Inhalt

OLG Bamberg, Beschluss v. 24.03.2021 – 4 W 2/21
Titel:

Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens, Öffentliche Urkunde, Beschwerdeführer, Standesamt, Personenstandsregister, Entscheidung des Amtsgerichts, Kosten des Beschwerdeverfahrens, Geburtenregister, Kostenentscheidung, Gerichtskosten, Beweiskraft, Beurkundungsverfahren, Geburtsurkunde, Namensführung, Personalausweis, Billigkeitsentscheidung, Berichtigungsantrag, Zweifelsvorlage, Ablehnung der Amtshandlung, Verfahrenswert

Schlagworte:
Zweifelsvorlage, Geburtenregister, Identitätsnachweis, Beweiskraft, Echtheit der Urkunden, Beurkundungsverfahren, Kostenentscheidung
Vorinstanz:
AG Schweinfurt, Beschluss vom 05.01.2021 – 05 UR III 20/20
Fundstelle:
BeckRS 2021, 64621

Tenor

1. Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Schweinfurt vom 05.01.2021, Az. 05 UR III/20, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beschwerdeführer nicht die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu tragen hat, sondern insoweit von der Erhebung von Gerichtskosten abgesehen wird.
2. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen eine, nach einer entsprechenden Zweifelsvorlage des Standesamts … vom 23.11.2020, ergangene Entscheidung des Amtsgerichts Schweinfurt vom 05.01.2021, wonach bzgl. des Geburtenregistereintrags seiner Tochter die Vermerke bzgl. des Kindes: „Namensführung nicht nachgewiesen“ bzw. bzgl. des Vaters: „Identität nicht nachgewiesen“ zu verbleiben haben.
2
Dem vorangegangen war bereits ein entsprechender Berichtigungsantrag des Beschwerdeführers sowie eine Zweifelsvorlage des Standesamts … vom 08.04.2020, wobei eine Berichtigung mit Beschluss des Amtsgerichts Schweinfurt vom 04.05.2020 wegen Zweifeln an der Echtheit der vorgelegten Urkunden und damit an der Identität des Beschwerdeführers abgelehnt worden war.
3
Mittlerweile wurde der Beschwerdeführer eingebürgert und hat einen (vorläufigen) deutschen Personalausweis vorgelegt, was das Standesamt zu einer Zweifelsvorlage veranlasst hat, ob nach wie vor eine Urkundenüberprüfung zur Berichtigung des Geburtenregisters im Hinblick auf die beigeschriebenen Zweifelsvermerke erforderlich sei.
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Zur Begründung seiner die Berichtigung ablehnenden Entscheidung hat das Amtsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass auch dem mittlerweile ausgestellten deutschen Pass keine Beweiskraft bzgl. der Personendaten des Beschwerdeführers zukommen könne, da die verbindliche Feststellung zu den Personendaten (nur) in die völkerrechtliche Personalhoheit des jeweiligen Heimatstaates falle.
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Gegen die dem Beschwerdeführer am 11.01.2021 zugestellte Entscheidung hat dieser mit Schriftsatz vom 12.01.2021 Beschwerde eingelegt und dargelegt, dass dem nunmehr ausgestellte Reisepass die volle Beweiskraft des § 415 ZPO zukomme; eine Differenzierung nach der ursprünglichen Herkunft des Beschwerdeführers sei nicht vorzunehmen.
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Zu den Einzelheiten wird auf die Begründung des angefochtenen Beschlusses und die entsprechende Vorlage des Standesamts … vom 23.11.2020, sowie den Beschluss vom 04.05.2020 und die Zweifelsvorlage vom 08.04.2020 verwiesen.
II.
7
Die Beschwerde ist gem. § 51 PStG i.V.m. § 58 Abs. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig; insbesondere ist die Monatsfrist des § 63 Abs. 1 FamFG eingehalten.
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Die Beschwerde ist jedoch, die Kostenentscheidung ausgenommen, nicht begründet.
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1. Nach § 49 Abs. 2 PStG kann der Standesbeamte in Zweifelsfällen von sich aus eine Entscheidung des Amtsgerichts darüber herbeiführen, ob eine Amtshandlung vorzunehmen ist.
