Inhalt

ArbG Würzburg, Endurteil v. 30.09.2021 – 8 Ca 459/21
Titel:

Wertguthaben, Sonderzahlung, Tarifvertragliche Regelung, Tarifvertragspartei, Anspruch auf Krankengeldzuschuß, Entgeltfortzahlung, Freistellungsphase der Altersteilzeit, Altersteilzeitarbeitsverhältnisse, Altersteilzeitregelung, Kurzarbeitergeld, Arbeitsverhältnis, Mutterschaftsgeld, Tabellenentgelt, Urteilsverfahren, Kostenentscheidung, Flexible Arbeitszeitregelung, Zahlungsanspruch, Rechtsmittelbelehrung, Protokollerklärung, Streitwert

Schlagworte:
Klagezulässigkeit, Anspruch auf Corona-Sonderzahlung, Tarifvertrag Corona-SZ 2020, Auszahlung des Wertguthabens, Anspruch während der Freistellungsphase, Tarifvertragssonderzahlungen, Berufungszulassung
Fundstelle:
BeckRS 2021, 66002

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Berufung wird zugelassen.
3. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Der Streitwert wird auf 400,00 € festgesetzt.
- – - – - – - – - – - -

Tatbestand

1
Die Parteien streiten um die Zahlung einer Corona Prämie.
2
Der Kläger war seit 1989 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt erfolgte eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe 9a. Ab 01.08.2020 befindet sich der Kläger in der Freistellungsphase der Altersteilzeit welche bis 30.11.2020 angedauert hat. Die Altersteilzeit regelt sich nach dem Tarifvertrag zur flexiblen Arbeitszeitregelung für ältere Beschäftigte (nachfolgend TV Flex AZ genannt) vom 27.02.2010 in seiner jeweils geltenden Fassung. Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers ist daneben der Tarifvertrag Corona-Sonderzahlung 2020 anwendbar. Dieser trat am 25.10.2020 in Kraft und enthält u.a. folgende Regelung in § 2:
„ § 2
Einmalige Corona-Sonderzahlung
(1) Personen, die unter den Geltungsbereich dieses Tarifvertrages fallen, erhalten eine einmalige Corona-Sonderzahlung spätestens mit dem Tabellenentgelt des Monats Dezember 2020 ausgezahlt, wenn ihr Arbeitsverhältnis am 1. Oktober 2020 bestand und an mindestens einem Tag zwischen dem 1. März 2020 und dem 31. Oktober 2020 Anspruch auf Entgelt bestanden hat.
Protokollerklärungen zu Absatz 1:
1. Die einmalige Corona-Sonderzahlung wird zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitsentgelt gewährt. Es handelt sich um eine Beihilfe bzw. Unterstützung des Arbeitgebers zur Abmilderung der zusätzlichen Belastung durch die Corona-Krise im Sinne des § 3 Nummer 11a des Einkommenssteuergesetzes.
2. Anspruch auf Entgelt im Sinne des Absatzes 1 sind auch der Anspruch auf Entgeltfortzahlung aus Anlass der in § 21 Satz 1 TVöD bzw. § 6 Absatz 3 TV-V genannten Ereignisse und der Anspruch auf Krankengeldzuschuss (§ 22 Absatz 2 und 3 TVöD bzw. § 13 Abs. 1 S. 2 TV-V), auch wenn dieser wegen der Höhe der Barleistungen des Sozialversicherungsträgers nicht gezahlt wird. Einem Anspruch auf Entgelt gleichgestellt ist der Bezug von Krankengeld nach § 45 SGB V oder entsprechender gesetzlicher Leistungen, Kurzarbeitergeld und der Bezug von Mutterschaftsgeld nach § 19 MuSchG. “
