Titel:
Zurückbehaltungsrecht, Werklohnansprüche, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Verjährungsfrist, Sicherheitseinbehalt, Einrede des nichterfüllten Vertrags, Bürgenhaftung, Arbeitnehmer-Entsendegesetz, Subunternehmervertrag, Zug-um-Zug-Verurteilung, Zinsanspruch, Kostenentscheidung, Gewährleistungsfrist, Bauten, Kosten des Berufungsverfahrens, Beweiswürdigung, Geltendmachung, Obergerichtliche Rechtsprechung, Auskunftspflicht, Schriftsätze
Schlagworte:
Werklohnanspruch, Zurückbehaltungsrecht, Gewährleistungsfrist, Bürgenhaftung, Einrede des nicht erfüllten Vertrages, Verjährungsfrist, Haftungsbescheinigung
Vorinstanz:
LG München I vom 20.10.2020 – 5 O 16204/15
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 19.07.2023 – VII ZR 884/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 66612
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers vom 12.11.2020 wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 20.10.2020 in Ziffern 1 und 2 wie folgt abgeändert:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 24.318,43 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.12.2014 zu zahlen sowie weitere 5.978,55 € Zug-um-Zug gegen Vorlage einer Enthaftungsbescheinigung der S.-Bau oder mit Ablauf des 31.12.2024.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt der Kläger 55% und die Beklagte 45%.
II. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen und bleibt die Klage abgewiesen.
III. Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger 55% und die Beklagte 45%.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Jede Partei kann die Vollstreckung der jeweils anderen Partei durch Zahlung in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweilige andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
1
Der Kläger begehrt Vergütung aus einem Werkvertrag bezüglich der Erstellung von Glasfaserhausanschlüssen.
2
Hinsichtlich der weiteren Feststellungen wird Bezug genommen auf den Tatbestand des angefochtenen Endurteils des Landgerichts München I vom 20.10.2020, Az.: 5 O 16204/15, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
3
Mit Endurteil vom genannten Tag wies das Erstgericht die Klage ab. Tragend stellte es dabei darauf ab, dass es zwar einen werkvertraglichen Anspruch von 30.296,98 € für begründet halte, die Beklagte aber ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen könne, das die Klagesumme deutlich übersteige.
4
Gegen dieses dem anwaltlichen Vertreter des Klägers unter dem 23.10.2020 zugestellte Endurteil legte derselbe mit Schriftsatz vom 12.11.2020, beim Oberlandesgericht München eingegangen am 14.11.2020, Berufung ein (Bl. 214/215 d.A.), die er mit Schriftsatz vom 13.01.2021, beim Oberlandesgericht München eingegangen am 14.01.2021 (Bl. 220/229 d.A.) begründete.
5
Der Kläger argumentiert, der Sicherheitseinbehalt sei nicht mehr berechtigt, da die Gewährleistungsfrist abgelaufen sei. Die Beklagte habe ohnehin durch ihr Verhalten einen Betrag von 46.974,00 € anerkannt. Hinsichtlich der behaupteten Bürgenhaftung nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz bestehe die Gefahr nicht, da der Kläger ab August 2014 nur Subunternehmer eingesetzt habe. Auch habe das Erstgericht die Höhe der Haftungsgefahr falsch geschätzt und hätte Zug-um-Zug verurteilen müssen.
6
Der Kläger beantragt zuletzt,
das Urteil des Landgerichts München I vom 06.10.2020, Az.: 5 O 16204/15, aufzuheben,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 48.249,00 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.12.2014 zu zahlen. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
7
Der Senat hat unter dem 21.09.2021 zur Sache mündlich verhandelt. Hinsichtlich des Ergebnisses wird Bezug genommen auf das Protokoll der Sitzung des genannten Tages (Bl. 251/253 d.A.). Im übrigen wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze verwiesen.
8
Die zulässige Berufung des Klägers ist zum Teil begründet.
9
Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein restlicher Werklohnanspruch in Höhe von insgesamt 30.296,98 € zu, wobei die Beklagte gegen einen Betrag von 5.978,55 € ein Zurückbehaltungsrecht – auf § 14 AEntG – gestützt geltend kann.
10
Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Werklohnanspruch in Höhe von 30.296,98 € zu, § 631 BGB.
11
Die Beklagte hat mit Schreiben vom 09.04.2015 (Anlage K 9) einen Betrag in Höhe von 35.180,00 € aus den Rechnungen des Klägers vom 15.12.2014 über 33.404,00 €, über 8.610,00 € und über 6.225,00 € als fachlich und rechnerisch richtig anerkannt.
