Titel:
Aufhebung einer dienstlichen Beurteilung wegen fehlender Beteiligung des unmittelbaren Vorgesetzten
Normenketten:
LlBG § 54
BayBG Art. 3
Leitsätze:
1. Dienstliche Beurteilungen sind ihrem Wesen nach persönlichkeitsbedingte Werturteile, die verwaltungsgerichtlich nur beschränkt überprüfbar sind. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Soweit der Dienstherr Richtlinien für die Erstellung dienstlicher Beurteilungen erlassen hat, ist vom Gericht auch zu prüfen, ob die Richtlinien eingehalten sind und ob sie mit den gesetzlichen Regelungen über die dienstliche Beurteilung und auch sonst mit gesetzlichen Vorschriften in Einklang stehen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Dienstliche Beurteilung 2018 (..6.2015 bis …5.2018), Polizei (dritte Qualifikationsebene), Fehlende Beteiligung eines unmittelbaren Vorgesetzten, Unrichtiger Sachverhalt, Beurteilung, fehlender Beurteilungsbeitrag, Polizeivollzugsbeamter, unmittelbarer Vorgesetzter, unrichtiger Sachverhalt
Fundstelle:
BeckRS 2021, 6328
Tenor
I. Die dienstliche Beurteilung für den Kläger vom ... Juni 2018 für den Beurteilungszeitraum vom ... Juni 2015 bis ... Mai 2018 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger für den Beurteilungszeitraum vom ... Juni 2015 bis ... Mai 2018 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu beurteilen.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der 1962 geborene Kläger - der als Polizeivollzugsbeamter in Diensten des Beklagten steht - begehrt die Neuerstellung seiner periodischen Beurteilung 2018.
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Der Kläger war als Polizeihauptkommissar (seit ...8.2013; Besoldungsgruppe A 12 - dritte Qualifikationsebene) mit dienstlicher Beurteilung vom ... Juni 2015 für den Beurteilungszeitraum vom ... Juni 2012 bis … Mai 2015 mit einem Gesamturteil von 13 Punkten beurteilt worden.
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Im darauffolgenden Beurteilungszeitraum vom ... Juni 2015 bis … Mai 2018 war er zunächst im Bereich eines Polizeipräsidiums in einer Polizeiinspektion (PI) tätig (wie bereits zuvor seit ...9.2003).
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Vom … bis … April 2017 nahm er zusammen mit weiteren 22 Beamtinnen und Beamten der PI an „Besinnungstagen“ in … teil. Die Teilnahme an der Fahrt erfolgte in der Freizeit und auf eigene Kosten. Wegen - aus Sicht des Polizeipräsidiums - inakzeptabler Vorfälle wurde er zunächst ab dem … Mai 2017 bis zum ... Juli 2017 in der Abteilung Versorgung des Polizeipräsidiums eingesetzt. Ab dem ... Juli 2017 hatte er seinen Dienst - zunächst vorübergehend angelegt - im Polizeipräsidium in der Abteilung Einsatz Unterabteilung Einsatzzentrale (...) als Sachbearbeiter Einsatzzentrale (SEZ) und Stellvertreter eines Leiters Einsatzzentrale (...) zu leisten.
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Mit Schreiben vom … Juli 2017 und vom … Juli 2017 forderte ihn das Polizeipräsidium auf, sich wegen Alkoholkonsums während der Besinnungstage einer polizeiärztlichen Untersuchung im Hinblick auf seine (Polizei-) Dienstfähigkeit zu unterziehen. Mit weiterem Scheiben ebenfalls vom … Juli 2017 leitete das Polizeipräsidium außerdem disziplinarrechtliche Ermittlungen wegen der Vorfälle während der Besinnungstage gegen den Kläger ein.
