Titel:
Werkvertrag, Wertersatzpflicht, Wertersatzanspruch, Unterbliebene Widerrufsbelehrung, Widerrufsrecht, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Hilfsantrag, außergerichtliche Anwaltskosten, Gegenerklärung, Herausgabeanspruch, Verbraucherbauvertrag, Kaufvertrag, Kosten des Berufungsverfahrens, Nachträgliche Klagehäufung, Widerrufsfrist, Verbrauchervertrag, Kostenentscheidung, Sicherheitsleistung, Dienstvertrag, Klageerweiterung
Schlagworte:
Widerrufsrecht, Restvergütung, Werkvertrag, Wertersatz, Klageerweiterung, Herausgabeansprüche, Sonderrechtsfähigkeit
Vorinstanzen:
OLG München, Verfügung vom 22.02.2021 – 28 U 7274/20 Bau
LG München I, Endurteil vom 18.11.2020 – 2 O 3326/20
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 10.05.2023 – VII ZR 414/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 63516
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 18.11.2020, Aktenzeichen 2 O 3326/20, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I sowie dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 27.223,36 € festgesetzt.
Gründe
1
Das Landgericht wies die auf Restvergütung gerichtete Klage über etwa 25.000 Euro für die Sanierung des Dachs des Beklagten ab.
2
Der Beklagte als Verbraucher habe ein Widerrufsrecht, dass er, obwohl der maßgebliche Werkvertrag am 2.7.2019 geschlossen worden sei, auch noch am 18.5.2020 habe ausüben habe können, da die erteilte Widerrufsbelehrung unwirksam sei.
3
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts München I vom 18.11.2020 Bezug genommen.
4
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung und argumentiert, das Erstgericht habe nicht ausreichend die Konkurrenz des Verbraucherbauvertrags einerseits und des klassischen Verbrauchervertrags andererseits beachtet. Zudem sei nachträglich eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erteilt worden.
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Die Klägerin hat in Erweiterung der Klage Hilfsanträge gestellt und beantragt nunmehr im Berufungsverfahren:
I. Das Urteil des Landgerichts München I Az.: 2 O 3326/20 vom 14.10.2020 wird aufgehoben und der Beklagte verurteilt,
- 1.
-
an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 26.440,85 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.08.2019 zu bezahlen,
- 2.
-
an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 782,51 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.08.2019 zu bezahlen,
- 3.
-
an die Klägerin außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.141,90 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.08.2019 zu bezahlen.
II. Hilfsweise wird der Beklagte verurteilt, folgendes, von der Klägerin auf seinem Dach in der Z. 21, … M. verbautes, Material an die Klägerin herauszugeben:
▪ Dampfbremse mit variablem sd-Wert von 0,2 bis 3 m (Wasserdampfdurchgangswiderstand) – 135 m2
▪ Dämmung Mineralwolle, Mineralwolle – Dämmfilz, Dicke = 140 mm, wasserabweisend ausgerüstet, nicht brennbar (Baustoffkasse Al), Fabrikat: Isover – 135 m2
▪ Dachsparren, Nadelholzlatten, Lattenquerschnitt: 40 x 60 mm – 135 m2
▪ Unterspannbahn/Unterdeckbahn, Diffusionsoffene Unterdeck- und Unterspannbahn für vollgedämmte Steildächer, sowie integrierten Klebezonen an beiden Rändern, Typ: Dörken Delta -VENT N PLUS oder vgl. Eurobrandklasse: E, ZDVH: Klasse UDB-A und USB-A, Sd-Wert: ca. 0,02 m, Reißkraft: ca. 220/165 N/5 cm, Gewicht: ca. 130 g/m2 – 135 m2
▪ Konterlattung aus fachgerechtem Nadelholz der Schnittklasse S10, 30 x 60 mm mit karrosionsgeschützten Befestigern – 135 m2 Seite 3
▪ Traglattung der Schnittklasse S10, 30 x 50 mm mit karrosionsgeschützten Rillennägeln – 135 m2
▪ Dacheindeckung mit Flachdachpfannen, Farbe: Anthrazit braun – 135 m2
▪ Dunstrohrdurchgangsziegel aus Ton, mit Haube, in Form und Farbe zur Dacheindeckung passend, Farbe: Anthrazit braun 3 Stück
▪ Sturmverklammerung, karrosionsgeschützte Ziegelverklammerung – 135 m2
▪ Trockenfirst, Giebelsteinen, passend für Braas Frankfurter Pfanne, Ausstich 110 m mit karrosionsgeschützten Befestigern. Farbe: Anthrazit braun 9 Stück
▪ Traufeinlaufblech aus ALU BRAUN, d = 0,5 mm, Zuschnitt 250 mm – 18 m
▪ Ortgangbleche in Prefa braun -15 lfm
▪ Trennbleche in Prefa braun – 15 lfm
III. Höchst hilfsweise zu II wird der Beklagte verurteilt, der Klägerin Zutritt auf sein Grundstück in der Z. 21, … M. zu gewähren und ihr zu gestatten, das von ihr verbaute Material auf dem Dach abzubauen und zu entfernen. Im Einzelnen:
▪ Dampfbremse mit variablem sd-Wert von 0,2 bis 3 m (Wasserdampfdurchgangswiderstand) – 135 m2
▪ Dämmung Mineralwolle, Mineralwolle – Dämmfilz, Dicke = 140 mm, wasserabweisend ausgerüstet, nicht brennbar (Baustoffklasse Al), Fabrikat: Isover – 135 m2
▪ Dachsparren, Nadelholzlatten, Lattenquerschnitt: 40 x 60 mm – 135 m2
▪ Unterspannbahn/Unterdeckbahn, Diffusionsoffene Unterdeck- und Unterspannbahn für vollgedämmte Steildächer, sowie integrierten Klebezonen an beiden Rändern, Typ: Dörken Delta -VENT N PLUS oder vgl. Eurobrandklasse: E, ZDVH: Klasse UDB-A und USB-A, Sd-Wert: ca. 0,02 m, Reißkraft: ca. 220/165 N/5 cm, Gewicht: ca. 130 g/m2 – 135 m2
▪ Konterlattung aus fachgerechtem Nadelholz der Schnittklasse S10, 30 x 60 mm mit karrosionsgeschützten Befestigern – 135 m2 Traglattung der Schnittklasse S10, 30 x 50 mm mit karrosionsgeschützten Rillennägeln – 135 m2
▪ Dacheindeckung mit Flachdachpfannen, Farbe: Anthrazit braun – 135 m2
▪ Dunstrohrdurchgangsziegel aus Ton, mit Haube, in Form und Farbe zur Dacheindeckung passend, Farbe: Anthrazit braun 3 Stück
▪ Sturmverklammerung, karrosionsgeschützte Ziegelverklammerung – 135 m2
▪ Trockenfirst, Giebelsteinen, passend für Braas Frankfurter Pfanne, Ausstich 110 m mit karrosionsgeschützten Befestigern. Farbe: Anthrazit braun 9 Stück
▪ Traufeinlaufblech aus ALU BRAUN, d = 0,5 mm, Zuschnitt 250 mm – 18 m
▪ Ortgangbleche in Prefa braun -15 lfm
▪ Trennbleche in Prefa braun – 15 lfm
die Zurückweisung der Berufung.
7
Auf den Hinweis des Senats vom 22.2.2021 und die hierauf eingegangene Gegenerklärung der Klägerin wird Bezug genommen.
8
Die Berufung gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 18.11.2020, Aktenzeichen 2 O 3326/20, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
9
Zur Begründung wird zunächst auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen. Die Ausführungen in der Gegenerklärung geben zu einer Änderung keinen Anlass; insoweit gilt ergänzend:
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1. Die Klägerin hat keine Restvergütungsansprüche aus § 631 Abs. 1 BGB, da der am 2.7.2019 geschlossene Werkvertrag vom Beklagten als Verbraucher wirksam widerrufen wurde.
11
a. Soweit die Klägerin meint, die unterbliebene Widerrufsbelehrung sei geheilt worden, folgt der Senat dem nicht und kann die Argumentation insgesamt nicht nachvollziehen.
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Der Senat kann die kaum glaubwürdigen Rügen in Richtung des Datums des ersten Widerrufs offenlassen, da der Beklagte jedenfalls am 19.6.2020 den Widerruf erklärt hat und insoweit die Widerrufsfrist im Hinblick auf die Belehrung vom selben Tag unzweifelhaft rechtzeitig war; ausweislich des klaren Normwortlauts (§§ 355 Abs. 2 BGB; 356 Abs. 3 BGB) beträgt die Widerrufsfrist ab ordnungsgemäßer Belehrung vierzehn Tage.
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b. Die Klägerin meint, sie müsse – alles andere sei schlicht ungerecht – Ansprüche haben und argumentiert, die europäische Richtlinie enthalte bei Kaufverträgen die eindeutige Wertung, dass rückabwickelbare Leistung zurückzugewähren sei und, falls dem nicht so sei, greife automatisch ein Wertersatzanspruch.
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(1) Die Auffassung der Klägerin ist unzutreffend.
15
Sie verkennt bereits die eindeutigen europarechtlichen Vorgaben bei Kaufverträgen und berücksichtigt nicht die wesentlichen Aspekte bei Dienst- und Werkverträgen. Die Gleichstellung des vorliegenden Werkvertrags mit einem einfach rückabwickelbaren Kaufvertrag ist nicht gerechtfertigt. Wertungsunterschiede zum Kaufrecht bestehen nicht.
