Inhalt

VG Bayreuth, Beschluss v. 19.01.2021 – B 6 S 20.1353
Titel:

Daueraufenthaltsberechtigter, Familiennachzug, Anwendbarkeit des § 39 Abs. 1 Nr. 6, Unionsrechtliche Entbindung von der Visapflicht, Sicherung des Lebensunterhaltes

Normenketten:
AufenthG § 38a
AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 1
RL 2003/109/EG – Daueraufenthaltsrichtlinie Art. 16
AufenthaltsVO § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 6
Schlagworte:
Daueraufenthaltsberechtigter, Familiennachzug, Anwendbarkeit des § 39 Abs. 1 Nr. 6, Unionsrechtliche Entbindung von der Visapflicht, Sicherung des Lebensunterhaltes
Fundstelle:
BeckRS 2021, 64819

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerinnen tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
3. Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin zu 1 ist Mutter der Antragstellerinnen zu 2 und zu 3. Alle drei Antragstellerinnen begehren mit ihrer Klage (B 6 K 20.1354) die Verpflichtung des Beklagten, ihnen eine Aufenthaltserlaubnis zum Nachzug zum Ehemann bzw. Vater zu erteilen. In diesem Eilverfahren begehren die Antragstellerinnen zum einen die aufschiebende Wirkung ihrer Klage und zum anderen, den Beklagten bzw. Antragsgegner zu untersagen, sie vor der Entscheidung über die Hauptsache abzuschieben.
2
Der Ehemann bzw. Vater der Antragstellerinnen reiste am 19.01.2020 aus Griechenland kommend nach Deutschland ein und erhielt eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 38 a AufenthG, gültig bis zum 02.02.2023. Nach dem Vorbringen des Antragsgegners war Grundlage dafür die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit als „Allroundmeister/Fliesen“ bei dem Arbeitgeber … in … Die Antragstellerin zu 1 reiste mit den Antragstellerinnen zu 2 und zu 3 im Juli 2020 mit griechischen Aufenthaltstiteln als „family member“, gültig bis September 2020, in die Bundesrepublik Deutschland ein und meldeten sich am 08.07.2020 mit Hauptwohnung in … an.
3
Am 24.09.2020 stellten die Antragstellerinnen beim Landratsamt … einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels und gaben dabei den Zweck „Familienzusammenführung“ und als beabsichtigte Dauer des Aufenthaltes „unbefristet“ an. Als beabsichtigte Erwerbstätigkeit der Antragstellerin zu 1 wurde Ausbildung oder Putzfrau angegeben. Die Frage, aus welchen Einkünften der Lebensunterhalt bestritten werde, wurde mit „Einkommen des Ehemannes“ beantwortet.
4
Mit Schreiben vom 25.09.2020 wandte sich der Antragsgegner, Landratsamt …, an das Jobcenter …-Land und legte Lohnabrechnungen des Ehemannes bzw. Vaters der Antragstellerinnen für die Monate März bis August 2020, sowie einen Mietvertrag in Kopie vor. In dem Schreiben wurde ausgeführt, um über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis entscheiden zu können, müsse geprüft werden, ob bzw. wie der Lebensunterhalt in Deutschland gesichert wäre. Es werde deshalb um Übersendung der vollständigen Bedarfsberechnung gebeten. Den beigefügten Abrechnungen der Brutto-Netto-Bezüge für Herrn P. ist für die Monate März, Juli und August 2020 ein Stundenlohn von 12,20 EUR zu entnehmen. Die Abrechnung für April, Mai und Juni 2020 erfolgte auf der Basis von Kurzarbeitergeld. Dem beigefügten Mietvertrag vom 01.07.2020 zwischen dem Arbeitgeber … und dem Vater bzw. Ehemann der Antragstellerinnen, Herrn P., ist zu entnehmen, dass eine Wohnung in … über 85 m² vermietet wurde. Im Mietvertrag findet sich in § 2 der Passus, die monatliche Grundmiete für Pandemiezeit bzw. Kurzarbeitszeit sei kostenlos. Nachher betrage die monatliche Grundmiete 295,00 EUR mit Betriebskosten und Heizkosten insgesamt 500,00 EUR.
5
Mit Schreiben vom 13.10.2020 übermittelte das Jobcenter die gewünschten Berechnungsbögen und führte an, die Frau und die Kinder seien erst ab März 2020 unter Anrechnung von Kindergeld mit in die Berechnung aufgenommen worden. Kosten der Unterkunft und Heizung seien erst ab 01.07.2020 für die Berechnung herangezogen worden. Unter Berücksichtigung der vorliegenden Unterlagen bestehe in jedem Monat Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II.
6
Mit Bescheid vom 02.11.2020 traf der Antragsgegner folgende Regelungen:
„1. Die Anträge der albanischen Staatsangehörigen K. P. und deren Kinder I. P. und K. P. auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis werden abgelehnt.
