Titel:
Vorsätzliche sittenwidrige Schädigung, Abschalteinrichtung, Verjährung, Kaufvertrag, Sittenwidrigkeit, Übereinstimmungsbescheinigung, Kraftfahrt-Bundesamt, Emissionskontrolle, Rechtsprechung des BGH, Rückzahlung des Kaufpreises, Bereicherungsansprüche, Ungerechtfertigte Bereicherung, Abgasskandal, Gewährleistungsansprüche, Gebrauchte Kraftfahrzeuge, Fristsetzung zur Nacherfüllung, Unerlaubte Handlung, Anfechtung wegen arglistiger Täuschung, Maßgebliche Grenzwerte, Unzulässigkeit
Schlagworte:
Nichtigkeit des Kaufvertrages, Schadensersatzanspruch, vorsätzliche sittenwidrige Schädigung, unzulässige Abschalteinrichtungen, ungerechtfertigte Bereicherung, Anfechtung, Verjährung
Vorinstanz:
LG Nürnberg-Fürth vom 16.12.2020 – 10 O 3914/20
Rechtsmittelinstanzen:
OLG Nürnberg, Beschluss vom 17.01.2022 – 5 U 250/21
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 23.07.2024 – VIa ZR 1743/22
Fundstelle:
BeckRS 2021, 66632
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 16.12.2020, Az. 10 O 3914/20, durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er davon überzeugt ist, dass das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat und auch die übrigen Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO vorliegen.
Entscheidungsgründe
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Der Kläger hat mit Vertrag vom 08.02.2016 von der Beklagten ein gebrauchtes Kraftfahrzeug Mercedes Benz GLK 220 CDI zum Preis von 24.500,00 € erworben. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor der Baureihe OM 651 (Euro 5) ausgestattet; von einem Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamtes wegen Vorliegens unzulässiger Abschalteinrichtungen ist es nicht erfasst, weil die Software der Motorsteuerung im Zuge eines sog. freiwilligen Software-Updates vor Erlass des Rückrufbescheides geändert worden war.
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Der Kläger nimmt die Beklagte sowohl als Verkäuferin wie auch als Herstellerin des streitgegenständlichen Kraftfahrzeuges auf Rückzahlung des Kaufpreises bzw. Schadensersatz in Höhe des Kaufpreises in Anspruch; zur Begründung hat er erstinstanzlich geltend gemacht, das Fahrzeug sei von dem sog. Abgasskandal betroffen, weshalb der Kaufvertrag nichtig sei, dies allerdings auch aufgrund einer wirksamen Anfechtung wegen arglistiger Täuschung. Sollte der Kaufvertrag gleichwohl als wirksam angesehen werden, bestünden Gewährleistungsansprüche auf Rückzahlung des Kaufpreises. Daneben hafte die Beklagte wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung sowie wegen unerlaubter Handlung in Gestalt eines Betruges.
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Die Betroffenheit von dem Abgasskandal bedeute, dass das Fahrzeug durch die Beklagte manipuliert worden sei und einen anderen Schadstoffausstoß generiere als von der Beklagten als Herstellerin angegeben. Auf diese Angaben habe der Kläger als Käufer aber vertraut. Die Manipulation wiederum bestehe darin, dass das Motorsteuergerät mit einer unerlaubten Abschalteinrichtung versehen sei, um die Abgaswerte im Testbetrieb erheblich vom Realbetrieb abweichen zu lassen. Dazu verwende die Beklagte in ihren Fahrzeugen, auch im streitgegenständlichen, unterschiedliche Abschalteinrichtungen, nämlich eine Aufwärmstrategie, die die Prüfstandsituation erkenne und dann in einen Modus mit weniger Schadstoffausstoß schalte, des weiteren ein Thermofenster, das die Ausnahmeregelung zum Motorschutz deutlich überzogen habe, einen Timer, der nach 1200 Sekunden – bzw. 2000 Sekunden bei neueren Modellen – in einen „schmutzigen Abgasmodus“ umschalte, schließlich eine Einwirkung auf die Schaltpunkte des Getriebes in Abhängigkeit vom festgestellten Lenkwinkel. Ferner gebe es bei der Beklagten Software-Funktionen, die dazu entwickelt worden seien, den in den Vereinigten Staaten von Amerika üblichen Abgastest zu bestehen, so die Funktion „Bit 15“ und die Funktion „Slipguard“. So verhalte es sich auch bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug. Das alles führe dazu, dass im Straßenverkehr die StickoxidEmissionen ein mehrfaches des Grenzwertes nach der einschlägigen Schadstoffnorm erreichten. Auch das OBD-System sei manipuliert, um zu vermeiden, dass es den überhöhten Stickoxid-Ausstoß anzeige.