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Vom Verwaltungsgericht München wurde der Kläger im Wege einstweiliger Anordnung mit Beschluss vom 20. Februar 2018 vorläufig bis zum rechtskräftigen Abschluss eines (noch durchzuführenden) Hauptsacheverfahrens von der Verpflichtung zur Durchführung einer polizeiärztlichen Untersuchung freigestellt (M 5 E 17.4178). Das Verwaltungsgericht begründete dies im Wesentlichen damit, dass die Untersuchungsanordnung den an sie zu stellenden rechtlichen Anforderungen nicht genüge. Nach der allein maßgeblichen Sachverhaltsschilderung in der Anordnung habe es sich um ein insgesamt singuläres Ereignis gehandelt, zu dem nicht ansatzweise dargestellt worden sei, inwiefern sich daraus - unabhängig von einer eventuellen disziplinarrechtlichen Relevanz - eine begründete Besorgnis einer Polizeidienstunfähigkeit des Klägers ergeben sollte. Wenn ein gewisser dienstlicher Bezug der Besinnungstage auch gegeben gewesen sei, habe sich der Kläger dennoch in seiner Freizeit befunden. Es habe allein schon an jeder tragfähigen Feststellung gefehlt, wie viel Alkohol der Kläger denn zu sich genommen gehabt habe. Die Anordnung sei vielmehr „ins Blaue hinein“ ergangen. Zu einem gerichtlichen Hauptsacheverfahren kam es diesbezüglich nicht mehr.
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Seit dem ... April 2018 verrichtet der Kläger seinen Dienst - auf seinen Antrag hin - dauerhaft in der … …
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Mit dienstlicher Beurteilung vom … Juni 2018, dem Kläger eröffnet am … August 2018, wurde er für den Beurteilungszeitraum vom … Juni 2015 bis … Mai 2018 mit einem Gesamturteil von 12 Punkten beurteilt. Beurteiler war derselbe Polizeipräsident wie in der dienstlichen Beurteilung vom … Juni 2015; als unmittelbarer Vorgesetzter zeichnete der Leiter der … …
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Der Polizeipräsident verhängte mit Disziplinarverfügung vom ... August 2018 gegen den Kläger einen Verweis. Dem lagen die Vorfälle (u.a. der Alkoholkonsum) während der Besinnungstage zu Grunde. Der Kläger ließ dagegen Klage zum Verwaltungsgericht München erheben (M 19L DB 18.4437). Die Vorsitzende Richterin der Kammer 19L erteilte in der mündlichen Verhandlung am 10. Mai 2019 richterliche Hinweise dahingehend, dass der Verweis voraussichtlich keinen Bestand haben werde. Es dürfte bereits eine ordnungsgemäße disziplinarrechtliche Ermittlung des Sachverhalts unterblieben sein, weil im Disziplinarverfahren keine Zeugen unter Beachtung der disziplinarrechtlichen Vorschriften gehört worden seien. Außerdem dürfte das Verhalten des Klägers als außerdienstliches einzustufen sein. Die Schwelle für die Disziplinarwürdigkeit der außerdienstlichen Taten dürfte nicht erreicht sein. Selbst wenn man dies anders sehen wollte und dann im Rahmen der Maßnahmezumessung zu einem Verweis kommen würde, würde dieser aufgrund der zugunsten des Klägers sprechenden Umstände nicht mehr geboten sein. Der Verweis wurde daraufhin in der mündlichen Verhandlung aufgehoben.
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Mit Schriftsatz vom 11. Juni 2019 hat der Bevollmächtigte des Klägers für diesen beim Verwaltungsgericht München Klage erhoben und beantragt,
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die Beurteilung vom … Juni 2018 für den Beurteilungszeitraum ... Juni 2015 bis … Mai 2018 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Kläger für den Zeitraum ... Juni 2015 bis … Mai 2018 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu beurteilen.
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Die Punktwertbeurteilung sei nicht ausreichend plausibilisiert worden. Es sei unklar, warum der Kläger gerade nunmehr mit einem Gesamturteil von 12 Punkten beurteilt worden sei. Die Beurteilung sei sachwidrig durch den gegenüber dem Kläger unberechtigt erhobenen Vorwurf einer Dienstpflichtverletzung negativ beeinflusst worden. Ein gegen den Kläger verhängter Verweis sei in der mündlichen Verhandlung des hiergegen gerichteten Klageverfahrens am 10. Mai 2019 vom Beklagten aufgehoben worden, sodass das Verfahren übereinstimmend habe für erledigt erklärt werden können. Des Weiteren werde die Einhaltung eines ordnungsgemäßen Beurteilungsverfahrens bestritten. Der Kläger könne hierzu nichts vortragen; das Verfahrens sei für ihn intransparent.
