Inhalt

LG München I, Endurteil v. 30.09.2021 – 12 O 24279/15
Titel:

Isolierte Drittwiderklage gegen den Zedenten der Klageforderung - Sittenwidrigkeit einer Forderungsabtretung zum Zweck der Minimierung des Kostenrisikos

Normenketten:
BGB § 138 Abs. 1, § 177 Abs. 1, § 181, § 249 Abs. 1, § 421, § 826
ZPO § 89, § 256 Abs. 1, § 263
GmbHG § 35 Abs. 1, Abs. 3 S. 2, § 37 Abs. 1, § 43
Leitsätze:
1. Wird ein Beklagter aus abgetretenem Recht wegen Erschleichens eines Titels auf Schadensersatz in Anspruch genommen, ist seine isolierte Drittwiderklage gegen den Zedenten auf Schadensersatz wegen der erfolglosen Beitreibung der Kosten des Vorprozesses gegen die Zessionarin ausnahmsweise zulässig. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Klage auf Feststellung eines Schadensersatzanspruchs ist mangels Feststellungsinteresses unzulässig, wenn nicht dargetan wird, warum die Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen sein soll. Eine mögliche spätere Kompensation eines einmal eingetretenen Schadens steht einer solchen Fortentwicklung des Schadens Sinne nicht gleich. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
3. In der ausdrücklichen Genehmigung einer Prozessvollmacht liegt ohne weitere Erklärungen nicht zugleich die Genehmigung eines anderen schwebend unwirksamen Geschäfts (hier Abtretung als Insichgeschäft). (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)
4. Eine Forderungsabtretung, die zu dem Zweck erfolgt, das Kostenrisiko des Zedenten zu Lasten des Beklagten zu verringern, ist sittenwidrig. (Rn. 50) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
isolierte Drittwiderklage, Zedent, Abtretung, Feststellungsklage, Schadensersatz, Feststellungsinteresse, Schadensentwicklung, Sittenwidrigkeit, schwebende Unwirksamkeit, Genehmigung, Prozessvollmacht, Kostenrisiko, Existenzvernichtungshaftung, Geschäftsführer
Vorinstanz:
LG München I, Teilversäumnis- und Teilendurteil vom 21.09.2021 – 5 O 1860/19
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Beschluss vom 31.01.2022 – 28 U 7859/21 Bau
OLG München, Berichtigungsbeschluss vom 08.02.2022 – 28 U 7859/21 Bau
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 23.01.2024 – VI ZB 16/22
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 08.10.2024 – VI ZB 16/22
Fundstelle:
BeckRS 2021, 66075

Tenor

1. Die Klagepartei ist des eingelegten Rechtsmittels des Einspruchs gegen das Versäumnisurteil des Landgerichts München I vom 24.01.2017 verlustig.
2. Der Drittwiderbeklagte zu 2) wird als Gesamtschuldner neben der Klägerin verurteilt an den Beklagten 37.741,93 € zuzüglich Tageszinsen von 4,04 € ab 27.06.2018 aus den Kostenfestsetzungsbeschlüssen des Landgerichts München I vom 12.07.2017, vom 11.10.2017 und vom 14.05.2018 zu bezahlen.
3. Es wird festgestellt, dass der Drittwiderbeklagte zu 2) dem Beklagten gesamtschuldnerisch haftend neben der Klägerin auch die über Ziffer 2 hinausgehenden in diesem Verfahren von der Klägerin an den Beklagten zu erstattenden Kosten des Rechtsstreits zu ersetzen hat.
4. Im Übrigen wird die Drittwiderklage abgewiesen.
5. Die Kostenentscheidung in dem Versäumnisurteil des Landgerichts München I vom 24.01.2017 wird aufgehoben.
Die Klägerin hat die Gerichtskosten zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten trägt die Klägerin gesamtschuldnerisch neben dem Drittwiderbeklagten zu 2). Ihre außergerichtlichen Kosten trägt die Klägerin selbst. Die außergerichtlichen Kosten des Drittwiderbeklagten zu 1) trägt der Beklagte. Die außergerichtlichen Kosten des Drittwiderbeklagten zu 2) trägt der Drittwiderbeklagte zu 2) selbst.
6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, gegen den Beklagten und den Drittwiderbeklagten zu 2) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
7. Der Streitwert wird bis zum 28.08.2018 auf 9.333.333,33 € festgesetzt und danach auf 9.411.736,70 €.   

Tatbestand

1
Mit Klage vom 31.12.2015, zugestellt am 30.03.2016, erhob die Rechtsvorgängerin der Klägerin, die L1. V1. GmbH, Klage gegen den Beklagten wegen Schadensersatz und Feststellung aus abgetretenem Recht.
2
Geltend gemacht werden Ansprüche des Rechtsanwalts Dr. W. (zugleich Drittwiderbeklagter zu 2)) und seiner Ehefrau Dr. A. W. (im folgenden Zedenten genannt) aufgrund eines Grundstückgeschäfts in Österreich.
3
Die Zedenten beabsichtigten, in Österreich eine Hotelanlage (Alpengasthof M4. in Voralberg) zu kaufen und diese anschließend zu vergrößern. Die Verkäufer, die Eheleute ..., unterzeichneten am 29.04.2004 ein unwiderrufliches Verkaufsangebot, das aus steuerlichen Gründen erst im Januar 2005 angenommen werden konnte (Anlage K1). Die Annahme dieses Angebots verzögerte sich wegen Differenzen über die Trinkwasserversorgung und die Annahmefrist wurde wegen der laufenden Verhandlungen verlängert. Am 16.10.2006 erklärte der anwaltliche Vertreter der Verkäufer die Vergleichsgespräche für gescheitert. Daraufhin erhoben die Zedenten am 06.12.2006 Klage auf Übereignung des Anwesens Zug um Zug gegen Bezahlung des Kaufpreises von 1,2 Millionen Euro. Am 29.01.2007 veräußerten die Verkäufer das Anwesen zu einem Preis von 1,5 Millionen Euro an den Beklagten unter der auflösenden Bedingung, dass die Zedenten vor Gericht scheiterten (Anlage K15). In diesem Kaufvertrag war geregelt, dass der Beklagte die Verkäufer von den Kosten des Prozesses freistellt. Die Zedenten unterlagen im Prozess gegen den Verkäufer in allen Instanzen, ebenso wie in einem nachfolgenden Prozess auf Schadensersatz wegen vorsätzlich falscher Angaben. Der Beklagte hatte den Verkäufer während dieser Prozesse unter anderem durch Beauftragung eines Rechtsanwalts für den Prozess unterstützt (Anlage K20).
4
Am 30.12.2015 unterzeichneten der Drittwiderbeklagte zu 2) und seine Ehefrau eine Abtretungsvereinbarung (Anlage K0) über „sämtliche Ansprüche, insbesondere Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit der Verleitung zum Vertragsbruch […] und der Erschleichung der Urteile […]“ gegen den Beklagten an die L1. V1. GmbH. Für letztere unterzeichnete „i.V.“ Frau V2. S2., die Sekretärin des Drittwiderbeklagten zu 2) (Blatt 243).
5
Die L1. V1. GmbH wurde während des laufenden Prozesses in zwei Schritten in die jetzige Klägerin, die E. überführt (Anlagen K 40, K 41, K 42, K 43). Am 25.02.2020 verstarb der einzige Geschäftsführer und bekannte Gesellschafter der E., G1. W.. Alleinerbin des Geschäftsführers und Gesellschafters ist Frau M2. L2. L3. W. (Anlage B 32). Ein neuer Geschäftsführer wurde bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht bestellt.
6
Die Klagepartei behauptete, der von dem Beklagten finanzierte Rechtsanwalt habe vorsätzlich falsch vorgetragen, dass die Verkäufer für die rechtzeitige Überweisung des Kaufpreises für das Grundstück eine Frist mit Ablehnungsandrohung gesetzt hätten und anschließend wirksam zurückgetreten seien. Die Klagepartei war der Ansicht, dass der Beklagte durch die Erhöhung des Kaufpreises und Beauftragen eines Anwalts, der vorsätzlich falsche Angaben gemacht habe, in sittenwidriger Weise dazu beigetragen habe, dass ein falsches Urteil ergangen sei. Daher stehe den Zedenten ein Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 826 BGB gegen den Beklagten zu. Ihre Ansprüche hätten die Zedenten wirksam an die L1. V1. GmbH abgetreten.
7
Nachdem am 24.01.2017 gegen die Klagepartei ein Versäumnisurteil erging, das am 02.02.2017 zugestellt wurde, legte die Klagepartei am 14.02.2017 Einspruch hiergegen ein.
8
Das Verfahren wurde mit Beschluss vom 27.09.2018 (Blatt 263 der Akte) auf Antrag des Klägervertreters ausgesetzt, nachdem die ursprüngliche Klägerin, die L1. V1. GmbH, in die jetzige Klägerin umgewandelt wurde. Ein weiteres Mal wurde das Verfahren mit Beschluss vom 21.04.2020 (Blatt 461/463 der Akte) ausgesetzt, nachdem der letzte Geschäftsführer der jetzigen Klägerin am 25.02.2020 verstorben war. Mit Beschluss vom 02.03.2021 (Blatt 683/696 der Akte) wurde der Klägerin ein Prozesspfleger bestellt, nachdem seit dem Tod des letzten Geschäftsführers noch immer kein neuer Geschäftsführer ernannt worden war. Auf die Beschlüsse wird jeweils Bezug genommen.
9
Mit Schriftsatz vom 29.09.2021 nahm die Klägerin den Einspruch gegen das Versäumnisurteil zurück.
10
Der Beklagte beantragt,
der Klagepartei gemäß § 269 ZPO die Kosten aufzuerlegen.
11
Nachdem Zwangsvollstreckungsversuche des Beklagten im Hinblick auf die nach dem Versäumnisurteil gegen die Rechtsvorgängerin der Klägerin erlassenen Kostenfestsetzungsbeschlüsse keinen Erfolg hatten, erhob der Beklagte zudem Drittwiderklage gegen den Drittwiderbeklagten zu 1) L., als Geschäftsführer der L1. V1. GmbH und den Drittwiderbeklagten zu 2) Dr. W..
12
Drittwiderklagend beantragt der Beklagte (Blatt 379 der Akte):
I. Die Drittwiderbeklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner neben der Klägerin an den Beklagten 37.741,93 € zuzüglich Tageszinsen von 4,04 € ab dem 27.06.2018 zu bezahlen.
II. Es wird festgestellt, dass die Drittwiderbeklagten verpflichtet sind, dem Beklagten als Gesamtschuldner untereinander und als Gesamtschuldner neben der Klägerin auch die weiteren von der Klägerin an den Beklagten zu erstattenden Kosten des Rechtsstreits LG München I 12 O 24279/15 zu ersetzen.
III. Die Klägerin und die Drittwiderbeklagten tragen samtverbindlich die Kosten des Rechtsstreits
13
Der Drittwiderbeklagte zu 1) beantragt (Blatt 240):
die Drittwiderbeklagen gegen den Drittwiderbeklagen zu 1) kostenpflichtig abzuweisen.
14
Der Drittwiderbeklagte zu 2) beantragt (Blatt 267):
die kostenpflichtige Abweisung der Drittwiderklage gegen den Drittwiderbeklagten zu 2).
15
Der Beklagte ist der Ansicht, die Klage sei schon nicht zulässig erhoben worden. Sie sei im Namen der L1. V1. GmbH von Dr. W., dem Drittwiderbeklagten zu 2) erhoben worden, für den trotz Vollmachtsrüge nach § 88 ZPO keine wirksame Prozessvollmacht vorgelegt worden sei. Die Klage sei unzulässig gewesen, unter anderem fehle das Feststellungsinteresse. Nachdem die Verträge endgültig gescheitert seien, könne sich der Schaden nicht mehr fortentwickeln (Blatt 103).
16
Die Klage sei auch nicht begründet gewesen. Zum einen sei schon die Abtretungserklärung nicht durch eine für die L1. V1. GmbH berechtigt handelnde Person unterschrieben worden. Der Nachweis der Vollmacht sei nicht geführt, § 410 BGB (Blatt 209 der Akte). Die dem Beklagten vorgeworfene Tathandlung, nämlich das Verleiten zum Vertragsbruch dadurch, dass der Kaufpreis um 100.000 € erhöht und die Verkäufer von jeglichen Schadensersatzansprüchen der Zedenten freigestellt worden seien, sei im Nachtrag zum Kaufvertrag vom 28.07.2007 bzw. im Hauptvertrag vom 31.08.2009 erfolgt. Damit seien etwaige Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen den Beklagten spätestens am 08.10.2014 verjährt (Schriftsatz vom 05.04.2016, Blatt 35 der Akte). Im Übrigen sei auch nach dem Vortrag der Klagepartei nicht erkennbar, welche Handlungen des Beklagten zum Rücktritt der Verkäufer am 17.07.2006 geführt haben sollen. Die Klage sei mithin unschlüssig gewesen.
