Titel:
Keine Haftung von Audi für den von VW entwickelten und gelieferten EA 189-Motor (hier: Audi Q 5 2.0 TDI)
Normenketten:
BGB § 31, § 823 Abs. 2, § 826
VO (EG) 715/2007 Art. 5 Abs. 2
EG-FGV § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1
Leitsätze:
1. Für eine Haftung aus § 826 BGB muss den Fahrzeughersteller ein eigenes moralisches Unwerturteil treffen, wofür der ungeprüfte Einbau von Fremdkomponenten offensichtlich nicht ausreicht. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Umstand, dass Audi die von ihrer Muttergesellschaft VW gelieferten rechtswidrig manipulierten Motoren bzw. das fertige Motorsteuergerät mit der im Auftrag der Muttergesellschaft entwickelten und sodann aufzuspielenden Manipulationssoftware sich liefern hat lassen und dieses Gerät sodann in die teils von ihr nachgebauten und anschließend in ihren Fahrzeugen verbauten EA189-Motoren implementiert hat, spricht noch nicht für die Annahme, die Unternehmensleitung von Audi sei in die diesbezügliche strategische Entscheidung ihrer Muttergesellschaft eingebunden gewesen. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Diesel-Abgasskandal, EA 189, Audi, Umschaltlogik, Konzern, Muttergesellschaft, Sittenwidrigkeit, Fremdkomponente, Manipulationssoftware, Unternehmensleitung
Vorinstanz:
LG Ingolstadt, Endurteil vom 12.10.2020 – 61 O 2442/19
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 23.04.2024 – VIa ZR 194/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 65830
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 12.10.2020 (AZ. 61 O 2442/19) aufgehoben, soweit die Beklagte verurteilt wurde, und die Klage insgesamt abgewiesen.
II. Der Kläger wird des Rechtsmittels der Anschlussberufung für verlustig erklärt.
III. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klagepartei kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die beklagte Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
1
Die Parteien streiten über Ansprüche im Zusammenhang mit dem sog. Diesel-Abgasskandal.
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Den Feststellungen des Landgerichts zufolge erwarb die Klagepartei am 30.11.2012 von einem Autohaus einen Audi Q 5 2.0 TDI als Neuwagen zum Kaufpreis von 36.578,58,- €. Eingebaut in das Fahrzeug ist Motor des Typs ein EA 189 des V.-Konzerns, dessen Tochter die Beklagte ist. Das Fahrzeug war Gegenstand eines Rückrufs des Kraftfahrtbundesamtes (KBA).
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Die Klagepartei hat danach vorgetragen, dass die Beklagte in der Motorsteuerung des Motors EA 189 eine illegale Abschalteinrichtung verwendet habe, um die geltenden Abgasnormen zu umgehen. Durch diese werksseitige Manipulation habe die Beklagte eine arglistige Täuschung begangen. Ferner sei das Fahrzeug mangelhaft. Die Täuschung sei der Beklagten zuzurechnen, da der im streitgegenständlichen Fahrzeug verbaute Motor aus deren Konzern stamme.
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Die Klagepartei hat erstinstanzlich zunächst Zahlung von 42.563,03,- €, mit Schriftsatz vom 17.09.2020 sodann Zahlung von 43.528,51 €, im Termin vom 21.09.2020 jedoch zuletzt beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 36.578,58,- € nebst Verzugszinsen abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 13.341,25 € Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Pkw zu verurteilen und festzustellen, dass sich die Beklagte im Annahmeverzug befinde. Außerdem hat sie beantragt, die Beklagte zur Zahlung der Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung i.H.v. 2.613,24,- € nebst Verzugszinsen zu verurteilen.
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Die Beklagte hat sich zu der teilweisen Klagerücknahme nicht erklärt und Klageabweisung beantragt. Sie hat vorgetragen, dass der Pkw weder mangelhaft sei, noch sei dem Kläger durch den Erwerb des streitgegenständlichen Fahrzeugs ein Schaden entstanden. Die Beklagte sei nicht Herstellerin des Motors, sodass sie daher keine Verantwortung treffe. Da sie am Kaufvertragsschluss nicht beteiligt gewesen sei, scheide auch eine Täuschung durch die Beklagte aus. Sie hat ferner die Verjährungseinrede erhoben.
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Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung von 21.013,78 € Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des streitgegenständlichen PKWs verurteilt sowie festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befinde; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
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Ein Anspruch des Klägers auf Schadensersatz ergebe sich aus § 826 BGB, da das Inverkehrbringen von Dieselmotoren – unter Verschweigen der gesetzeswidrigen Softwareprogrammierung – zum Zwecke des Weiterverkaufs, eine konkludente Täuschung seitens der Beklagten dargestellt habe. Die schädigende Handlung sei der Beklagten als Herstellerin des streitgegenständlichen Fahrzeugs zuzurechnen, auch wenn dieser Motor nicht von ihr selbst, sondern von ihrem Mutterkonzern V. federführend entwickelt worden sei, da sich die Beklagte konzernintern absprachegemäß serienmäßig Bauteile vom Mutterkonzern liefern lasse. Andernfalls würde sich die Beklagte jeglicher Haftung entziehen können. Eine Zurechnung der deliktischen Handlungen zur Beklagten erfolge in entsprechender Anwendung von § 831 BGB sowie § 31 BGB aufgrund der vom BGH entwickelten Repräsentantenhaftung. Die Beklagte haben der Klagepartei in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise Schaden zugefügt. Der Anspruch sei auch nicht verjährt. Es seien allerdings Nutzungsvorteile in Höhe von 15.564,80 € ausgehend von einer Gesamtlaufleistung von 300.000 km in Abzug zu bringen. Die Beklage befinde sich seit 22.09.2020 in Annahmeverzug. Ein Anspruch auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten bestehe indes nicht.
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Bezüglich der näheren Einzelheiten wird auf den Inhalt des angegriffenen Urteils verwiesen.