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Das Polizeipräsidium hat für den Beklagten mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2019 beantragt,
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Die Leistungen des Klägers seien in den Leistungsreihungsgesprächen mit dem Beurteiler - dem Polizeipräsidenten - besprochen worden. In die Gesamtleistungsreihenfolge des Polizeipräsidiums sei der Kläger auf Platz 303 von 504 zu beurteilenden Polizeivollzugsbeamten der Besoldungsgruppe A 12 gereiht worden. Dies habe dann eine Gesamtpunktzahl von 12 Punkten ergeben. Der Kläger habe sich nach seiner Abordnung / Versetzung zur Unterabteilung Einsatzzentrale in ein für ihn weitgehend neues Tätigkeitsgebiet eingearbeitet. Dabei habe er zwar auf seine langjährige gesamtpolizeiliche Erfahrung zurückgreifen können, sich aber in die spezifischen Aufgabenfelder erst einarbeiten müssen. Aus diesem Grund habe ihm insgesamt keine bessere Bewertung als 12 Punkte gegeben werden können. Hierbei sei der Beurteilungsbeitrag der Polizeiinspektion berücksichtigt worden. Die Aufhebung des Verweises aufgrund seines außerdienstlichen Fehlverhaltens mit dienstlichen Auswirkungen, das Eingang in die Bewertung der Einzelmerkmale gefunden habe, sei zwar erfolgt, allerdings aufgrund von Verfahrensfehlern.
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Mit Beschluss vom 3. Dezember 2020 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
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In der mündlichen Verhandlung am 12. März 2021 wurde Beweis erhoben durch Einvernahme des Beurteilers und des damaligen Leiters der … … als Zeugen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die Gerichtsakten im vorliegenden Verfahren und in den Verfahren M 5 E 17.4178 und M 19L 18.4437, die vorgelegten Behördenakten sowie insbesondere wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme auf die Niederschrift vom 12. März 2021 verwiesen
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist begründet.
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Der Kläger hat einen Anspruch auf Aufhebung seiner periodischen Beurteilung vom … Juni 2018 für den Beurteilungszeitraum vom ... Juni 2015 bis … Mai 2018 und Erstellung einer neuen periodischen Beurteilung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Denn die angefochtene Beurteilung ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO analog, da eine dienstliche Beurteilung keinen Verwaltungsakt darstellt).
21
Dienstliche Beurteilungen sind ihrem Wesen nach persönlichkeitsbedingte Werturteile, die verwaltungsgerichtlich nur beschränkt überprüfbar sind (BVerwG, U.v. 13.5.1965 - 2 C 146.62 - BVerwGE 21, 127/129; U.v. 26.6.1980 - 2 C 8/78 - BVerwGE 60, 245 ständige Rechtsprechung).
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Nach dem erkennbaren Sinn der Regelung über die dienstliche Beurteilung soll nur der Dienstherr oder der für ihn handelnde Beurteiler ein persönliches Werturteil darüber abgeben, ob und inwiefern der Beamte den vom Dienstherrn zu bestimmenden, zahlreichen fachlichen und persönlichen Anforderungen des konkreten Amtes entspricht. Bei einem derartigen, dem Dienstherrn vorbehaltenen Akt wertender Erkenntnis steht diesem eine der gesetzlichen Regelung immanente Beurteilungsermächtigung zu.
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Demgegenüber hat sich die verwaltungsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle darauf zu beschränken, ob der Beurteiler den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt hat, oder ob er von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat.
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Soweit der Dienstherr Richtlinien für die Erstellung dienstlicher Beurteilungen erlassen hat, ist vom Gericht auch zu prüfen, ob die Richtlinien eingehalten sind und ob sie mit den gesetzlichen Regelungen über die dienstliche Beurteilung und auch sonst mit gesetzlichen Vorschriften in Einklang stehen (BVerwG, U.v. 11.1.1999 - 2 A 6/98 - ZBR 2000, 269).
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Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle kann dagegen nicht dazu führen, dass das Gericht die fachliche oder persönliche Beurteilung des Beamten durch den Dienstherrn in vollem Umfang nachvollzieht oder diese gar durch eine eigene Beurteilung ersetzt (BVerwG, U.v. 26.6.1980, a.a.O.).