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Die Vorlage des Standesbeamten gilt für das weitere Verfahren als Ablehnung der Amtshandlung. Im vorliegenden Fall ist die mit Schreiben vom 23.11.2020 in Zweifel gestellte Amtshandlung die Löschung der Vermerke bzgl. des Kindes „Namensführung nicht nachgewiesen“ und bzgl. des Vaters „Identität nicht nachgewiesen“ im Geburtenregister des Standesamts … (Registernummer G …/2019).
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2. Das Standesamt darf die Geburt und die weiteren personenrechtlichen Angaben nur beurkunden, wenn es aufgrund der beigebrachten Beweismittel (§ 9 PStG) die Überzeugung erlangt hat, dass sich der Personenstandsfall tatsächlich ereignet hat und die Angaben zur Person der Eltern richtig sind. An den Nachweis sind hohe Anforderungen zu stellen, da die Angaben mit der Eintragung im Geburtenregister des Abkömmlings gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 PStG als bewiesen anzusehen sind. Deshalb dürfen Eintragungen gem. § 5 PStV erst vorgenommen werden, wenn der zugrunde liegende Sachverhalt ermittelt und abschließend geprüft worden ist. Verbleibenden Zweifeln etwa hinsichtlich der Richtigkeit der personenrechtlichen Daten der Eltern muss durch Aufnahme eines Zweifelshinweises gem. § 35 PStV Rechnung getragen werden. Demnach sind die erwiesenen Tatsachen einzutragen, während hinsichtlich der nicht belegten die Eigenangaben übernommen werden und mit einem Zusatz zu versehen sind. (OLG Düsseldorf Beschluss vom 27.7.2016 – I-3 Wx 87/16, BeckRS 2016, 114983 Rn. 13).
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3. Im Ergebnis zu Recht hat das Amtsgericht hier angenommen, dass bzgl. der Identität des Vaters trotz der Vorlage eines (vorläufigen) deutschen Personalausweises (ein Pass im Sinne von § 1 Abs. 2 PassG wurde nicht vorgelegt), eines ivorischen Reisepasses und einer ivorischen Geburtsurkunde Zweifel verbleiben, welche die Beischreibung eines entsprechenden Vermerks weiterhin begründen.
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Eintragungen sind aufgrund von Anzeigen, Anordnungen, Erklärungen und eigenen Ermittlungen des Standesamtes sowie von Einträgen in anderen Personenstandsregistern, Personenstandurkunden oder sonstigen öffentlichen Urkunden vorzunehmen, § 9 Abs. 1 PStG.
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a) Welche öffentlichen Urkunden im vorliegenden Fall vorzulegen sind, regelt § 33 PStV. Demnach ist bei nicht verheirateten Eltern die Geburtsurkunde der Mutter, die Erklärung über die Anerkennung der Vaterschaft sowie die Geburtsurkunde des Vaters auf Verlangen vorzulegen. Daneben soll das Standesamt auch die Vorlage eines Reisepasses, Personalausweises oder ein anderes anerkanntes Passersatzpapier der Eltern verlangen können, § 33 Abs. 1 Nr. 3 PStV.
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Wie das Amtsgericht im Ergebnis zu Recht festgestellt hat, erbringt die Vorlage eines deutschen Passes bzw. die Vorlage eines anderen Ausweispapiers, welches grundsätzlich als deutsche öffentliche Urkunde gem. §§ 418, 415 ZPO den vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen erbringt im Beurkundungsverfahren jedoch nicht den vollen Beweis für die Identität der Eltern. aa) Dies ergibt sich zwar nicht daraus, dass die deutschen Ausweispapiere bei dem Beschwerdeführer aufgrund seiner ausländischen Herkunft eine eingeschränkte Beweiskraft im Hinblick auf seine Identität hätten. So ermöglicht ein deutscher Reisepass als öffentliche Urkunde den widerlegbaren Nachweis, dass sein Inhaber die in ihm genannte, beschriebene und abgebildete Person ist und die im Pass enthaltenen Angaben mit den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen des Inhabers übereinstimmen (BVerwG, Urteil vom 17. 3. 2004 – 1 C 1/03, NVwZ 2004, 1250).
