Titel:
Vorläufige Vollstreckbarkeit, Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, Sittenwidrigkeit, Abschalteinrichtung, Kostenentscheidung, Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, Parteivorbringen, Abschaltvorrichtungen, Finanzierungskosten, Kosten des Rechtsstreits, Gerichtsbekanntheit, Basiszinssatz, Sicherheitsleistung, Unzulässigkeit, Beweisaufnahme, Streitwert, Klagepartei, Entscheidungsgründe, Klageschrift, Laufleistung
Schlagworte:
Klage unbegründet, Anspruch aus § 826 BGB, Verpflichtender Rückruf, Reduzierung der Stickoxidemissionen, Thermofenster, Sittenwidrige Handlung
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Endurteil vom 24.01.2023 – 5 U 7469/21
BGH Karlsruhe, Urteil vom 16.04.2024 – VIa ZR 162/23
Fundstelle:
BeckRS 2021, 65956
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 42.128,49 € festgesetzt.
Tatbestand
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Die Parteien streiten im Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen die Beklagten wegen des Erwerbs eines von der Beklagten hergestellten Gebrauchtwagens durch die Klägerin.
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Am 11.05.2017 erwarb die Klägerin von der M. A2. GmbH & Co. KG, W., einen gebrauchten Pkw Audi SQ5 3.0 TDI (Euro 5) mit einer Laufleistung von 41.800 km zum Preis von 50.140 €. Die Klägerin finanzierte den Kaufpreis durch ein Darlehen der A3. Bank, Zweigniederlassung der V. ... GmbH, Br.. Am 15.07.2021 veräußerte die Klägerin das Fahrzeug bei einer Laufleistung von 131.300 km zu einem Preis von 25.500 €.
3
Der Kläger behauptet, der Motor des Fahrzeugs sei mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen, die bewirke, dass der tatsächliche NOx-Ausstoß des Fahrzeugs wesentlich höher sei, als es der Typgenehmigung des Kraftfahrtunbesamts (KBA) zugrunde liege.
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Die Klägerin meint, ihr stünden daher ein deliktischer Schadensersatzanspruch gegenüber der Beklagten zu.
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Die Klägerin beantragt,
- 1.
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Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei einen Betrag von 7.259,95 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 10.08.2019 zu bezahlen.
- 2.
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Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei für die entstandenen Finanzierungskosten einen Betrag von 8.782,67 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 10.08.2019 zu bezahlen.
- 3.
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Die Beklagtenpartei wird verurteilt, an die Klagepartei vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.137,64 € zu zahlen.
Die Klage wird abgewiesen.
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Die Beklagte trägt vor, das klägerische Fahrzeug sei nicht mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen. Sie meint daher, es bestünde ihr gegenüber kein klägerischer Anspruch.
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Mit Zustimmung der Parteien gemäß § 128 Abs. 2 ZPO ergeht eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung. Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gegenseitig gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Ein klägerischer Anspruch aus § 826 BGB gegenüber der Beklagten besteht nicht.
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Das klägerische Fahrzeug ist nicht von einem verpflichtenden Rückruf des KBA betroffen. Das Bestehen eines solchen Rückrufs ergibt sich weder aus den Angaben des Klägers noch aus den vom Klägervertreter in der Klageschrift zitierten Rückrufbescheiden, die sich nicht auf das konkrete klägerische Fahrzeug beziehen. Es kann damit nicht davon ausgegangen werden, dass die Überprüfung des Fahrzeugs durch das KBA dessen Ausstattung mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung bestätigt hätte. Vielmehr unterlag das Fahrzeug einer unter Mitwirkung des KBA veranlassten „freiwilligen Servicemaßnahme Software-Update-Dieselmotor“ der Beklagten, wie dies die Beklagte unbestritten vortrug. Dieser Maßnahme und den gerichtsbekannten Erläuterungen der Beklagten hierzu in einem Schreiben vom Oktober 2019 kann entnommen werden, dass die Beklagte als „freiwillige und kostenlose Servicemaßnahme“ die „Reduzierung der Stickoxidemissionen“ des klägerischen Fahrzeugs anbietet. Daraus kann lediglich gefolgert werden, dass der Motor des klägerischen Fahrzeugs über das Potential der Reduzierung von Schadstoffemissionen verfügt, nicht aber, dass geltende Normen zur Schadstoffemission des Fahrzeugs vor der oder ohne die Durchführung der „Servicemaßnahme“ unter Einsatz unzulässiger Abschaltvorrichtungen verletzt worden wären.
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Ein in die Motorsteuerung des klägerischen Fahrzeugs integriertes Thermofenster vermag ebenfalls keinen klägerischen Anspruch auszulösen. Dabei kann dahinstehen, ob das Thermofenster objektiv eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinn von Art. 5 Abs. 2, Art. 3 Nr. 10 EGVO 715/2017 ist und welchen genauen Temperaturbereich das Thermofenster umfasst. Jedenfalls fehlt es insoweit an einer für den Bestand eines Anspruchs nach § 826 BGB erforderlichen sittenwidrigen Handlung der Beklagten. Das Gericht schließt sich dabei der Rechtsauffassung des OLG München in den Beschlüssen vom 23.01.2020 (21 U 5123/19) und 07.01.2020 (21 U 6084/19) an. Wegen „der kontrovers geführten Diskussion über Inhalt und Reichweite der Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 a VO 2007/715-EG kann aus einer möglicherweisen fehlerhaften Gesetzesauslegung und „Anwendung durch die Organe der Beklagten“ kein Rückschluss auf jedenfalls subjektiv vorsätzlich sittenwidriges Handeln der Beklagten gezogen werden.
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Der weitere klägerische Vortrag zur Nutzung unzulässiger Abschaltvorrichtungen durch die Beklagte unter Hinweis auf zahlreiche Modelle des Volkswagenkonzerns ist für das hier streitgegenständliche Fahrzeug des Klägers nicht hinreichend konkret um den Beweis zu erbringen, auch dieser Pkw sei von den Manipulationen erfasst oder um eine entsprechende Beweisaufnahme auszulösen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO und die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO