Titel:
Verwaltungsrechtliche Voraussetzungen der Einstufung als Kampfhund
Normenketten:
BayLStVG Art. 7 Abs. 2 Nr. 3, Art. 8, Art. 37
KampfhundeV BY § 1 Abs. 1
Leitsätze:
1. Bei Mischlingshunden als Kreuzungen unterschiedlicher Hunderassen wird die Kampfhundeeigenschaft zum einen nur bis zur sog. F1-Generation angenommen, es muss also (mindestens) ein Elternteil des Mischlingshundes ein reinrassiger Kampfhund iSd § 1 Abs. 1 KampfhundeV sein. Zum anderen müssen ein aussagekräftiges Sachverständigengutachten sowie ein hinreichend valider DNA-Test zu übereinstimmenden Ergebnissen kommen. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Gen-Test nach Stand der Forschung und Technik ist ausreichend. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
3. Liegt bereits ein negativer DNA-Test vor, kann selbst ein positives Gutachten eines Hundesachverständigen nicht mehr zu einer Einstufung als Kampfhund iSd KampfhundeV führen. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Abstammungsnachweis eines Hundeverbandes, Gen-Test, Feststellungsverfahren, Hunderasse, Gefahrenabwehr
Vorinstanz:
VG Bayreuth, Beschluss vom 02.07.2020 – B 1 S 20.489
Fundstelle:
BeckRS 2021, 6452
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 27.04.2020 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
1
Die Klägerin wendet sich gegen die Anordnung der Beklagten, eine Begutachtung ihres Hundes zur Feststellung von dessen Rasse und Zuordnung zu einer Kampfhund-Kategorie bei einem öffentlich bestellten Hundesachverständigen durchführen zu lassen.
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1. Die Klägerin ist Halterin und Eigentümerin des Hundes „Jack“.
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Am 25.08.2019 verletzte der Hund „Jack“ der Klägerin einen anderen Hund tödlich. Daraufhin verfügte die Beklagte unter Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit mit Bescheid vom 27.08.2019 eine Leinen- und Maulkorbpflicht für den Hund der Klägerin. Gegen diesen Bescheid vom 27.08.2019 legte die Klägerin keinen Rechtsbehelf ein.
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Das Polizeipräsidium Oberfranken äußerte in einer Mitteilung vom 19.09.2019 an die Beklagte Zweifel an den von der Klägerin gemachten Angaben zur Rasse ihres Hundes (Schäferhund-Dogge Mischling). Aufgrund des Beißvorfalls vom 25.08.2019 und den Fotos des Hundes der Klägerin bestehe die Vermutung, dass es sich um einen Rottweiler-Mischling handle, der unter die Kampfhund-Kategorie II falle.
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Mit Schreiben vom 13.11.2019 forderte die Beklagte die Klägerin auf, die Rasse ihres Hundes durch die Hinzuziehung eines anerkannten Sachverständigen für das Hundewesen oder eines Tierarztes feststellen zu lassen (z.B. durch einen DNA-Test), um Rechtssicherheit über die Rassezugehörigkeit zu erlangen.
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Am 20.12.2019 legte die Klägerin das Testergebnis eines DNA-Tests der Firma W. vom 17.12.2019 vor. Demnach sei die Rasse ihres Hundes 50 % Deutscher Schäferhund, 25 % Rottweiler und 25 % Deutsche Dogge.
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Mit Schreiben vom 03.02.2020 forderte die Beklagte die Klägerin auf, die Rasse ihres Hundes durch die Hinzuziehung eines anerkannten Sachverständigen für das Hundewesen feststellen zu lassen und der Beklagten einen entsprechenden Nachweis vorzulegen. Der vorgelegte Nachweis der Rasse des Hundes der Klägerin in Form einer Genanalyse vom 17.12.2019 sei zur Rassenzuordnung nicht ausreichend.
8
Mit Schreiben vom 23.03.2020 führte die Klägerin aus, dass nach dem DNA-Test kein Elternteil und nur ein Großelternteil von „Jack“ ein reinrassiger Kampfhund gewesen sein könne; der Stammbaum, der mit dem DNA-Test der Klägerin übersandt worden sei, sei als Anlage beigefügt. Bei „Jack“ greife daher die widerlegbare Vermutung der Kampfhundeeigenschaft nach § 1 Abs. 2 KampfhundeV nicht, da hierfür nach der Rechtsprechung des BayVGH mindestens ein Elternteil ein reinrassiger Kampfhund sein müsste.
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Zum Nachweis eines „Kategorie-II-Hundes“ seien nach der Rechtsprechung des BayVGH sowohl ein Sachverständigengutachten als auch ein DNA-Test mit übereinstimmenden Ergebnissen erforderlich. Somit könne ein Sachverständigengutachten alleine nicht zu einer Einordnung als „Kategorie-II-Hund“ führen.
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Bei Mischlingshunden wie „Jack“ könne kein Abstammungsnachweis eines Hundeverbandes vorgelegt werden, weil solche von den Verbänden nur für reinrassige Hunde ausgegeben würden.
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Mit Bescheid vom 27.04.2020 verpflichtete die Beklagte die Klägerin als Halterin des Hundes „Jack“ bis spätestens 12.06.2020 unter Vorlage dieses Bescheids eine Begutachtung ihres Hundes zur Feststellung von dessen Rasse und Zuordnung zu einer Kampfhund-Kategorie bei einem öffentlich bestellten Hundesachverständigen durchführen zu lassen und der Beklagten den aufgrund dieser Begutachtung ausgestellten schriftlichen Nachweis über die Rasse und die Kampfhund-Kategorie ihres Hundes „Jack“ vorzulegen (Ziffer 1 des Bescheids). Die sofortige Vollziehung der Nr. 1 dieses Bescheids werde angeordnet (Ziffer 2 des Bescheids). Sollte die Klägerin der in der Nr. 1 genannten Verpflichtung nicht bis spätestens 12.06.2020 nachkommen, werde ein Zwangsgeld in Höhe von 300,- Euro zur Zahlung fällig (Ziffer 3 des Bescheids). Für diesen Bescheid werde eine Gebühr in Höhe von 30,00 Euro festgesetzt. Die Auslagen betrügen 3,45 Euro (Ziffer 4 des Bescheids).
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Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus, dass sie nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG Einzelfallanordnungen treffen könne, um Gefahren abzuwehren oder Störungen zu beseitigen, die Leben, Gesundheit oder die Freiheit von Menschen oder Sachwerte, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse geboten erscheine, bedrohten oder verletzten. Aufgrund der Mitteilung des Polizeipräsidiums Oberfranken vom 19.09.2019 bestünde der Verdacht, dass der Hund „Jack“ ein Kampfhund im Sinne des Art. 37 LStVG sei. Zur Entscheidung, ob seitens der Beklagten im Rahmen der Gefahrenabwehr weitere sicherheitsrechtliche Anordnungen nach Art. 37 LStVG i.V.m. § 1 der Verordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit erforderlich seien, müsse der Beklagten ein Nachweis mit der Angabe der Rasse sowie der Zuordnung zur Kampfhund-Kategorie vorgelegt werden. Dieser Nachweis müsse von einem öffentlich bestellten Hundesachverständigen, welcher die Begutachtung „Jacks“ durchgeführt habe, ausgestellt sein. Der von der Klägerin vorgelegte Nachweis der Rasse ihres Hundes in Form einer Gen-Analyse vom 17.12.2019, wonach es sich bei „Jack“ um einen Mischlingshund mit einem Anteil von 50 % Deutscher Schäferhund, 25 % Rottweiler und 25 % Deutsche Dogge handele, sei zur Rassenzuordnung nicht ausreichend.
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Der Erlass des Bescheids entspreche pflichtgemäßen Ermessen. Wegen des Vorliegens einer Gefahr sei das Einschreiten der Beklagten geboten. Bezüglich des Auswahlermessens sei die Anordnung verhältnismäßig. Die Anordnung verfolge ein legitimes Ziel und sei sowohl zweckdienlich, als auch geeignet. Sie sei auch erforderlich, da kein milderes Mittel ersichtlich sei, das die Rechte der Klägerin weniger einschränke und ebenfalls zu dem verfolgten Ziel der Erreichung von Rechtssicherheit über die Rasse und Zuordnung zu einer Kampfhund-Kategorie und dem damit verbundenen Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen führe. Die Feststellung der Rasse durch einen DNA-Test, was als milderes Mittel in Betracht komme, sei zur Rassenzuordnung nicht ausreichend und somit nicht zielführend. Schließlich sei die Maßnahme auch angemessen, da die in Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG genannten Schutzgüter des Lebens und der Gesundheit die allgemeine Handlungsfreiheit der Klägerin überwiegen würden. Diese Einschränkung der Klägerin sei im Interesse einer Gefahrenabwehr erforderlich. Die vorgegebene Frist bis 12.06.2020 von ca. sechs Wochen sei zumutbar. Nach Rücksprache mit einem öffentlich bestellten Hundesachverständigen würden derzeit wieder Termine für solche Begutachtungen vergeben und auch die Begutachtungen durchgeführt.
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2. Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 28.05.2020, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tag, erhob die Klägerin Klage und beantragte,
den Bescheid der Beklagten vom 27.04.2020 aufzuheben.
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Zur Begründung bringt die Klägerin im Wesentlichen vor, dass sich bereits aus dem seitens der Beklagten angeforderten DNA-Gutachten zweifelsfrei ergebe, dass es sich bei „Jack“ nicht um einen Kampfhund handele. Die Beklagte habe im Vorfeld bereits eindeutig erklärt, dass ihr hierfür ein entsprechendes DNA-Gutachten ausreiche. Erst im Nachhinein sei ein weiteres Sachverständigengutachten gefordert worden, obwohl das DNA-Gutachten eindeutig sei. Gründe, weshalb die Beklagte plötzlich an der Richtigkeit des von ihr zunächst ausschließlich geforderten DNA-Gutachtens zweifele, seien von dieser nicht vorgetragen worden. Hierfür lägen auch keinerlei Anhaltspunkte vor, insbesondere weil aus dem Gutachten klar hervorgehe, dass es sich bei keinem der beiden Elterntiere um einen reinrassigen Hund der Kampfhund-Kategorie I handele.
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Im Übrigen stehe die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit auch im Widerspruch zu den Regelungen innerhalb des streitgegenständlichen Bescheides, worin der Klägerin eine Frist zur Vorlage eines Sachverständigengutachtens bis zum 12.06.2020 gesetzt werde.
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Irrig gehe die Beklagte zudem davon aus, dass es sich bei „Jack“ um einen „Kategorie-II“-Hund aufgrund seiner Rasse handele und der prozentuale Rasseanteil irrelevant sei. Seitens des BayVGH sei mit Beschluss vom 02.04.2019, Az.: 10 Cs 19.277, eindeutig klargestellt worden, dass bei Kreuzungen die Kampfhundeeigenschaft nur bis zur sogenannten F1-Generation angenommen werde, d.h. ein Elternteil ein reinrassiger Kampfhund sei. Bei den Eltern von „Jack“ handele es sich um einen reinrassigen Schäferhundrüden und eine Doggenmischlingshündin, wie der Klägerin bei Übernahme von „Jack“ mitgeteilt worden sei. Dies decke sich mit dem Ergebnis des eingeholten DNA-Gutachtens. Damit seien die Elterntiere bekannt und eine Einordnung in eine der Kampfhunde-Kategorien scheide aus.
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Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 03.06.2020,
19
Die Beklagte führt aus, dass im Rahmen der Gefahrenabwehr weitere sicherheitsrechtliche Anordnungen nach Art. 37 LStVG i.V.m. § 1 der Verordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit getroffen werden müssten, wenn „Jack“ einer Kampfhund-Kategorie zugeordnet werden sollte. Um feststellen zu können, welcher Rasse und ggf. welcher Kampfhund-Kategorie „Jack“ zuzuordnen sei, reiche das vorgelegte Ergebnis der Gen-Analyse nicht aus. Es müsse eine Begutachtung des Hundes durch einen öffentlich bestellten Hundesachverständigen durchgeführt werden. Dies gehe aus der ständigen Rechtsprechung (vgl. Nr. 37.3.1 VollzBekLStVG, BayVGH, B.v. 02.04.2019 - 10 CS 19.277, Rn. 15.) hervor. Das vorgelegte DNA-Gutachten der Firma W. mit dem Ergebnis, dass in „Jack“ ein Anteil von 25 % Rottweiler enthalten sei, sei insgesamt ungeeignet, um als rechtlich valide Aussage zugrunde gelegt zu werden. Beispielsweise seien Probenentnahme, Prüfung der Hunde-Identität, Gen-Pool und dessen Aktualität völlig offen.