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Innerhalb des durch die Art. 54 ff. Gesetz über die Leistungslaufbahn und die Fachlaubahnen der bayerischen Beamten und Beamtinnen (Leistungslaufbahngesetz - LlbG) gezogenen Rahmens unterliegt es grundsätzlich dem pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn, wie er die ihm aufgegebene, für zukünftige Personalentscheidungen verwertbare Aussage zu den einzelnen Beurteilungsmerkmalen gestalten und begründen und worauf er im einzelnen sein Gesamturteil stützen will (BVerwG, U.v. 17.12.1981 - 2 C 69/81 - BayVBl 1982, 348). Tatsächliche Grundlagen, auf denen Werturteile beruhen, sind nicht notwendig in die dienstliche Beurteilung aufzunehmen (BVerwG, U.v. vom 16.10.1967 - VI C 44.64 - Buchholz 232, § 15 BBG Nr. 1; U.v. 26.6.1980, a.a.O.). Der Dienstherr kann einerseits einzelne Tatsachen oder Vorkommnisse im Beurteilungszeitraum aufgreifen und aus ihnen wertende Schlussfolgerungen ziehen, wenn er sie etwa zur Charakterisierung des Beamten für besonders typisch hält oder für eine überzeugende Aussage zu einzelnen Beurteilungsmerkmalen für wesentlich erachtet. Er kann sich andererseits aber auch auf die Angabe zusammenfassender Werturteile aufgrund einer unbestimmten Vielzahl nicht benannter Einzeleindrücke beschränken. Schließlich kann er die aufgezeigten verschiedenen Möglichkeiten, über die Eignung und Leistung des Beamten ein aussagekräftiges, auch für Dritte verständliches Urteil abzugeben, in abgestufter Form miteinander verwenden bzw. miteinander verbinden. Alle diese Gestaltungsformen einer dienstlichen Beurteilung halten sich in dem von den Laufbahnvorschriften vorgezeichneten rechtlichen Rahmen (vgl. BayVGH, U.v. 23.5.1990 - 3 B 89.02832 m.w.N.; vgl. zum Ganzen auch: VG München, U.v. 11.1.2017 - M 5 K 16.2729 - juris Rn. 15).
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Maßgebend ist, welches Beurteilungssystem und welche Regelungen zum Beurteilungsstichtag (hier: 31.5.2018) gegolten haben (vgl. BVerwG, U.v. 2.3.2000 - 2 C 7/99 - NVwZ-RR 2000, 621 unter Hinweis auf BVerwG, B.v. 14.2.1990 - 1 WB 181/88 - BVerwGE 86, 240).
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Zugrunde zu legen sind hier daher Art. 54 ff. LlbG, die Verwaltungsvorschriften zum Beamtenrecht (Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen v. 18.11.2010 - VV-BeamtR, FMBl. S. 264, Abschnitt 3: Dienstliche Beurteilung - allgemeine Beurteilungsrichtlinien; zuletzt geändert durch die Fünfte Änderung der Verwaltungsvorschriften zum Beamtenrecht, Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat v. 19.10.2017, FMBl. S. 510), sowie die Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr über die Dienstliche Beurteilung, Leistungsfeststellungen nach Art. 30 und 66 BayBesG in Verbindung mit Art. 62 LlbG für die Beamten und Beamtinnen der Bayerischen Polizei und des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz (Beurteilungsbekanntmachung Polizei und Verfassungsschutz - BUBek-Pol/VS) vom 12. Dezember 2017 (AllMBl. 2018 S. 3).
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Gemessen an diesen Grundsätzen ist die angefochtene dienstliche Beurteilung vom ... Juni 2018 rechtlich zu beanstanden.
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Im Hinblick auf Verfahrensvorschriften fehlt es an einer Beteiligung des unmittelbaren Vorgesetzten des Klägers zum Beurteilungsstichtag … Mai 2018, was vorliegend auch für sich bereits zur Aufhebung der streitgegenständlichen Beurteilung führt.
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Nach Nr. 11.1 Satz 2 Abschnitt 3 VV-BeamtR - allgemeine Beurteilungsrichtlinien - sind unmittelbare Vorgesetzte der zu beurteilenden Beamtinnen und Beamten zu hören, wenn die Beurteilung von der Behördenleitung als Dienstvorgesetztem erstellt wird. Nach Nr. 11.1. Satz 3 Abschnitt 3 VV-BeamtR soll die Behördenleitung die unmittelbare Vorgesetzte oder den unmittelbaren Vorgesetzten der oder des zu Beurteilenden mit der Erstellung eines Beurteilungsentwurfs beauftragen. Nach Nr. 11.1 Satz 4 Abschnitt 3 VV-BeamtR erstellen mehrere unmittelbare Vorgesetzte einen einheitlichen Beurteilungsentwurf in gegenseitigem Einvernehmen. Dies dient der Stärkung der Verantwortung und der Funktion des unmittelbaren Vorgesetzten, was durch den abschließenden Hinweis nach Nr. 11.4 Abschnitt 3 VV-BeamtR zum Ausdruck kommt (Stellungnahme der oder des unmittelbaren Vorgesetzten - Ohne Einwendungen - Andernfalls bitte Begründung [ggf. auf gesondertem Beiblatt]). Gibt es im Einzelfall mehrere unmittelbare Vorgesetzte, so ist dieser abschließende Hinweis für jeden gesondert in die Beurteilung aufzunehmen.