2. Frau K. P. und deren Kinder I. und K. P. werden aufgefordert, innerhalb einer Frist von 30 Tagen aus der Bundesrepublik Deutschland auszureisen. Die Ausreisefrist beginnt mit der Zustellung dieses Bescheides. Sollte Klage gegen diesen Bescheid erhoben werden und das Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen, so beginnt die Frist zur Ausreise mit der Rechtskraft des verwaltungsgerichtlichen Urteils.
3. Für den Fall, dass Frau P. und deren Kinder nicht fristgerecht ausreisen, wird ihnen die Abschiebung nach Albanien oder in ein anderes Land, in welchem sie zum Aufenthalt berechtigt sind, angedroht. Die Wirkung der Abschiebung wird befristet auf die Dauer von zwei Jahren und beginnt mit dem Tag der Abschiebung.“
7
Zur Begründung wird angeführt, die Antragstellerinnen seien aufgrund des griechischen Aufenthaltstitels ohne Erteilung eines deutschen Visums eingereist. Sie seien gemäß Art. 21 Abs. 1 SDÜ, § 15 AufenthG von einer Visumspflicht befreit und könnten gemäß § 39 Nr. 6 AufenthV nach erfolgter Einreise die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis beantragen. Die Antragstellerin zu 1 erfülle die besonderen Anforderungen für den Ehegattennachzug (§§ 27, 29 und 30 AufenthG) die Antragstellerinnen zu 2 und zu 3 erfüllten die besonderen Anforderungen für den Kindernachzug (§§ 27, 29 und 32 AufenthG).
8
Als allgemeine Erteilungsvoraussetzung sei gemäß § 5 AufenthG insbesondere zu überprüfen, inwieweit eine nachhaltige Sicherung des Lebensunterhalts für die gesamte Familie als Bedarfsgemeinschaft vorliege. Das Jobcenter sei aufgrund seiner Prüfung zu dem Ergebnis gekommen, dass in den Monaten, in denen die Miete in voller Höhe berücksichtigt worden sei, der Gesamtbedarf der Familie P. das Einkommen übersteige. Der Regelbedarf der Familie P. betrage danach 1.336,00 EUR, dazu kämen 500,00 EUR Miete, was einen Gesamtbedarf von 1.836,00 EUR ergebe. Die Verringerung der monatlichen Mietzahlung auf die reinen Mietnebenkosten in Höhe von 205,00 EUR sei unerheblich, da sie nur von vorrübergehender Dauer sein werde. Es sei die dauerhafte Sicherung des Lebensunterhalts zu beurteilen und eine Prognose für die Zukunft zu erstellen. Nach den vorgelegten Lohnabrechnungen für Herrn P. ergebe sich einschließlich Kindergeld von 408,00 EUR monatlich ein durchschnittliches zu berücksichtigendes Einkommen von 1.234,87 EUR. Nach der Jobcenter-Berechnung bestehe für jeden Monat Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II in Höhe von etwa 600,00 EUR. Das Jobcenter habe aber bei der Berechnung des zu berücksichtigten Einkommens einen Freibetrag in Höhe von 330,00 EUR zu Unrecht vom Einkommen abgezogen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei der Freibetrag von § 11 b Abs. 1 Nr. 6 SGB II in Fällen des Ehegatten- und Familiennachzugs jedoch nicht zu Lasten des nachzugswilligen Ausländers anzurechnen. Dadurch erhöhe sich vorliegend das zur Verfügung stehende Einkommen um 230,00 EUR, d. h. durchschnittlich auf 1.464,87 EUR monatlich für die gesamte Familie. Der Unterschied zum errechneten Bedarf betrage aber immer noch 372,00 EUR. Die Anforderungen nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG als wesentliche Erteilungsvoraussetzung sei damit nicht erfüllt. Ein atypischer Sachverhalt für die Regelvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 AufenthG sei auch nicht erkennbar. Die Antragstellerinnen seien somit nicht in Besitz einer Aufenthaltserlaubnis. Die Fiktionswirkung des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis sei mit dieser Entscheidung über den Antrag erloschen. Die Verpflichtung zur Ausreise aus dem Bundesgebiet ergebe sich aus § 50 Abs. 1 AufenthG. Die Androhung der Abschiebung beruhe auf § 59 Abs. 1 und 2 AufenthG. Die Befristung der Dauer der Abschiebung erfolgte als Ermessensentscheidung. Das persönliche Interesse der Antragstellerin zu 1 bestehe darin, mit ihren Töchtern wieder nach Deutschland zum hier lebenden Ehemann und Vater einreisen zu können. Das öffentliche Interesse bestehe darin, im Fall der Abschiebung dieser Maßnahme eine anhaltende Wirkung zukommen zu lassen. Die Dauer von zwei Jahren erscheine demzufolge angemessen.
9
Die Antragsstellerinnen ließen durch ihren Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 01.12.2020 Klage erheben mit den Anträgen, den Bescheid des Antragsgegners vom 02.11.2020 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihnen eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen (B 6 K 20.1354).