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Hiergegen hat die Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt, mit welcher sie ihren erstinstanzlichen Antrag auf vollständige Klageabweisung weiterverfolgt. Die Klagepartei hat mit Schriftsatz vom 25.01.2021 Anschlussberufung eingelegt (Bl. 322/323 d.A.) und beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 2.613,24 € nebst Verzugszinsen zu zahlen, hilfsweise, das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit an das Landgericht zurückzuverweisen. Im Termin vom 08.07.2021 hat die Klagepartei ihre Anschlussberufung zurückgenommen. Die Beklagte hat beantragt, das landgerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.
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In der Ladungsverfügung vom 14.04.2021 (Bl. 387/389 d.A.) hat der Senat den Parteien umfangreiche Hinweise zur Sach- und Rechtslage nach der Entscheidung des BGH vom 8. März 2021, Gz. VI ZR 505/19, gegeben. Er hat der Klagepartei Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 3 Wochen eingeräumt und der Beklagten Gelegenheit gegeben, sich hierzu binnen weiterer 3 Wochen zu äußern.
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Im Schriftsatz vom 10.05.2021 (Bl. 390/392) hat der Kläger sodann vorgetragen, dass eine Haftung gemäß § 826 BGB neben dem Motorenhersteller auch den Fahrzeughersteller für das Inverkehrbringen eines Fahrzeugs mit unzulässigen Abschalteinrichtungen treffen könne, auch wenn er an der Entwicklung oder Herstellung des Motors nicht beteiligt sei. Allerdings weise die EG-Übereinstimmungsbescheinigung die Beklagte und nicht die V. AG als Herstellerin der Antriebsmaschine auf. Diesbezüglich werde auf die Entscheidung des OLG Köln (Hinweisbeschluss vom 04.03.2021, Az. 12 U 28/20) verwiesen. Jedenfalls würde die Beklagte auch haften, wenn man zu ihren Gunsten unterstellen würde, dass sie nicht Herstellerin des Motors sei, da, wie bereits dargelegt, wesentliche Entscheidungsträger bei der Beklagten von der Manipulation des Motors EA 189 gewusst hätten. Denn die im EA 189Motor implementierte Abschalteinrichtung in Form einer Umschaltlogik sei ursprünglich von Dr. H. bei der Beklagten als sog. „Akustikfunktion“ entwickelt und in der Zeit von 2004 bis 2008 in Fahrzeugen der Beklagten mit V 6 TDI-Motoren und EU 4 Abgasnorm implementiert worden. Mit dessen Wechsel in den Vorstand von V. im Jahr 2007 sei der Entschluss gefasst worden, die bei der Beklagten entwickelte Akustikfunktion serienmäßig als „Umschaltlogik“ in alle Fahrzeuge von V. mit EA 189-Dieselmotor zu implementieren.
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Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 18.06.2021 (Bl. 403 ff. d. A.) unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BGH vom 8. März 2021 (Az. VI ZR 505/19) sowie bisherigen Vortrag ergänzende Ausführungen gemacht und eine Kenntnis der Beklagten von der Programmierung oder der Verwendung der Umschaltlogik in dem streitgegenständlichen Fahrzeugmotor bestritten. Allein aus der Entwicklung von V-TDI-Motoren durch die Beklagte könne auch nicht auf eine Kenntnis von der durch die V. AG weiterentwickelten Manipulationssoftware für den Motor EA 189 geschlossen werden. Bloßes „Wissenmüssen“ sei für die geltend gemachten deliktischen Ansprüche indes nicht ausreichend. Der Umstand, dass der Motor EA 189 teilweise auch im Werk einer Tochtergesellschaft der Beklagten in G./U. hergestellt worden sei, vermöge eine Kenntnis der Beklagten von der streitgegenständlichen Software nicht zu begründen, da sich der Prozess der Motorherstellung von dem der Motorenentwicklung in tatsächlicher Hinsicht erheblich unterscheide. Denn das Motorsteuerungsgerät werde erst in das fahrzeugherstellende Werk geliefert und liege damit in dem motorherstellenden Werk nicht vor.
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Mit Schriftsatz vom 23.06.2021 (Bl. 428 ff. d.A.) hat der Kläger ergänzend zur Kenntnis der Beklagten ausgeführt. Er hat ferner auf eine Entscheidung des hiesigen 5. Senats vom 04.05.2021 (Az. 5 U 2388/20) verweisen, welcher eine Haftung der Beklagten nach den Grundsätzen der Repräsentantenhaftung angenommen habe.
14
Im Termin vom 08.07.2021 hat der Kläger seine Anschlussberufung zurückgenommen.
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Auf den Inhalt der zwischen den Parteien im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze und den Inhalt des Verhandlungsprotokolls vom 08.07.2021 wird ergänzend Bezug genommen.
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Die zulässige Berufung der Beklagten hat in vollem Umfang Erfolg, so dass das landgerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen war, wie der Senat bereits in dem den Parteivertretern bekannten Beschluss vom 28.05.2021, Gz. 8 U 6521/20, im Einzelnen ausgeführt hat.
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1. Zunächst ist darauf zu verweisen, dass soweit im Berufungsverfahren neu vorgetragen wird, nach § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO neue Angriffs- und Verteidigungsmittel nur zuzulassen sind, wenn sie im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht. Nachlässigkeit fällt einer Partei zur Last, wenn sie gegen die ihr gemäß § 282 ZPO obliegende Prozessförderungspflicht verstoßen hat. Danach hat jede Partei ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel, insbesondere Behauptungen, Bestreiten, Einwendungen, Einreden, Beweismittel und Beweiseinreden, so zeitig vorzubringen, wie es nach der Prozesslage einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozessführung entspricht. Hierbei hat die Partei auch leichte Fahrlässigkeit zu vertreten (z.B. Zöller/Heßler, ZPO, 32. A. 2018, § 531 Rn. 30).
