Inhalt

OLG München, Beschluss v. 19.11.2021 – 8 U 1340/20
Titel:

Zurückweisung neuen Vorbringens im Berufungsverfahren

Normenkette:
ZPO § 296 Abs. 1, § 522 Abs. 2 S. 2, § 530
Leitsatz:
Die einer Partei eingeräumte Frist zur Stellungnahme gem. § 522 Abs. 2 S. 2 ZPO ermöglicht nicht etwa eine Art "zweite Berufungsbegründung". In den weiteren Schriftsätzen im Berufungsverfahren enthaltene neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind daher gem. §§ 530, 296 I ZPO zwingend zurückzuweisen. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Berufung, neues Vorbringen, Zurückweisung
Vorinstanz:
LG München II, Endurteil vom 07.02.2020 – 10 O 557/19
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 21.02.2024 – XII ZR 103/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 65636

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 07.02.2020, (Az. 10 O 557/19), wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Arrestbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 25.000,- € festgesetzt.

Gründe

Tatsächliche Feststellungen
1
Der Kläger macht Rückzahlungsansprüche aus übergeleitetem Recht (§ 93 SGB XII) gegenüber der Beklagten als gerichtlich bestellter Betreuerin der zwischenzeitlich verstorbenen Hilfeempfängerin E. K. geltend.
2
Die Beklagte ist die Tochter der zwischenzeitlich (....2019) verstorbenen Frau E. K., die sich seit 17.8.2010 zunächst als Selbstzahlerin (bis 31.08.2013) im M.stift in M. befand; ab 01.09.2013 (bis 31.07.2013) erbrachte der Kläger Sozialleistungen an diese.
3
Die Beklagte wurde mit Beschluss des Amtsgerichts München – Betreuungsgericht – vom 11.11.2010 u.a. für den Aufgabenkreis Vermögenssorge als Betreuerin ihrer Mutter bestellt. Die Betreute unterhielt während ihres Aufenthalts im M.stift ein Girokonto bei der S.sparkasse M. (Kontonummer: …71). Von diesem tätigte die Beklagte im Zeitraum vom 17.08.2010 bis 16.10.2013 Überweisungen und Barabhebungen verschiedener Teilbeträge in Höhe von insgesamt 27.120,- €.
4
Mit Bescheid vom 03.02.2017 leitete der Kläger einen behaupteten Herausgabeanspruch der Betreuten gegen die Beklagte wegen ungerechtfertigter Bereicherung auf sich über. Er macht geltend, dass die Beklagte – mit Ausnahme von 2.320,- € – den Gesamtbetrag nicht bestimmungsgemäß für die von ihr Betreute bzw. deren Zwecke verwendet, sondern für sich selbst vereinnahmt habe. Die für die bestimmungsgemäße Verwendung darlegungs- und beweisbelastete Beklagten habe nicht nachweisen können, dass sie die im Einzelnen streitgegenständlichen Beträge für die Betreute verausgabt habe. Zahlreiche vorgelegte Quittungen (u.a. Damenringelshirt Größe 38, Bikinitop, USB-Stick M., Herrenbekleidung) beträfen zudem Positionen, die sich nicht auf Ausgaben für die Betreute beziehen könnten. Für persönliche Bedürfnisse der Betreuten sei im Übrigen beim M.stift ein sog. BBV-Konto geführt worden, auf welches im Zeitraum 18.8.2010 bis 1.10.2011 ein Betrag in Höhe vom 2.320,- € eingezahlt worden sei, so dass der geltend gemachte Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung um diesen Betrag zu kürzen sei.
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Die Beklagte habe dem Kläger auch zu keiner Zeit Rechenschaft in Form einer nachvollziehbaren Aufstellung der Verwendung der Gelder der Betreuten gegeben.
6
Die Beklagte hat bestritten, die streitgegenständlichen Gelder der Betreuten für sich selbst verwendet zu haben. Vielmehr habe die Betreute einen hohen Anspruch hinsichtlich ihrer Versorgung und ihren persönlichen Bedürfnissen gehabt, zu deren Erfüllung sie als Betreuerin verpflichtet gewesen sei. Es habe auch dem Wunsch der Betreuten entsprochen, Zuwendungen an nahe Verwandte für von diesen erbrachte Hilfeleistungen sowie Geldgeschenke z.B. zu Weihnachten zu erbringen. Die Beklagte habe, soweit noch möglich, vorprozessual umfassend Auskunft über die Verwendung der Gelder erteilt und Belege vorgelegt. Ein Teil der Belege sei nicht mehr lesbar gewesen und daher von ihr entsorgt worden. Nach Auskunft des Betreuungsgerichts sei sie als Tochter der Betreuten kraft Gesetzes von der Pflicht zur Erstellung einer Abrechnung befreit gewesen. Das procedere der Geldüberweisung vom Konto der Betreuten auf das Konto ihres Ehemannes sei zur Vermeidung von anfallenden Gebühren für eine Abhebung an nicht zur S.sparkasse gehörenden Automaten erfolgt, da die K.sparkasse im Landkreis S. und die S.sparkasse M., bei welcher die Betreute ihr Girokonto gehabt habe, seinerzeit nicht zusammengearbeitet hätten.
7
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da die Beklagte der ihr obliegenden sekundären Darlegungslast bezüglich der Verwendung der unstreitig vom Konto der Hilfeempfängerin abgehobenen bzw. überwiesenen Beträge im Einzelnen hinreichend nachgekommen sei, der Kläger indes nicht nachgewiesen habe, dass die Beklagte die streitgegenständlichen Beträge nicht bestimmungsgemäß verwendet habe. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Feststellungen im landgerichtlichen Urteil Bezug genommen.
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Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit welcher dieser seine erstinstanzlichen Anträge auf Zahlung von 24.800,- € nebst Zinsen sowie vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.224,84 € nebst Zinsen in vollem Umfang weiterverfolgt (LGU S. 5).
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Mit Hinweisbeschluss des Senats vom 07.10.2021 (Bl. 149/158 d.A.), auf den Bezug genommen wird, wurde der Kläger unter Fristsetzung zum 05.11.2021 darauf hingewiesen, dass und warum der Senat beabsichtigt, seine Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen. Hierzu hat er inhaltlich mit Schriftsatz vom 05.11.2021 Stellung genommen.
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Bezüglich der näheren Einzelheiten wird auf den Inhalt des angegriffenen Urteils, die Ausführungen im Hinweisbeschluss des Senats vom 07.10.2021 sowie auf die Schriftsätze der Parteien im Berufungsverfahren verwiesen.
Begründung
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Die zulässige Berufung des Klägers ist im Beschlusswege als unbegründet zurückzuweisen, da sämtliche Voraussetzungen hierfür gemäß § 522 II ZPO vorliegen. Die Berufung des Klägers hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, § 522 II Nr. 1 ZPO.
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Zur Begründung seiner Entscheidung nimmt der Senat auf seinen Hinweisbeschluss vom 07.10.2021 (Bl. 149/158 d.A.) Bezug, in welchem er seine leitenden Erwägungen zum Ausdruck gebracht hat. Der hierauf inhaltlich erwidernde Schriftsatz des Klägers vom 05.11.2021 sowie die mit Schriftsatz vom 08.11.2021 vorgelegten Anlagen sind nicht geeignet, die in diesem Beschluss aufgeführten Argumente zu entkräften bzw. der Berufung des Klägers zum Erfolg zu verhelfen.
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1. Vorauszuschicken ist, dass soweit in der Gegenerklärung noch neu vorgetragen wird, die der Klagepartei eingeräumte Frist zur Stellungnahme gem. § 522 II 2 ZPO nicht etwa eine Art „zweite Berufungsbegründung“ ermöglicht. In den weiteren Schriftsätzen im Berufungsverfahren enthaltene neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind deshalb bereits gemäß §§ 530, 296 I ZPO zwingend zurückzuweisen (vgl. z.B. Thomas/Putzo, ZPO, 39. Aufl. 2018, § 530 Rnr. 4; Rimmelspacher in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, § 522 Rnr. 29).
14
a) Soweit der Kläger geltend macht, dass der Senat erstmals im Hinweis vom 07.10.2021 Ausführungen dazu gemacht habe, dass der Rechnungslegungsanspruch gegenüber der Beklagten rechtsmissbräuchlich sei (§ 242 BGB), so dass neuer Sachvortrag der Klagepartei daher gemäß § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen sei, verkennt er, dass es sich insoweit lediglich um eine neue rechtliche Begründung für die vom Erstgericht in der angegriffenen Entscheidung zwar verkannte Darlegungs- und Beweislast der Beklagten für die bestimmungsgemäße Verwendung der streitgegenständlichen Beträge, die sich jedoch im Ergebnis als richtig erwies, wie bereits im Hinweisbeschluss dargelegt wurde handelte (dort S. 5 ff.).
