Inhalt

OLG München, Endurteil v. 10.08.2021 – 25 U 2785/20
Titel:

Gemischte Anstalt, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Leistungsausschluss, Rechtsmißbrauch, Rehabilitationsmaßnahmen, Leistungszusage, Sachverständigengutachten, Kostenentscheidung, Abwendung der Zwangsvollstreckung, Stationäre Heilbehandlung, Allgemeine Versicherungsbedingungen, Abänderung des angefochtenen Urteils, Landgerichte, Schriftliche Zusage, Krankenhaustagegeldversicherung, Ersatz von Aufwendungen, Gemischte Krankenanstalt, Fachpsychiatrisches Gutachten, Berufungsstreitwert, Versicherungsnehmer

Schlagworte:
private Krankenzusatzversicherung, Leistungsausschluss, gemischte Anstalt, Rehabilitationsmaßnahmen, schriftliche Zusage, medizinische Notwendigkeit, Kostenübernahme
Vorinstanz:
LG Ingolstadt, Urteil vom 31.03.2020 – 21 O 467/17 Ver
Fundstelle:
BeckRS 2021, 63305

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 31.03.2020, Az. 21 O 467/17 Ver, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 9.345,87 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

I.
1
Der Kläger unterhält beim Beklagten eine private Krankenzusatzversicherung. Vereinbart sind die Allgemeinen Versicherungsbedingungen 94 (AVB 94) für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung, Ausgabe 10/97, des Beklagten (Anlage B 1). Wegen der Folgen eines Schlaganfalls begab sich der Kläger im Jahr 2016 für eine psychosomatische stationäre Therapie zweimal in die Einrichtung Medical Park C., Fachklinik für Psychosomatik, in B. Vor den Aufenthalten erfolgte keine schriftliche Zusage der Kostenübernahme durch den Beklagten.
2
Der Kläger hat vom Beklagten die Zahlung von 9.345,87 € verlangt, die ihm für die Aufenthalte in Rechnung gestellt wurden. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Mit seiner Berufung erstrebt der Beklagte, der die Urteilssumme zur Abwendung der Zwangsvollstreckung bezahlt hat, die Abweisung der Klage.
II.
3
Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Sie führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils (§ 538 Abs. 1 ZPO) und zur Abweisung der Klage.
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1. Der Kläger kann vom Beklagten nicht den geltend gemachten Ersatz von Aufwendungen gemäß § 192 Abs. 1 VVG, § 1 I Abs. 1 lit. a AVB 94 verlangen. Dem steht der Leistungsausschluss gemäß § 4 I Abs. 5 Satz 1 AVB 94 entgegen, der § 4 Abs. 5 Satz 1 MB/KK 2009 entspricht. Nach dieser Bestimmung werden die tariflichen Leistungen für medizinisch notwendige stationäre Heilbehandlung in Krankenanstalten, die auch Kuren beziehungsweise Sanatoriumsbehandlung durchführen oder Rekonvaleszenten aufnehmen, nur dann gewährt, wenn der Versicherer diese vor Beginn der Behandlung schriftlich zugesagt hat.
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a) Die leistungsbeschränkende Bestimmung des § 4 Abs. 5 MB/KK ist wirksam (OLG Frankfurt, OLGR 1998, 116; r+s 2007, 68 mwN; OLG Hamm, VersR 2012, 1290; Bach/Moser/Kalis, PKV, 5. Aufl., § 4 MB/KK Rn. 160; vgl. auch BGH, Urteil vom 29. Januar 2003 – IV ZR 257/01, r+s 2003, 204, 205).
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b) Die Einrichtung Medical Park C., Fachklinik für Psychosomatik, ist eine gemischte Anstalt im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 1 MB/KK, weil sie auch Personen zur Durchführung von Rehabilitationsmaßnahmen aufnimmt.