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a) Behauptet ein Berufungsführer, neue Tatsachen oder Beweismittel seien ihm erst nach Schluss der ersten Instanz bekannt geworden, hat er zur Vermeidung des Vorwurfs der Nachlässigkeit darzulegen, warum er sich nicht früher um entsprechende Kenntnis bemüht hat (KG, Urteil vom 12.09.2002 – 8 U 78/02, MDR 2003, 471). Diese Anforderungen sind auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Entsprechend der allgemeinen Prozessförderungspflicht des Zivilprozesses ist die Partei gehalten, ihr günstigen Vortrag in gesammelter Form und zeitnah so bald als möglich in den Rechtsstreit einzuführen, um diesen einer möglichst umfassenden und sachlich richtigen Entscheidung zuzuführen. Dazu gehört auch die Darlegung, warum das neue Beweismittel nicht vorher hätte ermittelt werden können (BVerfG, Beschluss vom 24.01.2005 – 1 BvR 2653/03, NJW 2005, 1768) . Im Übrigen kann fehlende Nachlässigkeit nicht damit begründet werden, die Recherche sei erst in der Berufungsinstanz durchgeführt worden. Darzulegen ist vielmehr, warum diese Recherche auch bei sorgfältiger Prozessführung in erster Instanz (noch) nicht veranlasst war (BGH, Urteil vom 27. August 2013 – X ZR 19/12, Rz. 30).
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b) Eine derartige Darlegung ist hier nicht erfolgt, sodass neuer Vortrag schon deshalb insgesamt zurückzuweisen ist.
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Soweit daher z.B. neuer Vortrag dazu erfolgt ist, dass die EG- Übereinstimmungsbescheinigung die Beklagte und nicht die V. AG als Herstellerin der Antriebsmaschine aufweise, wobei auch das OLG in einem Parallelverfahren von der Richtigkeit dieser Angaben ausgegangen sei (Hinweisbeschluss vom 04.03.2021, Az. 12 U 28/20), und zuletzt in der mündlichen Verhandlung vom 08.07.2021 klägerseits ausgeführt wurde, durch die von der Beklagten zur Verfügung gestellte Akustikfunktion sei – wie von Beklagtenseite bestritten – die Manipulation beim Motor EA189 erst möglich geworden, handelt es sich damit offenkundig um neuen verspäteten Vortrag.
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Dessen ungeachtet kann auch die Berücksichtigung dieses Vorbringens vorliegend zu keiner anderen Entscheidung führen.
A. Berufung der Beklagten
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2. Da die Beklagte der Klagepartei das streitgegenständliche Fahrzeug nicht verkauft hat, kommen zwischen den Parteien nur deliktsrechtliche Ansprüche in Betracht.
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a) Soweit sich die Klagepartei nunmehr – verspätet, s.o. – darauf beruft, dass die EGÜbereinstimmungsbescheinigung die Beklagte und nicht die V. AG als Herstellerin der Antriebsmaschine ausweise, kommt es indes nicht darauf an, wer den Motor als „Hersteller“ zusammengebaut hat. Denn es ist – wie der Senat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat – zwischen Herstellung und Entwicklung eines Automobils bzw. eines Automobilmotors scharf zu unterscheiden. Hersteller ist derjenige, der etwas produziert. Entwickelt haben muss er das Produkt deshalb aber nicht. So ist es in der Automobilindustrie gerichtsbekannt weithin üblich, Fahrzeuge zum Teil aus selbstgefertigten Komponenten, zum Teil aber auch aus von Fremdfirmen hergestellten und zugelieferten Komponenten zusammenzubauen.
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Gewährleistungsrechtlich spielt diese Unterscheidung keine große Rolle, denn der Verkäufer haftet für die Mangelfreiheit der Gesamt-Kaufsache unabhängig davon, wer die einzelnen Teile hergestellt hat. Für eine Haftung aus § 826 BGB muss den Fahrzeughersteller dagegen, wie vom BGH bereits wiederholt entschieden, ein eigenes moralisches Unwerturteil treffen. Dafür reicht der ungeprüfte Einbau von Fremdkomponenten offensichtlich nicht aus. Dass die Beklagte auch die inkriminierte Software hergestellt oder entwickelt hätte, hat die Klageseite schon nicht konkret behauptet und hierfür auch keine Anhaltspunkte geliefert. Sie hat in der Klageschrift S. 6 vielmehr selbst ausgeführt, die V. AG habe auch für das streitgegenständliche Fahrzeug die Motoren gebaut und für dieses Fahrzeug die Systemsteuerungssoftware abgestimmt, bevor diese dann nur zur Endmontage in das jeweilige Werk weitergeleitet worden sei.
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Daher spielt es auch keine Rolle mehr, dass die Beklagte zuletzt – wenn auch verspätet – eingeräumt hat, dass auch eine ihrer Tochtergesellschaften Motoren des Typs EA189 herstelle bzw. hergestellt habe. Das fertige Motorsteuerungsgerät würde nach Beklagtenvortrag an das fahrzeugherstellende Werk von der B. GmbH geliefert und ohne weitere Prüfung desselben und des Abgasverhaltens sodann verbaut. Dem ist die Klagepartei nicht konkret entgegengetreten, weshalb zwischen den Parteien letztlich nur streitig ist, ob und inwieweit die Beklagte in die Entwicklung des EA 189Dieselmotors eingebunden war bzw. wann seitens der Beklagten eine Kenntnis von der in der Motorsteuerungssoftware implementierten sog. Umschaltlogik vorgelegen hat. Eine diesbezügliche Unstreitigkeit hat auch das Landgericht nicht festgestellt.
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b) Aus der EG-Übereinstimmungsbescheinigung ergibt sich auch keine Garantieerklärung o.ä..
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Ein so weitgehender Erklärungsgehalt kommt der Übereinstimmungsbescheinigung nicht zu. Deren Erklärungswert ist nach dem objektiven Empfängerhorizont zu bemessen, welcher nach Überzeugung des Senats keine Zusicherung der Beklagten bzw. keine Willenserklärung gerichtet auf Abschluss eines Garantievertrages darstellt. Die Beklagte erfüllt mit der EG-Übereinstimmungsbescheinigung eine gesetzliche Verpflichtung, Art. 18 RL 2007/46/EG i.V.m. §§ 6, 27 EG-FGV, welche Voraussetzung für die Erstzulassung des Fahrzeuges ist. Dabei hat die Beklagte dem Fahrzeug eine entsprechende Bescheinigung beizufügen, § 27 EG-FGV. Ausgehend von dieser Verpflichtung der Beklagten, welche zudem gem. § 37 EG-FGV als Ordnungswidrigkeit bewehrt ist, kann der Beigabe der EG-Übereinstimmungsbescheinigung nicht ein Erklärungswert einer Willenserklärung gerichtet auf Abschluss eines Garantievertrages beigemessen werden.