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Vorgesetzte sind nach Art. 3 Satz 2 Bayerisches Beamtengesetz (BayBG) diejenigen, die Beamten und Beamtinnen für ihre dienstliche Tätigkeit Anordnungen erteilen können. Besteht zwischen dem Beamten oder der Beamtin und dem Vorgesetzten keine weitere Hierarchieebenen mehr, so handelt es sich um unmittelbare Vorgesetzte.
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Vorliegend hat der damalige Leiter der … … - hier Zeuge, an dessen Glaubwürdigkeit das Gericht keinen Anlass zu Zweifeln sieht - den Entwurf als unmittelbarer Vorgesetzter gezeichnet. Nicht er jedoch, sondern der oder die … als jeweilige(r) Schichtleiter in der Einsatzzentrale (Dienstposten A 13) war(en) als unmittelbare(r) Vorgesetzte(r) des Klägers - der seinerseits SEZ und Stellvertreter des jeweiligen … war (Dienstposten A 11 / A12) - anzusehen, weil sie ihm in der jeweiligen Schicht dienstliche Anordnungen erteilen konnten. Es entspricht auch dem Sinn und Zweck der Nr. 11.1 und 11.4 Abschnitt 3 VV-BeamtR, diese in ihrer Funktion als Vorgesetzte in der Schicht zu stärken. So hat auch einer der damaligen … - und nicht der damalige Leiter der … … - den Beurteilungsbeitrag der … … vom …1.2018 (der in der mündlichen Verhandlung - unvollständig - vom damaligen Leiter … … als Zeugen mitgebracht wurde und der vom Einzelrichter kurz in Augenschein genommen wurde) als unmittelbarer Vorgesetzter gezeichnet (diese Seite lag vor). Hätte der Kläger als SEZ im Laufe seiner Zeit in der … … mehrere … abwechselnd als unmittelbare Vorgesetzte gehabt, hätten diese eben nach Nr. 11.1 Satz 4 Abschnitt 3 VV-BeamtR in gegenseitigem Einvernehmen einen einheitlichen Beurteilungsentwurf erstellen müssen. Wollte man den damaligen Leiter … … daneben auch als unmittelbaren Vorgesetzten des Klägers ansehen, so wäre er zwar bei der Erstellung des Entwurfs ebenfalls miteinzubeziehen gewesen. Nur ihm allein oblag die Entwurfserstellung und -mitzeichnung jedoch nicht.
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Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass es sich für den Kläger negativ ausgewirkt hat, dass nicht diese(r) … den Beurteilungsbeitrag entworfen hat / haben. Denn der / die … hätten möglicherweise das Verhalten des Klägers nach den Vorfällen bei den Besinnungstagen nicht als negatives „Nachtatverhalten“ angesehen, wie es der damalige Leiter … … getan hat und der deswegen in seinem Entwurf 12 Punkte vorgeschlagen hat. Ohne dieses „Nachtatverhalten“ - so der Zeuge in der mündlichen Verhandlung - hätte er wohl 13 Punkte vorgeschlagen, nachdem der Kläger bereits in der vorherigen Beurteilung 13 Punkte gehabt hatte.
