, Größensortierung überprüfen, verhangene Ware wieder an den Ursprung zu sortieren, Kabinendienst, Entsorgung von Bügeln und Verpackungen). Die Reinigung von Tischen, Regalen und Warenträgern erfolgt in Abstimmung mit dem Vorgesetzten.
Der Mitarbeiter räumt und sortiert die Ware nach funktionalen Ordnungskriterien im Warenaufbau (Visual Merchandising-Guidelines). Hierzu gehört auch das Bestücken von Stamm-, Aktions- und Themenflächen sowie Shopumbauten (im Rahmen der vertraglichen Regelungen).
Organisation & Prozesse/Lagerhaltung
Der Mitarbeiter WST kontrolliert die Bestände und führt ggf. Korrekturen durch. Er unterstützt bei der Durchführung sowie Vor- und Nachbereitung von Inventuren und pflegt alle Hand- und Reserveläger bzgl. der Struktur, Sauberkeit und Ordnung.
Außerdem gibt er Anstöße zur Größe und Lage der Läger sowie zu Optimierungen der Lagerbestände bzgl. der Hand- und Reserveläger an seinen Vorgesetzten weiter.
Omnichannel Prozesse
Der Mitarbeiter WST übernimmt alle Aufgaben der Omnichannel-Prozesse, Online-Filial-Versand (OFV), Click&Reserve (i.d.R. nur Such- und Pickvorgang/Kennzeichnung/Kundenbenachrichtigung) und Click&Collect (i.d.R. nur Paketzuführung an Service/Bearbeitung Retouren). Dies umfasst Tätigkeiten wie das Heraussuchen, Sortieren und Bereitstellen der Ware an den definierten Orten der Filiale, das Verpacken und Übergeben der Ware an den Warenausgang sowie die Bearbeitung von Belegen und der notwendigen systemischen Eingaben am PC/PAD/Smartphone. Außerdem stellt der Mitarbeiter WST eine ausreichende Versorgung/Bevorratung von Verpackungsmaterial für den Prozess OFV sicher.
Der Mitarbeiter übernimmt die Bestandsbearbeitung der Hochzeitstische und Geburtstagskisten.
… Generelle Zusammenarbeit und Schnittstellen
Er arbeitet eng mit allen WST- und Logistik-Mitarbeitern zusammen, um einen schnellen Warendurchfluss zu ermöglichen. Dadurch arbeitet er eng mit den Mitarbeitern der Verkaufsabteilungen, dem Kassenteam und der Schauwerbeabteilung zusammen.
8
Er leitet den Kunden unter Berücksichtigung der Kundenorientierung an das Verkaufspersonal weiter.
Zur Erfüllung seiner Aufgaben arbeitet er mit den Abteilungsgruppen und Dienstleistungsbereichen der Filiale zusammen.
Die Tätigkeit der Mitarbeiter im WST ist darüber hinaus im Prozesshandbuch Warenserviceteam, vgl. insoweit Bl. 62 ff. d.A., und in den Visual Merchandising Richtlinien beschrieben, vgl. insoweit Bl. 94 ff. d.A.“
9
Die Mitarbeiterinnen, die in das WST versetzt werden sollten, waren zuvor in die Gehalts/Lohngruppe G2 06 eingruppiert.
10
Der Lohntarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer/innen im Einzelhandel in Bayern enthält in der Lohngruppenabteilung A unter anderem folgende Regelungen:
„Lohngruppe II:
Arbeitskräfte für Tätigkeiten, die ohne berufliche Vorbildung oder Ausbildung ausgeführt werden können, die aber entweder gewisse Fertigkeiten, Übung oder Erfahrung oder in der Regel körperlich schweres Arbeiten erfordern.
Lohnstaffel II a)
Beispiele:
Abfüller/Abfüllerin, Abpacker/Abpackerin, Abwieger/Abwiegerin, Aufwartekräfte, Auffüller/Auffüllerin, Ausgeher/Ausgeherin, Auszeichner/Auszeichnerin, Buffetkräfte, Etikettierer/Etikettiererin, Gehilfen/Gehilfin in Imbissecken, Milchbars usw., Kaffeeverleser/Kaffeeverleserin, Wächter/Wächterin.
Lohnstaffel II b)
Beispiele:
Fahrer/Fahrerin für Elektrokarren und Hubstapler, Fahrstuhlführer/Fahrstuhlführerin, Heizer/Heizerin, Lagerarbeiter/Lagerarbeiterin, Packer/Packerin, Pförtner/Pförtnerin sowie sonstige Arbeitskräfte, soweit sie die Voraussetzungen der Lohngruppe III nicht erfüllen.
Lohngruppe III:
Arbeitskräfte, die die für ihren Berufszweig vorgesehene Lehrabschlussprüfung bestanden haben und in ihrem erlernten oder einem artverwandten Beruf beschäftigt sind sowie in diesen Berufen angelernte oder tätige Kräfte mit 4-jähriger Tätigkeit im gleichen Beruf, soweit sie die gleichen Leistungen aufweisen.
Der Manteltarifvertrag vom 09.12.2013 für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Einzelhandel in Bayern lautet auszugsweise wie folgt:
§ 9 Gehalts- und Lohnregelung
2. Die Beschäftigten werden im Gehalts- und Lohntarifvertrag in Beschäftigungsgruppen bzw. Lohngruppen eingruppiert (Festlegung von Beschäftigungsgruppe, Tätigkeitsjahren bzw. Berufsjahren, Lohngruppenabteilung, Lohngruppe, Lohnstaffel sowie Ortsklasse). Für die Eingruppierung kommt es auf die tatsächlich verrichtete Tätigkeit an.
3. Übt ein Beschäftigter/eine Beschäftigte dauernd mehrere Tätigkeiten nebeneinander aus, die unter verschiedene Beschäftigungs- oder Lohngruppen fallen, erfolgt die Eingruppierung entsprechend der zeitlich überwiegenden Tätigkeit. Lässt sich eine überwiegende Tätigkeit nicht feststellen, erfolgt die Bezahlung nach der höheren Beschäftigungs- bzw. Lohngruppe.
Mit Schriftsatz vom 02.12.2019, beim Arbeitsgericht am selben Tag eingegangen, hat die Antragstellerin das Verfahren eingeleitet.“
11
Die Antragstellerin trägt vor, die in den Anträgen genannten Mitarbeiterinnen seien in die Lohngruppe L II a) richtig eingruppiert. Deshalb seien die verweigerten Zustimmungen zur Umgruppierung der Arbeitnehmerinnen in die Lohngruppe L II a) zu ersetzen.
12
Die in der Lohngruppe L II a) beispielhaft genannten Tätigkeiten entsprächen den Tätigkeiten, die die Mitarbeiter im WST verrichteten. Die Tätigkeit der Mitarbeiter im WST sei eine gewerbliche, körperlich geprägte Tätigkeit, sie werde hingegen nicht selbständig im Sinne einer kaufmännischen Tätigkeit durchgeführt. Die gewerbliche Tätigkeit ziehe eine Eingruppierung in den Lohntarifvertrag nach sich. Es handele sich um Tätigkeiten, die ohne berufliche Vor- oder Ausbildung durchgeführt werden könnten, die aber gewisse Fertigkeiten, Übung und Erfahrung im Sinne der Lohngruppe L II a) erforderten. Die Tätigkeit im WST stelle eine reine Unterstützungstätigkeit für den Verkauf dar. Eine kurze Einarbeitung zur Übernahme dieser Tätigkeit von etwa 18 Stunden mit Vorkenntnissen und etwa 47,5 Stunden ohne Vorkenntnisse reiche aus.
13
Mindestens 95 % der Tätigkeit sei gewerblicher Natur, da sie körperlich geprägt sei. Da durch die Mitarbeiter des WST keine Kundenberatung erbracht werde, habe ihre Tätigkeit nicht dieselbe Wertigkeit wie die eines Verkäufers. Auch der gesamte Vorgang der Bestandsdatenpflege, der Retouren und der Umlagerungen und Abschriftensteuerungen sei eine rein mechanische Tätigkeit. Durch die detaillierten Vorgaben u.a. durch das Prozesshandbuch bestehe für die Mitarbeiter des WST auch kein Gestaltungsspielraum. Den Mitarbeitern verbleibe kein Entscheidungsspielraum, zum Beispiel wie die Waren zu präsentieren seien. Es bedürfe keiner eigenen Kreativität, Warenkunde oder Erfahrung der Mitarbeiter. Auch im Zusammenhang mit dem Auf- oder Umbügeln bzw. Sortieren der Ware bestehe für die Mitarbeiter kein eigener Entscheidungsspielraum. Dabei müssten die WST-Mitarbeiter die Vorgaben aus dem Prozesshandbuch auch nicht auswendig lernen oder im Einzelnen kennen, da die gemachten Vorgaben verstetigt seien und ihnen im Rahmen der Einarbeitung bekannt gemacht würden. Ein darüber hinaus anfallender Lernaufwand bestehe nicht. Einige der Aufgaben, wie zum Beispiel Kabine aufräumen, seien auch selbsterklärend.
14
Die Tätigkeit im WST erfülle keines der Regelbeispiele der Lohngruppe II b). Insbesondere seien die Mitarbeiter im WST keine Lagerarbeiter, da sie vor allem auf der Verkaufsfläche, nicht aber im Lager tätig sein. Auch für die beispielhaft für die Lohngruppe II a) genannten Tätigkeiten müsse man allgemeine Prozessabläufe kennen. Die Tätigkeit im WST stelle jedenfalls eine einfache Tätigkeit dar, die ohne berufliche Vorbildung auszuführen sei. Die Tätigkeit sei weniger beim Verkauf als vielmehr in der reinen Warenlogistik zu verorten, da der wesentliche Teil aus Auspacken, Sichern, Auffüllen, Aufbügeln und Sortieren bestehe. Es handle sich dabei fast ausschließlich sowohl hinsichtlich des zeitlichen Anteils als auch bezüglich der Kenntnisse, Fertigkeiten und der Bedeutung der Tätigkeit um körperliche Arbeit. Der Zeitanteil an kaufmännischen Tätigkeiten sei dagegen sehr gering.