Aus diesem Grund ist der neue Vortrag im Schriftsatz vom 05.11.2021 (S. 7 ff.) präkludiert; es hätte bereits in der Berufungsbegründung festhalten werden können und müssen
15
b) Soweit der Kläger nunmehr ergänzend vorträgt, dass die von der Beklagten gegebene Erläuterung zu den in der Aufstellung K 20 a enthaltenen Ausgaben für Wäsche, Kosmetika, Confiserie, Blumen und Möbel (Schriftsatz vom 5.11.2021, S. 15/16) nach Rückfrage bei der Heimleiterin unglaubwürdig sei und sich auch die aufgelisteten Positionen in dem von der Beklagten erstinstanzlich vorgelegten Anlagenkonvolut B 2 nicht auf Ausgaben für die Betreute beziehen könnten (S. 16 f.), ist auch dieser Vortrag als verspätet zurückzuweisen, da er zu dem vom Landgericht zugelassenen Vorbringen der Beklagten im Schriftsatz vom 5.1.2020 erfolgt, dessen rechtsfehlerhafte Zulassung durch das Erstgericht die Klagepartei mit ihrer Berufung gerügt hat, so dass die Klagepartei hierzu daher in der Berufungsbegründung hätte vortragen müssen.
2. Vorbringen im Schriftsatz vom 08.11.2021
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a) Der Kläger wendet sich gegen die Auffassung des Senats (dort S. 2 f. unter II. 1.), dass das angegriffene Urteil jedenfalls nicht auf dem gerügten Verfahrensverstoß des Erstgerichts beruhe und macht geltend, dass die vom Senat zitierte Entscheidung des BGH vom 27.02.2019 (NJW-RR 2019, 719) hier nicht einschlägig sei, da die speziellen revisionsrechtlichen Maßstäbe, die das Revisionsgericht bei der Überprüfung des Berufungsurteils anzulegen habe, im Berufungsverfahren nicht gelten würden (Schriftsatz vom 5.11.2021, S. 2 ff.). Hierbei verkennt die Klagepartei jedoch, dass der BGH sowohl in der im Hinweisbeschluss genannten Entscheidung wie auch in den von ihr zitierten Urteilen (Schriftsatz vom 05.11.2021, S. 3 ff.) ausgeführt hat, dass das Berufungsgericht zwar gemäß § 531 Abs. 2 ZPO das erstinstanzliche Urteil in erster Linie mit dem Ziel der Fehlerkontrolle und Fehlerbeseitigung überprüfen und neuen Tatsachenvortrag daher nur in Ausnahmefällen berücksichtigen solle; habe es neues Vorbringen jedoch bereits zugelassen, bestehe kein Grund, den in der Berufung entgegen § 531 Abs. 2 ZPO bereits berücksichtigten Sachvortrag nachträglich wieder auszuscheiden und damit eine Entscheidung in Kauf zu nehmen, die dem wahren Sachverhalte nicht in jeder Hinsicht entspreche, es sei denn, das Berufungsgericht hätte willkürlich gehandelt (BGH, Urteil vom 02.04.2004, NJW 2004, 2382 unter Verweis auf BVerfGE 3, 359, 365), was klägerseits im konkreten Fall nicht behauptet wird. Die gleichen Erwägungen gelten auch im Berufungsverfahren, soweit das Landgericht – unterstellt – entgegen §§ 156, 296a ZPO Vorbringen berücksichtigt. Denn auch der Senat könnte dieses vom Landgericht zugelassene Vorbringen nicht mehr anstelle des Landgerichts als verspätet zurückweisen. Auf die Ausführungen im Hinweisbeschluss vom 7.10.2021 (dort S. 3) wird insoweit Bezug genommen.
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b) Soweit der Kläger die Verletzung rechtlichen Gehörs rügt (Schriftsatz vom 5.11.2021, S. 2), da das Erstgericht die grundsätzliche Verteilung der Darlegungs- und Beweislast verkannt habe, beruht das angegriffene Urteil jedenfalls nicht auf dem Verfahrensverstoß, da der Kläger nicht dargelegt hat, was er andernfalls vorgetragen hätte.