10
Zudem wurde beantragt,
III. Die aufschiebende Wirkung der Klage wird angeordnet.
IV. Der Beklagten wird untersagt, die Klägerinnen abzuschieben, bis über die Hauptsache entschieden wurde.
11
Zur Begründung wurde insbesondere angeführt, der Lebensunterhalt der Familie sei durch das Einkommen des Vaters Herrn P. gesichert. Richtig sei, dass dem Jobcenter Lohnabrechnungen des Herrn P. für die Monate März 2020 bis August 2020 sowie der Mietvertrag vorgelegt worden sei. Das Landratsamt habe die Verringerung der monatlichen Mietzahlung auf 205,00 EUR mit der Begründung nicht berücksichtigt, dass die Minderung nur von vorübergehender Dauer sein werde. Konsequenterweise müsse dann bei Herrn P. das seit im März in Kurzarbeit erzielte Einkommen (60 Prozent) auf volle Höhe hochgerechnet werden, da auch dieses verringerte Einkommen nur von vorrübergehender Dauer sein werde. Ferner seien Korrekturen der Löhne der Monate März bis Oktober erforderlich gewesen: „Hier ist dem Steuerbüro ein Fehler unterlaufen“. Unter Zugrundelegung der beigefügten Lohnabrechnung für den November 2020 sei das Einkommen des Herrn P. zur Bedarfsdeckung ausreichend. Darüber hinaus habe die Antragstellerin zu 1 eine Arbeitsstelle in Aussicht. Die Familie werde keine Sozialleistungen in Anspruch nehmen. Die Familie könne den Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten. Dies sei seit Juli 2020 erwiesen. Damit liege ein Anordnungsanspruch vor. Ein Anordnungsgrund bestehe in Hinblick auf die Ausreisefrist von 30 Tagen ohnehin.
12
Der vorgelegten „Probeabrechnung“ für den Monat November (Gerichtsakte Seite 12) ist ein Stundenlohn für Herrn P. von 15,40 EUR zu entnehmen, was zu einem rechnerischen Nettoverdienst von 1.744,93 EUR führte. Für die Monate März bis Oktober 2020 sind jeweils Nachberechnungen in Höhe von 89,45 EUR bis 313,40 EUR angegeben.
13
Mit gerichtlichem Schreiben vom 02.12.2020 wandte sich das Gericht wie folgt an die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerinnen:
„Es wird zeitnah um Erklärung des Steuerbüros gebeten, welche „Korrekturen der Löhne der Monate März bis Oktober“ erforderlich waren und aus welchem Grund. Dies betrifft auch das Zustandekommen der vorgelegten Probeabrechnung November 2020 im Verhältnis zu den früheren – nicht korrigierten – Lohnabrechnungen. Ferner sind die Kontoauszüge des Herrn P. vorzulegen, aus denen sich die tatsächlich erfolgten Lohnzahlungen für die Monate März bis November 2020 ergeben.“
14
Mit Schriftsatz vom 10.12.2020 beantragte der Antragsgegner,
den Antrag abzulehnen.
15
Zur Begründung wird vorgetragen, es sei von der vertraglich vereinbarten Miete auszugehen und auch von dem bezogenen Kurzarbeitergeld. Das Einkommen, das bei regelmäßiger Erwerbstätigkeit vom Ehemann erzielt hätte werden können, könne letztendlich nur geschätzt werden. Der Sinn der vorgelegten „Probeabrechnung“ für den Monat November 2020 erschließe sich nicht. Es falle aber auf, dass der Ehemann nunmehr einen von 12,20 EUR auf 15,40 EUR erhöhten Stundenlohn erhalte. Ein nachvollziehbarer Grund für diese Steigung um 26 Prozent sei nicht vorgetragen worden, etwa im Sinne einer höheren beruflichen Qualifizierung. Die nun nachgereichte Probeabrechnung sei keine geeignete Berechnungsgrundlage für eine dauerhafte Sicherung des Lebensunterhalts. Die mitgeteilte Fehlerhaftigkeit der Lohnabrechnung für die Monate März bis August 2020 erscheine als nachträgliche Korrektur der Lohnabrechnungen zu Gunsten des Arbeitnehmers. Es bleibe abzuwarten, welcher Art der Fehler des Steuerbüros sein werde. Die vorgetragene Begründung erwecke den Eindruck, dass nun gezielt die Einkommenslücke durch „Nachberechnungen“ und Einkommenssteigerungen geschlossen werden solle. Eine solche Einkommenssteigerung müsse von Dauer sein.
16
Mit Schriftsatz vom 15.12.2020 trug der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerinnen vor, eine Korrektur der Löhne sei erforderlich gewesen, da es zu Missverständnissen bei der Höhe des Stundenlohnes gekommen sei. Statt einem Stundenlohn von 12,20 EUR habe Herr P. einen Stundenlohn in Höhe von 15,40 EUR erhalten. Eine Auszahlung der Lohnzahlungen sei nach Angaben des Herrn P. nicht auf dessen Konto, da ein solches zu spät von ihm eröffnet worden sei, erfolgt. Der Lohn von Herrn P. sei entweder bar ausgezahlt worden oder an dessen Schwager überwiesen worden. Sofern das Gericht die Vorlage der Kontoauszüge trotzdem für notwendig erachte, werde um Nachricht gebeten.
17
Mit Schriftsatz vom 22.12.2020 wurde dann seitens der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerinnen die angekündigte Erklärung des Steuerbüros vorgelegt. Dieser an das Verwaltungsgericht gerichteten „Erklärung Lohnkorrekturen“ vom 09.12.2020 ist zu entnehmen:
„im Namen und Auftrag unseres Mandanten Herrn … möchten wir die Lohnkorrekturen von Herrn M. P. wie folgt erklären: Die Agentur für Arbeit hat bezüglich des Kurzarbeitergeldes einige Korrekturen angefordert, da das Kurzarbeitergeld erst einen Monat später bewilligt wurde als angezeigt wurde. Dadurch waren der Bezugsmonat und die Höhe des Kurzarbeitergeldes falsch, was ich korrigieren musste. Zudem teilte mir Herr S. mit, dass das Arbeitsamt für Herrn P. einen Stundenlohn von 15,40 EUR festgesetzt hatte, was ich rückwirkend korrigiert habe.“
18
Zudem wurde im Schriftsatz vom 22.12.2020 erläutert, Herr P. habe am 15.01.2020 mit seinem Arbeitgeber … einen schriftlichen Arbeitsvertrag mit Wirkung ab 01.02.2020 mit einem Stundenlohn brutto von 15,40 EUR abgeschlossen. Außerdem sei eine regelmäßige Arbeitszeit von 40 Stunden je Woche an fünf Tagen vereinbart worden. Dieser Arbeitslohn sei verbindlich nach Abstimmung mit dem Ausländeramt und dem Arbeitsamt vereinbart worden und entspreche dem gesetzlichen Mindestlohn im vorliegenden Fall. Der Arbeitsvertrag müsse sich auch in den Unterlagen des Ausländeramtes und Arbeitsamtes befinden. Dieser Arbeitsvertrag sei vom Arbeitgeber dem Steuerbüro vorgelegt worden. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen habe das Steuerbüro jedoch lediglich einen Stundenlohn in Höhe von 12,20 EUR angesetzt. Dies sei vom Arbeitgeber Herrn S. erst aufgrund des streitgegenständlichen Bescheides des Landratsamtes … vom 02.11.2020 im November bemerkt und sodann vom Steuerbüro entsprechend nachträglich geändert worden.
19
Während der Pandemiezeit bzw. der Zeit des Bezuges von Kurzarbeitergeld sei rechtsverbindlich eine Grundmiete von 295,00 EUR nicht zu bezahlen. Deshalb könne diese Grundmiete nicht zu Lasten der Antragstellerinnen angesetzt werden. Der Mieter schulde lediglich Heizkosten in Höhe von 140,00 EUR und eine monatliche Vorauszahlung auf Betriebskosten in Höhe von 65,00 EUR. Beigefügt ist ein auf den 15.01.2020 datierter Arbeitsvertrag zwischen Herrn … und Herrn P. mit dem vorangehend angegebenen Stundenlohn von brutto 15,40 EUR bei einer Arbeitszeit von 40 Stunden je Woche an fünf Arbeitstagen.
20
Darauf erwiderte der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 07.01.2021, der sogenannte nicht nachvollziehbare Fehler des Steuerbüros werde als dreister Versuch bewertet, im Nachhinein die Ausländerbehörde und letztlich auch das Gericht über den Tatbestand des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG zu täuschen. In der Akte befinde sich in der Tat ein Arbeitsvertrag des Ehemannes in dem als Stundenlohn der Betrag von 15,40 EUR ausgewiesen werde. Dieser Arbeitsvertrag habe dazu geführt, dass Herrn P. eine Aufenthaltserlaubnis zur Aufnahme bzw. zur Fortführung seiner Erwerbstätigkeit habe erteilt werden können. In dem Antragsverfahren der Ehefrau seien hingegen für die Erwerbstätigkeit des Herrn P. für insgesamt sechs Monate Lohnabrechnungen vorgelegt worden, die einen Stundenlohn von 12,20 EUR auswiesen. Herr P. sei im Übrigen ohne Weiteres in der Lage gewesen, eine Differenz von 3,20 EUR pro Arbeitsstunde zu erkennen, die zu einem Unterschied in der Lohnauszahlung führe, der jedem Arbeitnehmer bei der ersten Lohnabrechnung auffallen müsse. Aus Sicht der Ausländerbehörde gebe es schon einen nachvollziehbaren Grund für diese unterschiedliche Entlohnung. Es handele sich um den klassischen Fall der doppelten Arbeitsvertragsausreichung. In diesem Fall habe man vergessen, ebenfalls die Lohnabrechnung zweifach auszufertigen, eine für die tatsächliche Lohnberechnung, eine für die Behörden.
21
Ergänzend wird auf die vorgelegten Behördenakten, die Gerichtsakte im Verfahren B 6 K 20.1354 und die Gerichtsakte in diesem Eilverfahren verwiesen.