15
Bei der Arbeit mit Retouren, den Umlagerungen und Bestandskorrekturen arbeiteten die WST-Mitarbeiter mit einem SAP-gesteuerten Programm. Dies erfordere keine weitergehenden Kenntnisse, es handele sich dabei vielmehr um einfachste Computertätigkeit, die in der heutigen Zeit ohne Probleme bewältigt werden könne.
16
Die Antragstellerin hat beantragt:
17
Die vom Beteiligten zu 2 verweigerte Zustimmung zur Umgruppierung der Mitarbeiter
E.
F.
G.
H.
I.
J.
K.
L.
M.
N.
O.
P.
Q.
R.
S.
in die Lohngruppe L II a nach Maßgabe des Lohntarifvertrages für den Einzelhandel in Bayern wird ersetzt.
18
Der Beteiligte zu 2 hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
19
Der Beteiligte zu 2 ist der Auffassung, die beabsichtigte Eingruppierung verstoße gegen die Vorschriften des Gehaltstarifvertrages für die Angestellten im Einzelhandel in Bayern und des Lohntarifvertrags für die gewerblichen Arbeitnehmer im Einzelhandel in Bayern.
20
Die von der Antragstellerin zugrunde gelegten Tätigkeitsmerkmale seien von ihr in der Anhörung nicht genannt bzw. unzutreffend bewertet worden. Auch sei der Betriebsrat nicht vollständig unterrichtet worden, da ihm keine bzw. nur eine unvollständige Version der Stellenbeschreibung vorgelegen habe.
21
Bei der von der Antragstellerin beabsichtigten Eingruppierung in die Lohnstaffel II a) berücksichtige diese nicht, dass im WST unter anderem umfangreiche Lagertätigkeiten anfielen. Für die gesamten vom WST ausgeübten Tätigkeiten seien einerseits kaufmännische Kenntnisse und andererseits umfassende Kenntnisse in den Arbeitsabläufen notwendig, um die gestellten Vorgaben zu erfüllen. Es handle sich gerade nicht mehr um leichte Tätigkeiten, die nach einer kurzen Anweisung erbracht werden könnten. Dies zeige sich bereits in dem Handbuch Warenserviceteam, das über 50 Seiten umfasse.
22
Darüber hinaus handle es sich um Tätigkeiten, die überwiegend den Tätigkeiten entsprächen, die bisher von den Verkäuferinnen ausgeübt worden seien. So handle es sich insbesondere bei den Aufgaben Sicherung der Ware, Aufbau der Ware, Durchführung von Shop-Umbauten, Durchführung von Abschriften, Bearbeitung von Retouren/Rücklieferungen/Bestandskorrekturen/Ein- und Umlagerungen, dem Omnichannel-Service, der Kommissionierung/Verpackung und Versendung von Kundenbestellungen sowie der Bearbeitung von Kundenreservierungen eher um kaufmännische als gewerbliche Tätigkeiten. Diese fielen in einem zeitlichen Umfang von mehr als 50% an.
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Dabei reiche eine kurze Einarbeitung nicht aus. Die genannten Tätigkeiten erforderten vielmehr eine Einarbeitungszeit von mindestens einem Jahr oder eine entsprechende Berufsausbildung.
24
Die Mitarbeiter im WST seien vor der Umstrukturierung als Angestellte in den Gehaltstarifvertrag eingruppiert gewesen. Die Tätigkeit des WST hänge unmittelbar mit dem Verkauf zusammen und sei bisher von Verkäufern erledigt worden. Im Vergleich zu früher seien diese Mitarbeiter aber nur für die Dekoration und den Verkauf zuständig gewesen, jetzt müssten sämtliche Aufgaben, die sich aus dem Handbuch Warenserviceteam ergeben, ausgeführt werden. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb bei einer größeren Bandbreite an Aufgaben eine niedrigere Eingruppierung erfolgen solle.
25
Soweit eine Eingruppierung in den Gehaltstarifvertrag nicht in Betracht komme, sei jedenfalls eine Umgruppierung in die Lohnstaffel II b) vorzunehmen. Vergleiche man die Tätigkeitsbeispiele beider Lohngruppen, komme man zum Ergebnis, dass es sich bei der Lohnstaffel II a) eher um einfach strukturierte und gleichförmige Arbeitsabläufe handle. Dagegen handele es sich bei den Beispielen der Lohnstaffel II b) um höherwertige Tätigkeiten, bei denen technische Hilfsmittel zum Einsatz kämen und deren Tätigkeit komplexer sei. Auch sei davon auszugehen, dass bei den Beispielen der Lohnstaffel II b) in der Regel eine höhere körperliche Beanspruchung vorliege.
26
So sei es auch bei den Mitarbeitern des WST. Bereits aus dem Prozesshandbuch Warenserviceteam sei zu entnehmen, dass der Arbeitsvorgang aus einer größeren Anzahl einzelner Arbeitsschritte bestehe. Bereits aus dem Umfang der Aufgabenbeschreibung ergebe sich, dass es sich um detailreiche und komplexe Arbeitsabläufe handle. Darüber hinaus erfolge die Ausführung der Tätigkeiten nach den Vorgaben des Prozesshandbuchs eigenverantwortlich. Beim Internetverkauf betreue der Mitarbeiter in der Regel einen kompletten Verkaufsvorgang beim Kunden unter Einsatz von technischen Geräten. Bei der Bearbeitung von Retouren habe der Mitarbeiter darüber hinaus einen eigenen Ermessensspielraum.