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Es seien weiter weder Methodik noch Labor oder Art der Probe erkennbar, weshalb dieses Unternehmen auch ausdrücklich in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen darauf verweise, dass die Testergebnisse nicht für behördliche oder gerichtliche Verwertung tauglich seien. Außerdem lasse sich diesem Schriftstück nicht entnehmen, ob, wie gefordert, ein anerkannter Sachverständiger oder Tierarzt die Probe entnommen und eingereicht habe oder die Probe mittels eines Heimtest-Kits, mit den damit verbundenen Unsicherheiten hinsichtlich der Aussagekraft des Ergebnisses, von der Klägerin entnommen und eingesendet worden sei.
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Durch die Beklagte sei zu keinem Zeitpunkt ausschließlich die Vorlage eines DNA-Gutachtens zur Rassefeststellung gefordert worden. Vielmehr sei die Klägerin stets zur Hinzuziehung eines anerkannten Sachverständigen für das Hundewesen aufgefordert worden.
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3. Mit Beschluss vom 02.07.2020 (Az.: B 1 S 20.480) stellte das Gericht die aufschiebende Wirkung der vorliegenden Klage wieder her bzw. ordnete diese an.
23
Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 18.12.2020 legte die Klägerin ein weiteres DNA-Gutachten der Firma G. vor. Auch aus diesem gehe hervor, dass es unter den Vorfahren von „Jack“ nur einen Rottweiler in der Großeltern-Generation gebe. Das Zweitgutachten sei eingeholt worden, da seitens der Beklagten - erstmals im gerichtlichen Verfahren - vorgetragen worden sei, dass das DNA-Gutachten der Firma W. keine ausreichende Validität aufgrund von deren Hinweis in den verwendeten AGBs im Sinne der Rechtsprechung des BayVGH besäße. Beim zweiten Gutachten der Firma G. handele es sich nunmehr um ein Gutachten eines Labors mit entsprechend ausreichender Validität, welches u.a. auch für Vaterschaftstests in der Humangenetik anerkannt sei und deren Hunderassen-DNA-Gutachten ausdrücklich zur Vorlage bei Behörden bestimmt seien. So werde bei Annahme des Gutachtens ausdrücklich angefragt, ob das Gutachten für eine Behörde benötigt werde, und für diesen Fall ein ID-Nachweis durch das Veterinäramt bzw. den Tierarzt angefordert.
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Im vorliegenden Fall sei daher der Identitätsnachweis durch Herrn Dr. med. vet. W. erbracht worden.
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In einem Telefongespräch mit dem Berichterstatter am 15.01.2021 (siehe Vermerk Bl. 90 der Gerichtsakte) erklärte der Geschäftsführer der Firma G (Herr S.), dass die von ihnen verwendete Gendatenbank etwa 1,5 Millionen Einträge von Hunden aus etwas über 300 Hunderassen umfasse. Auch die Firma W. greife auf diese Datenbank zu. Diese Datenbank sei die größte weltweit. Die Datenbank wachse ständig weiter, auch mit jeder ihnen zugesandten Probe.
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Die Testergebnisse der Firma G. stellten den Stand der Forschung und Technik dar. Anders als in der Humangenetik gebe es hier bei der Bestimmung von Hunderassen aber keine anerkannten wissenschaftlichen Standards, so dass die Firma G. hier auch nicht von einem Gutachten sprechen würde.
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Die Firma G. habe in ihren AGBs auch stehen, dass die Testergebnisse nicht zur Vorlage bei Behörden, sondern nur für den privaten Gebrauch gedacht seien. Es habe schon Anfragen von Ordnungsämtern bezüglich der Testungen und deren Verwertbarkeit für die Feststellung einer Kampfhundeeigenschaft gegeben. Die Firma G. könne hierzu nur sagen, dass sie Ergebnisse nach dem aktuellen Stand der Forschung liefern würde. Wie diese bewertet würden, z.B. hinsichtlich einer ausreichenden gerichtlichen Aussagekraft, sei nicht von der Firma G. zu bewerten. Dies sei Sache der Ordnungsbehörden bzw. Gerichte.