II.
22
Der Eilantrag bleibt ohne Erfolg.
23
1. Soweit es um die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Nummer 1 des Bescheides vom 02.11.2020 geht (Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für die Antragstellerinnen), ist der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO schon nicht statthaft.
24
Ausgehend von § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG, wonach der Aufenthalt eines Ausländers, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält ohne einen Aufenthaltstitel zu besitzen und der die Erteilung eines Aufenthaltstitels beantragt, bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt gilt, ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ausnahmsweise auch bei einer Verpflichtungskonstellation statthaft. Voraussetzung ist allerdings, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 81 Abs. 3 Satz 1 VwGO erfüllt sind. Dies ist indes vorliegend nicht der Fall, denn die maßgebende Voraussetzung des rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet wird – anders als dies offenbar im angefochtenen Bescheid vom 02.11.2020 gesehen wird – zum Zeitpunkt der Antragstellung (24.09.2020) und auch weiterhin nicht erfüllt. Die Antragstellerinnen halten sich vielmehr rechtswidrig im Bundesgebiet auf, weil sie – entgegen der Auffassung des Antragsgegners im angefochtenen Bescheid – ohne das erforderliche Visum eingereist sind (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG).
25
Nach Art. 21 Abs. 2 a i.V.m. Art. 21 Abs. 1 Schengener Durchführungsabkommen (SDÜ) ist eine Einreise mit einem von einem Mitgliedsstaat ausgestellten Aufenthaltstitel in die Bundesrepublik nur dann im Sinne von § 14 Abs. 1 AufenthG erlaubt, wenn der beabsichtigte Aufenthaltszweck auf einen Kurzaufenthalt im Sinne von Art. 21 Abs. 1 SDÜ gerichtet ist. Dies folgt aus Art. 21 Abs. 1 SDÜ, der einen Kurzaufenthalt für Drittausländer in anderen Mitgliedsstaaten nur unter dem Vorbehalt gewährt, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen u. a. die in Art. 6 Abs. 1 a, c, e der Verordnung (EU) 2016/399 (Schengener Grenzkodex) aufgeführten Voraussetzungen erfüllt. Maßgeblich ist ein geplanter Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaats von bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen. Plant der Drittstaater bei der Einreise indes einen längeren Aufenthalt in der Bundesrepublik, bedarf es bereits zu diesem Zeitpunkt wegen der beabsichtigten Überschreitung des in Art. 21 Abs. 1 SDÜ vorgegebenen zeitlichen Rahmens eines nationalen Visums für einen längerfristigen Aufenthalt in der Bundesrepublik (VGH München, B.v. 14.2.2018 – 10 CS 18.350 – juris Rn. 26, B.v. 28.2.2019 – 10 ZB 18.1626 – juris Rn. 12 ff. und OVG Berlin-Brandenburg B.v. 28.2.2019 – OVG 11 S 21.18 – juris Rn. 7 ff.).
26
Ausweislich der Stellung des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vom 24.09.2020 war der Aufenthalt der mit einem griechischen Schengentitel von Griechenland kommenden Antragstellerinnen von Anfang an „unbefristet“ auf „Familienzusammenführung“ gerichtet.
27
Die Visumspflicht entfällt für die Antragstellerinnen nicht nach Art. 16 (Familienangehörige) der RL 2003/109/EG, betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen – Daueraufenthaltsrichtlinie.
28
Als Familienangehörige des langfristig aufenthaltsberechtigten Ehemannes und Vaters (§ 38 a AufenthG), mit dem sie offenbar schon in Griechenland zusammengelebt haben, fallen die Antragstellerinnen zwar ohne Weiteres in den Anwendungsbereich der Daueraufenthaltsrichtlinie. Nach der maßgebenden Entscheidung des Bay. Verwaltungsgerichtshofs vom 13.04.2015 (19 CS 14.2847), der sich die Kammer angeschlossen hat, „liegt [es] nahe, im Lichte des Art. 16 Abs. 1, Abs. 4 RL 2003/109/EG“ für den Ehegattennachzug (§ 30 AufenthG) und den Kindernachzug (§ 32 AufenthG) von Familienangehörigen Daueraufenthaltsberechtigter (§ 38 a AufenthG) „die Bestimmung des § 39 Nr. 6 AufenthV anzuwenden, demzufolge Aufenthaltstitel im Bundesgebiet ohne Durchführung eines Visumsverfahrens erteilt werden dürfen (B.v. 13.4.2015, juris Rn. 18). Ausgehend von dieser unionsrechtskonformen Entbindung von der allgemeinen Visumspflicht des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG und unter der zusätzlichen Voraussetzung, dass im Rahmen des § 39 Nr. 6 AufenthV „hinsichtlich der Aufenthaltsberechtigung auf die Rechtsstellung des Ehemannes/Vaters der Antragstellerinnen als langfristig Aufenthaltsberechtigter in [Griechenland] gemäß Art. 4 der RL 2003/109/EG und als Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 38 a AufenthG abgestellt wird“ (Bay. VGH, B.v. 13.4.2015, juris Rn. 18), verbleibt die weitere Tatbestandsvoraussetzung des § 39 Satz 1 Nr. 6 AufenthV für die Einholung eines Aufenthaltstitels im Bundesgebiet „sofern die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels erfüllt sind“.