27
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird verwiesen auf die Antragsschrift sowie die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.
28
Die Kammer hat bei den tarifschließenden Parteien eine Tarifauskunft hinsichtlich der Unterscheidungsmerkmale, die die Tarifvertragsparteien bei der Einteilung der Tätigkeiten in die Beispiele der Lohnstaffel II a), bzw. Lohnstaffel II b) herangezogen haben, eingeholt. Hinsichtlich der jeweils erteilten Auskünfte wird verwiesen auf Bl. 235 ff. (verdi) und Bl. 241 ff. d.A. (HBE).
B
29
I. Der Antrag der Antragstellerin ist zulässig.
30
Die Beteiligte zu 1 verfolgt ihr Begehren zu Recht im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren gemäß §§ 2 a, 80 Abs. 1 ArbGG, da zwischen den Beteiligten eine betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit nach § 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG streitig ist.
31
II. Der Antrag ist auch begründet. Die Zustimmung zur beabsichtigten Umgruppierung der im Antrag genannten Mitarbeiterinnen in die Lohngruppe II a) war zu ersetzen. Die beabsichtigte Umgruppierung der Mitarbeiterinnen in die Lohngruppe II a) ist zutreffend.
32
1. Die Beteiligte zu 1 hat das Zustimmungsverfahren ordnungsgemäß im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG mit Schreiben vom 10.07.2019 eingeleitet. Das Schreiben ist dem Beteiligten zu 2 am 11.07.2019 zugegangen. Darin wurde der Betriebsrat über die beabsichtigten personellen Einzelmaßnahmen unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen informiert.
33
a) Der Betriebsrat hat dem Zustimmungsersuchen der Beteiligten zu 1 form- und fristgerecht nach § 99 Abs. 2, 3 BetrVG widersprochen. Er hat dies mit am 16.07.2019 zugegangenen Schreiben vom 11.07.2019 innerhalb der Wochenfrist getan und dabei jeweils Gründe genannt, die es als möglich erscheinen lassen, dass die Zustimmungsverweigerung berechtigt erfolgte.
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b) Der Betriebsrat wurde mit dem Schreiben der Antragstellerin vom 10.07.2019 über die beabsichtigten Umgruppierungen hinreichend informiert. Mit dem Zustimmungsersuchen vom 10.07.2019 teilte die Antragstellerin dem Beteiligten zu 2 die Namen und die Sozialdaten der betroffenen Arbeitnehmerinnen mit und gab deren bisherige sowie die beabsichtigte Eingruppierung an. Darüber hinaus enthält das Anhörungsschreiben zwar nicht explizit die Tätigkeitsbeschreibung der neuen Aufgabe der jeweiligen Mitarbeiterin. Die Tätigkeit der Mitarbeiterin war jedoch mit der Angabe „Mitarbeiterin im Warenserviceteam“ hinreichend deutlich beschrieben, sodass der Betriebsrat die sich daraus ergebende Tätigkeit hinreichend deutlich erkennen konnte. Dass ihm die Tätigkeitsbeschreibung für die Tätigkeit im WST bei Einleitung des Zustimmungsverfahrens auch hinreichend bekannt war, ergibt sich bereits aus dem Inhalt seines Zustimmungsverweigerungsschreibens. Denn in diesem setzt sich der Beteiligte zu 2 mit der Aufgabenbeschreibung der betroffenen Arbeitnehmerinnen detailliert auseinander. Insoweit hat die Vertreterin des Beteiligten zu 2 in der mündlichen Verhandlung auch erklärt, dass die Tätigkeitsbeschreibung jedenfalls für den Betriebsrat im Intranet einsehbar gewesen sei.
35
2. Maßgeblich für die Eingruppierung der Mitarbeiter im WST ist die Lohnstaffel der Lohngruppenabteilung A. Die Beschäftigten im Warenserviceteam üben gewerbliche Tätigkeiten im tariflichen Sinne aus. Hingegen richtet sich die richtige Eingruppierung der Mitarbeiter im WST entgegen der Ansicht des Beteiligten zu 2 nicht nach dem Gehaltstarifvertrag.
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a) § 9 Nr. 2 des Manteltarifvertrags für den Einzelhandel in Bayern regelt, dass die Beschäftigten im Gehalts- und Lohntarifvertrag in Beschäftigungsgruppen bzw. Lohngruppen eingruppiert werden. Für die Eingruppierung kommt es dabei auf die tatsächlich verrichtete Tätigkeit an. Der Tarifvertrag selbst enthält keine eigenständige Definition, wer als Arbeiter oder Angestellter eingeordnet werden soll. Daher ist der Tarifvertrag entsprechend auszulegen. Dabei ist zu ermitteln, ob der Begriff des gewerblich Beschäftigten oder Angestellten im allgemeinrechtlichen Sinn im Tarifvertrag verwendet wird, BAG vom 21.08.2003 – 8 AZR 430/02, zit. nach juris.
37
aa) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach ständiger Rechtsprechung des Eufachs den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Dabei ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften. Dabei sind der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben danach noch Zweifel, können weitere Kriterien wie Tarifgeschichte, praktische Tarifübung und Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt, BAG vom 09.04.2008 – 4 AZR 164/07, zit. nach juris.
38
bb) Hier ergibt die Auslegung des Tarifvertrags, dass die Tarifvertragsparteien den Begriff des Angestellten nach dem üblichen Sprachgebrauch verstanden haben.
39
Die Tarifvertragsparteien haben im hierzu vereinbarten Gehaltstarifvertrag in den verschiedenen Gehaltsgruppen Tätigkeiten aufgeführt, die üblicherweise als Angestelltentätigkeit eingeordnet werden. Dabei handelt es sich um kaufmännische Tätigkeiten wie zum Beispiel Verkäufer/Verkäuferin; Angestellte mit einfacher kaufmännischer Tätigkeit in Warenannahme, Lager und Versand; Warenausgabe mit Kontrolltätigkeit; Angestellte in der Buchhaltung, in Kalkulation, Rechnungsprüfung, Auftragsbearbeitung, Personalkontrolle u.ä.. Aus der Beurteilung dieser Tätigkeitsbeispiele folgt, dass die Tarifvertragsparteien die Angestelltentätigkeit nicht anders definieren wollten, als dies üblicherweise der Fall ist. Für die Beantwortung der Frage, ob die Mitarbeiter des WST dem Gehalts- oder dem Lohntarifvertrag unterfallen, ist daher auf die allgemeine Bedeutung des Rechtsbegriffs des Angestellten abzustellen.
40
cc) Für die Abgrenzung zwischen Arbeitern und Angestellten ist daher auf die Verkehrsanschauung und somit auf die Natur der ausgeübten Tätigkeit abzustellen, ErfK/Preis, 18. Aufl., § 611 a BGB, Rn. 115. Verrichtet ein Arbeitnehmer teils die Tätigkeit eines gewerblichen Arbeitnehmers, teils die eines kaufmännischen Angestellten, ist für die Bestimmung der richtigen Eingruppierung dieser gemischten Tätigkeit entscheidend, welche der Tätigkeiten dem Arbeitsverhältnis in seiner Gesamtheit das Gepräge gibt. Dabei kommt es nicht auf den Zeitaufwand der Einzelarbeiten im Sinne einer überwiegenden Tätigkeit, sondern auf eine umfassende Betrachtung an, Busch, jurisPR-ArbR 41/2019 Anm. 3.
41
b) Bei der Beurteilung der zutreffenden Eingruppierung ist zunächst festzustellen, dass die Tätigkeit der im Antrag genannten Mitarbeiterinnen im WST als eine einheitlich zu bewertende Gesamttätigkeit und nicht als tariflich getrennt zu bewertende Teiltätigkeiten, also als ein einheitlicher Arbeitsvorgang, zu betrachten ist.
42
Dabei ist nämlich in erster Linie auf das Arbeitsergebnis des WST abzustellen, das im Wesentlichen darin besteht, die Verkaufsfläche mit verkaufsfähigen Waren zu versehen. Dies umfasst alle für diesen Zweck erforderlichen Arbeitsschritte nach Anlieferung der Ware, den Transport in die Verkaufsräume, die dortige Präsentation sowie das Ordnen und Sortieren nebst der Entsorgung von Bügeln und Verpackungen. Auch die Bearbeitung von Retouren, Rücklieferungen und Umlagerungen gehört zu diesem einheitlichen Tätigkeitsfeld, da sie das Ziel hat, aktuell nicht benötigte Waren wieder aus den Verkaufsräumen zu entfernen. Die einzelnen Tätigkeiten, die sich in der Tätigkeitsbeschreibung finden, stellen jeweils nur Teilaspekte dieses Arbeitsergebnisses dar.
43
Sähe man jede einzelne dieser Tätigkeiten als eigenen Arbeitsvorgang an, würde dies zu einer Atomisierung des Arbeitsvorgangs führen, was dem zu erzielenden Arbeitsergebnis des WST widerspräche, BAG vom 23.01.2019 – 4 ABR 56/17, zit. nach juris.
44
c) Aus der Betrachtung dieses Arbeitsvorgangs folgt, dass unverzichtbarer Bestandteil der Tätigkeit die Zurverfügungstellung der Waren auf der Verkaufsfläche ist, was insbesondere durch das Auspacken der Ware, den Transport der Ware in die Verkaufsräume sowie ihre Präsentation geschieht. Die darüber hinaus durchgeführten Tätigkeiten wie Abschriften, Bearbeitung von Retouren und Umlagerungen sowie die Vorbereitung der Ware zur Abholung durch den Kunden sind notwendiger Bestandteil der Zurverfügungstellung der Ware auf der Verkaufsfläche, geben der Tätigkeit nach Ansicht der Kammer jedoch nicht das Gepräge.