3
Der Kläger vertritt die Auffassung, ihm stünde die Corona-Zahlung zu. Er habe die Anspruchsvoraussetzungen des entsprechenden Tarifvertrages erfüllt, da ihm die Beklagte auch während der Altersteilzeit aus dem Wertguthaben eine Vergütung entrichte und dieses Wertguthaben als Entgelt im Sinne des Tarifvertrages anzusehen ist. Es werde lediglich zeitverzögert ausgezahlt. Auch der TV Flex enthalte keinen Ausschluss für Einmalzahlungen.
4
Er beantragt daher:
Die Beklagte wird verurteilt, 400 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 01.01.2021 an den Kläger zu zahlen.
5
Die Beklagte beantragt,
Die Klage wird abgewiesen.
6
Nach Auffassung der Beklagten besteht kein Zahlungsanspruch. Der Kläger beziehe kein Entgelt im Sinne des Tarifvertrags Corona Sonderzahlung in der Freistellungsphase, sondern lediglich Beträge aus einem bereits zuvor erwirtschafteten Entgelt, welche im sogenannten Wertguthaben gespeichert seien. Dieses werde lediglich zeitverzögert ausgezahlt. Die Auslegung des Tarifvertrages ergebe, dass die Zahlung nicht nur vom Bestand abhängig ist, sondern dass auch „Entgelt“ gezahlt werden müsse. Entgelt aber sei von der Definition her eine Gegenleistung für Dienstleistungen, daher nur bei aktiven Arbeitnehmern gegeben, die auch tatsächlich in der maßgeblichen Zeit gearbeitet hätten. Im Übrigen erfülle nur diese Betrachtung auch den inhaltlichen Gedanken des Tarifvertrages bzgl. der Corona Sonderzahlung. Diese sei zur Unterstützung zur Abmilderung der Corona Nachteile ausgewiesen, solches treffe aber nur Arbeitnehmer, die in der maßgeblichen Zeit tatsächlich gearbeitet haben. Außerdem habe man die Corona Prämie an die Höhe der Arbeitszeit geknüpft, Teilzeitkräfte würden entsprechend weniger erhalten. Bei einer verringerten Zeit bestehe eben eine verringerte Belastung. Soweit gar nicht gearbeitet werde bestehe gar keine Belastung. Die Protokollerklärung 2.1 zeige daneben deutlich, dass Ausnahmen von den Tarifvertragsparteien vorgesehen worden sind, die auch als Entgelt anzusehen wären. Nachdem die Altersteilzeit hier nicht geregelt ist, habe man das Problem gesehen, aber für die Freistellungsphase gerade nicht geregelt. Ein anderes Ergebnis sei den Kollegen auch kaum vermittelbar, die unter schweren Bedingungen in der Corona Zeit gearbeitet hätten. Im Übrigen stehe dem Anspruch auch der TV Flex entgegen, dort würden nur die in der Aktivphase erworbenen Sonderzahlungen in das Wertguthaben eingezahlt. § 7 Abs. 2 TV-Flex müsse daher als lex specialis angesehen werden. Selbst wenn der Kläger die Voraussetzungen des § 2 Tarifvertrag Corona Sonderzahlung erfüllen würde, gäbe es gleichwohl keine Zahlungen, da er entsprechend der Teilzeitkräfte zu behandeln sei und mithin sozusagen in Teilzeit Null wäre. Die Beklagte verweist in diesem Zusammenhang auch auf die Rechtsprechung für Urlaubsansprüche in der Freistellungsphase.
7
Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsprotokolle verwiesen.