Zur Begründung der Drittwiderklage führt der Beklagte aus:
17
Die Gesamtforderungen des Beklagten aus den Kostenfestsetzungsbeschlüssen vom 12.07.2017, 11.10.2017 und 14.05.2018 über insgesamt 35.794,02 € in diesem Verfahren (Blatt 215 f. der Akte) seien nicht bezahlt worden. Zwangsvollstreckungsversuche seien erfolglos geblieben (Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 17.11.2017 mit Zustellurkunden, Anlage B13, Forderungskonto vom 27.06.2018, Anlage B16). Auch daraus, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin nach 2011 keine Jahresabschlüsse mehr beim Bundesanzeiger eingereicht habe (letzter Jahresabschluss 2011, Anlage B18) folge, dass die Klägerin nach 2011 überhaupt keine operative Tätigkeit mehr ausgeübt und insbesondere keinen Gewinn erzielt habe. Es handele sich um eine wirtschaftliche „Leiche“ (Schriftsatz vom 15.10.2018, S. 5, Blatt 275 der Akte). Die Erhebung der vorliegenden Klage unter Übernahme des Kostenrisikos von mehreren 10.000 € ohne entsprechende Gegenleistung an die Gesellschaft und ohne werthaltige Absicherung des Kostenrisikos löse eine Haftung des Geschäftsführers nach § 43 GmbHG in Verbindung mit der Rechtsprechung des BGH zur Existenzvernichtungshaftung aus (Blatt 213 der Akte). Der Geschäftsführer könne sich daher nicht auf das Haftungsprivileg aus § 13 GmbHG berufen. Als alleiniger Geschäftsführer und Inhaber der L1. V1. GmbH zum Zeitpunkt der Klageerhebung hafte daher der Drittwiderbeklagte zu 1) persönlich (Handelsregister Auszug vom 28.06.2018, Anlage B17). Zwar ergebe sich aus dem Treuhandvertrag des Drittwiderbeklagten zu 1) mit den Drittwiderbeklagten zu 2) vom 03.08.2004 (Anlage B15), dass der Drittwiderbeklagte zu 1) alle Rechte aus seiner Stellung als Alleingesellschafter der L1. V1. GmbH an den Drittwiderbeklagten zu 2) übertragen habe. Damit sei der Drittwiderbeklagte zu 1) jedoch nicht aus seiner Stellung als im Handelsregister eingetragener Geschäftsführer entlassen worden. Er habe bei der „Strohmannkonstruktion“ mitgewirkt (Blatt 273 der Akte).
18
Der Drittwiderbeklagte zu 2) hafte wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB, weil er die nicht genügend vermögende GmbH als „prozessuale Kampfdrohne“ für eigene Forderungsdurchsetzungsversuche eingesetzt habe, in der Absicht, sie im Falle einer Prozessniederlage zu „opfern“, um die Kostengläubiger bei einer Insolvenz der GmbH ins Leere laufen zu lassen (Schriftsatz vom 28.06.2018, S. 11, Blatt 217 der Akte). Der Drittwiderbeklagte zu 2) hafte der L1. V1. GmbH auch aus Anwaltsverschulden. Er hätte in Kenntnis der Vermögenssituation der GmbH und der Erfolgsaussichten der Klage von dieser abraten müssen. Entsprechende Schadensersatzansprüche der Klägerin hat sich der Beklagte gemäß Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 11.12.2017 überweisen lassen (Anlage B24).
19
Der Drittwiderbeklagte zu 1) behauptet, er habe nicht an der Abtretung (Anlage K 0) mitgewirkt und auch niemanden bevollmächtigt. Er hätte die Klage niemals erhoben, nachdem die Klage von vornherein bereits teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet sei (Blatt 271). Er habe keine Kenntnis von der Klageerhebung gehabt und sei damit auch nicht einverstanden gewesen. Der Beklagte könne seine Ansprüche gegen den Drittwiderbeklagten zu 2) durchsetzen, weil dieser nach Berufsrecht eine Haftpflichtversicherung unterhalten müsse (Blatt 293 der Akte).
20
Der Drittwiderbeklagte zu 2) behauptet, die Klageerhebung sei durch einen Gesellschafterbeschluss des Drittwiderbeklagten zu 2) gedeckt gewesen, ebenso wie die Erteilung der Prozessvollmacht, die höchst vorsorglich nachgenehmigt werde (Schriftsatz vom 28.09.2018, Blatt 269 der Akte). Die Klägerin sei seit ihrer Gründung als Grundstückshändlerin tätig gewesen und habe zuletzt ein Anwesen an eine bayerische Staatsministerin mit einem Gewinn von über 300.000,00 € verkauft (Anlage K49, Anlage zu Blatt 781 der Akte). Zum Zeitpunkt der Klageerhebung sei von einem Streitwert von 1.420.000,00 € ausgegangen worden. Die erst am 17.09.2017 eingegangene Kostenrechnung mit Gebühren von 20.868 € hätte die Klägerin jederzeit bezahlen können, schon um die rechtzeitige Zustellung der Klage zu gewährleisten. Der vorläufig mit Beschluss vom 21.02.2018 (Blatt 191 der Akte) auf 9.333.333,33 € festgesetzte Streitwert sei völlig überzogen.
21
Auf die Protokolle der beiden mündlichen Verhandlungen vom 24.01.2017 und 30.09.2021, sowie die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen und den übrigen Akteninhalt wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

22
Nachdem der Einspruch gegen das Versäumnisurteil wirksam zurückgenommen wurde, war in der Sache nur noch über die Drittwiderklage zu entscheiden. Die Drittwiderklage ist zulässig und gegen den Drittwiderbeklagten zu 2) begründet, im Übrigen ist sie unbegründet.
A.
23
Die Klage wurde ursprünglich zulässig erhoben und ist inzwischen durch wirksame Rücknahme des Einspruchs gegen das Versäumnisurteil vom 24.01.2017 rechtskräftig abgewiesen worden.
24
1. Das Landgericht München I war für die Klage sachlich (§§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG) sowie örtlich und international zuständig (§§ 12 ff. ZPO). Geltend gemacht wurden Schadensersatzansprüche aus Deliktsrecht gegen einen in München wohnenden Beklagten, Art. 5 Abs. 1 EuGVVO.
25
2. Die Zulässigkeit der Klage scheiterte auch nicht an dem fehlenden Nachweis der Prozessvollmacht des Dr. W., der im Namen der L1. V1. GmbH die Klage erhob. Denn die bis dahin erfolgte Prozessführung wurde spätestens durch Herrn G1. W., welcher seit dem Gesellschafterbeschluss vom 26.07.2016 (Blatt 414 ff. der Akte) Geschäftsführer der L1. V1. GmbH war, mit Unterzeichnung der Prozessvollmacht vom 19.09.2016 (Anlage zu Blatt 358 der Akte) für die Kanzlei ... nachträglich mit Wirkung ex tunc genehmigt, § 89 Abs. 2 ZPO (vgl. Althammer, in: Zöller, 33. Aufl. 2020, § 89 Rn. 12 m.w.N.). Die im Namen der jetzigen Klägerin erteilte Vollmacht vom 24.09.2019 (nach Blatt 381 der Akte), ebenfalls durch den verstorbenen Geschäftsführer Herrn G1. W., ist inhaltlich auch bestimmt genug. Die Vollmacht enthält das Aktenzeichen des Verfahrens beim Landgericht München I und die Bezeichnung der Parteien. Die Klage wurde damit wirksam erhoben. Die Prozessführung ist aufgrund der zumindest nachträglich erteilten Prozessvollmacht von Anfang an zulässig.
26
3. Die Klägerin war mit Bestellung des Prozesspflegers vom 02.03.2021 auch wieder prozessfähig. Das Verfahren war zunächst gemäß § 241 Abs. 1 ZPO auf Antrag des Prozessbevollmächtigten der Klägerin gemäß § 246 ZPO mit Beschluss vom 02.03.2021 (Blatt 683/696 der Akte) ausgesetzt worden. Nachdem die alleinige Erbin des Gesellschafters und Geschäftsführers der Klägerin (Mitteilung des Nachlassgerichts vom 05.08.2020 (Anlage B32)) jedoch bis einschließlich 02.03.2021 keinen neuen Geschäftsführer bestellt hatte, hat das Gericht der Klägerin in analoger Anwendung des § 57 ZPO zur Fortsetzung des Rechtsstreits einen Prozesspfleger bestellt. Denn der Beklagte hat nicht nur wegen seiner Kostenerstattungsansprüche in diesem Verfahren gegen die Klägerin, sondern auch im Hinblick darauf, dass über die erhobenen Drittwiderklagen wegen § 145 Abs. 2 ZPO nicht getrennt von der Klage verhandelt werden konnte, einen verfassungsrechtlich garantierten Anspruch darauf, dass das Verfahren in angemessener Zeit betrieben wird. Wegen der Begründung im Detail wird auf den Beschluss des Gerichts vom 02.03.2021 Bezug genommen. Das Verfahren war mit der Anzeige des Prozesspflegers vom 05.03.2021 (Blatt 697/698 der Akte) fortzusetzen.
27
4. Mit seiner Bestellung hat der Prozesspfleger die Stellung des gesetzlichen Vertreters der Klägerin übernommen. Er hat der Kanzlei ... ebenfalls Prozessvollmacht erteilt, welche in der mündlichen Verhandlung vom 30.09.2021 in Augenschein genommen wurde. Der Klägervertreter war daher berechtigt, den Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 24.01.2017 mit Schriftsatz vom 29.09.2021 (Blatt 780 der Akte) zurückzunehmen. Der Prozesspfleger hat in der Verhandlung vom 30.09.2021 bestätigt, dass dies mit seinem ausdrücklichen Einverständnis erfolgt ist.
28
Demnach war nur noch über die Drittwiderklage zu entscheiden.
B.
29
Die Drittwiderklage ist zulässig und bezüglich des Drittwiderbeklagten zu 2) begründet.
30
I. 1. Eine isolierte Drittwiderklage ist nur ausnahmsweise zulässig, wenn die geltend gemachten Ansprüche tatsächlich und rechtlich eng miteinander verknüpft sind, kein schutzwürdiges Interesse des Drittwiderbeklagten verletzt wird und die Voraussetzungen des § 263 ZPO vorliegen (vgl. BGH, NJW 07, 1753; BGH, NJW 2014, 1670).
31
Da sich die Begründung der Drittwiderklage auf den gleichen Lebenssachverhalt stützt und auch die rechtliche Beurteilung eng mit der Klage verknüpft ist, ist eine gemeinsame Entscheidung prozessökonomisch und das Erfordernis einer engen Verzahnung der geltend gemachten Ansprüche zu bejahen. Die Drittwiderklage trägt dem Bedürfnis Rechnung, eine Vervielfältigung und Zersplitterung von Prozessen zu vermeiden. Ein schutzwürdiges Interesse der Klägerin, des Drittwiderbeklagten zu 1) oder des Drittwiderbeklagten zu 2), den Rechtsstreit nicht mit der Klärung von Fragen zu belasten, die für die Prüfung der Klage nicht von Belang sind, ist nicht erkennbar.
32
2. Hinsichtlich des Feststellungsantrags ist das Feststellungsinteresse des Beklagten aufgrund etwaiger künftiger Folgekosten des Rechtsstreits gegeben. Ein Feststellungsinteresse besteht, wenn dem Recht oder der Rechtslage des Klägers eine gegenwärtige Gefahr oder Unsicherheit droht und das Feststellungsurteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (BGH, NJW 1986, 2507, beck-online). Eine solche Gefahr liegt hier vor. Der Prozess wurde über fast sechs Jahren geführt. Die Forderungen aus den Kostenfestsetzungsbeschlüssen aus den Jahren 2017 wären ohne die Erhebung der Drittwiderklage bereits verjährt. Nachdem die Vollstreckung aus diesen Kostenfestsetzungsbeschlüssen gegen die Klägerin in der Vergangenheit gescheitert war, besteht die Gefahr eines weiteren Schadenseintritts (vgl. BGH, NJW 06, 830). Der Beklagte konnte seinen Schaden wegen des noch laufenden Prozesses auch nicht abschließend beziffern, weshalb nicht vorrangig Leistungsklage zu erheben war.
