Titel:
Rechtswidrige Baugenehmigung, Erteilte Baugenehmigung, Erteilung der Baugenehmigung, Versagung der Baugenehmigung, Baugenehmigungsbescheid, Vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren, Wasserrechtliche Erlaubnis, Beiladung, Verwaltungsgerichte, Baugrundstück, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Abwehranspruch, Notleitungsrecht, Nachbarschutz, Rechtsmittelbelehrung, Privatsachverständiger, Nachbarschützende, Öffentlich-rechtliche Vorschriften, Streitwertfestsetzung, Kleinkläranlage
Schlagworte:
Baugenehmigung, Nachbarschutz, Rücksichtnahmegebot, Vereinfachtes Genehmigungsverfahren, Bestimmtheitserfordernis, Erschließungsbedarf, Wasserrechtliche Erlaubnis
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 01.07.2022 – 15 ZB 22.286
Fundstelle:
BeckRS 2021, 65242
Tenor
I.Die Klage wird abgewiesen.
II.Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
III.Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Die Kläger wenden sich gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für die Errichtung eines Einfamilienwohnhauses mit Doppelgarage.
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Die Kläger sind Eigentümer des unbebauten Grundstücks Fl.Nrn. …1 (vormals teilweise Fl.Nr. …2), des mit ihrem Wohnhaus bebauten Grundstücks Fl.Nr. …3 sowie des mit einer Scheune bebauten Grundstücks Fl.Nr. …4 (vormals auch teilweise Fl.Nr. …2), jeweils Gemarkung …1, Gemeinde A* … Am 27. Juli 2017 erteilte das Landratsamt D* … einen Vorbescheid (Az. …*) zur Errichtung eines Ersatzwohnhauses mit Doppelgarage auf dem Grundstück mit der Fl.Nr. …5 derselben Gemarkung (Baugrundstück).
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Mit Formblättern vom 6. April 2019 beantragte die Beigeladene eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Einfamilienwohnhauses mit Doppelgarage (Ersatzwohnhaus).
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Mit Beschluss vom 5. Juni 2019 erteilte die Gemeinde A* … das gemeindliche Einvernehmen.
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Mit Bescheid vom 6. November 2019, Az. …, den Klägern zugestellt am 8. November 2019, erteilte das Landratsamt D* … der Beigeladenen die beantragte Baugenehmigung. Unter Ziff. 4, die Bedingungen und Auflagen aufführt, heißt es unter „Abwasserbeseitigung“:
„Die Beseitigung der häuslichen Abwässer hat über eine Einzelabwasseranlage zu erfolgen. Mit Bescheid des Landratsamts D* … vom 29. Mai 2006, Az. …, wurde eine wasserrechtliche Erlaubnis für die Errichtung der Kleinkläranlage erteilt.
Das Gebäude darf erst bezogen werden, wenn die Einzelabwasseranlage hergestellt und benutzbar sowie die Abnahme der Kleinkläranlage durch einen privaten Sachverständigen in der Wasserwirtschaft erfolgt ist.“
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Als Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass das Vorhaben die in § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Baugesetzbuch (BauGB) geforderten Voraussetzungen erfülle und öffentliche Belange nicht beeinträchtigt würden. Die Baugenehmigung ersetze die nach § 6 der Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet Bayerischer Wald erforderliche naturschutzrechtliche Erlaubnis.
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Am 6. Dezember 2019 haben die Kläger mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom selben Tag Klage gegen den Bescheid zum Verwaltungsgericht Regensburg erheben lassen. Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgebracht, dass das Baugrundstück nicht ordnungsgemäß erschlossen sei. Die Baugenehmigung beinhalte eine teilweise Erschließung zulasten der Kläger, die nicht dinglich gesichert sei. Südlich des inzwischen abgetragenen alten Hauses befinde sich eine Dreikammerklärgrube, deren Überlauf unterhalb der öffentlichen Straße südwestlicher Richtung hindurch und in den westlichen Teil der Fl.Nr. …2 hinein verlaufe. Die exakte Reichweite des unterirdischen Überlaufrohres sei nicht bekannt. Es bestehe eine sehr starke Hanglage in westlicher und südwestlicher Richtung, die sich insbesondere westlich der öffentlichen Straße hangabwärts ausbilde. Eine Versickerung des Überlaufs der Klärgrube müsse daher auf dem genannten Teil der Fl.Nr. …2 und einem unterhalb liegenden Teil der sich westlich anschließenden Fl.Nr. …1 stattfinden, da die Klärgrube in der Südwestecke der Fl.Nr. …5 liege und Wasser nicht von unten nach oben laufe. Die Behörde bzw. die Beigeladene sei darlegungs- und beweispflichtig hinsichtlich des exakten Verlaufs des Überlaufrohres und der Versickerungsfläche. Eine Versickerung auf dem Baugrundstück erscheine im Hinblick auf deren Größe und die Lage der Klärgrube unwahrscheinlich und nicht möglich. Im Hinblick auf die konkrete, eingeschränkte Örtlichkeit sei es unmöglich, eine eigenständige Kläranlage so zu errichten, dass die anfallenden Abwässer auf dem Baugrundstück versickerten. Der Untergrund sei felsig und falle von Osten nach Westen ab, sodass nur eine Ableitung unterhalb der vorbeiführenden kleinen Gemeindestraße in Betracht komme. Es habe ein Gespräch mit dem Erbauer der zum abgebrochenen Haus zugehörigen Dreikammerklärgrube stattgefunden, der gesagt habe, dass die Klärgrube so nahe an der Grenze nicht hätte errichtet werden dürfen und sie an ein vorhandenes Rohr angeschlossen worden sei, hinsichtlich dessen keine Rechtsposition der Beigeladenen bestehe. Bereits anfallendes Bauwasser müsse über Drittgrundstücke abgeführt werden. Dazu beginne an der Südwestgrenze des Baugrundstücks ein Straßengraben, der auf Höhe der Scheune auf Fl.Nr. …4 westlich unterhalb der Gemeindestraße in weitere Grundstücke der Kläger einleite. Die Bauantragsunterlagen enthielten die Aussage des Ingenieurs L* …, dass das anfallende Überwasser über einen Wiesengraben abgeführt werden solle, ohne dessen Lage näher zu bezeichnen. Diesbezüglich liege planlich ein zu kleiner Eintrag vor, sodass die Baugenehmigung in diesem Punkt nicht hinreichend bestimmt sei. Ein Augenschein habe darüber hinaus ergeben, dass kein Wiesengraben existiere, sondern ein von Norden her aus dem Waldgebiet kommender Graben, der die Funktion habe, anfallendes Wasser des östlich an die Straße angrenzenden, steil ansteigenden Waldgebiets aufzufangen. Entgegen den bisherigen Ausführungen sei der Graben nicht angelegt worden, um das Oberflächenwasser der Gemeindestraße abzuleiten, die vor ihrer Widmung nur einen öffentlichen Forstweg dargestellt habe. Dieser Graben verlaufe östlich der Gemeindestraße in südlicher Richtung. In kleinen Teilen sei er verrohrt, um ein Überfahren zu ermöglichen, so auch auf Höhe des Baugrundstücks. Er verlaufe neben der Gemeindestraße, die eine Breite von ca. 3 m habe, auf Fl.Nr. …2, weiter in Fl.Nr. …4, unterquere dann unmittelbar nach dem klägerischen Wohnhaus die Gemeindestraße und verfüge über einen verdeckten unterirdischen Rohrauslauf im Bereich der Fl.Nrn. …3 oder …6, …7 der Kläger. Würden die Kläger die Situation nicht angreifen, so könnte sich die Beigeladene auf ein Notableitungsrecht berufen. Die wasserrechtliche Erlaubnis erfasse eine andersartige Grundstückssituation, insbesondere eine an anderer Stelle gebaute frühere Abwasseranlage, deren Überwasser nicht durch einen Graben, sondern unterirdisch oberhalb der Gemeindestraße in Grundstücke der Kläger abgeleitet worden sei. Sie habe sich zudem konkret auf das alte, im Wesentlichen abgerissene Wohnhaus bezogen, das nur von zwei Personen bewohnt worden sei; nunmehr seien aber Abwassergleichwerte für vier bis sechs Personen vorgesehen. Im Gutachten zu dieser Erlaubnis seien unwahre Angaben enthalten: Der Graben sei kein Wiesengraben und er sei nur zeitweise bei entsprechend höherem Wasseranfall wasserführend. Von der behaupteten Einleitungsgenehmigung sei bis heute kein Gebrauch gemacht worden. Das Überwasser der Anlage sei unterhalb der Straße nach Westen hangabwärts abgeleitet worden. Es werde eine wesentliche Standortveränderung der Kleinkläranlage vorgenommen, sodass eine neue wasserrechtliche Erlaubnis erforderlich sei. Bereits damals wäre es erforderlich gewesen, eine Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamts einzuholen. Eine rechtswidrige Baugenehmigung könne einen Eingriff in das Eigentumsrecht des Nachbarn darstellen, wenn sie wegen fehlender Erschließung und der dadurch ausgelösten Verpflichtung zur Duldung eines Notwegerechts nach § 917 Abs. 1 BGB eine unmittelbare Rechtsverschlechterung bewirke (vgl. Simon/Busse, BayBO, Art. 4 Rn. 31). Die Voraussetzungen für die Errichtung eines Ersatzwohnhauses seien nicht gegeben (wird näher ausgeführt). Die Kläger seien am Baugenehmigungsverfahren nicht beteiligt worden.
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Für die Kläger wird beantragt,
den Baugenehmigungsbescheid des Landratsamts D* … vom 6. November 2019, Az. …, aufzuheben.
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Für den Beklagten wird beantragt,
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Ausweislich der der Baugenehmigung zugrundeliegenden Unterlagen finde eine Umsetzung der bestehenden Tropfkörperanlage auf die Nordseite des Baugrundstücks statt. Das in dieser Anlage behandelte häusliche Abwasser werde in einen wasserführenden Wiesengraben im westlichen Bereich des Baugrundstücks eingeleitet. Für diese Art der Abwasserbeseitigung liege eine wasserrechtliche Erlaubnis vor. Bei diesem Graben dürfte es sich um den klägerseits genannten Straßengraben handeln, der nicht ausschließlich dazu diene, anfallendes Straßenoberflächenwasser abzuleiten. Zudem weise die Straße eine entgegengesetzte Neigung auf. Für den Fall einer stattfindenden Versickerung auf den Grundstücken der Kläger müsse auf den Zivilrechtsweg verwiesen werden. Die Baugenehmigung sei auch nicht unbestimmt, da bereits im Eingabeplan eine Versetzung der bestehenden Abwasseranlage sowie Zuleitung des Abwassers in den Wiesengraben dargestellt sei. Weiter sei die Nebenbestimmung enthalten, dass die Beseitigung der häuslichen Abwässer über eine Einzelabwasseranlage zu erfolgen habe, wobei auf die erteilte wasserrechtliche Erlaubnis verwiesen werde. Die Bezugnahme auf die wasserrechtliche Erlaubnis in der Baugenehmigung habe lediglich deklaratorische Wirkung, sei jedoch nicht Gegenstand der Baugenehmigung. Jedenfalls entfalte dieser Umstand keine drittschützende Wirkung. Ergänzend zu dieser Erlaubnis liege den Antragsunterlagen ein auf die Versetzung der Tropfkörperanlage angepasster Entwässerungsplan bei. Zudem sei laut Stellungnahme der fachkundigen Stelle für Wasserwirtschaft im Landratsamt die Funktionstüchtigkeit der bestehenden Kleinkläranlage auch nach Umsetzung von einem privaten Sachverständigen in der Wasserwirtschaft bescheinigt worden. Den Ausführungen des Sachverständigen, dass es sich bei der Einleitungsstelle um einen wasserführenden Graben handele, sei Glauben zu schenken. Dass der Graben im weiteren Verlauf auch durch Grundstücke der Kläger verlaufe, sei unerheblich; eine Verletzung subjektiver Rechte sei nicht erkennbar. Dass neben dem normalerweise in dem Graben vorhandenen Wasser zusätzlich noch gereinigtes Abwasser eingeleitet werde, führe zu keiner zusätzlichen Beschwer, wobei auch anzumerken sei, dass es sich vorliegend um keinen Neubau, sondern um eine Ersatzbaumaßnahme handele.
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Mit Gerichtsbescheid vom 4. September 2020, dem Klägervertreter zugestellt am 14. Oktober 2020, wies das Verwaltungsgericht Regensburg die Klage ab. Am 16. November 2020 (Montag) ließen die Kläger mündliche Verhandlung beantragen, da sich eine wesentliche Änderung des Sachverhalts ergeben habe.
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Mit Schriftsatz vom 12. November 2021 ließen die Kläger über das bisherige Vorbringen hinaus ausführen, die Kläger hätten am 6. Mai 2020 gegen die beschränkte wasserrechtliche Erlaubnis vom 29. Mai 2006 Widerspruch eingelegt. Eine formelle Widerspruchsentscheidung sei bisher nicht ergangen. Allerdings sei die bisherige wasserrechtliche Erlaubnis unter Einbeziehung der im Jahr 2019 erfolgten Umplanung schlüssig aufgehoben worden. Damit sei eine wesentliche Erschließungsgrundlage entfallen. Mit Schreiben vom 1. September 2020 habe die Behörde mitgeteilt, dass der Beigeladenen zwischenzeitlich aufgrund positiven Sickertests die wasserrechtliche Erlaubnis für das Einleiten in das Grundwasser mittels Sickerschacht erteilt worden sei. Hiergegen hätten die Kläger Klage erheben lassen (RN 8 K 21.988). Die thematisierte Notwasserableitungsproblematik in die Grundstücke der Kläger sei dadurch aber nicht entfallen. Eine Versickerung sei auf dem Baugrundstück aufgrund der Hanglage, geologisch und größenmäßig nicht möglich. Der Sickertest sei eine Gefälligkeitserklärung, da der private Sachverständige lediglich die Angaben der Beigeladenen ungeprüft übernommen habe. Die Beigeladene habe ein unterirdisches Abwasserrohr verlegt, welches in den Waldgraben auf dem Grundstück der Kläger ziele. In der Anlage finde sich hierzu ein Lichtbild. Die Kläger seien nunmehr auch Eigentümer der Gemeindestraße auf Höhe der Fl.Nr. …4, weshalb die Beigeladene nicht berechtigt sei, Abwasser einzuleiten bzw. hindurchzuleiten. Die 8. Kammer des VG Regensburg habe Bescheide in ähnlichen Verfahren gerade deswegen aufgehoben, weil nachteilige Wirkungen auf Dritte zu berücksichtigen gewesen seien (RN 8 K 13.1241). Es sei daher damit zu rechnen, dass die zuletzt erteilte beschränkte Erlaubnis aufgehoben werde. Nach derzeitigem Sachstand sei sehr davon auszugehen, dass die Beigeladene die Grundstücke der Kläger zwangsläufig in Anspruch nehmen werde müssen.
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Die Beigeladene teilte daraufhin mit, dass das auf dem Lichtbild befindliche Rohr ein Leerrohr für die D1* … darstelle, das der Sicherstellung des Telefonanschlusses diene.
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Mit Beschluss vom 14. Oktober 2021 wurde der Rechtsstreit der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.
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In der mündlichen Verhandlung vom 7. Dezember 2021 wiederholte der Klägervertreter im Wesentlichen das schriftliche Vorbringen. Die Beklagtenvertreterin brachte vor, dass die am Baugrundstück vorbeiführende Straße eine seit dem Jahr … gewidmete Gemeindeverbindungsstraße sei.
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Die Beigeladene schließt sich ohne eigene Antragstellung der Rechtsauffassung des Beklagten an.
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Hinsichtlich des Sach- und Streitstands im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vorgelegten Behördenakten sowie des Protokolls über die mündliche Verhandlung am 7. Dezember 2021.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die Baugenehmigung vom 6. November 2019 verletzt keine Rechte der Kläger, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
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Nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 59 f. Bayerische Bauordnung (BayBO) ist eine Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Einem Nachbarn des Bauherrn steht ein Anspruch auf Versagung der Baugenehmigung grundsätzlich nicht zu. Er kann eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg anfechten, wenn Vorschriften verletzt sind, die auch seinem Schutz dienen, oder wenn das Vorhaben es an der gebotenen Rücksichtnahme auf das Grundstück des Nachbarn fehlen lässt und dieses Gebot im Einzelfall Nachbarschutz vermittelt. Nur daraufhin ist das genehmigte Vorhaben in einem nachbarrechtlichen Anfechtungsprozess zu prüfen (vgl. BVerwG, B.v. 28.7.1994 – 4 B 94/94 – juris; BVerwG, U.v. 19.9.1986 – 4 C 8.84 – juris). Es ist daher unerheblich, ob die Baugenehmigung einer vollständigen Rechtmäßigkeitsprüfung standhält.
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Der klägerseits geltend gemachte Verfahrensfehler einer fehlenden Nachbarbeteiligung nach Art. 66 BayBO wurde vorliegend spätestens dadurch geheilt, dass die Kläger im Rahmen der streitgegenständlichen Klage Einwendungen erhoben haben, weil sie damit die Gelegenheit wahrgenommen haben, ihre Rechte zu vertreten (Simon/Busse/Dirnberger, BayBO, Stand: Januar 2020, Art. 66 Rn. 209 – beck-online).
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Die streitgegenständliche Baugenehmigung wurde – zu Recht – im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO erteilt, da ihr kein Sonderbau i.S.v. Art. 2 Abs. 4 Nr. 1 bis 20 BayBO zugrunde liegt. Maßgeblich für die Klage eines Drittbetroffenen ist die Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses der Baugenehmigung (vgl. BayVGH, U.v. 4.10.1991 – 2 B 88.1284 – juris). Vorliegend wurde die Baugenehmigung am 6. November 2019 erteilt, sodass die ab dem 1. September 2018 geltende Fassung des Art. 59 BayBO ausschlaggebend ist (vgl. BayVGH, B.v. 2.8.2018 – 15 ZB 18.764 – juris; VG München, U.v. 27.1.1999 – M 23 K 98.2778 – juris). Im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren prüft die Bauaufsichtsbehörde demnach die Übereinstimmung mit den Vorschriften über die Zulässigkeit der baulichen Anlagen nach den §§ 29 bis 38 BauGB, den Vorschriften über Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO und den Regelungen örtlicher Bauvorschriften i.S.d. Art. 81 Abs. 1 BayBO (Nr. 1), beantragte Abweichungen i.S.d. Art. 63 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 BayBO (Nr. 2) sowie andere öffentlich-rechtliche Anforderungen, soweit wegen der Baugenehmigung eine Entscheidung nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entfällt, ersetzt oder eingeschlossen wird (Nr. 3).
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Die angefochtene Baugenehmigung verletzt keine nachbarschützenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften innerhalb des Prüfumfangs.
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1. Das genehmigte Bauvorhaben verletzt nicht das bauplanungsrechtliche Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme.
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Das Vorhaben liegt nicht innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils oder im Geltungsbereich eines Bebauungsplans. Im hier somit vorliegenden Außenbereich leitet sich das Rücksichtnahmegebot aus § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB ab, indem es Dritte vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Vorhaben im Außenbereich schützt (vgl. BVerwG, U.v. 25.02.1977 – 4 C 22.75 – juris).
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Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt nach der Rechtsprechung wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugutekommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, welcher das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen (vgl. BVerwG, U.v. 28.10.1993 – 4 C 5/93 – juris; BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1/78 – juris). Bei diesem Ansatz kommt es für die sachgerechte Beurteilung des Einzelfalls wesentlich auf die Abwägung zwischen dem an, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BayVGH, B.v. 25.10.2010 – 2 CS 10.2137 – juris). Das Gebot der Rücksichtnahme ist demnach nur dann verletzt, wenn die den Klägern aus der Verwirklichung des geplanten Vorhabens resultierenden Nachteile das Maß dessen übersteigen, was ihnen als Nachbarn billigerweise noch zumutbar ist.
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a) Nicht entscheidungserheblich ist im Nachbarrechtsstreit, ob eine Privilegierung des Vorhabens nach § 35 BauGB anzunehmen ist. Maßgeblich ist allein, ob das Vorhaben auf schutzwürdige Interessen der Kläger die gebotene Rücksicht nimmt. Bauplanungsrechtlich nachbarschützend ist bei Außenbereichsvorhaben daher lediglich die Vorschrift des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB. Ein Abwehranspruch im Sinne eines Gebietserhaltungsanspruchs besteht nicht (vgl. BVerwG, B.v. 28.7.1999 – 4 B 38/99 – juris).
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b) Das Erfordernis einer gesicherten Erschließung dient grundsätzlich nur öffentlichen Interessen und hat keine nachbarschützende Funktion (vgl. BayVGH, B.v. 3.2.2014 – 9 CS 13.1916 – juris; VG München, U.v. 25.1.2017 – M 9 K 16.925 – juris; VG München, U.v. 18.12.2014 – M 11 K 13.505 – juris). Dementsprechend gewährt das öffentliche Baurecht grundsätzlich keinen Schutz gegen den Abfluss von Wasser auf das Nachbargrundstück (vgl. VG München, U.v. 18.12.2014 – M 11 K 13.505 – juris; VG Würzburg, U.v. 6.12.2012 – W 5 K 11.514 – juris; Simon/Busse/Dirnberger, BayBO, Stand: Januar 2020, Art. 66 Rn. 658 – beck-online). Da eine Baugenehmigung unbeschadet der privaten Rechte Dritter erteilt wird (Art. 68 Abs. 4 BayBO), richtet sich ein Abwehranspruch grundsätzlich nach Privatrecht (vgl. VG München, U.v. 25.1.2017 – M 9 K 16.925 – juris; VG München, U.v. 18.12.2014 – M 11 K 13.505 – juris).
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Anderes gilt zugunsten eines Nachbarn, wenn durch die unzureichende Erschließung unmittelbar Nachbargrundstücke betroffen sind und insbesondere in dem eng begrenzten Ausnahmefall, dass gerade durch die streitgegenständliche Baugenehmigung die Verpflichtung des Nachbarn zur Duldung eines zivilrechtlichen Notwege- oder Notleitungsrechts nach § 917 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wegen fehlender Erschließung des Baugrundstücks begründet wird (vgl. VGH Mannheim, B.v. 21.12.2001 – 8 S 274/01 – juris; VG Würzburg, U.v. 23.9.2014 – 4 K 13.979 – juris; Simon/Busse/Wolf, BayBO, Stand: Januar 2020, Art. 4 Rn. 193 – beck-online).
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Die Voraussetzungen eines solchen Abwehranspruchs liegen hier nicht vor. Der Ersatzbau löst ersichtlich keinen Erschließungsbedarf in der Weise aus, dass ihm nur durch ein Notwege- bzw. Notleitungsrecht über ein Grundstück der Kläger entsprochen werden könnte. Insbesondere ist die Abwasserbeseitigung nicht notwendigerweise mit der Inanspruchnahme eines klägerischen Grundstücks verbunden, sodass die (zwangsläufige) Entstehung eines Notleitungsrechts durch Erteilung der Baugenehmigung ausgeschlossen ist (vgl. VG Augsburg, B.v. 13.6.2018 – Au 5 S 18.808 – juris). Dies ergibt sich daraus, dass die gegenständliche Baugenehmigung mit einer Nebenbestimmung in Form einer aufschiebenden Bedingung (vgl. Art. 36 Abs. 2 Nr. 2 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) verbunden worden ist, die eine Abwasserbeseitigung über eine Einzelabwasseranlage vorschreibt und festlegt, dass das Gebäude erst bezogen werden darf, wenn die Einzelabwasseranlage hergestellt und benutzbar sowie die Abnahme der Kleinkläranlage durch einen privaten Sachverständigen in der Wasserwirtschaft erfolgt ist. Dies führt dazu, dass von der gegenständlichen Baugenehmigung erst Gebrauch gemacht werden darf, wenn die genannten Bedingungen erfüllt sind, sodass die Entstehung eines Notleitungsrechts durch die Baugenehmigung gerade nicht verursacht wird. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass (nur) die angefochtene Baugenehmigung streitgegenständlich ist, sodass es vorliegend auf eine mögliche Nichtausführbarkeit bestimmter Regelungen der Genehmigung nicht ankommt. Etwaige tatsächlich nicht der Genehmigung entsprechende Gegebenheiten – wie eine Benutzung des Gebäudes ohne Sicherstellung der Abwasserbeseitigung durch eine hergestellte, benutzbare und von einem Sachverständigen abgenommene Einzelabwasseranlage oder eine Abwasserbeseitigung auf andere Art und Weise als durch eine Einzelabwasseranlage – gehen demzufolge zulasten der Bauherrin und wären etwaige Fragen bauaufsichtlichen Einschreitens, sind aber für das vorliegende Verfahren nicht ausschlaggebend. Die Entwässerung wurde durch die Aufnahme des Absatzes „Abwasserbeseitigung“ in den Baugenehmigungsbescheid und die zeichnerische Darstellung der Versetzung im Eingabeplan nicht zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Der Verweis auf die wasserrechtliche Erlaubnis aus dem Jahr 2006 nimmt nicht an der Feststellungswirkung der Baugenehmigung teil, sondern ist rein deklaratorischer Natur. Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut, da lediglich auf die wasserrechtliche Erlaubnis aus dem Jahr 2006 hingewiesen wird, ohne dass sprachlich in irgendeiner Weise zum Ausdruck kommt, dass die Rechtswirkungen der Baugenehmigung von der Rechtmäßigkeit dieser (oder einer anderen) wasserrechtlichen Genehmigung abhängig gemacht werden sollten. Auch die zwischenzeitliche Aufhebung dieser Erlaubnis sowie die Erteilung der beschränkten Erlaubnis aus dem Jahr 2020 vermögen daran nichts zu ändern. Jegliches dahingehende Vorbringen sind in dem anhängigen wasserrechtlichen Verfahren zu prüfen und einer Prüfung im vorliegenden Verfahren entzogen. Eine im baurechtlichen Verfahren zu berücksichtigende erhebliche Verschlechterung der bisherigen Situation durch die streitgegenständliche Baugenehmigung – wie etwa eine Ableitung von Abwasser auf das Grundstück des Nachbarn und daraus resultierende Überschwemmungen (vgl. BayVGH, B.v. 29.11.2006 – 1 CS 06.2717 – juris) – ist nicht ersichtlich.
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2. Auch ein Verstoß gegen das Bestimmtheitserfordernis liegt nicht vor.
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Gemäß Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG muss eine Baugenehmigung inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Die getroffene Regelung muss zumindest durch Auslegung für jeden Beteiligten eindeutig sein (vgl. BayVGH, B.v. 20.3.2018 – 15 CS 17.2523 – juris; VG München, U.v. 26.2.2018 – 8 K 16.1293 – beck-online). Maßgeblich für den Rechtsschutz des Nachbarn ist dabei, dass er feststellen kann, ob und in welchem Umfang er betroffen ist (vgl. BayVGH, B.v. 5.7.2017 – 9 CS 17.603 – juris; VG München, U.v. 26.2.2018 – 8 K 16.1293 – beck-online). Ein Nachbar kann die Unbestimmtheit einer Baugenehmigung nur geltend machen, soweit durch die Unbestimmtheit eine Einhaltung der dem Nachbarschutz dienenden Vorschriften nicht gewährleistet ist (Simon/Busse/Lechner, BayBO, Stand: Januar 2020, Art. 68 Rn. 472 – beck-online).
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Entgegen dem dahingehenden Vorbringen der Klägerseite, dass die Aussage getroffen worden sei, dass das anfallende Überwasser über einen Wiesengraben abgeführt werden solle, ohne dessen Lage näher zu bezeichnen, ist die streitgegenständliche Baugenehmigung nicht unbestimmt. Im Gegenteil ist – wie der Beklagte nachvollziehbar darlegt – klar ersichtlich, was Gegenstand der Baugenehmigung ist. Die Baugenehmigung enthält die textliche Regelung, dass die Beseitigung der häuslichen Abwässer über eine Einzelabwasseranlage zu erfolgen hat. Im genehmigten Eingabeplan sind die Versetzung der bestehenden Abwasseranlage sowie die Zuleitung des Abwassers in einen Wiesengraben dargestellt. Auf die wasserrechtliche Erlaubnis vom 29. Mai 2006 wird Bezug genommen. Die Baugenehmigung ist daher insbesondere auch im Hinblick auf die Abwasserbeseitigung inhaltlich hinreichend bestimmt. Etwaige fehlerhafte Darstellungen in den Plänen in Bezug auf eine tatsächlich in anderer Art und Weise bestehende Bebauung gehen insofern – wie bereits ausgeführt – zulasten der Bauherrin.
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3. Weitere Anhaltspunkte dafür, dass die streitgegenständliche Baugenehmigung in bauplanungs- oder bauordnungsrechtlicher Hinsicht drittschützende Normen verletzt, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind, wurden nicht vorgebracht und sind für das Gericht auch sonst nicht ersichtlich.
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Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO abzuweisen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren nicht für erstattungsfähig zu erklären, da sie keinen Antrag gestellt und sich somit keinem eigenen Prozesskostenrisiko ausgesetzt hat, §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO.
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Die Entscheidung bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).