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Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat im wesentlichen eingewandt, das streitgegenständliche Fahrzeug sei in Übereinstimmung mit einer bestandskräftigen EGTypgenehmigung produziert worden, die Tatbestandswirkung entfalte. Eine Gefahr der Zulassungsentziehung bestehe für das Fahrzeug des Klägers nicht, da das streitgegenständliche Fahrzeug bereits vor Erlass der nachträglichen Nebenbestimmung zur Typgenehmigung ein vom Kraftfahrt-Bundesamt freigegebenes Software-Update erhalten habe, weshalb die vom Kraftfahrt-Bundesamt beanstandete Funktion nicht mehr in der Motorsteuerung zur Software enthalten sei.
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Das Fahrzeug des Klägers halte im Rahmen des standardisierten Prüfverfahrens die nach der Euro 5 – Norm maßgeblichen Grenzwerte, insbesondere für Stickoxide, ein. Welches Emissionsverhalten das Fahrzeug außerhalb der vorgeschriebenen Prüfbedingungen zeige, sei rechtlich nicht relevant. Das Fahrzeug sei auch nicht so gestaltet, dass sich das Emissionskontrollsystem auf der Straße und unter normalen Betriebsbedingungen anders verhalte als auf dem Prüfstand. Es gebe keine Funktion, die den Betrieb auf einem Emissionsprüfstand erkenne und davon abhängig die Funktion des Emissionskontrollsystems beeinflusse. Nach Auffassung der Beklagten gebe es in dem Fahrzeug auch keine unzulässigen Abschalteinrichtungen. Solche seien vom Kläger schon nicht substantiiert dargelegt worden. Das Vorbringen des Klägers zum sog. Thermofenster der Abgasrückführung – die Abgasrückführung werde abgeschaltet, wenn Temperaturen von unter 17° Celsius oder über 30° Celsius herrschten – treffe nicht zu; das AGR-System sei selbst bei zweistelligen Minusgraden noch aktiv. Die vom Kläger weiter angeführten Funktionen (Bit 15, Slipguard, Umschaltung in einen „schmutzigen Modus“ nach 1200 Sekunden oder 2000 Sekunden) gebe es in dem Fahrzeug des Klägers nicht; es gebe auch keine „Aufwärmstrategie“, der diesbezügliche Vortrag des Klägers scheine sich auf Fahrzeuge der Marke Audi zu beziehen. Das OBD-System funktioniere einwandfrei. Auch die vom Kläger in der Replik zusätzlich angeführte Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung sei eine Funktion, die unter gleichen Betriebsbedingungen auf der Straße ebenso funktioniere wie auf dem Prüfstand. Eine Abhängigkeit von der Erkennung der sog. Vorkonditionierung gebe es nicht.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
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Mit der Berufung macht der Kläger geltend, das Landgericht habe die Nichtigkeit des Kaufvertrages wegen Vorstoßes gegen § 27 EG-FGV verkannt. Soweit das Landgericht einen Vortrag „ins Blaue hinein“ angenommen habe, habe es einen vollständig verfehlten Maßstab angelegt, denn der Kläger habe nicht auf das Vorhandensein einer PrüfstandserkennungsSoftware, sondern auf unzulässige Abschalteinrichtungen abgestellt. Im Übrigen vertieft der Kläger seinen Vortrag zum sog. Thermofenster der Abgasrückführung und dessen Unzulässigkeit.
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Die Berufung des Klägers ist zulässig, hat in der Sache aber offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.
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1) Zu Recht hat da Landgericht einen Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) verneint.