33
II. Gegenüber dem Drittwiderbeklagten zu 2) ist die Drittwiderklage auch begründet. Es liegt ein Fall der vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung nach § 826 BGB vor. Obwohl die Klage von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte, wurde sie durch den Drittwiderbeklagten zu 2), der auch als Prozessbevollmächtigter der Klägerin auftrat, initiiert. Dadurch wurde dem Beklagten in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich ein Schaden zugefügt.
34
1. Die Klage war wegen Fehlens des Feststellungsinteresses bereits unzulässig und darüber hinaus unbegründet.
35
a) Einer Feststellungsklage fehlt das Feststellungsinteresse, wenn der Kläger dasselbe Ziel mit einer Klage auf Leistung erreichen kann (BGH, NJW 1984, 1118 (1119)). Ein Feststellungsinteresse kann bejaht werden, wenn sich ein geltend gemachter Schaden noch in der Fortentwicklung befindet (vgl. BGH, Urteil vom 19.04.2016, Az.: VI ZR 506/14). Ist eine Feststellungsklage nach diesen Grundsätzen zulässig erhoben worden, braucht der Kläger auch dann nicht zur Leistungsklage überzugehen, wenn im Laufe des Rechtsstreits der gesamte Schaden bezifferbar wird (BGH, NJW 2006, 439 (440); 2011, 3361 Rn. 16).
36
Diese Voraussetzungen lagen aber nicht vor. Die Entwicklung des geltend gemachten Schadens war vorliegend bereits bei Klageerhebung abgeschlossen.
37
Bereits mit anwaltlichen Schreiben vom 29.12.2010 und 12.01.2011 (Anlage B6 und B7) waren die Zedenten in der Lage, ihre behaupteten Aufwendungen auf 2,45 Mio. € sowie ihren entstandenen Schaden auf insgesamt 14 Mio. € zu beziffern. Inwieweit sich der Schaden bei Klageerhebung noch in der Fortentwicklung befunden habe bzw. ein solch zukünftiger weiterer Schadenseintritt wahrscheinlich gewesen sein soll, wurde nicht dargelegt. Soweit ausgeführt wird, dass eine Bezifferung erst möglich wäre, wenn sich der Vorwurf des Prozessbetruges gegen den Rechtsanwalt Dr. S3. als unbegründet erweisen sollte, steht dies der – in den Schreiben vom 29.12.2010 und 12.01.2011 auch tatsächlich vorgenommenen – Bezifferung eines Schadens nicht entgegen. Eine mögliche spätere Kompensation eines einmal eingetretenen Schadens steht einer Fortentwicklung des Schadens im obigen Sinne nicht gleich.
38
b) Die Klage war darüber hinaus von Anfang an nicht unbegründet.
39
aa) Der Klägerin fehlte bereits die erforderliche Aktivlegitimation, da etwaige Forderungen nicht wirksam auf die L1. V1. GmbH übertragen wurden.
40
Die Klägerin stützte ihre Ansprüche auf die Abtretungsurkunde vom 30.12.2015 (Anlage K0). Diese Urkunde trägt zwar die Unterschriften der Zedenten als vermeintliche Forderungsinhaber, für die L1. V1. GmbH ist die Urkunde jedoch nur „i. V“ durch Frau S2., bei der es sich unbestritten um die ehemalige Sekretärin des Drittwiderbeklagten zu 2) handelt, unterschrieben worden. Der Beklagte hat eine ordnungsgemäße Bevollmächtigung von Frau S2. bestritten. Ein entsprechender Nachweis, dass eine solche vorlag, wurde nicht erbracht.
41
Die von der Klagepartei mit Schriftsatz vom 09.08.2017 (Blatt 135 der Akte) angekündigte Bestätigung der Geschäftsführer zum Beweis der Vollmacht für die Abtretung (Anlage K 37) wurde im Verfahren nicht vorgelegt. Der ebenfalls zum Beweis angebotene damalige Geschäftsführer der L1. V1. GmbH, der Drittwiderbeklagte zu 1), hat die Bevollmächtigung sogar bestritten. Dem Beweisangebot des Drittwiderbeklagten zu 2), ihn dazu zu vernehmen, dass er selbst die Vollmacht erteilt habe, war mangels substantiiertem Vortrag hierzu, wann und wie dies geschehen ist, nicht nachzugehen. Es fehlt zudem an der Voraussetzung der ordnungsgemäßen Dokumentation der
42
Bevollmächtigung. Sowohl an der Abtretung, als auch an der Erteilung der ursprünglichen Prozessvollmacht, hier als erster Prozessbevollmächtigter der damaligen Klägerin, war der Drittwiderbeklagte zu 2) auf beiden Seiten beteiligt. Aus §§ 181 BGB, 35 Abs. 3 Satz 2 GmbHG folgt, dass der Drittwiderbeklagte zu 2) eine etwa erfolgte Bevollmächtigung der Sekretärin hätte dokumentieren müssen, damit nachweisbar ist, ob und wann dies tatsächlich erfolgt ist (ständige Rechtsprechung, Palandt, 80. Aufl., 2021, § 181 BGB, Rn. 23; BGH, Urteil vom 19.11.1979, AZ: II ZR 197/78, Quelle: juris, Rn. 1; OLG Koblenz, Urteil vom 13.07.2004, AZ: 3 U 1213/03, Quelle: juris, Rn. 19 f.; BGH, Urteil vom 28.01.2014, AZ: II ZR 371/12, Quelle: juris).
43
Auf diesen Aspekt wurden die Parteien im Zusammenhang mit den Erörterungen der Vollmachten in der mündlichen Verhandlung vom 30.09.2021 hingewiesen.
44
Der Abtretungsvertrag war daher schwebend unwirksam (§ 177 Abs. 1 BGB). Eine Genehmigung durch ein vertretungsberechtigtes Organ der Klägerin liegt nicht vor. Der Abtretungsvertrag konnte auch nicht nachträglich durch Erklärung des Drittwiderbeklagten zu 2) im Schriftsatz vom 28.09.2018 (Blatt 269 der Akte) genehmigt werden. Zu diesem Zeitpunkt war der Drittwiderbeklagte zu 2) nämlich nicht mehr berechtigt, für die L1. V1. GmbH Erklärungen abzugeben. Nach dem Inhalt war der Treuhandvertrag nur zwischen dem Drittwiderbeklagten zu 1) und dem Drittwiderbeklagten zu 2) abgeschlossen worden und hatte mithin keine Rechtswirkung gegenüber späteren Geschäftsführern. Bereits mit Wirkung zum 26.07.2016 war Herr G1. W. zum Geschäftsführer der L1. V1. GmbH ernannt worden.
45
Es ist auch nicht ersichtlich, dass Herr G1. W. den Abtretungsvertrag nachträglich genehmigt hätte. Eine solche Genehmigung ist insbesondere auch nicht in der Unterzeichnung der beiden Prozessvollmachten vom 19.09.2016 (Anlage zu Blatt 358a der Akte) und 24.09.2019 (nach Blatt 381 der Akte) zu sehen. Denn hiermit genehmigte Herr G1. W. aufgrund des eindeutigen Bezugs auf § 78 Abs. 1 ZPO nur die Prozessführung. Andere Erklärungen sind den beiden Dokumenten nicht zu entnehmen.
46
bb) Ohnehin waren die mit der Klage verfolgten Ansprüche auch zu keinem Zeitpunkt begründet. Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten nach §§ 826 bzw. 823 Abs. 2 BGB i.V.m. 263 StGB oder § 823 Abs. 1 BGB bestanden nicht, da der Beklagte die Zedenten nicht vorsätzlich sittenwidrig geschädigt hat.
47
Sämtliche von der Klage vorgetragenen Sachverhalte – unabhängig davon, ob sie für sich genommen überhaupt als sittenwidrig zu qualifizieren wären, mithin die Beauftragung des Rechtsanwalts Dr. S3. am 23.07.2007, die Kaufpreiserhöhung vom 28.07.2007 (Anlage K 19) und der Abschluss des Kaufvertrages am 31.08.2009 samt Freistellung der Verkäufer, erfolgten zeitlich ca. neun Monate nach dem bereits am 16.10.2006 erklärten Scheitern der Vertragsverhandlungen. Die Klägerin konnte ein „Verleiten zum Vertragsbruch“ bei diesem zeitlichen Ablauf nicht nachweisen.
48
Zudem fehlte der Klage jeglicher substantiierte Vortrag zum Schädigungsvorsatz des Beklagten, was im Verfahren von letzterem auch gerügt wurde und worauf das Gericht in der mündlichen Verhandlung vom 04.07.2017 (Blatt 112 der Akte) hingewiesen hatte. Dies gilt auch für einen behaupteten Anspruch infolge des „Erschleichens“ des Urteils des Landgerichts Innsbruck vom 29.05.2012 (Anlage K 34). Das rechtskräftige Urteil stellt die Wirksamkeit des Rücktritts der Verkäufer vom 17.07.2006 fest und bezieht sich dabei auf den Zahlungsverzug der Käufer. Insoweit wurde durch die Klage lediglich vorgetragen, dass Rechtsanwalt Dr. S3. in jenem Prozess wahrheitswidrig ausgeführt habe, dass die Verkäufer den Rücktritt nicht wegen des Zahlungsverzugs erklärt hätten (Blatt 87 der Akte). Der Vortrag zu dem Verhalten des Rechtsanwalts Dr. S3. vermag aber keinen Täuschungsvorsatz des Beklagten zu begründen.
49
Soweit die Klage Ansprüche zusätzlich auf § 823 Abs. 1 BGB und ein Anwartschaftsrecht stützte (Blatt 84 der Akte), fehlte es an substantiiertem Klagevortrag. Der Beklagte hat das Bestehen eines Anwartschaftsrechts bestritten (Bl. 105 der Akte). Weitergehender Vortrag zum haftungsbegründenden Tatbestand erfolgte durch die Klagepartei nicht. Hinsichtlich der Haftungsausfüllung kann im Übrigen auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.
50
2. Die Abtretungsvereinbarung sowie die Klageerhebung waren sittenwidrig gemäß § 138 Abs. 1 BGB. Die Klägerin wurde von dem Drittwiderbeklagten zu 2) zur gerichtlichen Durchsetzung von Ansprüchen, welche in seinem Interesse liegen, vorgeschoben, um sein eigenes Kostenrisiko zu Lasten der beklagten Partei zu vermindern.
51
a) Ein Rechtsgeschäft ist nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig und damit nichtig, wenn es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Dabei sind nicht nur der objektive Inhalt des Geschäfts, sondern auch die Umstände, die zu seiner Vornahme geführt haben, und die von den Parteien verfolgten Absichten und Beweggründe zu berücksichtigen. Das Bewusstsein der Sittenwidrigkeit und eine Schädigungsabsicht sind nicht erforderlich; es genügt, wenn der Handelnde die Tatsachen kennt, aus denen sich die Sittenwidrigkeit ergibt, wobei dem gleichsteht, wenn sich jemand bewusst oder grob fahrlässig der Kenntnis erheblicher Tatsachen verschließt (vgl. BGH, Urteil v. 10.10.1997 – V ZR 74/96, NJW-RR 1998, 590 591.; BGH, Urteil v. 2.2.2012 – III ZR 60/11, MDR 2012, 333 = VersR 2013, 370, Rz. 20). Geht es um zu Lasten von Dritten getroffene Vereinbarungen, setzt sittenwidriges Verhalten voraus, dass beide Vertragsbeteiligte die die Sittenwidrigkeit begründenden Tatsachen kennen bzw. sich der entsprechenden Kenntnis verschließen (vgl. BGH, Versäumnisurteil v. 10.1.2007 – XII ZR 72/04, NJW 2007, 1447 1448., Rz. 13).