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c) Ohne Erfolg rügt der Kläger eine vorweggenommene Beweiswürdigung durch den Senat, da dieser die Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 7.1.2020 ohne Vorliegen einer Stellungnahme des Klägers – welche diesem unter Verletzung des rechtlichen Gehörs versagt worden sei – gewürdigt habe (Schriftsatz vom 5.11.2021, S. 7). Denn der vom Erstgericht zugelassene Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 7.1.2020 (sh.vorstehend unter a)) ist Gegenstand der landgerichtlichen Feststellungen, an welche der Senat gebunden ist und die er seiner Entscheidung gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO im Rahmen einer Gesamtwürdigung zugrunde zu legen hat.
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Soweit der Kläger weiter geltend macht, dass der Senat die von der Beklagten im Rahmen ihrer informatorischen Anhörung gemachten Angaben nicht als Beweis hätte werten dürfen, da erhebliche rechtliche und praktische Unterschiede zwischen der informatorischen Anhörung und der Parteivernehmung bestünden (Schriftsatz vom 5.11.2021, S. 7), ist der Einwand unbehelflich, da die Beklagte nicht beweisbelastet ist und daher keinen Beweis zu erbringen hat. Nach der im Hinweisbeschluss zitierten Entscheidung des BGH (Urteil vom 18.11.1986 – VIa ZR 79/85) ist der Beauftragte von der Beweislast für den Verbleib des aus der Geschäftsbesorgung Erlangten entbunden, wenn er nach Treu und Glauben nicht mehr damit zu rechnen brauchte, hierüber Rechenschaft ablegen zu müssen. So verhält es sich im vorliegenden Fall, wie der Senat im Hinweisbeschluss dargelegt hat (dort S. 6 ff.).
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d) Soweit der Kläger ferner geltend macht, dass sich der vorliegende Sachverhalt grundsätzlich von der im Hinweisbeschluss zitierten Entscheidung des OLG Düsseldorf (Urteil vom 23.09.1998 – Az. 11 U 77/07) unterscheide, ist zunächst festzustellen, dass der Senat seine Entscheidung maßgeblich auf die höchstrichterlichen Rechtssätze des BGH in der zitierten Entscheidung (Urteil vom 18.11.1986 – VIa ZR 79/85) gestützt hat und die aus seiner Sicht zutreffende Entscheidung des OLG Düsseldorf ergänzend herangezogen hat. Mit seinem Einwand, dass es sich – anders als in dem vom OLG Düsseldorf entschiedenen Fall – vorliegend um einen Auskunfts- und Zahlungsanspruch handele, der erst mit Stellung des Sozialhilfeantrags (August 2013) ersichtlich geworden sei und sich gegen die Beklagte als Empfängerin des Geldes richte, die sich wie jeder Verwalter von Geldern darauf einzustellen habe, dass von ihr Rechenschaft gefordert werde, sodass die Entscheidung nicht einschlägig sei, dringt der Kläger nicht durch.
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Zwar ist der Betreuer grundsätzlich kraft Gesetzes ab seiner Bestellung gemäß §§ 1908 i, 1840 BGB dem Betreuungsgericht zur jährlichen Rechenschaft verpflichtet; erst nach Beendigung seines Amtes hat er dem Betreuten bzw. dessen Nachfolger über die Verwaltung in einer Schlussrechnung nach §§ 259 ff. BGB oder nach Satz 2 in Anknüpfung an die dem Betreuungsgericht gelegten Jahresrechnungen gemäß §§ 1840, 1841 BGB Rechenschaft zu legen. Vorliegend war die Beklagte jedoch, wie bereits ausgeführt, als Tochter der Beklagten von einer laufenden Rechenschaftslegung gegenüber dem Betreuungsgericht seit ihrer Bestellung als Betreuerin am 11.11.2010 befreit. Nach Beendigung der Betreuung aufgrund des Ablebens der Betreuten bestand für die Beklagte als gesetzliche Erbin ihrer Mutter gleichfalls keine Verpflichtung zur abschließenden Rechenschaftslegung mehr. Die Beklagte musste daher seit Bestellung als gesetzlicher Betreuerin ihrer Mutter nicht mehr damit rechnen, dass nach Ablauf von drei Jahren noch eine Rechnungslegung aufgrund übergeleiteter Ansprüche der Betreuten von ihr verlangt würde. Der Sachverhalt ist daher mit dem vom OLG Düsseldorf entschiedenen Fall vergleichbar, in welchem während eines Zeitraums von fünfeinhalb Jahren von der Auftraggeberin selbst keine Abrechnung verlangt wurde. Denn auch nach einem Zeitraum von über drei Jahren ist die Beschaffung von Zahlungsnachweisen erheblich erschwert, wie der Kläger selbst einräumt (Schriftsatz vom 5.11.2021, S. 18). Die Beklagte kann sich daher bezüglich des nachträglichen Rechnungslegungsverlangens seitens des Klägers auf Treu und Glauben berufen.