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Bezüglich des Verlaufs der am 19.01.2021 durchgeführten mündlichen Verhandlung wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
30
Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg.
31
1. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 27.04.2020 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, so dass dieser Bescheid aufzuheben ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
32
Die Anordnung in Ziffer 1 des Bescheids, dass die Klägerin eine Begutachtung ihres Hundes „Jack“ zur Feststellung von dessen Rasse und Zuordnung zu einer Kampfhunde-Kategorie durch einen Hundesachverständigen vornehmen zu lassen hat, bzw. die weitere Aufrechterhaltung dieser Anordnung, nachdem die Klägerin den Gen-Test der Firma G vorgelegt hat, erweist sich als rechtswidrig. Dies hat ebenfalls die Rechtswidrigkeit der im Bescheid weiter getroffenen Nebenentscheidungen über die Zwangsgeldandrohung (Ziffer 3) und die Kosten (Ziffer 4) zur Folge.
33
Die Anordnung in Ziffer 1 des Bescheids muss als sicherheitsrechtliche Anordnung nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Art. 8 LStVG) entsprechen, sich also als geeignet, erforderlich und angemessen erweisen, um den mit dieser Anordnung beabsichtigten Zweck zu erreichen. Vorliegend ist aber nicht erkennbar, dass die Anordnung für den verfolgten Zweck - die Klärung der Frage, ob weitere sicherheitsrechtliche Anordnungen nach Art. 37 LStVG i.V.m. § 1 der Verordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit (KampfhundeV) veranlasst sind - erforderlich wäre.
34
Nach der jüngsten Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der sich das erkennende Gericht anschließt, wird bei Mischlingshunden als Kreuzungen unterschiedlicher Hunderassen die Kampfhundeeigenschaft nur bis zur sogenannten F1-Generation angenommen, es muss also (mindestens) ein Elternteil des Mischlingshundes ein reinrassiger Kampfhund im Sinne des § 1 Abs. 1 KampfhundeV sein (vgl. BayVGH, B.v. 02.04.2019 - 10 CS 19.277 - juris, Rn. 15 m.w.N.). Weiter ist eine zuverlässige Einordnung eines Mischlingshundes ohne Abstammungsnachweis als Kreuzung im Sinne des § 1 Abs. 1 KampfhundeV letztlich nur möglich, wenn ein aussagekräftiges Sachverständigengutachten und ein hinreichend valider DNA-Test zu übereinstimmenden Ergebnissen kommen (vgl. BayVGH, a.a.O., Rn. 17). Damit müssen also diese beiden Voraussetzungen kumulativ vorliegen, um in Zweifelsfällen einen Mischlingshund als Kampfhund einstufen zu können. Es ist nichts dafür ersichtlich, diese Maßstäbe nicht auch auf Kampfhunde im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KampfhundeV - also die sogenannten Kampfhunde der Kategorie II - anzuwenden.
35
Demnach erscheint es hier nicht mehr möglich, dass der Hund „Jack“ der Klägerin als Kampfhund der Kategorie II eingestuft werden könnte. Denn sowohl der von der Klägerin bereits im Verwaltungsverfahren vorgelegte DNA-Test der Firma W. als auch der von der Klägerin im Laufe des Gerichtsverfahrens vorgelegte Gen-Test der Firma G. schließen aus, dass es sich bei (auch nur) einem Elternteil von „Jack“ um einen reinrassigen Kampfhund im Sinne der KampfhundeV handeln könnte. Hinsichtlich der Validität des Gen-Tests der Firma G. bestehen für das Gericht auch keine durchgreifenden Zweifel, so dass dieser vom erkennenden Gericht auch als ausreichend valide im Sinne der Rechtsprechung des BayVGH eingestuft wird.
36
Der Vermerk über die vom Berichterstatter beim Geschäftsführer der Firma G. am 15.01.2021 eingeholte telefonische Auskunft wurde den Beteiligten vor der mündlichen Verhandlung übersandt und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Die dort festgehaltenen Aussagen werden weder von den Beteiligten noch von der Kammer in Zweifel gezogen.