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Die Beklagte will allein die ihr vorgeschriebene Verpflichtung, nämlich die Bescheinigung der Übereinstimmung des Fahrzeuges mit der EG-Typengenehmigung, erfüllen. Eine Garantie, welche einen deutlich darüberhinausgehenden Inhalt aufweist, nämlich die Verpflichtung einzustehen, falls die Sache nicht die vereinbarte Beschaffenheit aufweist oder andere als die Mängelfreiheit betreffende Anforderungen nicht erfüllt, die in der Erklärung oder einschlägigen Werbung beschrieben sind (§ 434 Abs. 1 BGB), wollte die Beklagte damit nicht abgeben (vgl. dazu ausführlich OLG Braunschweig, Urteil vom 19.02.2019 – Az.: 7 U 134/17; OLG München Urt. v. 4.12.2019 – 3 U 3913/19, BeckRS 2019, 34113).
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Wenn sie – über die Erfüllung besagter Verpflichtung hinaus – mit der Ausstellung der Übereinstimmungsbescheinigung darüberhinausgehende, besondere Erklärungen hätte abgeben wollen, wäre eine entsprechend eindeutige Formulierung in der Erklärung zu erwarten gewesen. Eine derartige weitergehende Erklärung hat die Klagepartei jedoch an keiner Stelle dargetan (vgl. OLG Koblenz Beschluss vom 14.9.2020 – 12 U 1831/19, BeckRS 2020, 24349 Rn. 58, 59).
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3. Eine Haftung der Beklagten ergibt sich nach der Rechtsprechung des BGH auch weder aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m § 263 StGB, noch aus § 823 Abs. 2 i.V.m Art. 5 Abs. 2 VO 715/2007/EG oder § 6 Abs. 1, 27 EG-FGV. Die zuletzt genannten Bestimmungen stellen schon keine Schutzgesetze dar (BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19; ebenso bereits Senat, WM 2019, 1937). Für eine Haftung wegen Betruges nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m § 263 StGB fehlt es – wie nachfolgend aufgezeigt – an der hierfür erforderlichen Täuschung seitens der Beklagten.
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4. Auch auf §§ 826, 31 BGB kann die Klagepartei ihre Ansprüche deshalb im vorliegenden Falle nicht stützen.
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a) Zwar haftet die Muttergesellschaft der Beklagten, die V. AG, für die in dem von ihr entwickelten Motor EA189 verbaute Manipulationssoftware grundsätzlich aus § 826 BGB (vgl. grundlegend BGH vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19), soweit der Pkw – wie hier – vor Bekanntwerden des Dieselskandals am 22.09.2015 erworben wurde; dies gilt auch für – wie hier – andere Konzernmarken (BGH vom 23.3.2021 – VI ZR 1180/20). Daraus folgt jedoch nach der Rspr. des BGH nicht ohne Weiteres eine Haftung der hier allein Beklagten A. AG (vgl. BGH, Urteil vom 8. März 2021 – VI ZR 505/19). Daher dürfte die Klagepartei ggf. schlicht den Falschen verklagt haben.
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b) Eine Zurechnung des etwaigen Wissens von Vertretern der V. AG zur Beklagten entsprechend §§ 31, 166 BGB kommt schon aus Rechtsgründen nicht in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 8. März 2021 – VI ZR 505/19).
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Bereits nach bisheriger Rspr. des BGH setzte die Haftung einer juristischen Person aus § 826 BGB i.V.m. § 31 BGB voraus, dass einer ihrer verfassungsmäßig berufenen Vertreter i.S.d. § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB persönlich verwirklicht hat. Über eine Wissenszusammenrechnung führte schon bisher kein Weg zu dem für das Merkmal der Sittenwidrigkeit i.S.d. § 826 BGB erforderlichen moralischen Unwerturteil (so bereits BGH vom 28. Juni 2016 – VI ZR 536/15, NJW 2017, 250 Rn. 13, 22 f., 27 mwN). So wie sich die, die Verwerflichkeit begründende bewusste Täuschung nicht dadurch konstruieren lässt, dass die im Hause der juristischen Person vorhandenen kognitiven Elemente „mosaikartig“ zusammengesetzt werden, weil eine solche Konstruktion dem personalen Charakter der Schadensersatzpflicht gemäß § 826 BGB nicht gerecht würde (Urteil vom 8. März 2021 – VI ZR 505/19, Rn. 23), so lässt sie sich erst recht nicht mit einer Wissenszurechnung über die Grenzen rechtlich selbständiger (Konzern-)Gesellschaften hinaus begründen (BGH aaO Rz. 23 ff.).
35
c) Daher wäre eine Haftung der Beklagten nur möglich, wenn sie bzw. ihre Vertreter den Haftungstatbestand des § 826 BGB vollständig selbst verwirklicht hätten.
36
(1) Das könnte nach der Rspr. des BGH z.B. der Fall sein, wenn nicht nur bei der V. AG als Muttergesellschaft, sondern auch bei der Beklagten eine auf arglistige Täuschung des KBA und letztlich der Fahrzeugerwerber gerichtete Strategieentscheidung getroffen worden wäre oder für die Beklagte handelnde Personen an der von der Muttergesellschaft getroffenen Entscheidung zumindest beteiligt gewesen wären. Außerdem käme ein sittenwidriges Vorgehen der Beklagten dann in Betracht, wenn die für sie handelnden Personen wussten, dass die von der Muttergesellschaft gelieferten Motoren mit einer auf arglistige Täuschung des KBA abzielenden Prüfstanderkennungssoftware ausgestattet waren, und die von der Beklagten hergestellten Fahrzeuge in Kenntnis dieses Umstandes mit diesem Motor versahen und in den Verkehr brachten (BGH, Urteil vom 8. März 2021 – VI ZR 505/19, Rz. 20 f.).