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aa) Der Zweck des Leistungsausschlusses besteht darin, medizinischen Abgrenzungsschwierigkeiten aus dem Wege zu gehen (BGH, Urteil vom 7. Juli 1971 – IV ZR 6/71, VersR 1971, 949 unter 3; vom 29. Januar 2003 – IV ZR 257/01, r+s 2003, 204, 205 mwN). Kennzeichen einer gemischten Anstalt ist es, dass sie nach ihrer Ausstattung und ihrem medizinischen Konzept sowohl reine Krankenhausleistungen als auch die Behandlungen und Leistungen eines Sanatoriumsbetriebes erbringen kann (Bach/Moser/Kalis, PKV, 5. Aufl., § 4 MB/KK Rn. 167). Maßgeblich für den Ausschluss nach § 4 Abs. 5 MB/KK ist die tatsächliche Ausgestaltung der Anstalt, so wie sie sich aus ihrem Leistungsangebot ergibt (Prölss/Martin/Voit, VVG, 31. Aufl., § 4 MB/KK 2009 Rn. 53; vgl. MünchKomm-VVG/Kalis, 2. Aufl., § 192 Rn. 61). Auf die konkrete Ausgestaltung der tatsächlich gewählten Therapie im Einzelfall kommt es nicht an; es genügt, dass die Anstalt beide Möglichkeiten anbietet (OLG Hamm, VersR 2012, 1290, 1291 mwN).
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Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann als gemischte Anstalt nur eine solche Einrichtung bezeichnet werden, die zwei verschiedene Personengruppen aufnimmt, von denen die eine eine echte Krankenhausbehandlung erhält, während die Angehörigen der anderen Gruppe wie Kurgäste oder Sanatoriumsgäste behandelt werden (vgl. BGH, Urteil vom 30. Januar 1980 – IV ZR 48/78, ZfSch 1981, 247 unter II.1; kritisch Prölss/Martin/Voit, aaO § 4 MB/KK 2009 Rn. 54 mwN). Kur- oder Sanatoriumsbehandlungen und Rehabilitationsmaßnahmen sind miteinander vergleichbar (vgl. BGH, Urteil vom 29. Januar 2003 – IV ZR 257/01, r+s 2003, 204, 205; vom 8. Januar 2020 – IV ZR 240/18, NJW 2020, 929 Rn. 14 zur Unfallversicherung); die Rehaklinik ist ein Synonym des Sanatoriums (BGH, Urteil vom 8. Januar 2020, aaO Rn. 12).
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bb) Die Klinik Medical Park C. nimmt auch Personen zur Durchführung von Rehabilitationsmaßnahmen auf. Das ergibt sich aus dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme.
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(1) Der Zeuge Prof. Dr. M. S., ärztlicher Direktor und Chefarzt der Klinik, hat mit Schreiben an das Landgericht vom 10. April 2018 (Bl. 66 d. A.) angegeben, dass die Klinik stationäre Behandlungen im Akutbereich nach § 39 SGB V sowie Rehabilitationsmaßnahmen nach § 40 SGB V erbringt. Die Richtigkeit seiner schriftlichen Stellungnahme hat er bei seiner Vernehmung vor dem Landgericht am 26. Juni 2018 (Protokoll Bl. 74/91 d. A., S. 2) bestätigt. Zugleich hat er nochmals glaubhaft angegeben, bei der Klinik handle es sich um eine Anstalt, die sowohl Akutbehandlungen zu Lasten der Krankenkassen durchführe als auch Reha-Behandlungen.
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Die Voraussetzungen, unter denen das Berufungsgericht den Zeugen nochmals vernehmen müsste (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 2004 – V ZR 257/03, BGHZ 158, 269, juris Rn. 13; Beschluss vom 5. Mai 2015 – XI ZR 326/14, NJW-RR 2015, 1200 Rn. 16; vom 2. August 2017 – VII ZR 155/15, NJW-RR 2017, 1101 Rn. 14 mwN), liegen nicht vor. Das Landgericht hat – von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig – darauf abgestellt, dass der Zeuge angegeben hat, die Klinik bezeichne sich nicht als „Sanatorium“ und führe keine „Kurbehandlungen“ durch. Die Würdigung der Angaben des Zeugen durch das Landgericht stellt nicht in Frage, dass dieser die Durchführung von Rehabilitationsmaßnahmen ausdrücklich bestätigt hat. Aus der Sicht des Landgerichts kam es hierauf lediglich nicht an.
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(2) Die Angaben des Zeugen stehen nicht im Widerspruch zu dem vom Landgericht eingeholten ergänzenden fachpsychiatrischen Gutachten des Sachverständigen Dr. M. Z. vom 3. November 2019 (Bl. 205/218 d. A.), sondern werden von diesem gestützt. So berichtet der Sachverständige von einem Gespräch mit dem Geschäftsführer der Klinik Dr. A. am 23. Oktober 2019, der – unstreitig – angegeben hat, die Klinik sei als akutstationäre Einrichtung im Krankenhausplan eingetragen und werde auch als Rehabilitationsklinik maßgeblich von der Deutschen Rentenversicherung belegt (aaO S. 4). Auch der Zeuge Prof. Dr. S. hat sich dem Sachverständigen gegenüber im selben Sinne geäußert wie bei seiner Vernehmung (vgl. Gutachten, aaO S. 12).