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a) Ein Anspruch aus § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gegen die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Herstellerin des streitgegenständlichen Fahrzeuges besteht nach der Rechtsprechung des BGH (BGHZ 225, 316; WM 2021, 359), wenn ein Automobilhersteller dem Kraftfahrt-Bundesamt zwecks Erlangung der Typgenehmigung mittels einer eigens zu diesem Zweck entwickelten Motorsteuerungssoftware wahrheitswidrig vorspiegelt, dass die von ihm hergestellten Fahrzeuge die maßgeblichen Stickoxid-Grenzwerte einhalten, indem die Motorsteuerungssoftware bewirkt, dass nur in der Emissionsprüfung, deren Vornahme erkannt wird, das Emissionskontrollsystem des Fahrzeuges mit einer zur Erreichung der vorgeschriebenen Grenzwerte genügenden Wirksamkeit arbeitet, während im normalen Fahrbetrieb diese Wirksamkeit auch unter Betriebsbedingungen, die denen im gesetzlichen Emissionsprüfzyklus entsprechen, nicht erreicht wird; mit einer solchen Motorsteuerung soll die Typgenehmigungsbehörde arglistig über das wirkliche Emissionsverhalten des Fahrzeuges getäuscht werden. Jedenfalls dann, wenn der maßgebliche Grenzwert – insbesondere der für Stickoxide – nicht eingehalten würde, wenn das Emissionskontrollsystem auch bei der Emissionsprüfung im „Straßenmodus“ arbeitete, ist die Typgenehmigung objektiv zu Unrecht erteilt worden mit der Folge, dass der Fahrzeugerwerber mit Maßnahmen der Zulassungsbehörde bis hin zur Stilllegung rechnen muss. Verhält sich dagegen das Emissionskontrollsystem des Fahrzeuges auf dem Prüfstand und unter vergleichbaren Bedingungen im wirklichen Verkehr grundsätzlich gleich, bedeutet der Einbau einer europarechtlich unzulässigen sog. Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 für sich genommen noch kein objektiv sittenwidriges Verhalten des Fahrzeugherstellers (BGH, NJW 2021, 921).
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b) Im Streitfall hat der Kläger entgegen seiner Darstellung in der Berufungsbegründung durchaus geltend gemacht, bestimmte Einrichtungen der Emissionskontrolle arbeiteten in der vorbeschriebenen Weise mittels einer Prüfstandserkennung (Lenkwinkelerkennung, Aufwärmstrategie, Bit 15, Slipguard). Andererseits – und durchaus im Widerspruch zu diesem Vorbringen – hat der Kläger dargelegt, die Beklagte habe ihre Fahrzeuge gezielt so konstruieren lassen, dass die Emissionskontrolleinrichtungen unter gleichen Bedingungen auf Straße und Prüfstand gleichartig funktionierten. Dies sei eine grundlegende Konstruktionsprämisse der Beklagten gewesen, jedoch sei dieses „Konzept Rolle = Straße“ gerade nicht zulässig. Im Gegenteil sei es gänzlich unvertretbar, wie die Generalanwältin bei dem EuGH in der Sache C-693/18 in ihren Schlussanträgen dargelegt habe.
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In der zweiten Instanz will der Kläger allem Anschein nach die Behauptung, es gebe von einer Prüfstandserkennung abhängige Funktionen in seinem Fahrzeug, nicht aufrechterhalten, nachdem er betont, solches gerade nicht vorgetragen, sondern nur auf die Unzulässigkeit der vorhandenen Abschalteinrichtungen abgestellt zu haben (S. 23 der Berufungsbegründung). Im Übrigen wären die Behauptungen des Klägers zu den Einrichtungen Bit 15, Slipguard, Aufwärmstrategie und Lenkwinkelerkennung in der Tat als prozessual unbeachtliche „Behauptungen ins Blaue hinein“ zu werten. Dafür, dass diese Funktionen in den Fahrzeugen der Beklagten, insbesondere in dem streitgegenständlichen Fahrzeugmodell, vorhanden seien, gibt es keine Anhaltspunkte, weder vom Kläger vorgetragene noch dem Senat sonst bekannte.
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2) Für die Berufungsinstanz ist davon auszugehen, dass der Kläger eine Abhängigkeit der Steuerung auch nur einzelner Elemente der Emissionskontrolle in dem streitgegenständlichen Fahrzeug von der Erkennung eines Prüfstandbetriebes nicht (mehr) behaupten will. Nach der Rechtsprechung des BGH rechtfertigt aber das Vorhandensein einer „schlicht“ unzulässigen – also nicht prüfstandsbezogenen – Abschalteinrichtung den Schluss auf ein vorsätzliches sittenwidriges Verhalten der Beklagten als Fahrzeugherstellerin noch nicht, unabhängig davon, um welche Art von Abschalteinrichtung (Thermofenster, Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung etc.) es sich handelt (siehe dazu Hinweisbeschluss des BGH vom 29.09.2021, VII ZR 126/21). Nach dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung, mit der die bisherige Rechtsprechung des Senats übereinstimmt, ist die Anwendung des Konstruktionsprinzips „Rolle = Straße“ nicht von vorneherein sittenwidrig.
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Eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung kann daher nur angenommen werden, wenn – mindestens – Vorsatz hinsichtlich der Verwendung einer nach den unionsrechtlichen Vorschriften nicht zulässigen Abschalteinrichtung vorgelegen hat.
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a) Einen solchen Vorsatz hat das Landgericht hinsichtlich des sog. Thermofensters der Abgasrückführung zutreffend verneint. Auch wenn zugrunde gelegt wird, dass die Abgasrückführung, die zur Verringerung der Stickoxid-Emissionen dient, unterhalb einer Temperatur von 17° Celsius bzw. oberhalb einer solchen von 30° Celsius abgeschaltet wird – was die Beklagte bestreitet –, mag hierin zwar eine Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 zu sehen sein, jedoch rechtfertigt dies noch keinen Schluss auf ein vorsätzliches Handeln der Beklagten, wenn weiter unterstellt wird, dass eine solche Gestaltung der Abgasrückführung objektiv nicht zulässig ist. Wie der Senat bereits vielfach – und in Übereinstimmung mit anderen Oberlandesgerichten – entschieden hat, war zum Zeitpunkt der Erteilung der Typgenehmigung für das streitgegenständliche Fahrzeugmodell (hier spätestens im Jahr 2013) die Gesetzeslage im Hinblick auf die Gestaltung von Abgasrückführungen keineswegs so eindeutig, dass sich die Unzulässigkeit der Funktion geradezu aufdrängen musste und hieraus auf einen Vorsatz der Beklagten geschlossen werden könnte. Vielmehr wurde damals – und noch lange danach – die Verwendung temperaturabhängiger Steuerungen der Abgasrückführung von den Genehmigungsbehörden als technisch gerechtfertigt und deshalb zulässig angesehen; auch das Kraftfahrt-Bundesamt hat noch im Jahr 2020 die Auffassung vertreten, dass eine Reduzierung der Intensität der Abgasrückführung nach Maßgabe der Außentemperatur technisch geboten sein könne und deshalb nicht grundsätzlich unzulässig sei, und dementsprechend sog. Software-Updates genehmigt, die ein derartiges – wenn auch verkleinertes – Thermofenster der Abgasrückführung (weiterhin) beinhalteten, vorausgesetzt, in der Typprüfung würden die Grenzwerte eingehalten (siehe dazu Veröffentlichung des Kraftfahrt-Bundesamtes zur Wirksamkeit von Software-Updates zur Reduzierung von Stickoxiden bei Dieselmotoren, Stand 10.01.2020, S. 14, abrufbar unter www.kba.de). Dementsprechend hat die Behörde die Verwendung von Thermofenstern in Dieselmotoren der Beklagten bislang auch nicht beanstandet. Auf die heutige Sicht, die von einer Entscheidung des EuGH vom 17.12.2020 (C-693/18) beeinflusst ist, kann es für die Beurteilung des Vorsatzes nicht ankommen. Im Gegenteil zeigt der Umstand, dass der EuGH über die Auslegung der sog. Motorschutzausnahme in Art. 5 Abs. 2 lit. a) der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 zu entscheiden hatte, dass der Wortlaut der Norm einer Auslegung zugänglich und auch bedürftig ist, die Reichweite des Ausnahmetatbestandes sich also aus dem Wortlaut der Vorschrift nicht hinreichend klar ableiten lässt. Die Beklagte konnte also zumindest annehmen, dass die von ihr verwendete Gestaltung zulässig sei. Die vorstehende Argumentation hat der BGH mit Urteil vom 16.09.2021 (VII ZR 190/20) ausdrücklich gebilligt. Die überaus umfangreichen Darlegungen des Klägers zum sog. Thermofenster in der Berufungsbegründung vermögen somit der Berufung unter dem Gesichtspunkt einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung nicht zum Erfolg zu verhelfen.
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b) Mit weiteren Elementen der Emissionskontrolle in dem streitgegenständlichen Fahrzeug befasst sich die Berufungsbegründung nicht. Im Hinblick auf die erstinstanzlich geltend gemachte, in der Berufungsbegründung nur noch beiläufig erwähnte Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung, auf die das Landgericht nicht eingegangen ist, weist der Senat lediglich darauf hin, dass er auch insoweit ein vorsätzliches Handeln der Beklagten stets verneint hat, und zwar auch in den Fällen, in denen das Kraftfahrt-Bundesamt gerade wegen dieser Funktion eine Beanstandung vorgenommen und die Beklagte zur Änderung der Motorsteuerung verpflichtet hatte. Um einen solchen Fall handelt es sich auch hier, nachdem das Fahrzeug des Klägers in seiner ursprünglichen Konfiguration, also vor dem „freiwilligen Software-Update“, unter den sog. GLK-Rückruf vom 23.05.2019 gefallen wäre. Da sich der Kläger in der Berufungsbegründung mit dieser Funktion nicht weiter befasst hat, genügt hier der Hinweis auf das Urteil des Senats vom 17.06.2021 (5 U 2780/19), das einen mit dem Streitfall vergleichbaren Sachverhalt betrifft und in dem der Senat ausführlich zur Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung Stellung genommen hat.