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bb) Allerdings folgt dies aus der Tatsache, dass neben der Vorlage eines Reisepasses, Personalausweises oder ein anderes anerkanntes Passersatzpapier gem. § 33 Abs. 1 Nr. 3 PStV (unabhängig von der Herkunft der Eltern) die Vorlage einer Geburtsurkunde gem. 33 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 PStV verlangt werden soll, von deren Echtheit sich das Standesamt (und im nachfolgenden Verfahren gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 PStG, § 26 FamFG das Tatgericht) unter Berücksichtigung von § 438 ZPO überzeugen muss. Allein die Vorlage eines Reisepasses, Personalausweises oder eines anderen anerkannten Passersatzpapiers reicht, egal ob es sich um ein inländisches oder ausländisches Dokument handelt, als Grundlage zum Nachweis der Identität daher grundsätzlich nicht aus (OLG Düsseldorf, a.a.O., Rn. 22).
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b) Vor diesem Hintergrund hat sich das Standesamt zu Recht gehindert gesehen, allein auf Grundlage des vorgelegten ivorischen „Auszugs aus den Standesamtsregistern für das Jahr 2011“ von einem Nachweis der Identität des Beschwerdeführers auszugehen. Laut Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in A. vom November 2019 (Bl. 42 ff. der Akte 05 UR III 6/20) sind die Voraussetzungen für eine Legalisation ivorischer Urkunden nicht erfüllt, da die Personenstandregister „leider immer noch unzuverlässig“ seien. Stattdessen könne eine Überprüfung durch die Botschaft erfolgen, für die jedoch die Vorlage weiterer Unterlagen erforderlich sei. Das Standesamt hat den Antragsteller mit Schreiben vom 10.10.2019 unter Verweis auf ein entsprechendes Merkblatt der Botschaft (Bl. 26 f. der Akte 05 UR III 6/20) auf diese Erfordernisse auch hingewiesen, ohne dass der Antragsteller dem nachgekommen wäre.
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Zwar kann können auch andere Urkunden als Beurkundungsgrundlage dienen, wenn den zur Beibringung von Nachweisen Verpflichteten die Beschaffung öffentlicher Urkunden nicht oder nur mit erheblichen Schwierigkeiten oder unverhältnismäßig hohen Kosten möglich ist, § 9 Abs. 2 S. 1 PStG. Unter bestimmten Umständen kann auch auf solche Urkunden verzichtet werden, § 9 Abs. 2 S. 2 PStG (KG Beschluss vom 24.2.2015 – 1 W 380/14, BeckRS 2015, 4515 Rn. 14, BGH, Beschluss vom 17.5.2017 – XII ZB 126/15, BeckRS 2017, 113226 Rn. 24). Der Beschwerdeführer hat hier jedoch nicht geltend gemacht und es ist auch nicht ersichtlich, dass ihm die Beschaffung der notwendigen Unterlagen zur Überprüfung seiner Geburtsurkunde durch die Deutsche Botschaft in A. nicht möglich oder nicht zumutbar wäre.
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Nachdem eine Überprüfung durch die Botschaft des vom Beschwerdeführer vorgelegten Auszugs aus dem Geburtenregister ohne die gleichzeitige Vorlage der nur vom Beschwerdeführer selbst beschaffbaren Unterlagen keine Aussicht auf Erfolg hat und keine weiteren Ermittlungsmöglichkeiten bzgl. der Identität des Beschwerdeführers ersichtlich sind, muss es – derzeit – bei dem Zusatz nach § 35 Abs. 1 PStV verbleiben.
III.
20
Eine Auferlegung der Verfahrenskosten der ersten Instanz auf den Beschwerdeführer kommt nicht in Betracht, da dieser im vorliegenden Verfahren keinen Antrag auf Löschung der entsprechenden Vermerke gestellt hat. Vielmehr beruht das Verfahren auf einer entsprechenden Zweifelsvorlage des Standesamts. Dies ist bei der nach § 81 Abs. 1 FamFG zu treffenden Billigkeitsentscheidung zu berücksichtigen. Von der Erhebung der erstinstanzlichen Gerichtskosten war daher abzusehen (§ 81 Abs. 1 S. 2 FamFG).
IV.
21
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 84 FamFG.
22
Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde ist mangels höchstrichterlich zu klärender Rechtsfragen nicht geboten (§ 70 Abs. 2 i. V. m. Abs. 3 FamFG).
23
Die Festsetzung des Verfahrenswertes beruht auf § 36 Abs. 1-3 i. V. m. § 61 Abs. 1 Satz 1 GNotKG.
Erlass des Beschlusses (§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG):
Übergabe an die Geschäftsstelle am 12.04.2021.