45
aa) Die die Gesamttätigkeit prägende Tätigkeit der Zurverfügungstellung der Waren stellt sich als eine vornehmlich körperliche Tätigkeit dar. Die dahinter stehende geistige Leistung liegt in den detaillierten Vorgaben, an die sich die Arbeitnehmer zu halten haben und auf die sie keinen Einfluss haben. Aufgrund der genauen Vorgaben, die jeden einzelnen Schritt der Tätigkeit regeln, sind bei den Mitarbeitern im WST auch keine Warenkenntnisse erforderlich. Auch der Einsatz von Scannern oder des Geräts Mobida erfordert weder Warenkenntnisse noch Kenntnisse des hinter den Geräten stehenden Programms.
46
bb) Auch die Vorgabe, wonach Kundenanfragen an das Verkaufsteam weiterzuleiten sind, zeigt, dass bei den Mitarbeitern im WST gerade keine Verkaufstätigkeit gewollt ist. Die eigentliche klassische kaufmännische Tätigkeit, die Interaktion mit dem Kunden, wird aus dem Tätigkeitsspektrum gerade ausgenommen. Die Tätigkeit des WST stellt sich vielmehr als reine Unterstützungstätigkeit der Verkäufer und als bloße Zuarbeit dar.
47
cc) Selbst wenn man die Abschriften, die Retouren und die Tätigkeit bezüglich Omnichannel als kaufmännische Tätigkeiten ansehen wollte, so überlagerten diese jedoch nicht die im Übrigen prägende und als gewerblich anzusehende Tätigkeit des Auspackens, Verbringens und Präsentierens der Waren im Verkaufsraum. Somit lässt sich die Tätigkeit der Mitarbeiter im WST auch nicht als einfache kaufmännische Tätigkeit in Warenannahme, Lager und Versand begreifen.
48
dd) Dies zeigt sich auch bei der Kommissionierung, die vom WST ausgeführt wird. Insofern haben die Mitarbeiter die Ware lediglich zusammenzustellen, geben diese daraufhin aber an andere Mitarbeiter weiter, die dann für die Kontrolle und die Warenausgabe, bzw. den Versand zuständig sind, vgl. Prozesshandbuch S. 14. Daraus folgt, dass die Tätigkeit des WST genau dort endet, wo die kaufmännische Tätigkeit beginnt. Dies gilt, wie sich aus dem Prozesshandbuch ergibt, für alle Verkaufskanäle. Insofern ist das Vorbringen des Beteiligten zu 2, wonach die Mitarbeiter des WST beim Internethandel den kompletten Verkaufsvorgang betreuen, nicht nachvollziehbar.
49
Somit bleibt festzustellen, dass die Mitarbeiter im WST als gewerbliche Arbeitnehmer beschäftigt sind und daher nicht dem Gehalts-, sondern dem Lohntarifvertrag unterfallen.
50
3. Hierbei ist festzustellen, dass die Tätigkeit des WST der Lohngruppe II a) unterfällt, nicht aber der Lohngruppe II b), so dass die von der Antragstellerin beabsichtigte Eingruppierung richtig ist. Da ein Verstoß gegen den Lohntarifvertrag nicht festzustellen war, war die Zustimmung zur beabsichtigten Eingruppierung zu ersetzen.
51
a) Nach ständiger Rechtsprechung sind bei Vergütungsgruppen, in denen allgemein gefassten Tätigkeitsmerkmalen konkrete Beispiele beigefügt sind, die Erfordernisse der Tätigkeitsmerkmale regelmäßig dann als erfüllt anzusehen, wenn der Arbeitnehmer eine den Beispielen entsprechende Tätigkeit ausübt. Auf die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale ist dann zurückzugreifen, wenn ein einzelnes Tätigkeitsbeispiel seinerseits unbestimmte Rechtsbegriffe enthält, die nicht aus sich heraus ausgelegt werden können, wenn dasselbe Tätigkeitsbeispiel in mehreren Vergütungsgruppen vorkommt und damit als Kriterium für eine bestimmte Vergütungsgruppe ausscheidet, oder wenn es um eine Tätigkeit geht, die in den tariflichen Tätigkeitsbeispielen nicht aufgeführt ist. Soweit die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale unbestimmte Rechtsbegriffe enthalten, sind die Tätigkeitsbeispiele im Rahmen der Auslegung dieser unbestimmten Rechtsbegriffe als Richtlinien für die Bewertung mit zu berücksichtigen, BAG vom 23.01.2019 – 4 ABR 56/17, zit. nach juris.
52
b) Die Tätigkeit der Arbeitnehmerinnen des WST lässt sich aufgrund ihrer Vielschichtigkeit nicht unter eines der Tätigkeitsbeispiele der Lohnstaffeln II a) oder II b) subsumieren. So lässt sich ein Teil der Tätigkeiten der Arbeitnehmerinnen als Lagerarbeit einordnen, da Waren ausgepackt, aussortiert und aus dem Lager nachgefüllt und Ware eingelagert bzw. zwischengelagert werden muss. Auch die Lagerorganisation inklusive Ordnung und Sauberkeit ist im Lager durchzuführen. Dagegen findet ein anderer Teil der Tätigkeit auf der Verkaufsfläche statt, ist im Ergebnis direkt an den Kunden gerichtet und steht einer typischen Lagertätigkeit nicht nahe, beispielsweise Warenpflege und Warenpräsentation oder Aktionsaufbau, BAG vom 23.01.2019 – 4 ABR 56/17, zit. nach juris.