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(2) Für ein derartiges Vorstellungsbild der Vertreter der Beklagten ist die Klagepartei jedoch im Grundsatz voll darlegungs- und beweispflichtig. Eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten zu Vorgängen innerhalb ihres Unternehmens, die auf eine Kenntnis ihrer verfassungsmäßigen Vertreter von der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung schließen lassen sollen, setzt insoweit jedenfalls voraus, dass das (unstreitige oder nachgewiesene) Parteivorbringen hinreichende Anhaltspunkte enthält, die einen solchen Schluss nahelegen. Denn auch die sekundäre Darlegungslast führt weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO) hinausgehenden Verpflichtung des in Anspruch Genommenen, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen (BGH aaO Rz. 27).
38
Der Umstand, dass die Beklagte die von ihrer Muttergesellschaft gelieferten rechtswidrig manipulierten Motoren bzw. das fertige Motorsteuergerät mit der im Auftrag der Muttergesellschaft entwickelten und sodann aufzuspielenden Manipulationssoftware sich liefern hat lassen und dieses Gerät sodann in die teils von ihr nachgebauten und anschließend in ihren Fahrzeugen verbauten EA189Motoren implementiert hat, genügt insoweit nicht. Denn dies allein spricht – auch unter Berücksichtigung der besonderen Bedeutung der Einhaltung gesetzlicher Grenzwerte für den Automobilhersteller und der mit dem Einsatz der rechtswidrigen Abschalteinrichtung verbundenen Risiken noch nicht für die Annahme, die Unternehmensleitung der Beklagten sei in die diesbezügliche strategische Entscheidung ihrer Muttergesellschaft eingebunden gewesen (BGH aaO Rz. 30).
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Außerdem müsste ein – nach ständiger Rspr. des BGH – getrennt von der Sittenwidrigkeit des haftungsbegründenden Verhaltens festzustellender Schädigungsvorsatz eines verfassungsmäßig berufenen Vertreters der Beklagten vorliegen. Insoweit müsste jedenfalls hinsichtlich des Wollenselements des Vorsatzes feststellbar sein, dass Personen, für deren Verhalten die Beklagte nach § 31 BGB einzustehen hat, Kenntnis vom Einsatz der Manipulationssoftware und ihrer Unzulässigkeit besaßen (BGH aaO Rz. 32 f.), für die sich aus dem bloßen Zukauf dieser Komponente nichts ergibt.
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Auch ein Anspruch nach §§ 826, 831 Abs. 1 Satz 1 BGB würde voraussetzen, dass eine nach diesen Grundsätzen als Verrichtungsgehilfe der Beklagten zu qualifizierende Person in Ausführung der Verrichtung den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB verwirklicht hat, wobei grundsätzlich die gleichen Maßstäbe gelten wie oben hinsichtlich der verfassungsmäßig berufenen Vertreter (BGH aaO Rz. 35). Für eine Haftung der Beklagten für das Verhalten ihrer Mitarbeiter unter dem Gesichtspunkt des Organisationsmangels besteht dabei keine Grundlage (BGH aaO Rz. 36).
41
(3) Soweit sich die Klagepartei auf ein Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 04.05.2021, Az. 5 U 2388/20, beruft, wonach die Konzerntochter (hier Beklagte) für das sittenwidrige Verhalten der Konzernmutter (V. AG) unter dem Gesichtspunkt der Repräsentantenhaftung einzustehen haben soll, weil sie dieser die Entwicklung eines Automotors überlassen haben soll, steht dem nach Auffassung des Senats die Rspr. des BGH entgegen.
42
Über den Wortlaut der §§ 30, 31 BGB hinaus hat die Rechtsprechung eine Repräsentantenhaftung für solche Personen entwickelt, denen durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbstständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, so dass sie die juristische Person im Rechtsverkehr repräsentieren (z.B. BGH, Urteil vom 14. 3. 2013 – III ZR 296/11, Rz. 12 ff.). Um eine „Repräsentation im Rechtsverkehr“ geht es hier aber offensichtlich nicht. Es ist z.B. nicht ersichtlich, dass der Leiter der Entwicklungsabteilung der V. AG bei der Motorenentwicklung die hier beklagte A. AG in irgendeiner Art und Weise im Rechtsverkehr repräsentiert hätte (ablehnend gegen diesen Ansatz z.B. auch Oechsler, ZIP 2021, 929, bei Fn. 15).
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Die Repräsentantenhaftung gehört ebenfalls zu den vom BGH aaO im Rahmen von § 826 BGB bereits abgelehnten Grundsätzen der Wissenszurechnung und Wissenszusammenrechnung (i.E. ebenso wohl Oechsler, ZIP 2021, 929, bei Fn. 16). Auch dass für eine Haftung der Beklagten unter dem Gesichtspunkt des Organisationsmangels keine Grundlage besteht, hat der BGH bereits entschieden (BGH aaO Rz. 36; ebenso Oechsler, ZIP 2021, 929, bei Fn. 24 f.). Dass der Umstand, dass die Beklagte die von ihrer Muttergesellschaft entwickelten und gelieferten, rechtswidrig manipulierten Motoren in ihre Fahrzeuge einbaute, für eine Haftung nicht genügt, hat der BGH ebenfalls bereits entschieden. Dass der streitgegenständliche Motor vorliegend möglicherweise von der Beklagten selbst bzw. deren Tochtergesellschaft hergestellt worden ist, steht dem nicht entgegen, da jedenfalls die für die Manipulation maßgebliche Komponente, d.h. das von der V. AG bzw. in deren Auftrag entwickelte Motorsteuergerät nebst SoftwareContainer von der B. GmbH geliefert und sodann eingebaut wurde.
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Im Ergebnis handelt es sich damit um einen schlichten Zukauf von Fahrzeugkomponenten, wie er nicht nur in der Automobilindustrie gang und gäbe ist, ohne dass deshalb bisher eine Wissenszurechnung, soweit ersichtlich, erwogen worden wäre. Es widerspricht auch keineswegs der Lebenserfahrung, dass ein Hersteller von Luxuslimousinen in keiner Weise an der Konfiguration des von ihm verwendeten Motorentyps interessiert gewesen sein soll (so aber Oechsler, ZIP 2021, 929 bei Fn. 26).