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Mit seinem Einwand, dass die Rechenschaftspflicht der Beklagten als Betreuerin von dem materiell-rechtlichen Anspruch des Betreuten gegenüber dem Betreuer zu unterscheiden sei, für welchen die Befreiung seitens des Betreuungsgerichts unerheblich sei, dringt der Kläger gleichfalls nicht durch. Denn eine Rechenschaftspflicht gegenüber der Betreuten bzw. deren Rechtsnachfolger besteht, wie bereits ausgeführt, erst nach Beendigung der Betreuung gemäß §§ 1908 i, 1890 Abs. 1 BGB, mithin nach dem Ableben der Betreuten (21.12.2019); der Kläger begehrt jedoch Rechenschaft für den Zeitraum vom 01.09.2013 bis 31.07.2017.
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Soweit sich die Klagepartei gegen die Auffassung des Senats wendet, dass sie Zweifel an der Zuverlässigkeit der Beklagten und deren Geschäftsbetreuung bzw. Betreuung weder hinreichend dargelegt noch unter Beweis gestellt habe (Schriftsatz vom 5.11.2021, S. 14 ff.) und erneut Positionen in den von der Beklagten vorgelegten Anlagen (K 20a, Anlagenkonvolut B 2 und K 3) auflistet, die keinesfalls im Interesse der Betreuten getätigt worden sein könnten, hat sich der Senat mit diesen bereits im Hinweisbeschluss vom 7.10.2021 eingehend befasst (vgl. dort S. 8 ff. – vom Kläger „gelb unterlegte Ausgaben“ in Anlage K 11 sowie Erläuterungen der Beklagten hierzu im Schriftsatz der Beklagten vom 7.1.2020). Auf die Ausführungen wird insoweit Bezug genommen. Der Kläger hat sich mit den Ausführungen des Senats im Hinweisbeschluss in keiner Weise auseinandergesetzt. Der Senat hat darin sowohl ausgeführt, dass die Betreute nach Angaben einer Mitarbeiterin des Amtes für Soziale Sicherung (Frau S.) eine gehobene Lebenshaltung gewünscht und nach Auskunft einer im M.stift tätigen Altenpflegerin (Frau L.) auch exklusive Dinge erhalten habe (vgl. Hinweisbeschluss, S. 7), als auch dargelegt, dass in dem streitgegenständlichen Betrag nicht lediglich Ausgaben für persönliche Wünsche der Betreuten, sondern u.a. auch Ausgaben für die Anschaffung von Möbeln sowie Geldgeschenke für nahe Verwandte enthalten gewesen seien, die nach dem Willen der Betreuten deren Neffe sowie dessen Sohn für geleistete Tätigkeiten bei der Räumung der Wohnung sowie zu Weihnachten oder zur Hochzeit erhalten sollten, und denen die Beklagte nach den im Betreuungsrecht verankerten Prinzipien daher nachzukommen hatte. Zum vom Kläger beanstandeten Möbelkauf hat die Beklagte zudem eine plausible und nachvollziehbare Erklärung gegeben (Schriftsatz vom 7.1.2020, S. 6).
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Soweit der Kläger aufgrund der Schwärzung der Terminalnummer sowie der Kartennummer und der VU-Nummer in der vorgelegten Quittung (Anl. K 3) darauf schließt, dass die Beklagte die entnommenen Gelder nicht ausschließlich für die Betreute verwendet habe, da sie nachträglich offensichtlich andere Belege zum Nachweis eingesetzt habe (Schriftsatz vom 5.11.2021), handelt es sich insoweit um eine bloße Mutmaßung. Denn es gibt viele Gründe, u.a. Datenschutzgründe, mit denen die genannten Schwärzungen begründbar sind. Da begründete Zweifel an der Zuverlässigkeit der Beklagten und ihrer Geschäftsbetreuung bzw. Betreuung nicht hinreichend dargelegt wurden, ist die vom Kläger angeführte Entscheidung des BGH vom 31.1.1963 (BGHZ 39, 87) bereits nicht einschlägig.
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2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.