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3) Mangels einer feststellbaren Täuschungshandlung der Beklagten kommt ein Anspruch des Klägers aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB nicht in Betracht. Die europarechtlichen Vorschriften, insbesondere diejenigen der Verordnung (EG) Nr. 715/2007, aber auch die RL 2007/46/EG, sind ebenso wenig wie die §§ 6, 27 EG-FGV Schutzgesetze i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB (BGH, NJW 2020, 2738).
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4) Zu Recht hat das Landgericht einen Anspruch des Klägers aus ungerechtfertigter Bereicherung (§§ 812, 818 BGB) verneint. Der Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug ist nicht nichtig.
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a) Selbst wenn die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Verkäuferin entgegen § 27 Abs. 1 EGFGV das streitgegenständliche Fahrzeug, für das sie eine Übereinstimmungsbescheinigung ausgestellt hatte, ohne „gültige“ Übereinstimmungsbescheinigung veräußert hätte, ergäbe sich hieraus nicht die Nichtigkeit des Kaufvertrages und damit kein Bereicherungsanspruch des Klägers. Die Auffassung des Landgerichts Augsburg, auf dessen Urteil vom 29.01.2018 (NJW-RR 2018, 1073) sich der Kläger stützt, wird von der obergerichtlichen Rechtsprechung – einschließlich derjenigen des Senats – nicht geteilt. Die Vorschrift des § 27 Abs. 1 EG-FGV und das hierin enthaltene Verbot richten sich nur gegen den Veräußerer des Fahrzeuges; in einem solchen Fall kommt die Rechtsfolge des § 134 BGB nur in Betracht, wenn dem Verbot ein Zweck zugrunde liegt, der gleichwohl die Nichtigkeit des ganzen Rechtsgeschäfts erfordert (BGHZ, 143, 283). Das ist hier schon deshalb nicht der Fall, weil die Nichtigkeit des Kaufvertrages dem Käufer die Gewährleistungsrechte aus § 437 BGB nähme (OLG Karlsruhe, MDR 2019, 380; OLG Köln, Urteil vom 27.08.2020, 12 U 174/19; OLG Frankfurt, Urteil vom 02.09.2020, 4 U 174/19, jeweils zitiert nach juris; Urteil des Senats vom 14.06.2021, 5 U 144/20). Im Übrigen fehlt es auch an der Voraussetzung, dass die von der Beklagten ausgestellte Übereinstimmungsbescheinigung nicht „gültig“ ist (siehe dazu im Einzelnen das zitierte Urteil des Senats vom 14.06.2021).
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b) Eine Nichtigkeit des Kaufvertrages ergibt sich auch nicht aus der vom Kläger erklärten Anfechtung. Dazu wäre eine arglistige Täuschung seitens der Beklagten erforderlich, die aber mangels feststellbarem Vorsatzes hinsichtlich der Unzulässigkeit einer Abschalteinrichtung nicht gegeben ist.
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5) Zum Zeitpunkt der Erklärung der Anfechtung und des Rücktritts mit Anwaltsschreiben vom 30.01.2020 war hinsichtlich eines etwaigen Mangelgewährleistungsanspruches Verjährung eingetreten, nachdem die Übergabe des streitgegenständlichen Fahrzeuges an den Kläger bereits im Jahr 2016 erfolgt war (§ 438 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BGB). Infolgedessen ist der Rücktritt gemäß §§ 218 Abs. 1 Satz 1, 438 Abs. 4 Satz 1 BGB unwirksam, ohne dass es darauf ankäme, ob dem Kläger eine Fristsetzung zur Nacherfüllung nicht zumutbar wäre. Anders läge es nur bei einem arglistigen Verschweigen des Mangels (§ 438 Abs. 3 Satz 1 BGB); wie aus den vorstehenden Ausführungen hervorgeht, lag ein solches arglistiges Verschweigen nicht vor. Die Beklagte hat sich ausdrücklich auf den Eintritt der Verjährung berufen.
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Nach alledem wird die Berufung des Klägers ohne Erfolg bleiben müssen. Der Kläger sollte in Erwägung ziehen, sein Rechtsmittel zur Kostenersparnis zurückzunehmen.
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Zur Stellungnahme auf diesen Hinweis wird dem Kläger eine Frist von drei Wochen ab Zustellung eingeräumt.