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c) Auf der anderen Seite führen die Arbeitnehmerinnen des WST auch Tätigkeiten aus, die der Tarifvertrag in Lohnstaffel II a) erfasst. Da die Arbeitnehmerinnen des WST Waren nach Vorgaben einräumen bzw. nachfüllen, diese auszeichnen und zum Teil auch etikettieren müssen, kommen hier Tätigkeiten wie Auffüller, Auszeichner oder Etikettierer in Betracht.
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d) Da die Tätigkeit der Arbeitnehmerinnen des WST, wie oben gezeigt, als einheitlicher Arbeitsvorgang zu betrachten ist, dieser aber keinem der in den Lohnstaffeln enthaltenen Regelbeispielen entspricht, wäre für die Bewertung der Tätigkeit des WST eigentlich auf die vorangestellten allgemeinen Tätigkeitsmerkmale zurückzugreifen. Anders als in anderen Tarifverträgen üblich, sind die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale jedoch beiden Lohnstaffeln einheitlich vorangestellt, so dass sich hieraus keine Unterscheidung der in den Lohnstaffeln II a) bzw. II b) genannten Tätigkeitsbeispiele ableiten lässt.
55
e) Zur Frage, von welchen Unterscheidungsmerkmalen die Tarifvertragsparteien bei Abschluss des Tarifvertrags und Einteilung der Regelbeispiele in die jeweiligen Lohnstaffeln ausgegangen sind, hat die Kammer eine Tarifauskunft eingeholt. Beide Tarifvertragsparteien konnten hinsichtlich der Unterscheidungsmerkmale der Lohnstaffeln II a) und II b), deren Systematik in die Sechzigerjahre zurückreicht, keine klare Auskunft mehr geben. Eine Abgrenzung beider Lohnstaffeln muss daher anhand der in den jeweiligen Lohnstaffeln genannten Beispiele erfolgen. Da die Vergütung sich hinsichtlich beider Lohnstaffeln unterscheidet, gingen die Tarifvertragsparteien offensichtlich von einer unterschiedlichen Wertigkeit der in den jeweiligen Lohnstaffeln genannten Regelbeispiele aus.
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aa) Hierbei ist festzustellen, dass es sich bei den in der Lohnstaffel II a) gegenüber den in der Lohnstaffel II b) genannten Beispielen um einfachere Tätigkeiten handelt. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie in einem segmentierten, überschaubaren Arbeitsbereich ausgeführt werden. Es handelt sich um eine einfache Anlerntätigkeit, bei der lediglich am Produkt selbst gearbeitet wird.
57
bb) Dem gegenüber beinhalten die in der Lohnstaffel II b) genannten Beispiele einen umfangreicheren Tätigkeitsbereich mit einer höheren Verantwortung. Die unter II b) genannten Arbeiter haben in ihrem Tätigkeitsbereich gegenüber den in der Lohnstaffel II a) genannten Tätigkeiten einen größeren eigenen Gestaltungsspielraum. Darüber hinaus tragen sie eine größere Verantwortung.
58
(1) So füllt beispielsweise ein Abfüller feste oder flüssige Stoffe in kleinere Gebinde ab. Ein Abpacker portioniert Waren in kleine Mengen und verpackt diese für den Versand oder Weitertransport. Aufwartekräfte begrüßen oder empfangen Kundschaft, der Ausgeher arbeitet als Bote oder Laufbursche. Dies alles sind Tätigkeiten, die nach Vorgaben erfolgen und keinen oder lediglich einen geringen Gestaltungsspielraum beinhalten.
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(2) Die unter Lohnstaffel II b) genannten Tätigkeiten erfordern im Gegensatz dazu, dass der Arbeitnehmer das jeweilige System beherrscht, da er für die Abläufe in seinem Bereich verantwortlich ist. So hat der Pförtner gegenüber der Aufwartekraft einen größeren Gestaltungsspielraum, da er Besucher kanalisiert und hierzu wissen muss, wer sich wo aufhält, wer aus welchen Gründen wohin muss. Insoweit trifft er eigene Entscheidungen beispielsweise dahingehend, wann er im Einzelnen eingreifen muss und wem er im Einzelfall den Zugang gewähren kann. Insoweit ist sein Tätigkeitsbereich auch gegenüber dem in Lohnstaffel II a) aufgeführten Wächter umfang- und verantwortungsreicher. Der Wächter, der beispielsweise einen Parkplatz oder nachts ein Gebäude bewacht, hat eine viel klarer abgrenzbare und einfacher zu handhabende Aufgabe, als der Pförtner, der sich einer Vielzahl von Vorkommnissen gegenübersehen kann.
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(3) Gleiches gilt auch für die Fahrer von Elektrokarren und Hubstaplern, Fahrstuhlführer, Heizer oder Lagerarbeiter. All diese Arbeiter müssen ein System pflegen (zum Beispiel der Lagerarbeiter) oder für ein bestimmtes Ergebnis sorgen (zum Beispiel der Heizer, der dafür verantwortlich ist, dass das Gebäude warm ist), zum Teil sind Scheine bzw. Erlaubnisse nötig, die nachweisen, dass man das System beherrscht.