Entscheidungsgründe

8
Die Klage ist zulässig.
9
Der Rechtsweg zum Arbeitsgericht im Urteilsverfahren ist über § 2 Abs. 1 Ziffer 3 a mit Abs. 5 ArbGG eröffnet. Örtlich zuständig ist das Arbeitsgericht Würzburg bereits über § 48 Abs. 1 a ArbGG.
10
In der Sache bleibt die Klage ohne Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Corona-Sonderzahlung gemäß § 2 Abs. 1 TV Corona-SZ 2020.
11
Bei vordergründiger Betrachtung der tarifvertraglichen Regelungen im Tarifvertrag Corona-Sonderzahlung scheint der Kläger die Voraussetzungen zu erfüllen. Sein Arbeitsverhältnis bestand am 1. Oktober 2020 noch, dies in Form eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses in der Freistellungsphase und der Kläger hat darüber hinaus Entgelt in Form der Auszahlung des Wertguthabens erhalten. Diese Betrachtung würde allerdings verkennen, dass die Auszahlung der Corona-Sonderzahlung an den Kläger nicht mit der Methodik des § 7 Abs. 2 TV Flex AZ vereinbar ist. Die genannte Vorschrift sieht vor, dass die Beschäftigten während der Arbeitsphase des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses im Blockmodell das Tabellenentgelt und alle sonstigen Entgeltbestandteile in Höhe der Hälfte des Entgeltes, das sie andernfalls erhalten hätten, ausgezahlt bekommen. Die andere Hälfte des Entgelts fließt in das Wertguthaben ein und wird in der Freistellungsphase ratierlich ausgezahlt. Während der Freistellungsphase haben die Altersteilzeitarbeitnehmer also nur Anspruch auf Auszahlung des Wertguthabens. Andere Ansprüche können sie während der Freistellungsphase nicht haben. In das Wertguthaben wiederum kann nur das einfließen, was während der Arbeitsphase bereits erarbeitet oder doch zumindest bereits absehbar gewesen ist. Andernfalls kann in Bezug auf das betreffende Entgelt ein Wertguthaben nicht aufgebaut werden. Die vom Kläger geforderte Corona-Sonderzahlung war aber zum Zeitpunkt des Aufbaus des Wertguthabens noch nicht vorhanden. Der Tarifvertrag Corona-Sonderzahlung trat erst am 25.10.2020 in Kraft, vorher also während der Zeit, in der der Kläger sein Wertguthaben aufgebaut hat, war eine Zahlungsverpflichtung nach diesem Tarifvertrag rechtlich noch nicht entstanden. Es war daher in diesem Zeitraum auch nicht erkennbar, dass ein derartiger Anspruch noch entstehen würde. Er konnte deshalb in das Wertguthaben nicht einfließen. Vor diesem Hintergrund ist die Vorschrift des § 7 Abs. 2 TV Flex AZ gegenüber § 2 Corona-Sonderzahlung 2020 die speziellere Vorschrift. Ein Anspruch auf Zahlung der Corona-Prämie konnte damit nicht entstehen. Im Übrigen folgt das Gericht von der Begründung her auch einem weiteren Argument der Beklagtenseite wonach hier der Tarifvertrag Corona-Sonderzahlungen an der Arbeitszeit anknüpft, Teilzeitbeschäftigte eben weniger erhalten als Vollzeitbeschäftigte. Der Kläger hat in der maßgeblichen Zeit überhaupt nichts gearbeitet, war also sozusagen auf Teilzeit Null, hätte damit auch aus diesem Gesichtspunkt heraus keinen Zahlungsanspruch auf die Corona-Prämie. Die Tarifvertragsparteien haben daneben auch deutlich erkennen lassen, dass sie sonstige Zahlungen, die sie nicht ausdrücklich aufgeführt haben, nicht als Entgelt im Sinne der tarifvertraglichen Bestimmungen des Tarifvertrags Corona-Sonderzahlung ansehen wollen. So zeigt die Protokollerklärung zu Absatz 1 Ziffer 2 dass als Entgelt im Sinne des Absatzes 1 auch der Anspruch auf Entgeltfortzahlung der Anspruch auf Krankengeldzuschuss anzusehen ist. Daneben auch Kurzarbeitergeld und Mutterschaftsgeld. Die Tarifvertragsparteien sahen somit, dass es Bestandteile der Vergütung geben kann, die nicht von vorneherein als Entgelt angesehen werden mögen und bei denen Zweifel entstehen könnten, ob diese unter den Tarifvertrag Corona-Sonderzahlung fallen. Sie haben sich dann entschieden die vorstehend geschilderten Ansprüche den Tarifvertrag unterfallen zu lassen. Im Umkehrschluß kann sich daraus jedoch entnehmen lassen, dass die Tarifvertragsparteien sonstige Bestandteile oder Vergütungsformen gerade nicht den Tarifvertragssonderzahlungen unterfallen lassen wollten. Gerade Ansprüche während der Altersteilzeit sind keine ungewöhnlichen sondern häufig vorkommende Ansprüche, hätten die Tarifvertragsparteien dies regeln wollen, so hätten sie auch die Ansprüche aus den Wertguthaben den Tarifvertragssonderzahlungen unterstellen können. Dies ist allerdings nicht geschehen.
12
Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2, § 91 ZPO. Der Streitwert ist über § 61 Abs. 1 ArbGG durch den eingeklagten Betrag bestimmt. Das Gericht hat die Berufung gemäß § 64 Abs. 3 Ziffer 2 b ArbGG zugelassen.