Titel:
Beitritt eines GmbH-Gesellschafters als Nebenintervenient
Normenkette:
ZPO § 66
Leitsätze:
1. Ein Beitritt auf Seiten einer Hauptpartei ist auch allein zur Klage oder allein zur Widerklage möglich (Anschluss an BGH BeckRS 2018, 21042). (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein GmbH-Gesellschafter hat ein zur Nebenintervention berechtigendes Interesse am Ausgang der Klage des Geschäftsführers auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung (Übertragung von BGH BeckRS 2013, 3334). (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
3. Kein rechtliches Interesse besteht dagegen an einem Beitritt zur (Wider-)Klage der Gesellschaft auf Rückzahlung von Geschäftsführervergütung (Übertragung von BGH BeckRS 2018, 21042). (Rn. 28 – 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Nebenintervention, GmbH-Gesellschafter, Klage des Geschäftsführers, Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung, Rückzahlung, Geschäftsführervergütung
Rechtsmittelinstanzen:
LG München I vom 12.01.2022 – 15 O 11883/20
OLG München, Endurteil vom 22.03.2023 – 7 U 723/22
OLG München, Beschluss vom 31.03.2021 – 7 W 495/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 63569
Tenor
1. Die Nebenintervenientin wird hinsichtlich der Klage zum Rechtsstreit zugelassen.
2. Im übrigen wird der Beitritt zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Zwischenstreits haben der Kläger 1/7 und die Nebenintervenientin 6/7 zu tragen.
4. Das Urteil ist für die Nebenintervenientin vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Nebenintervenientin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Nebenintervenientin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Der Streitwert für den Zwischenstreit wird auf 260.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt die Feststellung der Unwirksamkeit einer Kündigung seines Anstellungsvertrages und Zahlung des Gehalts für den Monat Mai 2020, die Beklagte widerklagend die Rückzahlung überzahlter Vergütung.
2
Der Kläger gründete am … die Beklagte. Insgesamt bestanden zuletzt vier Geschäftsanteile zu je 25.000,00 DM. Zwei Geschäftsanteile hält derzeit der Kläger, zwei weitere wurden mit Anteilsübertragungsverträgen … an die Nebenintervenientin verkauft. Die Abtretung der Geschäftsanteile ist erfolgt, der Kaufpreis in Höhe von jeweils € 15.000,000 ist noch nicht bezahlt.
3
Der Kläger trat mit Schreiben vom … von den Anteilskaufverträgen zurück, und forderte die Nebenintervenientin auf, der Rückübertragung der Geschäftsanteile … zuzustimmen.
4
Am … fand eine Gesellschafterversammlung statt, in der der Kläger als Geschäftsführer der Beklagten abberufen wurde. Im Anschluss an die Sitzung wurde dem Kläger die fristlose (hilfsweise ordentliche) Kündigung des Anstellungsverhältnisses übergeben.
5
Der Kläger ist der Auffassung, Gründe für die außerordentliche Kündigung hätten keine vorgelegen. Zudem sei die Kündigung aus formellen Gründen unwirksam. Insbesondere sei der in der Gesellschafterversammlung vom … ergangene Beschluss unwirksam.
1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Anstellungsverhältnis durch die fristlose Kündigung vom 26.05.2020 nicht beendet wurde, sondern unverändert … fortbesteht,
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Monat Mai … sein Gehalt in Höhe von 5.000,00 EUR brutto zu zahlen, zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem …
8
Die Beklagte behauptet eine Vielzahl von Pflichtverletzungen, insbesondere eine rechtsgrundlose Überweisung eines Betrages in Höhe von € 240.000,00 durch den Kläger auf sein Privatkonto.
9
Widerklagend bringt die Beklagte vor, aufgrund des Anstellungsvertrages vom … ende das Beschäftigungsverhältnis mit der Vollendung des 60. Lebensjahres des Klägers, mithin zum …. Die in der Folgezeit überwiesenen monatlichen Gehaltszahlung in Höhe von jeweils € 5.000,00 seien ohne Rechtsgrund geleistet worden, weshalb sie zurückzuzahlen seien.
10
Die Beklagte beantragt daher widerklagend
den Kläger zu verurteilen, Euro 225.000,00 nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an die Beklagte zu zahlen.
die Widerklage abzuweisen.
12
Der Kläger bringt vor, der Vertrag vom … sei nicht der aktuelle Anstellungsvertrag gewesen. Maßgeblich sei vielmehr der Anstellungsvertrag vom … nebst Nachtrag vom … in der Fassung des Beschlusses vom …
13
Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 18.01.2021 hat die Nebenintervenientin ihren Beitritt zum Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten erklärt. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 20.01.2021 beantragt, die Nebenintervention zurückzuweisen. In der mündlichen Verhandlung haben über die Frage der Zulassung der Nebenintervenientin verhandelt.
14
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift vom … Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
15
Über den Antrag auf Zurückweisung der Nebenintervention ist durch Zwischenurteil zu entscheiden, § 71 Abs. 1 S. 2 ZPO.
16
Der Antrag, die Nebenintervention zurückzuweisen, ist teilweise erfolgreich.
17
Die Zulässigkeit eines Beitritts zu Klage und Widerklage ist jeweils selbständig zu prüfen. Ein Beitritt auf Seiten einer Hauptpartei ist auch allein zur Klage oder allein zur Widerklage möglich (BGH, Beschluss vom 03. Juli 2018 – II ZB 28/16).
18
1. Die Nebenintervenientin ist derzeit Gesellschafterin der Beklagten.
19
Der Kläger ist der Auffassung, sie habe kein rechtliches Interesse am Ausgang des Verfahrens. Ein bloß tatsächliches, insbesondere wirtschaftliches Interesse sei dafür nicht ausreichend.
20
Die Nebenintervenientin sieht ein rechtliches Interesse als gegeben an.
21
2. Voraussetzungen der Zulässigkeit einer Nebenintervention ist, dass der Nebenintervenient am Obsiegen einer Partei ein rechtliches Interesse haben muss.
22
Ein rechtliches Interesse am Obsiegen einer Partei hat jemand dann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits (durch Inhalt oder Vollstreckung) mittelbar oder unmittelbar auf seine privat- oder öffentlich-rechtlichen Verhältnisse rechtlich günstig oder ungünstig einwirkt (BGH NJW-RR 2011, 907; NJW 2016, 1020; NJW 2016, 1018; Koblenz NJW-RR 2009, 963). Der Begriff ist weit auszulegen (BGHZ 166, 18; BGH NJW 2016, 1020; Althammer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 66 ZPO, Rn. 8).
23
Es genügt also nicht ein ideales oder rein wirtschaftliches Interesse (BGHZ 199, 207; BGH NJW 2018, 3016), ebenso wenig ein rein tatsächliches Interesse, etwa an der Entscheidung einer Rechts- oder Tatfrage in einem bestimmten Sinn (Althammer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 66 ZPO, Rn. 9f).
24
1. Der BGH hat für den Fall der Geltendmachung der Nichtigkeit von Aufsichtsratsbeschlüssen einer Aktiengesellschaft entschieden, dass ein rechtliches Interesse der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder an der Feststellung, dass die im Aufsichtsrat gefassten Beschlüsse unwirksam sind, besteht, so dass diese berechtigt sind, die Nichtigkeit von Aufsichtsratsbeschlüssen auf dem Klagewege feststellen zu lassen. Dieses Interesse beruht auf der Organstellung der Aufsichtsratsmitglieder und der sich daraus ergebenden gemeinsamen Verantwortung für die Rechtmäßigkeit der von ihnen gefassten Beschlüsse (BGH, Zwischenurteil vom 29. Januar 2013 – II ZB 1/11 –, Rn. 13, juris).
25
Nichts anderes gilt für die Gesellschafter der Gesellschafterversammlung als Entscheidungsgremium für die Abberufung des Geschäftsführers nach §§ 46 Nr. 5, 48 S. 1 GmbHG.
26
Insoweit besteht für die Nebenintervenientin ein rechtliches Interesse an der (mittelbaren) Feststellung der Wirksamkeit der von ihr gefassten Beschlüsse.
27
2. Hinsichtlich der Widerklage ist kein rechtliches Interesse erkennbar.
28
Geltend gemacht mit der Widerklage sind Rückforderungsansprüche von – behauptet – überzahlten Geschäftsführervergütungen. Diese Forderung berührt die rechtlichen Verhältnisse der Nebenintervenientin nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar über das Vermögen der Gesellschaft.
29
Das Interesse, die Vermögenssituation der Gesellschaft als (Wider-)Klägerin zu verbessern, um etwa höhere Tantiemen von der klagenden Gesellschaft oder als
30
Gesellschafter einer GmbH aufgrund der verbesserten Vermögenssituation der Gesellschaft höhere Gewinnzuteilungen zu erhalten, ist ein rein wirtschaftliches und kein rechtliches (BGH, Beschluss vom 03. Juli 2018 – II ZB 28/16 – zur Aktiengesellschaft).
31
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711, 709 S. 2 ZPO.
32
Bei der Streitwertbemessung wurde das Interesse der Nebenintervenientin berücksichtigt. Diese hat sowohl ein Interesse an der Feststellung der Wirksamkeit der Kündigung als auch an der Rückzahlung der – behauptet – überzahlten Bezüge geltend gemacht. Der Streitwert der negativen Feststellungsklage wurde mit dem Differenzbetrag bis zur nach § 2 Ziff. 2 des Anstellungsvertrages möglichen (und auch erklärten) ordentlichen Kündigung (hier: zum 31.12.2020) bemessen, ein Abschlag für die Feststellung war nicht vorzunehmen.