37
Hinsichtlich der Validität des von der Firma G. angewandten Verfahrens bestehen - anders noch als beim Gen-Test der Firma W. - auch von Seiten der Beklagten keine Einwände (vgl. S. 2 des Sitzungsprotokolls vom 19.01.2021). Fraglich erschien der Beklagten lediglich noch der Umstand, dass der Genpool aus internationalen Daten besteht. Es sei zu diskutieren, ob eine Validität nur dann gegeben sei, wenn der Genpool auf Deutschland bzw. Europa beschränkt sei (vgl. a.a.O.). Dies sieht die Kammer aber als keinen durchgreifenden Einwand an. Es ist nämlich nicht ersichtlich, dass es der Klägerin derzeit - zumindest mit praktikablem und vertretbarem Aufwand - möglich wäre, einen Gen-Test zu erhalten, der die Aussagekraft bzw. Validität des Gentests der Firma G. übertrifft. Insbesondere sind keine Anbieter von Gen-Tests für Hunde am Markt ersichtlich, die bei der Bestimmung der Hunderasse auf eine aussagekräftigere Datenbank als die Firma G. zugreifen.
38
Auch dass die Firma G. ihre Gen-Tests nicht als gerichtsverwertbare Gutachten im klassischen Sinne einstuft, sieht die Kammer nicht als einen die Validität ausschließenden Umstand an. Dies liegt nämlich alleine darin begründet, dass es nach den - nicht in Zweifel gezogenen - Angaben der Firma G. derzeit keine allgemein anerkannten wissenschaftlichen Standards in diesem Bereich der genetischen Bestimmung von Hunderassen gibt. Damit muss ein Gen-Test nach Stand der Forschung und Technik, wie von der Firma G. vorliegend erstellt, ausreichend sein. Andernfalls wäre es prinzipiell nicht möglich, überhaupt einen validen Gen-Test zur Bestimmung der Hunderasse zu erhalten, was aber, wie ausgeführt, als eine notwendige Voraussetzung für die Feststellung der Kampfhundeeigenschaft verlangt wird.
39
Liegt, wie es hier der Fall ist, bereits ein negativer DNA-Test vor, kann nach den aufgezeigten Voraussetzungen selbst ein positives Gutachten eines Hundesachverständigen, wie in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids gefordert, nicht mehr zu einer Einstufung von „Jack“ als Kampfhund im Sinne der KampfhundeV führen. Denn die materielle Beweislast bzw. Feststellungslast dafür, dass ein (Mischlings-)Hund als Kampfhund im Sinne der KampfhundeV einzustufen ist, trifft die Behörde (vgl. BayVGH, a.a.O., - Rn. 18). Ein solcher positiver Nachweis kann aber nicht mehr geführt werden, wenn - auch nur - eine von zwei kumulativ erforderlichen Voraussetzungen nicht gegeben ist.
40
Die Anordnung einer Begutachtung durch einen Hundesachverständigen kann im vorliegend Fall damit nicht mehr gefordert werden, weil durch einen DNA-Test bereits ausreichend geklärt ist, dass es sich bei „Jack“ nicht um einen Kampfhund im Sinne der KampfhundeV handelt.
41
Auch der Verweis der Beklagten auf Nr. 37.3.1. der Vollzugsbekanntmachung des Bayerischen Staatsministerium des Inneren zum LStVG führt zu keinem anderen Ergebnis. Zwar wird dort ausgeführt, dass eine Gen-Analyse zur Rassenzuordnung kaum hilfreich sei, weil sie angesichts der Bandbreite der körperlichen wie genetischen Merkmale einer Rasse kaum zu einem eindeutigen Ergebnis führen dürfte. Diese in einer Verwaltungsvorschrift geäußerte Auffassung ist aber für das Gericht nicht bindend. Zudem ist zu beachten, dass diese Vollzugsbekanntmachung zum LStVG zuletzt zum 01.06.2015 aktualisiert wurde und somit die zitierte Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 02.04.2019 noch nicht berücksichtigt.
42
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als unterliegende Beteiligte hat die Beklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen.
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3. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 und 2, 709 Satz 2 ZPO.
44
4. Die Berufung ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache nach § 124 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Es erscheint die Frage grundsätzlich klärungsbedürftig, welche Anforderungen, insbesondere im Hinblick auf Gen-Tests, zu stellen sind, um in Zweifelsfällen einen Mischlingshund als Kampfhund im Sinne der KampfhundeV einzustufen.