12
Der Kläger konnte den ihm obliegenden Beweis, dass die Beklagte weitere Zusatzaufträge in Auftrag gegeben hat, nicht führen. Das Erstgericht hat hierzu eine umfangreiche Beweisaufnahme durchgeführt und ist in nicht zu beanstandender Beweiswürdigung, die der Kläger in seiner Berufungsbegründung nicht mit Erfolg angreifen konnte (§ 529 ZPO), zu einem Betrag von 35.180,00 € gekommen. Hiervon ist lediglich die Miete in Höhe von 2.438,72 € netto (= 2.890,17 € brutto) abzuziehen, so dass ein Betrag von 32.289,83 € als berechtigt anzusehen ist. Von diesem Betrag kann der Sicherheitseinbehalt von 1.759,00 € nicht mehr abgezogen werden. Angesichts des Schreibens vom 09.04.2015 (Anlage K 9) ist von einer abnahmefähigen Leistung des Klägers mit Abschluss der Arbeiten Ende November 2014 auszugehen. Das Schreiben der Beklagten (Anlage K 9) vom 09.04.2015 ist auch als Abnahmeerklärung zu werten, da die Rechnungen geprüft wurde und keinerlei wesentliche Mängel geltend gemacht wurden. Somit ist die Gewährleistungsfrist abgelaufen.
13
Von dieser Forderung sind abzuziehen 797,14 € und 1.195,71 €. Das sind die Beträge, die die Beklagte im Rahmen ihrer Bürgenhaftung bereits an die S.-Bau entrichtet hat. Damit verbleibt ein Betrag von 30.296,98 €.
14
Die Beklagte kann gegen einen Betrag von 5.978,55 € die Einrede des nicht erfüllten Vertrages erheben, § 320 BGB.
15
Die Beibringung der nach Nr. 10.1 des Subunternehmervertrages (K 1) erforderlichen Unterlagen für das Arbeitnehmer-Entsendegesetz ist eine Nebenpflicht von wesentlicher Bedeutung für die beklagte Partei. Dies rührt daher, dass auch der Bauherr auskunftspflichtig ist, für welchen Zeitraum wie viele Auftragnehmer er auf dem Bauvorhaben beschäftigt hat (vgl. Anlage B 9, Schreiben der S.-Bau vom 27.10.2016). Dahinstehen kann, ob aufgrund der Verpflichtung in § 14 S.-Bau nur die Zahl der Arbeiter und der Zeitraum der Tätigkeit anzugeben ist, denn die Parteien haben in Ziffer 10 des Subunternehmervertrages weitergehende Verpflichtungen vereinbart. Soweit sich der Kläger darauf beruft, ab August bis November 2014 Subunternehmer beschäftigt zu haben, verkennt er, dass Ziffer 11 des Vertrages hinsichtlich der Subunternehmer auf Ziffer 10 verweist und er deshalb zur Nennung der Namen verpflichtet ist.
16
Die Auskunftspflicht ist auch nicht entfallen, da die Haftung der Beklagten weiter besteht. Daran ändert sich zum einen nichts durch die Bescheinigung der S.-Bau vom 21.10.2020. Ihr ist nur zu entnehmen, dass der S.-Bau für August bis November 2014 keine weitere Entsendung bekannt ist. Das heißt aber nicht, dass keine Entsendung erfolgt ist. Insbesondere könnte die S.Bau nur bei Nennung der Arbeitnehmer sowie Vorlage von deren A 1-Bescheinigungen bzw. Subunternehmerverträgen prüfen, ob eine Verpflichtung nach dem Urlaubskassengesetz besteht.
17
Richtig ist auch, dass der Haftungsanspruch nach § 14 AEntG der dreijährigen Verjährungsfrist unterliegt, § 21 VTV. Allerdings beginnt die dreijährige Verjährungsfrist erst ab Kenntniserlangung von der Beschäftigung zu laufen. Bislang hat die S.-Bau nur Kenntnis von den fünf gemeldeten Arbeitnehmern für den Zeitraum Juni bis Juli 2014, nicht aber für den Zeitraum August 2014 bis November 2014. Damit gilt die zehnjährige Verjährungsfrist des § 199 BGB mit Abschluss der Baustelle. Diese war unstreitig Ende November 2014 beendet, so dass die Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres 2014 beginnt und mit dem 31.12.2024 endet.
18
Sofern der Kläger nicht eine Enthaftungsbescheinigung der S.-Bau für den genannten Zeitraum vorlegt, endet die Einrede des nichterfüllten Vertrages mit Eintritt der absoluten Verjährung, das heißt am 01.01.2025.
19
Die Einrede war nach § 320 Abs. 2 BGB auf die Höhe der Haftungsgefahr zu begrenzen. Wie sich aus den vorgelegten Haftungsbescheinigungen der S.-Bau ergibt, sind, da nach dem Tarifvertrag für das Jahr 2014 15,3% des Bruttolohns als Urlaubsgeld anzusetzen sind, pro Mitarbeiter und Woche 79,71 € anzusetzen. Bei weiteren geschätzten fünf Mitarbeitern (dies ergibt sich aus der Belegung der Wohnung) ist ein Betrag von 398,57 € pro Woche und für 15 Wochen von insgesamt 5.978,55 € anzusetzen.
20
Da keinerlei Anhaltspunkte für eine Unterschreitung des Mindestlohns gegeben sind, kann die Beklagte mangels Haftungsgefahr hieraus keine Gegenrechte herleiten.
21
Hinsichtlich der übrigen 24.318,43 € ergeht die Verurteilung unbedingt.
22
Der Zinsanspruch folgt aus § 288 BGB.
23
Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in § 92 ZPO.
24
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit gründet in § 708 Nr. 10, 711 ZPO.
25
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung in Übereinstimmung mit der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung.