Titel:
Sittenwidrigkeit, Klagepartei, Widerruf, Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, Sekundäre Darlegungslast, Gelegenheit zur Stellungnahme, Tatsachenvortrag, Abschalteinrichtung, Subjektive Voraussetzungen, Stoffgleichheit, Vermögensvorteile, Entscheidung des Berufungsgerichts, Gesetzesverstoß, Typengenehmigung, Hinweisbeschluss, Abschaltvorrichtungen, Diesel-Skandal, Aussicht auf Erfolg, Kaufvertrag, Beanstandung
Schlagworte:
Berufungsbegründung, Anspruch aus § 826 BGB, objektiver Schaden, unzulässige Abschalteinrichtungen, Thermofenster, Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB
Vorinstanz:
LG Landshut, Endurteil vom 09.01.2020 – 72 O 1576/19
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Beschluss vom 18.10.2021 – 20 U 725/20
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 30.01.2024 – VIa ZR 517/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 65042
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 09.01.2020, Az. 72 O 1576/19, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis 20. Juli 2021.
Entscheidungsgründe
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Gemäß § 513 Abs. 2 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 546 ZPO beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Dies zeigt die Berufungsbegründung nicht auf. Das Landgericht hat die Klage vielmehr zu Recht als unbegründet abgewiesen. Zu den Berufungsangriffen im Einzelnen:
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1. Das Vorliegen der Voraussetzungen für einen Anspruch aus § 826 BGB hat die Klagepartei nicht nachgewiesen.
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a) Ein objektiver Schaden ist nicht ersichtlich. Die Klagepartei hat im Gegenzug für den Kaufpreis einen Pkw bekommen, den sie auch ohne Beanstandung nutzen konnte. Soweit der Bundesgerichtshof mit grundlegendem Urteil zum „Dieselskandal“ festgestellt hat, dass ein Schaden auch im Abschluss eines Kaufvertrags über ein Fahrzeug liegen kann, bei dem das Risiko der Nichtbenutzbarkeit aufgrund des zu befürchtenden Widerrufs einer erschlichenen Typengenehmigung besteht, ist dies für den vorliegenden Fall nicht einschlägig, da das Kraftfahrtbundesamt (nachfolgend: KBA) den im hier betroffenen Pkw (Porsche Panamera) verbauten Motor untersucht und keinen Grund zur Beanstandung gefunden hat (vgl. Anlage BE 1). Nachdem das Risiko einer Nichtbenutzbarkeit nicht bestand, kann nicht von einem objektiv wirtschaftlich nachteiligen Vertragsabschluss ausgegangen werden.
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b) Soweit die Klagepartei behauptet, im Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugs seien unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut, welche die erteilte Genehmigung in Frage stellten, übersieht sie, dass das KBA die für einen eventuellen Rückruf des Fahrzeugs oder Widerruf der Typengenehmigung maßgebliche Behörde ist. Das (abstrakte) Risiko eines Widerrufs kann mit „Null“ bezeichnet werden, wenn die zuständige Behörde nach Überprüfung keine unzulässige Abschaltvorrichtung festzustellen vermag.
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c) Was das „Thermofenster“ angeht, fehlt es überdies an einem schlüssigen Tatsachenvortrag, dass insoweit die subjektiven Voraussetzungen des § 826 BGB bei Personen, deren Wissen und Wollen nach § 31 BGB der Beklagten zugerechnet werden könnte, erfüllt wären. Da die Funktionsweise eines „Thermofensters“ generell nicht mit der im EA 189 verwendeten „Umschaltlogik“ vergleichbar ist, kann nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass seiner Verwendung notwendig eine strategische, von sittenwidrigem Gewinnstreben motivierte Entscheidung auf höchster Ebene zugrunde liegt (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021, VI ZR 433/19, Rn. 17), so dass die Klagepartei sich insoweit auch nicht auf eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten berufen kann. Anhaltspunkte dafür, dass die für die Beklagte handelnden Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung des Thermofensters in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen, zeigt die Klagepartei im Streitfall nicht auf.
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2. Da ein Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1, 2 VO (EG) 715/2007 nicht nachgewiesen ist, kommt auch eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB iVm dieser Verordnung nicht in Betracht, so dass offenbleiben kann, ob diese Norm als Schutzgesetz iSv § 823 Abs. 2 BGB anzusehen wäre. Der Bundesgerichtshof hat dies im Übrigen verneint (BGH, Urteil vom 30. Juli 2020, VI ZR 5/20, juris Rn. 12 ff.).
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3. Soweit die Klagepartei ihren Anspruch auf § 823 Abs. 2 BGB iVm § 263 StGB bzw. iVm § 16 UWG stützt, mangelt es an der Stoffgleichheit zwischen Schaden und erstrebtem Vermögensvorteil (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juli 2020, VI ZR 5/20, juris Rn. 17 ff.) bzw. ist bereits der Anwendungsbereich des UWG nicht eröffnet. Ein Anspruch aus § 831 BGB scheitert am fehlenden Nachweis eines sittenwidrigen Verhaltens.
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Der Senat legt der Klagepartei nahe, die Berufung zurückzunehmen. Auf Ziffer 1222 KV-GKG wird hingewiesen.