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Es besteht vielmehr nach Auffassung des Senats die ernsthafte und naheliegende, klägerseits nicht widerlegte Möglichkeit, dass (auch) die hiesige Beklagte von der V. AG nicht über das Vorhandensein der Umschaltlogik informiert worden ist. Denn welche Mutter(Gesellschaft) würde gegenüber ihrer (Tochter) Gesellschaft, die mit ihrem „Vorsprung durch Technik“ wirbt, schon ohne Not offenbaren, dass sie die einschlägigen Abgasnormen leider nur durch Betrug einhalten kann?
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(4) Soweit Servatius (ZIP 2021, 1144) eine konzernrechtliche Zurechnung für möglich hält, ist anzumerken, dass der BGH dies in Kenntnis der Unternehmensstrukturen ebenfalls nicht erwogen hat, und dass zu einem entsprechenden Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag ebenso jeglicher Vortag fehlt wie zu einer Weisung gem. § 308 AktG.
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(5) Soweit sich der Kläger in erster Instanz auf eine Verfügung des 21. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 05.06.2020 (Az. 21 U 6938/19) sowie ein Urteil vom 08.06.2020 (Az. 21 U 4760/19) bezogen hat (Replik vom 07.09.2020, S. 2 = Bl. 179 d.A.), die eine Haftung der Beklagten als Fahrzeugherstellerin wegen nicht ausreichend substantiierten Bestreitens bejaht hätten, sind die Entscheidungen aufgrund der zwischenzeitlich ergangenen Entscheidung des BGH vom 08. März 2021 überholt.
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d) Daher bedarf es insoweit auch keiner Revisionszulassung durch den Senat. Die aufgeworfenen Rechtsfragen sind nach Auffassung des erkennenden Senats in der Rspr. des BGH bereits sämtlich geklärt.
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Zusammenfassend bleibt es vielmehr dabei, dass nach der Rspr. des BGH eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten bzw. ggf. eine Beweisaufnahme nur dann in Betracht käme, wenn klägerseits unstreitige oder nachgewiesene Anhaltspunkte vorgebracht werden, die den Schluss nahelegen, dass für die Beklagte handelnde Personen wussten, dass die von der Muttergesellschaft gelieferten Motoren mit einer auf arglistige Täuschung des KBA abzielenden Prüfstanderkennungssoftware ausgestattet waren, und die von der Beklagten hergestellten Fahrzeuge in Kenntnis dieses Umstandes mit diesem Motor versahen und in den Verkehr brachten.
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Dafür mag ggf. auch ein bewusstes Sich-Verschließen vor der Wahrheit als Sonderform des Anscheinsbeweises für Wissen und Schädigungsvorsatz ausreichen. Grundsätzlich bejaht der BGH ein bewusstes Sich-Verschließen bereits dann, „wenn die Unkenntnis auf einem gewissenlosen oder grob fahrlässigen (leichtfertigen) Handeln beruht“ (Oechsler, ZIP 2021, 929, 931). Das ändert allerdings nichts daran, dass auch für ein bewusstes Sich-Verschließen klägerseits unstreitige oder nachgewiesene Anhaltspunkte vorgebracht werden müssten.
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(1) Einen entsprechenden Vortrag der Klagepartei in erster Instanz hat das Landgericht hier nicht festgestellt. Er ist auch deren schriftsätzlichem Vortrag dort nicht zu entnehmen:
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(a) In der Klage vom 16.10.2019 wird lediglich zu Verfehlungen ausgeführt, die von Personen begangen wurden, die für die V. AG gehandelt hätten. Acht Ingenieure der V.AG hätten gestanden, nach einer Entwicklungszeit seit 2005 ab 2008 besagte Software in alle EA189 Motoren integriert zu haben. Die Anweisung zur Installation der Manipulationssoftware sei einem Bericht von Focus online vom 20.09.2015 zufolge angeblich vom damaligen Entwicklungsvorstand der V. AG U.H. erteilt worden. Laut einem Bericht der Zeit vom 22.01.2016 seien viele V.-Führungskräfte offenbar Mitwisser gewesen. Die Klagepartei führt dann aus, dass sich der gesamte Vortrag, der die V. AG beträfe, auch auf die Beklagte übertragen ließe, da es sich weitgehend um arbeitsteilige Prozesse handele, und aufgrund von Überkreuzregelungen im Vorstand der V. AG und der Beklagten daher auch Personenidentität der Vorstände bestehe. Daher seien die maßgeblichen Entscheidungen zum Einbau der Software der R. B. GmbH in die Motorsteuerung sowohl vom Vorstand der Beklagten als auch von dem der V. AG getroffen worden.
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In der Replik vom 07.09.2020 (Bl. 178 ff. d.A.) wird u.a. erneut vorgetragen, dass Überkreuzregelungen der Vorstände der einzelnen mit der V. AG verbundenen Unternehmen dazu geführt hätten, dass die wesentlichen Entscheidungen von denselben Entscheidungsträgern getroffen worden seien. Auf die Ausführungen im Schriftsatz, insbesondere zur Zeitachse, wird insoweit Bezug genommen. Ferner wird vorgetragen, dass sich die Beklagte in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren zu ihrer Verantwortung im sog. Dieselskandal bekannt habe. Gegenstand des Vorwurfs seien die von dieser hergestellten und vertriebenen Dieselaggregate gewesen, wobei das Verfahren auch den streitgegenständlichen EA189 Motor beinhaltet habe.
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(b) Dem Vorbringen der Klagepartei sind jedoch hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass für die Beklagte handelnde Personen in die auf eine arglistige Täuschung des KBA und letztlich der Fahrzeugerwerber gerichtete Strategieentscheidung zum Einbau der sog. Umschaltlogik eingebunden gewesen wären, nicht zu entnehmen.