52
Hinsichtlich Forderungsabtretungen sowie Prozessführungsermächtigungen und hiervon ausgehenden Verlagerungen von Prozesskostenerstattungsrisiken hat der Bundesgerichtshof Maßstäbe aufgestellt, um eine den genannten Handlungen womöglich anhaftende Sittenwidrigkeit zu beurteilen. Forderungsabtretungen, wie auch Prozessführungsermächtigungen dürfen nicht dazu missbraucht werden, den Prozessgegner, wie auch den Staat, der Möglichkeit zu berauben, ihren Rechtsanspruch auf Erstattung oder Zahlung der Prozesskosten zu verwirklichen (vgl. etwa BGH, Urteil v. 20.12.1979 – VII ZR 306/78, NJW 1980, 991 unter I.4.; BGH, Urteil v. 24.10.1985 – VII ZR 337/84, BGHZ 96, 151, Rz. 9 bei juris; BGH, Urteil v. 2.10.1987 – V ZR 182/86, WM 1987, 1406, Rz. 19 bei juris; BGH, Versäumnisurteil v. 11.3.1999 – III ZR 205/97, NJW 1999, 1717 1718. unter II.3.; vgl. auch OLG München, Urteil v. 14.12.2012 – 5 U 2472/09, BeckRS 2013, 05349 unter II.A.3.a.). Ein solcher Missbrauch ist grundsätzlich anzunehmen, wenn eine unvermögende Partei zur gerichtlichen Durchsetzung von Ansprüchen vorgeschoben wird und dies bezweckt, das Kostenrisiko zu Lasten der beklagten Partei zu vermindern oder auszuschließen (vgl. BGH, Urteil v. 24.10.1985 – VII ZR 337/84, BGHZ 96, 151, Rz. 9 bei juris; BGH, Urteil v. 2.10.1987 – V ZR 182/86, WM 1987, 1406, Rz. 19 bei juris).
53
b) Dies ist hier der Fall.
54
Der Drittwiderbeklagte zu 2) hat die ursprüngliche Klägerin vorgeschoben, um sein eigenes Kostenrisiko auszuschließen.
55
Diese war bereits zum Zeitpunkt der Abtretungserklärung und Klageerhebung nach ihren finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnissen außer Stande, entstehende Kostenerstattungsansprüche zu befriedigen. Der Drittwiderbeklagte zu 2), dem im Rahmen des Treuhandvertrags nahezu alle Gesellschafterbefugnisse übertragen worden waren (Anlage B 15), hätte es in der Hand gehabt, die bestrittene ausreichende Liquidität der Klägerin im Verfahren substantiiert darzulegen. Das ist nicht erfolgt.
56
Die Unterzeichnung der Abtretung erfolgte am 30.12.2015. Die Ehefrau des Drittwiderbeklagten zu 2), die Zedentin Frau W., hatte bereits zuvor im Verfahren vor dem Landgericht München I, Az.: 4 O 28271/12 die streitgegenständlichen Forderungen gegen den Beklagten geltend gemacht.
57
Dort wurde die Klage am 31.03.2015 zurückgenommen (Anlage B2) und der Streitwert rechtskräftig auf 9.333.333,33 € festgesetzt. Im Kostenbeitreibungsverfahren legte die Zedentin die eidesstattliche Versicherung ab und der Beklagte konnte die Kosten erst im Nachhinein auf andere Weise beitreiben.
58
Den im hiesigen Verfahren zunächst angeforderten Gerichtskostenvorschuss in Höhe von 20.868,00 € hat die Klagepartei nicht beglichen, ebenso wenig einen weiteren Gerichtskostenvorschuss in Höhe von 85.320,00 €, nachdem der Streitwert auch im hiesigen Verfahren auf 9.333.333,33 € festgesetzt wurde. Zwangsvollstreckungsversuche der Landesjustizkasse gegen die Klägerin blieben erfolglos. Hierin ist im Übrigen ein durch den Drittwiderbeklagten zu 2) kausal verursachter Schaden beim Beklagten zu sehen.
59
Unbestritten blieb, dass die L1. V1. GmbH seit dem Jahresabschluss 2011 (Anlage B18) keine weiteren Jahresabschlüsse mehr im Bundesanzeiger veröffentlicht hat. Darüber hinaus hat die Klägerin keine weitere operative Tätigkeit mit Gewinnerzielung entfaltet. Der Drittwiderbeklagte zu 2) hat insoweit lediglich vorgetragen, dass die Klägerin ein Grundstücksgeschäft getätigt habe, aus dem im Jahr 2014/2015 ein Gewinn von 300.000 € realisiert werden konnte. Aus der Anlage K49 (nach Blatt 781 der Akte) ergibt sich jedoch weder der erzielte Kaufpreis, noch, dass der behauptete Gewinn der ursprünglichen Klägerin zugeflossen wäre. Vielmehr wird als Verkäufer die Firma G2. GmbH & Co. KG ausgewiesen, für die die ursprüngliche Klägerin persönlich haftende Gesellschafterin war. Der Vortrag steht mithin nicht im Widerspruch zu den Ausführungen des Beklagten.
60
c) Auch die subjektiven Voraussetzungen der sittenwidrigen Schädigung liegen vor. Vorsätzliches Handeln i.S.d. § 826 BGB erfordert das Bewusstsein, dass das eigene Handeln den schädlichen Erfolg herbeiführen kann. Bedingter Vorsatz als billigende Inkaufnahme des Schadens beim Geschädigten genügt, eine Schädigungsabsicht ist nicht erforderlich (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urteil vom 19. Juli 2004 – II ZR 402/02, BGHZ 160, 149, 156 m.w.N.).
61
Der Zweck der Errichtung der Abtretungsurkunde ohne Unterschrift einer berechtigten Person auf Seiten der L1. V1. GmbH war, dass die L1. V1. GmbH eine den Zedenten zustehende Forderung gerichtlich geltend macht, um deren Kostenrisiko zu Lasten des Beklagten auszuschließen. Nur dieser Zweck erklärt auch die erneute Klageerhebung nach Klagerücknahme durch die Zedentin in dem Verfahren vor dem Landgericht München I, Az.: 4 O 28271/12. Andere Gründe dafür, dass eine gleichgerichtete Klage zurückgenommen wird, um sie dann nach einer vermeintlichen Abtretung durch eine andere, vermögenslose juristische Partei erneut erheben zu lassen, sind nicht erkennbar.
62
d) Im Rahmen des haftungsausfüllenden Tatbestands ist der Beklagte nach der Differenzhypothese so zu stellen, als sei die schädigende Handlung nicht erfolgt (§ 249 Abs. 1 BGB). Mithin hat der Drittwiderbeklagte zu 2) dem Beklagten die ihm entstandenen Prozesskosten (Anlage B 16) zu erstatten. Der Drittwiderbeklagte zu 2) haftet neben der Klägerin als Gesamtschuldner im Sinne des § 421 BGB. Zwischen ihnen besteht eine gleichstufige Verpflichtung zur Tilgung der Prozesskosten des Beklagten. Insbesondere ist auch die Verpflichtung des Drittwiderbeklagten zu 2) nach Sinn und Zweck des § 826 BGB nicht als subsidiär oder nachrangig gegenüber der Klägerin anzusehen.