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(2) In § 357 Abs. 1 BGB ist geregelt, dass die Leistungen binnen einer Frist von vierzehn Tagen zurückzugewähren sind, andernfalls automatisch Verzug eintritt.
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Dass der Beklagte das Dach nicht abbauen und der Klägerin zurückgeben muss, behauptet die Klägerin wohl nicht ernstlich und es wäre rechtlich kaum begründbar, anzunehmen, der Verbraucher, der nicht innerhalb von vierzehn Tagen sein Dach abbaut, befände sich im Verzug.
18
(3) Ist eine Rückgewähr der Leistung nicht möglich, regelt die Vorschrift – abschließend – die Fragen des Wertersatzes. Ein Wertersatz ist demnach nicht geschuldet.
19
aa. Auch im Kaufrecht ist – anders als die Klägerin meint – eine ordnungsgemäße Belehrung entscheidend bei der Frage des Wertersatzes.
20
In Abs. 7 – und das blendet die Klägerin bei ihren einseitigen Gerechtigkeitserwägungen aus – ist geregelt, dass keine Wertersatzpflicht besteht, wenn der Verbraucher nicht belehrt wurde. Erwirbt also ein Verbraucher Farbe, Schrauben, Werkmaterial und verbaut bzw. verbraucht diese Produkte, schuldet er im Fall der nicht ordnungsgemäßen Belehrung keinen Wertersatz (Fritsche in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2019, § 357 Rnr. 29 ff.).
21
bb. Genau diese Wertung wurden nun für den erweiterten europäischen Dienstvertrag aufgegriffen und konsequent fortgesetzt.
22
Da eine Dienstleistung per se nicht zurückgewährt werden kann, kommt nur eine Wertersatzpflicht (Abs. 8) in Betracht. Hierbei ist maßgeblich, ob eine ordnungsgemäße Belehrung im Sinne dieser Vorschrift vor Erbringung der Leistung erfolgt ist. Das ist stimmig, andernfalls der Verbraucher sich nicht ohne negative Folgen vom Vertrag lösen könnte. Warum nun die Klägerin immer wieder auf die angeblich geheilte Belehrung abstellt, kann der Senat nicht nachvollziehen, da diese Belehrung nicht den Anforderungen des Abs. 8 entspricht (und auch eine Nachholung der Belehrung bei erfolgtem Verbrauch für Abs. 7 keine Bedeutung hätte).
23
cc. Mit der europarechtlichen eindeutigen Zuordnung von Werkverträgen zum Dienstvertragsbegriff in Abs. 7 befasst sich die Gegenerklärung insgesamt nicht, zieht aber das Ergebnis wohl in Zweifel. Der Senat teilt die Bedenken nicht.
24
Unterstellt, ein Maler streicht eine Außenfassade, ein Handwerker verputzt die Fassade neu oder ein anderer Unternehmer errichtet ein neues Fenster, liegt unproblematisch ein Werkvertrag vor. Diese Leistungen sind nicht rückgewährbar. In solchen Fällen kommt eine Wertersatzpflicht nicht in Betracht.
25
Die europarechtliche Behandlung dieser Konstellation enthält die identischen Wertungen für Kaufverträge und für Dienst- bzw. Werkverträge. Hätte der Verbraucher Farbe, Verputzmaterial oder ein Fenster erworben, würde ein Wertersatz nach § 357 Abs. 7 BGB ausscheiden. Bei der Beauftragung eines Handwerkers/Unternehmers gilt über § 357 Abs. 8 BGB nämliches. Wertungsunterschiede sind nicht feststellbar, daher gehen die Rügen der Gegenerklärung insgesamt ins Leere.
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dd. Ein Verbraucherbauvertrag (§ 357d BGB) liegt nicht vor.
27
Auf den nicht entkräfteten Hinweis des Senats wird Bezug genommen.
28
ee. Der vorliegende Fall weist keine atypischen Besonderheiten auf, die nach § 242 BGB zu korrigieren wären.
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Der Verbraucher, der sich typischerweise in dem umfassenden Irrglauben „pacta sunt servanda“ befindet, muss aufgeklärt werden, dass er sich in bestimmten Fällen unproblematisch vom Vertrag lösen kann. Er soll jederzeit das Recht haben, so gestellt zu werden, als sei ein Vertrag nicht zustande gekommen. Entsprechend bestehen für die Wertersatzpflichten in § 357 BGB hohe Hürden.
30
Im vorliegenden Fall wurde ein Verbraucher – bereits der Vertragsschluss und die hier im Raum stehende Preisbildung durch den Unternehmer sind fragwürdig, können aber in ihren Auswirkungen dahinstehen – durch ein günstiges Angebot zur Sanierung eines Daches bewogen. Entgegen den gesetzlichen Vorgaben erfolgte keine Widerrufsbelehrung und der Vertrag wurde vollzogen.
