Inhalt

OLG München, Beschluss v. 30.06.2021 – 1 U 2144/20
Titel:

Kostentragung eines Rechtsanwalts nach dem Veranlassungsprinzip bei Unkenntnis der Unwirksamkeit der Vollmacht

Normenkette:
ZPO § 88, § 91, § 522 Abs. 1
Leitsatz:
Hat ein Rechtsanwalt für die Partei Berufung eingelegt, ohne zu wissen, dass die ihm dafür erteilte Vollmacht unwirksam ist, sind ihm trotzdem die Kosten der als unzulässig verworfenen Berufung aufzuerlegen. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Berufung, Unzulässigkeit, fehlende Vollmacht, Kosten, Veranlassungsprinzip, Rechtsanwalt, Unkenntnis
Vorinstanzen:
OLG München, Hinweisbeschluss vom 07.06.2021 – 1 U 2144/20
OLG München, Beschluss vom 11.01.2021 – 1 U 2144/20
LG München I, Urteil vom 03.03.2020 – 5 O 13932/17
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 23.01.2024 – VI ZB 88/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 65808

Tenor

1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 03.03.2020, Aktenzeichen 5 O 13932/17, wird verworfen.
2. Die Rechtsanwälte H. & L. sowie Rechtsanwalt M. W. haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 606.801,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts München I vom 03.03.2020 Bezug genommen.
2
Im Berufungsverfahren wird beantragt,
Das Endurteil des Landgerichts München I vom 03.03.2020 wird aufgehoben.
3
Die Beklagten zu 1) und 3) werden gesamtschuldnerisch verurteilt, der Klägerin sämtliche Schäden zu ersetzen, die ihr und ihrer Rechtsvorgängerin B. B. GmbH dadurch entstanden sind und noch entstehen, dass die Beklagten zu 1) und 3) die Entscheidungen in den Verfahren vor dem LG München I (5 O 13597/09), OLG München (28 U 1974/12) und BGH (VII ZR 68/12) u.a. mit den wahrheitswidrigen Tatsachenbehauptungen und Falschaussagen erschlichen haben, dass am 26./27.09.2007 vereinbart worden sei, dass ein unbegrenzter Selbstkostenerstattungsvertrag geschlossen worden sei und dass es keine Einheitspreise mehr gäbe.
Hilfsweise:
4
Die Beklagten zu 1) und 3) werden gesamtschuldnerisch verurteilt, der Klägerin sämtliche Schäden zu ersetzen, die ihr und ihrer Rechtsvorgängerin B. B. GmbH dadurch entstanden sind und noch entstehen, dass die Beklagten zu 1) und 3) die Entscheidungen in den Verfahren vor dem LG München I (5 O 13597/09), OLG München (28 U 1974/12) und BGH (VII ZR 68/12) mit wahrheitswidrigen Tatsachenbehauptungen und Falschaussagen, insbesondere – mit der bewusst wahrheitswidrigen Tatsachenbehauptung des Beklagten zu 1), dass am 26. /27.09.2007 ein unbegrenzter Selbstkostenerstattungsvertrag geschlossen worden sei und – mit der Behauptung/Falschaussage des Beklagten zu 3 vom 22.02.2011, es sei am 26.09.2007 vereinbart worden, dass es keine Einheitspreise mehr gäbe, erschlichen haben.
5
Die Beklagten zu 1) und 3) beantragen,
die Berufung als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen.
II.
6
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 03.03.2020, Az. 5 O 13932/17, war gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht in der gesetzlichen Form eingelegt und begründet worden ist. Auf die Ausführungen im Hinweisbeschluss vom 07.06.2021 wird Bezug genommen. Auch die Gegenerklärung vom 28.06.2021 gibt zu einer Änderung keinen Anlass. Die von dem Senat im Hinweisbeschluss angeregte Rücknahme der unzulässigen Berufung wäre möglich gewesen, wenn die Klägerin die Rechtsanwälte H. & L. hierzu ordnungsgemäß bevollmächtigt hätte. Soweit der Senat im Hinweisbeschluss weiter ausgeführt hat, die Kostenerstattungsansprüche der Prozessbevollmächtigten der Beklagten erschienen gefährdet, war damit erkennbar der Kostenerstattungsanspruch nach § 91 ZPO gemeint, der im Kostenfestsetzungsverfahren regelmäßig von dem Prozessbevollmächtigten der Partei verfolgt wird.
III.
7
Bei vollmachtloser Vertretung sind die Kosten des Rechtsstreits (bzw. hier: des Rechtsmittels) nach dem Veranlassungsprinzip demjenigen Verfahrensbeteiligten aufzuerlegen, der das Auftreten des falschen Vertreters veranlasst hat. Ist der Vertreter in Kenntnis der Unwirksamkeit der Vollmacht für die Partei aufgetreten, sind (auch) ihm, nicht aber der Partei die Kosten aufzuerlegen (vgl. Zöller/Althammer, ZPO 33. Aufl. § 88 Rn. 11 mwN). Nach diesen Grundsätzen haftet zunächst Rechtsanwalt M. W. persönlich für die Kostenerstattung, weil er wissen musste, dass die ihm erteilte Generalvollmacht vom 14.12.2012 nicht die Führung des vorliegenden Anwaltsprozesses umfasste. Darüber hinaus war ihm auch bewusst, dass er die Generalvollmacht dazu missbrauchte, die Rechtsanwälte H. & L. mit Führung eines von vornherein aussichtlosen Rechtsstreits bzw. der Einlegung eines von vornherein aussichtslosen Rechtsmittels auf Kosten der Klägerin zu mandatieren. Da aber diese Tatsache zur Überzeugung des Senats auch den Rechtsanwälten H. & L. bekannt war, haben auch sie die Kosten des unzulässigen Rechtsmittels zu tragen.
IV.
8
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.