63
e) Der unbestrittene Zinsanspruch beruht auf § 288 Abs. 1 S. 1, 286 Abs. 1 BGB.
64
III. Gegen den Drittwiderbeklagten zu 1) hat der Beklagte hingegen weder einen Anspruch aus § 43 GmbHG wegen seiner Geschäftsführerstellung in der L1. V1. GmbH, noch im Zusammenhang mit der Rechtsprechung des BGH zur Existenzvernichtungshaftung, als Gesellschafter dieser Gesellschaft, noch aus § 826 BGB wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung. Denn die maßgeblichen Rechtshandlungen sind dem Drittwiderbeklagten zu 1) nicht zuzurechnen.
65
1. Nach den dafür aufgestellten Maßstäben des Bundesgerichtshofs hat der Gesellschafter einer GmbH für die Gesellschaftsschulden persönlich einzustehen, wenn er auf die Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens keine Rücksicht nimmt und der Gesellschaft ohne angemessenen Ausgleich – offen oder verdeckt – Vermögenswerte entzieht, die sie zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten benötigt. Greift er in das der Gesellschaft überlassene und als Haftungsfonds erforderliche Vermögen gleichwohl ein und bringt dadurch die Gesellschaft in die Lage, ihre Verbindlichkeiten nicht mehr oder nur noch in geringerem Maße erfüllen zu können, so missbraucht er die Rechtsform der GmbH (vgl. BGH, NJW 2007, 2689; BGH, NJW 2002, 3024).
66
2. Der Drittwiderbeklagte zu 1) war zum Zeitpunkt der Klageerhebung zwar Geschäftsführer (Anlage K40) und Alleingesellschafter der Rechtsvorgängerin der Klägerin (Anlage B14). Der Drittwiderbeklagte zu 1) hat allerdings weder an der sittenwidrigen Abtretungsvereinbarung (Anlage K0), noch an der Klageerhebung mitgewirkt. Dazu kommt, dass die Abtretungsvereinbarung unwirksam war. Während des Zeitraums, zu dem der Drittwiderbeklagte zu 1) noch Geschäftsführer der ursprünglichen Klägerin war, wurde, wie oben dargestellt, überhaupt kein wirksamer Klageauftrag oder eine Prozessvollmacht erteilt.
67
3. Der Beklagte hat auch nicht nachgewiesen, dass der Drittwiderbeklagte zu 1) noch während des Zeitraums, als er Geschäftsführer der L1. V1. GmbH war, Kenntnis von dem Sachverhalt erlangt hätte und, etwa durch Klagerücknahme, einen Schaden von dem Beklagten hätte abwenden können. Der Drittwiderbeklagte zu 1) trägt vor, dass er erst durch die Terminsladungen (Blatt 773 der Akte; erste Ladung des Geschäftsführers der L1. V1. GmbH mit Verfügung vom 02.08.2016, Blatt 60/61 der Akte), bzw. durch die Zustellung der Drittwiderklage (am 07.07.2018, nach Blatt 226 der Akte) von dem Vorgang erfahren hätte. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Formulierungen des Drittwiderbeklagtenvertreters zu 1) im Schriftsatz vom 21.09.2021 (Blatt 772/779 der Akte). Der Drittwiderbeklagte zu 1) wurde mit Gesellschafterbeschluss vom 26.07.2016 (Blatt 413/416 der Akte) als Geschäftsführer abberufen. Er war damit zum Zeitpunkt der Kenntniserlangung bereits nicht mehr Geschäftsführer und konnte die Klage nicht zurücknehmen. Es ist unschädlich, dass die Abberufung als Geschäftsführer erst am 10.11.2016 (Anlage K 40) in das Handelsregister eingetragen wurde. Der Drittwiderbeklagte zu 1) hätte sich insoweit jedenfalls nicht gutgläubig auf § 15 HGB berufen können.
68
4. Auch aus dem Treuhandvertrag vom 03.08.2004 (Anlage B15) ergibt sich keine Haftung des Drittwiderbeklagten zu 1). Zwar hat der Drittwiderbeklagte zu 1) mit diesem Vertrag nahezu alle Gesellschafterrechte der Gesellschaft, in der er auch Geschäftsführer war, auf den Drittwiderbeklagen zu 2) übertragen. Allein dadurch ist ihm das eigenmächtige Vorgehen des Drittwiderbeklagten zu 2) aber nicht adäquat zuzurechnen.
69
a) Der Treuhandvertrag stammt aus dem Jahr 2004 und sollte nach seinem Inhalt dazu dienen, es dem Drittwiderbeklagten zu 2) zu ermöglichen, Immobiliengeschäfte zu tätigen. Jedoch erlaubte auch ein – nicht nachgewiesener – Gesellschafterbeschluss des Drittwiderbeklagten zu 2) diesem nicht, eine Klage im Namen der Gesellschaft zu erheben. Dazu ist nur der vertretungsberechtigte Geschäftsführer, mithin der Drittwiderbeklagten zu 1), befugt gewesen (vgl. §§ 35 Abs. 1, 37 Abs. 1 GmbHG).
70
b) Im Übrigen ergibt sich aus dem Treuhandvertrag vom 03.08.2004 auch keine Befreiung von den Beschränkungen für Insichgeschäfte nach § 181 BGB, 35 Abs. 3 GmbHG. Schon aus diesem Grund hätte der Drittwiderbeklagte zu 2) die Zustimmung des Drittwiderbeklagten zu 1) für die Geschäfte einholen müssen.
71
Damit war die Klage gegen den Drittwiderbeklagten zu 1) abzuweisen.
C.
72
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
73
Diejenige der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 2, 709 S. 1 und S. 2 ZPO.
74
Die Festsetzung des Streitwerts findet ihr Grundlage in §§ 45 Abs. 1, 48 Abs. 1 S. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO.
75
Hinsichtlich des Streitwerts für die Klage wird auf die Anlage B 8 sowie die Entscheidung des Oberlandesgerichts München vom 21.02.2018 (Blatt 187/189 der Akte) Bezug genommen. Die Drittwiderklage berücksichtigt das Gericht in Höhe von 78.403,37 €.