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Die Klägerin kann daher nicht dahingehend argumentieren, dass, anders als im obigen Beispiel des Malers oder des Verputzers, Teile des Dachs leicht entfernbar seien und dass dieser Umstand eine Billigkeitskorrektur erfordere sowie dieser Umstand eine Wertersatzpflicht zur Folge habe.
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Die Klägerin scheint der Auffassung zu sein, der Verbraucher, der nach den Wertungen der europäischen Richtlinie so zu stellen ist, als hätte er keinen Vertrag geschlossen, müsse künftig ein Haus ohne Dach dulden. Das Wesen von Werkverträgen ist regelmäßig die Veränderung eines bestehenden Zustands, der kaum umkehrbar ist und das alte Dach, sollte es überhaupt noch vorhanden sein, lässt sich nicht wiederherstellen. Damit gehen die gesamten wertenden Erwägungen an der Problematik vorbei.
33
ff. Mag man – dieser Aspekt wird von der Klägerin nicht gerügt – im Einzelfall die schwer nachvollziehbare Wertung des Gesetzgebers in § 357 Abs. 7 BGB und § 357 Abs. 8 BGB in Zweifel ziehen, ist sie vorliegend nicht entscheidungserheblich.
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Bei einem Kaufvertrag ist der Verbraucher zum Wertersatz verpflichtet, wenn er über sein Widerrufsrecht belehrt wird; bei einem Werk- oder Dienstvertrag ist die Verpflichtung zum Wertersatz strenger, da insoweit die Belehrung über den Widerruf nicht ausreichend ist, sondern zusätzlich vor Beginn der Leistung auf die Wertersatzproblematik hinzuweisen ist. Erfährt nun der Verbraucher eine dauerhafte Vermögensmehrung können sich theoretisch Unterschiede ergeben. Vorliegend erfolgte aber insgesamt keine Belehrung; darüber hinaus ist die Zurücksetzung auf den ursprünglichen „status quo“ nicht möglich.
35
2. In Richtung der Hilfsanträge hat der Senat eine Erwiderung des Gegners nicht eingeholt, auch wenn – nach wie vor – erhebliche Zweifel an der Zulässigkeit der Hilfsanträge bestehen.
36
a. Soweit die Klägerin meint, eine Klageerweiterung unterfalle nicht dem Präklusionsrecht, werden wesentliche zivilprozessuale Vorgaben verkannt.
37
Eine privilegierte Klageänderung im Sinn des § 264 ZPO, die nicht in den Anwendungsbereich des § 533 ZPO fällt, liegt bei dem Hilfsantrag nicht vor; eine nachträgliche Klagehäufung unterfällt unzweifelhaft den Regeln der Klageänderungen, so dass § 533 ZPO einschlägig ist.
38
Die Rüge in der Gegenerklärung ist methodisch verfehlt, da eine nachträgliche Klagehäufung in zweiter Instanz nur unter engen Voraussetzungen zulässig ist. Sachdienlichkeit liegt jedenfalls nicht vor, da der Beklagte bei Zulassung der Anträge eine Instanz verlöre. Ob der Beklagte einwilligt und das neue Vorbringen – was eher unwahrscheinlich ist – unstreitig stellt, kann offen bleiben, da Herausgabeansprüche nicht in Betracht kommen:
39
b. Wie oben ausgeführt, ist § 357 Abs. 8 BGB eine abschließende Sonderregelung, so dass bereicherungsrechtliche Herausgabeansprüche per se nicht in Betracht kommen.
40
c. Soweit die Klägerin meint, sie habe Ansprüche aus § 985 BGB, weil u.a. die Ziegel unter Eigentumsvorbehalt geliefert wurden, ist die Ansicht rechtlich unzutreffend.
41
Die Klägerin stellt wohl, eine rechtliche Aufarbeitung fehlt insoweit, auf § 93 BGB ab und übersieht daher, dass für Gebäude § 94 Abs. 2 BGB eine Sonderregelung enthält. Ob nun Dachziegel leicht abnehmbar sind, ist für die Beurteilung des Tatbestandsmerkmals des Einfügens nicht relevant und bereits das Reichsgericht hat entsprechend entschieden, dass Dachziegel wesentliche Bestandteile des Gebäudes werden und daher ihre Sonderrechtsfähigkeit verlieren (statt vieler: Mössner in beck-online GROSSKOMMENTAR, Gesamtherausgeber Gsell/ Krüger/ Lorenz/ Reymann, Stand: 01.03.2021, § 94 Rnr. 20 ff.).
42
Die Berufung ist daher zurückzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
44
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgt gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG i.V.m. §§ 3 ff. ZPO bestimmt.