29
Ein solcher Rechtsanspruch liegt nur dann vor, wenn alle zwingenden und regelhaften Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind und die Behörde kein Ermessen mehr auszuüben hat (siehe etwa BVerwG, U.v. 17.12.2015 – 1 C 31.14 – juris Rn. 20). Über einen solchen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug verfügen die Antragstellerinnen indes nicht. Wie der Antragsgegner in seinem Bescheid vom 02.11.2020 zutreffend darlegt, erfüllt die Antragstellerin zu 1 die besonderen Anforderungen für den Ehegattennachzug, die Antragstellerinnen zu 2 und zu 3 für den Kindernachzug (§§ 27, 29 und §§ 30 bzw. 32 AufenthG).
30
Zentrales Problem ist jeweils, dass die Erteilung eines Aufenthaltstitels in der Regel voraussetzt, dass der Lebensunterhalt gesichert ist (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG).
31
Nach der gesetzlichen Definition in § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ist der Lebensunterhalt eines Ausländers gesichert, wenn er ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann. Dabei bleiben die in § 2 Abs. 3 Satz 2 AufenthG aufgeführten öffentlichen Mittel außer Betracht. Es bedarf mithin der positiven Prognose, dass der künftige Lebensunterhalt des Ausländers auf Dauer ohne Inanspruchnahme anderer öffentlicher Mittel gesichert ist. Dies erfordert einen Vergleich des voraussichtlichen Unterhaltsbedarfs mit den voraussichtlich zur Verfügung stehenden Mitteln. Dabei richtet sich die Ermittlung des Unterhaltsbedarfs und des zur Verfügung stehenden Einkommens seit der Änderung des Rechts der Sozial- und Arbeitslosenhilfe vom 1. Januar 2005 bei erwerbstätigen Ausländern im Grundsatz nach den entsprechenden Bestimmungen des SGB II (vgl. BVerwG, U. v. 26.08.2008 – 1 C 32.07 – juris Rn. 19). Erstrebt ein erwerbsfähiger Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis zum Zusammenleben mit seinen Familienangehörigen in einer häuslichen Gemeinschaft, so gelten für die Berechnung seines Anspruchs auf öffentliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II grundsätzlich die Regeln über die Bedarfsgemeinschaft nach § 9 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 7 Abs. 3 SGB II; gem. § 2 Abs. 3 Satz 4 AufenthG werden Beiträge der Familienangehörigen zum Haushaltseinkommen berücksichtigt.
32
Der Lebensunterhalt der Bedarfsgemeinschaft ist im Sinne von § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG schon dann nicht gesichert, wenn ein rechnerischer Anspruch auf öffentliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts besteht, da in einem solchen Fall die Inanspruchnahme dieser Mittel jedenfalls nicht auszuschließen ist (BVerwG, U.v. 26.8.2008 – 1 C 32/07 – juris Rn. 21).
33
Die Anwendung dieser Regelvoraussetzung auf den Familiennachzug zu Daueraufenthaltsberechtigten entspricht im Übrigen auch Unionsrecht.
34
Art. 16 Abs. 4 c der Daueraufenthaltsrichtline bestimmt: „Der zweite Mitgliedsstaat kann von den Familienangehörigen des langfristig Aufenthaltsberechtigten verlangen, ihrem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels folgendes beizufügen: …
c) den Nachweis, dass sie über feste und regelmäßige Einkünfte, die ohne Inanspruchnahme der Sozialleistungen des betreffenden Mitgliedstaates für ihren eigenen Lebensunterhalt ausreichen, sowie über eine Krankenversicherung verfügen, die im zweiten Mitgliedsstaat sämtliche Risiken abdeckt, oder den Nachweis, dass der langfristig Aufenthaltsberechtigte für sie über solche Einkünfte und eine solche Versicherung verfügt. Die Mitgliedsstaaten beurteilen diese Einkünfte anhand ihrer Art und Regelmäßigkeit und können die Höhe der Mindestlöhne und -renten berücksichtigten“.
35
Der vom Antragsgegner grundsicherungsrechtlich ermittelte Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft, bestehend aus den Antragstellerinnen und dem Ehemann/Vater, beträgt inklusive Miete 1.836,00 EUR, wobei die Beschränkung auf Heizkosten und Betriebskostenvorauszahlung für die Pandemie – bzw. Kurzarbeiterzeit, d.h. die rechnerische Verminderung des Bedarfs um 295,00 EUR laut Mietvertrag vom 01.07.2020 als temporäre Regelung prognostisch nach Auffassung des Gerichts außer Betracht zu bleiben hat. Das demgegenüber stehende Einkommen des Ehemannes/Vaters für die Bedarfsgemeinschaft ist zur Überzeugung des Gerichts in diesem Eilverfahren aufgrund der vorliegenden Unterlagen ungeklärt und die Deckung des Lebensunterhaltes kann somit nicht als gesichert im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 3 AufenthG angesehen werden. Die Chronologie der Einkommensdaten des Ehemannes/Vaters der Antragstellerinnen stellt sich wie folgt dar:
- Arbeitsvertrag vom 15.01.2020 für die Zeit ab 01.02.2020: 15,40 EUR Stundenlohn bei 40 Stunden/Arbeitswoche, dem Gericht mit Schriftsatz vom 22.12.2020 vorgelegt,
- Abrechnung der Bezüge auf Datev-Formblättern von März 2020 bis August 2020 auf der Basis von 12,20 EUR Stundenlohn, vorgelegt mit der aufenthaltsrechtlichen Antragsstellung vom 24.09.2020,
- Bescheid vom 02.11.2020: Ungedeckter Bedarf aufgrund der vorgelegten Lohnabrechnungen durchschnittlich 372,00 EUR monatlich,
- Probeabrechnung 30.11.2020, in der ein Stundenlohn in Höhe von 15,40 EUR zugrunde gelegt wird mit entsprechend rückwirkender Nachberechnung für die Monate März bis Oktober 2020, dem Gericht vorgelegt mit der Antragstellung bzw. Klageerhebung vom 01.12.2020 mit der Begründung, wegen eines Fehlers des Steuerbüros seien die Korrekturen der Löhne März bis Oktober 2020 erforderlich geworden.
36
Eine seriös aussagekräftige Darlegung der Einkommenssituation der Bedarfsgemeinschaft in Form eines prognosefähigen Erwerbseinkommens des Ehemannes/Vaters ist für das Gericht damit in keiner Weise erfolgt. Zunächst liegen schon keinerlei Nachweise des tatsächlichen Zahlungsflusses vor. Die gerichtliche Aufforderung zur Vorlage von Kontoauszügen, aus denen sich die tatsächlich erfolgten Lohnzahlungen für die Monate März bis November 2020 ergeben, wurde mit anwaltlichem Schriftsatz vom 15.12.2020 dahingehend beantwortet, dass die Auszahlung laut Herrn P. nicht auf dessen Konto erfolgte, weil er dieses zu spät eröffnet habe. Lohn sei entweder bar ausgezahlt oder dem Schwager von Herrn P. überwiesen worden. Allein schon daraus folgt, dass vorliegend mit auch arbeitsrechtlich ungesicherten Verfahrensweisen gearbeitet wird, die von Haus aus nicht geeignet sind, einen auch prognostisch belastbaren Einkommenszufluss zur Sicherung des Lebensunterhaltes zu dokumentieren. Die offenbar bis einschließlich November 2020 nicht erfolgte Eröffnung eines Lohnkontos oder dessen etwaige Nichtnutzung ist – vorsichtig formuliert – befremdlich. Es erschließt sich auch nicht der anwaltliche Hinweis, sofern das Gericht die Vorlage der Kontoauszüge für notwendig erachte, werde um Nachricht gebeten. Offen bleibt, welche Auszüge denn vorgelegt werden könnten, wenn keine Überweisungen an den Ehemann/Vater der Antragstellerinnen erfolgten. Weiterhin ist die Begründung für die rückwirkende Anhebung des Stundenlohns von 12,20 EUR auf 15,40 EUR in Form der schon an sich nicht aussagekräftigen „Probeabrechnung“ vom 30.11.2020 schlicht nicht nachvollziehbar. „Missverständnisse bei der Höhe des Stundenlohns“ (Schriftsatz vom 15.12.2020), sowie „nicht nachvollziehbare Gründe“ für den Ansatz von lediglich 12,20 EUR Stundenlohn durch das Steuerbüro (Schriftsatz vom 22.12.2020) werden gerade nicht belegt, wenn dieses am 09.12.2020 auftragsgemäß zu den Korrekturen erklärt, dass der Arbeitgeber mitgeteilt habe, dass das Arbeitsamt für Herrn P. einen Stundenlohn von 15,40 EUR festgesetzt hätte, was rückwirkend korrigiert worden sei. Abgesehen davon, dass hier die rechtliche Konstruktion der Festsetzung des Stundenlohns in einem konkreten Arbeitsverhältnis durch das Arbeitsamt nicht bekannt ist, wäre die Bezugnahme auf die Lohnhöhe im Arbeitsvertrag zur Begründung des Korrekturerfordernisses erheblich einleuchtender gewesen, sofern in der Sache tatsächlich ein Missverständnis vorgelegen hätte. Schließlich ist es völlig unglaubhaft, dass der Arbeitgeber und zuvor auch schon der Arbeitnehmer monatelang eine (dem jetzigen Vorbringen nach) durchaus erheblich zu niedrige Entlohnung nicht bemerkt haben will. Alles in allem tut sich dem Gericht eine derart durchsichtig manipulierte Darlegung der Einkommenssituation des Ehemannes/Vaters der Antragstellerinnen auf, dass die offenbare Annahme, dies könne glaubwürdig sein, durchaus erstaunt.
37
Da aus vorstehenden Gründen der Lebensunterhalt der Bedarfsgemeinschaft, der die nachziehenden Antragstellerinnen angehören, mangels hinreichend geklärter Einkommensverhältnissen des Ehemannes/Vaters nicht und gerade auch künftig nicht als gesichert anzusehen ist, verfügen diese über keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegatten- bzw. Kindernachzug. Die Ausnahmevorschrift des § 39 Satz 1 Nr. 6 AufenthV kommt ihnen deshalb nicht zugute. Sie konnten die erstrebten Aufenthaltstitel gerade nicht im Bundesgebiet einholen, was wiederrum dazu führt, dass sie sich unerlaubt in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, weil sie ohne das erforderliche Visum für den Ehegatten- bzw. Kindernachzug im Juli 2020 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sind. Vorsorglich und ohne dass es vorliegend noch darauf ankäme, wird darauf hingewiesen, dass dieses Risiko vermeidbar gewesen wäre, wenn die Frage der Unterhaltssicherung der durch Zuzug erst entstandenen Bedarfsgemeinschaft bereits von Griechenland aus seriös geklärt worden wäre. Nachdem die Antragstellerinnen sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, konnte ihr Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nicht auslösen, weshalb der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO wiederrum nicht statthaft ist.
38
2. Soweit der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage die Abschiebungsandrohung in Nr. 3 des Bescheides vom 02.11.2020 betrifft, ist er zulässig (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, Art. 21 a VwZVG), aber unbegründet; Anhaltspunkte für die Rechtswidrigkeit dieser Regelung sind weder vorgetragen noch ansonsten ersichtlich (siehe vorangehend oben 1.).
39
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegen die Befristungsentscheidung in Nummer 2 des Bescheides vom 02.11.2020, die als Erlass des Einreise- und Aufenthaltsverbots und als Entscheidung über die Länge dieses Verbots zu verstehen ist (§ 11 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 3 AufenthG), bleibt ebenfalls ohne Erfolg.
40
Es kann dahinstehen, ob der Antrag diesbezüglich in vollem Umfang zulässig ist, weil der Antrag in jedem Fall insgesamt abzulehnen ist. Nach dem Wortlaut des § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 AufenthG ist zwar nur die „Befristung“ des Einreise- und Aufenthaltsverbots kraft Gesetzes sofort vollziehbar, obwohl nach der aktuellen Gesetzesfassung des § 11 AufenthG nicht nur die Befristung, sondern auch die (vom Antragsgegner auch ausgesprochene) Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots erforderlich ist. Insofern wird allerdings in der aktuellen Rechtsprechung mit beachtlichen Argumenten darauf hingewiesen, dass Anordnung und Befristung als einheitlicher, kraft Gesetzes sofort vollziehbarer Verwaltungsakt verstanden werden müssen (VGH BW, B.v. 13.11.2019 – 11 S 2996/19 – BeckRS 2019, 29732 Rn. 40 ff.; vgl. auch Zimmerer in BeckOK MigR, Stand Okt. 2020, § 84 AufenthG Rn. 15; Maor in BeckOK AuslR, Stand Okt. 2020, § 11 AufenthG Rn. 69; Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, Vorb. §§ 53-56 AufenthG Rn. 153; Hoppe in Dörig, Handbuch Migrations- und Integrationsrecht, 2. Aufl. 2020, § 7 Rn. 172). Würde man dies mit Blick auf den Gesetzeswortlaut anders sehen (so Samel in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, § 84 AufenthG Rn. 14), wäre der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Befristungsentscheidung mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, weil bereits der Klage gegen die Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung zukäme.
41
In jedem Fall sind Rechtsfehler betreffend das Einreise- und Aufenthaltsverbot in Ziffer 3 des Bescheids vom 02.11.2020 weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Der Antragsgegner hat die Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 3 AufenthG aufgrund einer Ermessensentscheidung festgesetzt, ohne dass insoweit Ermessensfehler im Sinne des § 114 Satz 1 VwGO erkennbar wären.
42
3. Der Antrag, dem Antragsgegner zu untersagen, die Antragstellerinnen abzuschieben, bis über die Hauptsache entschieden wurde, ist statthaft (§ 123 Abs. 5 VwGO, siehe oben 1.).
43
Er bleibt jedoch ohne Erfolg, weil die Antragstellerinnen keinen Anordnungsanspruch auf Sicherung eines Anspruchs auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen aus familiären Gründen haben. Wie oben unter 1. dargelegt, ist insoweit allen Anhaltspunkten nach nicht von der notwendigen Sicherung des Lebensunterhaltes im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG auszugehen. Das Vorliegen eines atypischen Sachverhaltes als Voraussetzung des Absehens von der Regelvoraussetzung wurde vom Antragsgegner nach gerichtlicher Einschätzung zutreffend verneint.
44
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 VwGO i.V.m. § 159 Satz 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffern 8.1, 1.5 und 1.1.3 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (halber Auffangstreitwert pro Person).
I.