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Denn das vom damaligen Leiter der … … als Zeugen so bezeichnete „Nachtatverhalten“ des Klägers, also dessen Umgang mit der Situation und den weiteren Vorgängen nach den Besinnungstagen und sein „Konfliktmanagement“, stellt sich als ihm ohne weiteres zuzugestehende Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes dar. Beide diesbezügliche Maßnahmen des Polizeipräsidiums, sowohl die Anordnung polizeiärztlicher Untersuchung als auch der disziplinarrechtliche Verweis, haben sich als rechtswidrig erwiesen und hatten vor dem Verwaltungsgericht keinen Bestand. Dass sich dies erst mit dem Beschluss vom 20. Februar 2018 und in der mündlichen Verhandlung am 10. Mai 2019 bestätigte ändert nichts daran, dass es dem Kläger vom damaligen Leiter … … auch schon vorher - also zum Zeitpunkt des Beurteilungsbeitrags vom … Januar 2018 - nicht negativ hätte angerechnet werden dürfen, dass er von seinem guten Recht Gebrauch macht, Maßnahmen des Dienstherrn gerichtlich überprüfen zu lassen. Beim Kläger ist nichts dafür ersichtlich, dass er in quasi querulatorischer Manier ständig jegliche mehr oder minder schwerwiegenden Maßnahmen des Dienstherrn vor Gericht bringen würde.
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In materieller Hinsicht erweist sich die Beurteilung deswegen als rechtswidrig und aufzuheben, weil der damalige Beurteiler - an dessen Glaubwürdigkeit das Gericht ebenfalls keinen Anlass zu Zweifeln sieht - seine Beurteilung des Klägers maßgeblich auch auf die Vorfälle und das Verhalten des Klägers bei den Besinnungstagen in … gestützt hat. Es ist nicht auszuschließen, dass er ohne diese Umstände zu einem Gesamturteil von 13 Punkten gekommen wäre, zumal der Kläger dieses Gesamturteil bereits in der dienstlichen Beurteilung 2015 erhalten hatte und nicht die Rede davon war, dass seine Arbeitsleistung als solche nachgelassen hätte.
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Zwar gründen sich die in einer Beurteilung abgegebenen Werturteile stets und notwendig auf das dienstliche und - soweit für die dienstliche Beurteilung bedeutsam - außerdienstliche Verhalten des Beamten (Zängl in: Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: Januar 2021, Art. 54 LlbG Rn. 11). Es muss sich dabei jedoch um objektiv feststehende Tatsachen handeln, ansonsten der Beurteiler von einem unrichtigen Sachverhalt ausgeht.
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Das war vorliegend hinsichtlich der Vorfälle bei den Besinnungstagen in … nicht der Fall. Der Beurteiler hat in seiner Zeugeneinvernahme erklärt, dass der Kläger in der Abschnittsbesprechung am … Februar 2018, bei der er anwesend gewesen sei, hinsichtlich des Vorfalls und seines Verhaltens in … besprochen worden sei. Aufgrund der Vorfälle, die er anschließend benannte, sei es zu einer Beschädigung des Vertrauens der Vorgesetzten in den Kläger gekommen.
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Die Ergebnisse der gerichtlichen Verfahren M 5 E 17.4178 (Beschluss vom 20.2.2018) und M 19L DB 18.4437 (mündliche Verhandlung am 10.5.2019) haben jedoch gezeigt, dass mangels ausreichender Sachverhaltsaufklärung nicht von objektiv feststehenden Tatsachen ausgegangen werden konnte. Bei im Jahre 2018 ca. 1.800 zu beurteilenden Beamten der dritten Qualifikationsebene, davon 504 zu beurteilende Beamte der Besoldungsgruppe A 12, ist ein Polizeipräsident als Beurteiler zwingend darauf angewiesen, dass für die Beurteilung maßgebliche Sachverhalte vollständig und zutreffend ermittelt und ihm ebenso berichtet werden. Ein Polizeipräsident muss sich darauf verlassen können, dass ihm dargestellte negative Tatsachen zu einem Beamten auch objektiv richtig sind. Daran hat es hier gemangelt. Dass dies für den Beurteiler nicht erkennbar war, kann nicht zu einer Heilung der darauf beruhenden rechtswidrigen Beurteilung führen.
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Dass der Kläger trotz seines endgültigen Wechsels zur … … zum ... April 2018 vor dem Beurteilungszeitpunkt … Mai 2018 dort nicht (nachträglich) eingereiht, sondern ihm nur zuvor zum … Januar 2018 ein Beurteilungsbeitrag der Leitung Abteilung Einsatz „in freier Würdigung“ zuteil wurde, erweist sich demgegenüber als weniger gewichtig und nicht durchschlagend.
Der Beklagte hat als unterliegender Beteiligter die Kosten des Verfahrens zu tragen, § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung hat ihre Rechtsgrundlage in § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 Zivilprozessordnung - ZPO -.