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cc) Danach ist festzustellen, dass die Tätigkeit des WST sowohl hinsichtlich der einzelnen Tätigkeiten als auch hinsichtlich des gesamten Arbeitsvorgangs in ihrer Wertigkeit den in der Lohnstaffel II a) genannten Tätigkeiten entspricht:
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(1) Die Arbeitnehmerinnen des WST arbeiten lediglich an der Ware und haben hinsichtlich ihrer Tätigkeit keinen eigenen Handlungsspielraum. Die Ware wird aus der Fabrik angeliefert, wobei sie in der Regel schon ausgezeichnet und gesichert ist. Die Arbeiterinnen des WST packen die Ware aus, verbringen sie an vorgegebene Orte und sortieren sie ein. Dabei haben die Mitarbeiter des WST keinerlei eigenen Handlungsspielraum, da alles bis ins Detail vorgegeben ist. So sind im Prozesshandbuch Warenserviceteam beispielsweise genaue Standards zur Warenpräsentation festgelegt. Diese sind so detailliert, dass sogar genau vorgegeben wird, in welcher Art und Weise Kleidungsstücke zu bügeln und zusammenzulegen sind. Im Prozesshandbuch ist geregelt, dass Standards zum Einräumen von Ware vorab festgelegt werden. Hiervon ist nur in Ausnahmefällen eine ergänzende Festlegung zur Präsentation möglich. Auch hierzu wird eine Vereinbarung zwischen FGF und Warenserviceleitung getroffen und gegebenenfalls schriftlich festgehalten. Dies bedeutet, dass selbst dann, wenn eine Abweichung von den Standards erfolgen soll/kann, diese gleichermaßen von anderer Seite festgehalten und vorgegeben wird. Die einzelne Arbeitnehmerin des WST hat hingegen diesbezüglich keinen eigenen Gestaltungsspielraum.
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(2) Das gleiche Bild zeigt sich beispielsweise bei der Kommissionierung. Hierbei sind Mitarbeiter aus dem WST für die Artikelsuche zuständig. Werden Artikel nicht gefunden, sind die Kommissionierlisten insoweit dem Abteilungsverantwortlichen zu übergeben. Sobald die Ware gefunden wurde, ist diese mit der Kommissionierliste dem Versand zu übergeben. Ab diesem Zeitpunkt ist der Verkauf für die Prüfung, und ggf. die Bestandskorrektur, bzw. der Versand für die Weiterverarbeitung zuständig.
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(3) Auch die Durchführung von Abschriften, die einen Berührungspunkt zum kaufmännischen Bereich aufweist, ist dem WST ohne eigenen Gestaltungsspielraum ganz genau vorgegeben. So regelt das Prozesshandbuch, dass die Durchführung der Abschriften nach genau definierten Standards zu erfolgen hat. Die Priorisierung der abzuarbeitenden Reihenfolge erfolgt durch den Verkaufsverantwortlichen, der Durchführungszeitpunkt wird durch die Zentrale festgelegt.
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Daran zeigt sich exemplarisch, dass dem WST durch die engen Vorgaben kein Spielraum für eigene Entscheidungen bleibt. Am Beispiel der Kommissionierung zeigt sich, dass das WST für die Zuarbeit zuständig ist. Sobald aber eine eigenständige Entscheidung zu treffen ist, wie zum Beispiel die Artikelprüfung, geht die Verantwortung auf andere Personen über.
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(4) Die Tätigkeit des WST wird auch nicht dadurch komplex, dass sich im Prozesshandbuch umfangreiche Festlegungen zu den Arbeitsabläufen finden. Je genauer die Vorgaben sind, umso weniger komplex wird die eigentliche Aufgabe, da es für alle Eventualitäten bereits Vorgaben gibt und der Arbeitnehmer keine eigenen Entscheidungen zu treffen hat.
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Da die Vorgaben so detailliert sind, sind für die einzelnen Aufgabenbereiche auch keine kaufmännischen Kenntnisse nötig. Es genügt, sich an die Vorgaben im Prozesshandbuch zu halten.
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(5) Soweit den Mitarbeitern im WST bei einzelnen Tätigkeiten, wie z.B. der Bearbeitung von Retouren ein eigener Beurteilungsspielraum verbleibt, so führt dies nicht dazu, dass der gesamte Arbeitsvorgang in die Lohnstaffel II b) einzureihen wäre. Denn insoweit handelt es sich nur um einen Teilbereich der Tätigkeit, die dem Arbeitsvorgang nicht das Gepräge gibt.
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So lässt sich abschließend feststellen, dass es sich bei den vom WST ausgeführten Tätigkeiten um einfache manuelle Tätigkeiten ohne Kundenkontakt handelt. Die Tätigkeit des WST stellt eine reine Unterstützertätigkeit für den Verkauf dar. Die Tätigkeit erfordert keine eigene geistige Arbeit, sondern erfolgt warenbezogen nach genauen Vorgaben.
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Die von der Antragstellerin beabsichtigte Eingruppierung in die Lohnstaffel II a) ist somit korrekt. Die beantragte Zustimmung zur Umgruppierung war daher zu ersetzen.
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4. Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst, § 2 Abs. 2 GKG.