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aa) Dr. W. war vielmehr nach Klagevortrag bereits Anfang 2007, d.h. noch deutlich vor Einsatz der Manipulationssoftware, von der Beklagten als Vorstand zur V. AG gewechselt und mit ihm der vormalige Motorenentwicklungschef der Beklagten H. Gleiches gilt nach den Darlegungen der Klagepartei für den damals leitenden und für Emissionen verantwortlichen Ingenieur der Beklagten H. Dass letzterer vor Inverkehrbringen des streitgegenständlichen Fahrzeugs (EZ: 17.06.2009) wieder zur Beklagten zurückgekehrt wäre, hat die Klagepartei nicht vorgetragen.
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Soweit die Klagepartei geltend macht, dass Dr. W. zu der Zeit, als er Vorstandsvorsitzender der Beklagten war (2002 – 2007) gleichzeitig als leitender Entwicklungschef bei der V. AG mitverantwortlich für die Entwicklung der Betrugssoftware gewesen sei (Bl. 475 d.A.), fehlen schon jegliche Anhaltspunkte dafür, dass Dr. W. zu diesem Zeitpunkt von der Verwendung der Betrugssoftware im Motor EA 189 gewusst hätte. Auch sonst würde dies nicht dazu führen, dass der Beklagten deshalb eine etwaige Kenntnis des Dr. W. von der Implementierung einer Manipulationssoftware im Motor EA 189 zuzurechnen wäre. Denn eine Zurechnung des behaupteten, im Rahmen der Zugehörigkeit zur V. AG erworbenen Wissens der oben bezeichneten Personen zur hier Beklagten A. AG wäre schon aus Rechtsgründen nicht möglich. Nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG haben Vorstände über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft, namentlich Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, die den Vorstandsmitgliedern durch ihre Tätigkeit im Vorstand bekanntgeworden sind, Stillschweigen zu bewahren. Auch ausgeschiedene Organmitglieder müssen weiter Stillschweigen über die vertraulichen Angaben und Geschäftsgeheimnisse wahren, die ihnen während ihrer Amtszeit bekanntgeworden sind. Das folgt aus der nachwirkenden Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft, ohne dass es einer vertraglichen Vereinbarung bedarf (BeckOGK/ Fleischer, 1.2.2021, AktG § 93 Rn. 194). Daher kommt in diesen Fällen auch eine Wissenszurechnung nicht in Betracht (BGH, Urteil vom 26. April 2016 – XI ZR 108/15 zu einem Aufsichtsrat, der vom Vorstand des anderen Unternehmens dorthin entsandt worden war; Habersack in: Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Auflage 2008, § 116 Rn 56-57; Hopt/Roth in: Hirte/Mülbert/ Roth, Aktiengesetz Großkommentar, 5. Aufl. 2018, § 116; Seibt in: Schmidt, K./Lutter, AktG, 4. Aufl. 2020, § 78 AktG, Rn. 10).
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bb) Auch dafür, dass der neue Vorstandsvorsitzende der Beklagten S. in irgendeiner Form beteiligt gewesen sein sollte, ergibt sich nichts. Im Gegenteil sprechen die Vorwürfe, die gegen ihn erhoben wurden, für eine allenfalls nachträgliche Kenntniserlangung. Außerdem war – was auch für sonstige in Bezug genommene Personen gilt – der bloße Hinweis auf entsprechende staatsanwaltschaftliche Ermittlungen ohnehin nicht ausreichend. Denn ein Anspruchsteller kann seinen Anspruch im Zivilprozess zwar durch konkrete Bezugnahme auf ein als Anlage vorgelegtes, ausführlich begründetes rechtskräftiges Strafurteil schlüssig darlegen (BGH, Beschluss vom 25. September 2018 – VI ZR 443/16, Rz. 9 ff.); dass er dies auch durch pauschale Bezugnahme auf ein Ermittlungsverfahren könnte, wird aber, soweit ersichtlich, nicht vertreten.
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Dem Klägervortrag sind damit keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass und weshalb für die Beklagte handelnde Personen gewusst haben sollten, dass die von der Muttergesellschaft, d.h. der V. AG gelieferten Motoren mit einer auf arglistige Täuschung des KBA abzielenden Prüfstanderkennungssoftware ausgestattet waren. Auch den in Bezug genommenen strafrechtlichen Ermittlungen ist – wie dargelegt – eine entsprechende Kenntnis des Vorstandsvorsitzenden Stadler schon damals nicht zu entnehmen.
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cc) Auch das in Bezug genommene Ordnungswidrigkeitenverfahren enthielt keinen Hinweis auf eine entsprechende Kenntnis seitens der Beklagten. So lässt sich dem klägerischen Vortrag bereits nicht entnehmen, dass es sich nicht nur um einen eingeräumten Organisationsmangel gehandelt hat und weshalb sich das diesbezüglich angeführte Bekennen der Beklagten zu ihrer Verantwortung im Dieselskandal auch auf den Motor EA189 der V.AG bezogen haben soll. So wurden nach den Darlegungen der Klagepartei letztlich nur Vorwürfe gegen die Beklagte in Bezug auf die von ihr hergestellten Dieselaggregate und nicht den von der V. AG entwickelten Motor EA 189 erhoben, obwohl dieser auch Gegenstand des Verfahrens war.
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dd) Der Hinweis des Klägers auf das Vorliegen eines Baukastensystems bzw. auf weitgehend arbeitsteilige Prozesse vermag eine Kenntnis von Mitarbeitern der Beklagten über eine in der Motorsteuerungssoftware verbaute Umschaltlogik gleichfalls nicht zu begründen. Auch wenn das von der Beklagten in Verkehr gebrachte Fahrzeug als Gemeinschaftsentwicklung zu bezeichnen wäre, da es unstreitig in Gestalt des in ihm verbauten Motors EA189 eine von der V. AG entwickelte Komponente enthielt, weist dies allein jedoch nicht darauf hin, dass die Beklagte bzw. deren Mitarbeiter daher Kenntnis von einer in die Motorsteuerungssoftware integrierten Prüfstandserkennungssoftware besaßen. Die Klagepartei hat hierzu selbst in der Klage ausgeführt (dort S. 8), die V. AG habe für das streitgegenständliche Fahrzeug die Motoren gebaut und für dieses Fahrzeug die Systemsteuerungssoftware abgestimmt, bevor diese dann zur Endmontage an das jeweilige Werk weitergeleitet worden sei. Danach oblag der Beklagten nur noch der Einbau, ist also gerade nicht davon auszugehen, dass diese sich noch im Detail bzw. überhaupt mit der genauen Funktionsweise des Abgasrückführungssystems auseinandergesetzt hätte.
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(2) Auch in der Berufungsinstanz ist der Klagepartei nicht gelungen, greifbare Anhaltspunkte dafür aufzuzeigen, dass für die Beklagte handelnde Personen wussten, dass der im streitgegenständlichen Fahrzeug verbaute Motor bzw. das Motorsteuerungsgerät mit einer auf arglistige Täuschung des KBA abzielenden Prüfstanderkennungssoftware ausgestattet war, und von der Beklagten in Kenntnis dieses Umstandes in den Verkehr gebracht wurde. Vielmehr wird im Wesentlichen erstinstanzlicher Vortrag wiederholt. Soweit die Klagepartei aus einer angeblich in den von der Beklagten entwickelten 3 l-Dieselmotoren enthaltenen Abschalteinrichtung darauf schließt, die Beklagte habe auch von der Verwendung einer entsprechenden Abschalteinrichtung im von der V. AG entwickelten Motor EA189 gewusst (so wohl auch Oechsler, ZIP 2021, 929, bei Fn. 28 unter Hinweis auf OLG München v. 30.11.2020 – 21 U 3457/19, juris Rz. 52), überzeugt dies den erkennenden Senat nicht.
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Durch die „Akustikfunktion“ soll ausweislich eines von der Klagepartei in Bezug genommenen Gutachtens (Schriftsatz vom 07.09.2020, S. 3 = Bl. 180 d.A.; Anl. K 12) die Einspritzstrategie des Dieselkraftstoffs in den Audi 3 l-Motoren verändert werden, wodurch der Raildruck, die Kraftstoffzumessung und der Einspritzzeitpunkt beeinflusst werde sowie insbesondere die damit korrespondierende Abgasrückführungsrate(AGR-Rate) angepasst – vermindert – werde. Damit wird schon eine Prüfstanderkennungsfunktion i.S.d. Rspr. des BGH nicht schlüssig dargelegt. Denn es ist nicht vorgetragen, dass und wie diese Funktion dazu führen würde, dass bei erkanntem Prüfstandbetrieb eine verstärkte Abgasrückführung aktiviert und der Stickoxidausstoß gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduziert wird, und deshalb nicht in beiden Fahrsituationen im Grundsatz in gleicher Weise arbeiten würde (vgl. BGH, Beschluss vom 9. März 2021 – VI ZR 889/20, Rz. 27, zum Software-Update für den V.-Motor EA189). Damit entspricht die klägerseits nunmehr beschriebene angebliche „Akustikfunktion“ in den Audi-3 l-Motoren auch nicht der vom BGH in dem V.-Motor EA 189 festgestellten „Umschaltlogik“. Schon deshalb ist der angestrebte Rückschluss nicht möglich.
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Auch sonst erschiene der angestrebte Rückschluss dem Senat nicht überzeugend. Es ist inzwischen gerichtsbekannt, dass in der fraglichen Zeit viele Motorenhersteller unterschiedlichste Abschalteinrichtungen in ihre Motoren implementiert haben. Manche dieser Abschalteinrichtungen waren als Prüfstandserkennungsfunktion offensichtlich sittenwidrig (z.B. EA 189), andere selbst dann, wenn sie verwaltungsrechtlich unzulässig gewesen sein sollten, nur unter bestimmten zusätzlichen Umständen (insbes. sog. „Thermofenster“ vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 – VI ZR 433/19, zum Daimler-Motor OM 651). Bei dieser Sachlage könnte aus dem Umstand, dass ein Motorenhersteller selbst eine sittenwidrige Abschalteinrichtung verwendet hat, nicht verlässlich darauf geschlossen werden, er habe deshalb auch zumindest billigend in Kauf genommen, dass auch sein Lieferant eines völlig anderen Motors eine vergleichbare sittenwidrige Abschalteinrichtung verwendet (und nicht etwa nur ein sog. „Thermofenster“).
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Soweit die Klagepartei im Termin am 08.07.21 nunmehr ebenso verspätet wie unsubstantiiert behauptet hat, dass durch die von der Beklagten entwickelte, der V. AG zugänglich gemachte Akustikfunktion die Manipulation beim Motor EA189 erst möglich geworden sei, fehlen hierfür gleichfalls hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte.
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Da der Kläger seine Anschlussberufung im Termin zurückgenommen hat, war die durch die Rücknahme eingetretene Wirkung des Verlustes des eingelegten Rechtsmittels im Tenor des Urteils auszusprechen (§ 516 Abs. 3 S. 2).
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1. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 516 ZPO.
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2. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.
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3. Anlass zur Zulassung der Revision besteht nicht. Die Rechtslage ist spätestens durch das Urteil des BGH vom 8. März 2021 – VI ZR 505/19, hinreichend geklärt. Der Senat hat die Rspr. des BGH seiner Entscheidung zugrunde gelegt, sodass für ihn eine zulassungspflichtige Divergenz zu anderen obergerichtlichen Entscheidungen nicht bestehen kann (vgl. BFH, Beschluss vom 16.12.2020 – I B 1/20, BeckRS 2020, 44433). Unterschiedliche tatrichterliche Auslegungen – etwa zu der Frage, ob gewisse Umstände hinreichende Anhaltspunkte für eine Kenntnis der Beklagten darstellen – würden außerdem nicht zwangsläufig zu einer Divergenz im Sinne des Revisionsrechts führen. Gelangt ein Berufungsgericht im Einzelfall trotz identischen Sachverhalts zu einem anderen Ergebnis als ein anderes gleich- oder höherrangiges Gericht, so begründet dies für sich allein nicht die Notwendigkeit der Revisionszulassung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Es kommt vielmehr darauf an, ob eine Divergenz in Rechtsfragen oder ein Rechtsfehler mit symptomatischer Bedeutung vorliegt (BGH, Beschluss vom 16.09.2003 – XI ZR 238/02). Beides ist hier nach Einschätzung des Senats nicht der Fall.