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(3) Dem entspricht im Übrigen auch der äußere Auftritt der Klinik. Nach Nr. IV.6 der ab 20. Februar 2018 gültigen Preisliste (Bl. 187 d. A.), die auch der Sachverständige ausgewertet hat (vgl. Gutachten, aaO S. 10), ist der Medical Park C. „vom Verband der privaten Krankenversicherung e.V. als gemischte Krankenanstalt im Sinne des § 4 Abs. 5 MB/KK anerkannt“.
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c) Die Gewährung der tariflichen Leistungen hat der Beklagte vor Beginn der Klinikaufenthalte unstreitig nicht schriftlich zugesagt. Es kann dahinstehen, ob sich ein Versicherer, der eine mündliche Leistungszusage gegeben hat, unter Umständen so behandeln lassen müsste, als habe er eine schriftliche Zusage erteilt. Denn eine mündliche Zusage kann nicht festgestellt werden. Von einer solchen hat sich das Landgericht nicht überzeugen können, ohne dass konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser Feststellung begründen würden (vgl. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
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d) Die Nichterteilung einer Kostenzusage ist hier auch nicht aus anderen Gründen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 7. Juli 1971 – IV ZR 6/71, VersR 1971, 949; vom 2. Dezember 1981 – IVa ZR 206/80, VersR 1982, 285; OLG Karlsruhe, r+s 1998, 296) rechtsmissbräuchlich.
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Es kann dahinstehen, ob eine einschränkende Auslegung der Bestimmung des § 4 Abs. 5 Satz 1 MB/KK im Sinne des Klägers geboten ist. Dieser meint, vom Erfordernis einer schriftlichen Zusage sei in solchen Fällen abzusehen, in denen dem Versicherungsnehmer durch das Abwarten einer schriftlichen Leistungszusage medizinische Nachteile drohten. Gegen diese Auffassung spricht – von möglichen Extremfällen abgesehen – nicht zuletzt das Fehlen eines Anspruchs auf eine Zusage (vgl. Bach/Moser/Kalis, PKV, 5. Aufl., § 4 MB/KK Rn. 163 ff, 184 ff).
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Jedenfalls aber lagen die vom Kläger geltend gemachten Voraussetzungen nicht vor. Nach dem vom Kläger angeführten ergänzenden Sachverständigengutachten vom 20. Mai 2019 (Bl. 176/187 d. A., S. 5) hat der Sachverständige zwar die Behandlung als dringend indiziert angesehen, zu Nachteilen durch einen Aufschub aber nur ausgeführt, die Behandlung hätte keinen Aufschub von mehreren Wochen ohne medizinische Nachteile für den Kläger geduldet.
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Es ist weder geltend gemacht noch ersichtlich, dass die Einholung einer schriftlichen Zusage mehrere Wochen gedauert hätte. Zudem hat der Sachverständige auch nicht bestätigt, dass gerade eine Behandlung in der gewählten Klinik – oder in einer anderen gemischten Anstalt – zwingend erforderlich gewesen sei.
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e) Da der Leistungsausschluss gemäß § 4 I Abs. 5 Satz 1 AVB 94 greift, kommt es auf die vom Beklagten bestrittene medizinische Notwendigkeit der Behandlung nicht an.
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2. Mangels Hauptforderung besteht auch kein Zinsanspruch.
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3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 Satz 1, § 713 in Verbindung mit § 544 Abs. 2 ZPO. Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht zuzulassen.
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Die Festsetzung des Berufungsstreitwerts beruht auf §§ 47, 48 GKG, § 3 ZPO.