Titel:
Sittenwidrigkeit, Abschalteinrichtung, Grob fahrlässige Unkenntnis, Arglistige Täuschung, Einrede der Verjährung, Ablauf der Verjährungsfrist, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Sekundäre Darlegungslast, Parteivernehmung, Gesamtlaufleistung, Elektronischer Rechtsverkehr, Typgenehmigung, Elektronisches Dokument, Vorsätzliche sittenwidrige Schädigung, Fahrzeugerwerb, Rechtshängigkeit, Anspruchsbegründender Umstand, Musterfeststellungsklage, Streitwert, Anspruchsbegründung
Schlagworte:
Schadensersatzanspruch, Vorteilsausgleichung, Verjährung, Kenntnis des Gläubigers, Beweislast, Prozesszinsen, Kostenentscheidung, Klagezulässigkeit, örtliche Zuständigkeit, Schadensersatz, Verstoß gegen die guten Sitten, bewusste Täuschung, unzulässige Abschalteinrichtung, Arglistige Täuschung, sittenwidrige Schädigung, sekundäre Darlegungslast, Vorsatz, Rückzahlung des Kaufpreises, Betriebsbeschränkung
Rechtsmittelinstanzen:
OLG Bamberg, Urteil vom 28.09.2021 – 5 U 42/21
BGH Karlsruhe, Urteil vom 24.07.2023 – VIa ZR 338/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 63132
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.966,30 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 09.09.2020 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 20 % und die Beklagte 80 % zu tragen.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 7.571,93 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Leistung von Schadensersatz wegen des Kaufs zweier vom sogenannten „Abgasskandal“ betroffener Dieselfahrzeuge durch den Kläger.
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Am 4.5.2012 erwarb der Kläger, wohnhaft im …, bei der Fa. ..., einen neuen … zum Kaufpreis von 27.000,01 € mit einem Kilometerstand von 0 km. Am 27.2.2014 erwarb der Kläger zudem bei der Fa. ... GmbH einen neuen … zum Kaufpreis von 18.100,- € mit einem Kilometerstand von 0 km. Beide Pkw verfügen über einen Dieselmotor des Typs EA 189, der – ebenso wie die Pkw selbst – von … entwickelt und gebaut und mit einer Motorsteuerungssoftware ausgestattet wurde. Diese Software kann die Abgasrückführung in zwei unterschiedlichen Betriebsmodisteuern. Das System erkennt, wenn das Fahrzeug in einer Abgasprüfsituation den Fahrzyklus „NEFZ“ (Neuer Europäischer Fahrzyklus) durchfährt. Im normalen Straßenbetrieb außerhalb einer solchen Prüfsituation wird das Abgasrückführungssystem im sogenannten „partikeloptimierten Modus 0“ betrieben. Während der Prüfsituation stellt die Software, die das Fahrverhalten abgleicht; das Abgasrückführungssystem in den sogenannten „Abgasrückführungsmodus 1“ um, der zu einer höheren Abgasrückführungsrate führt und so den Stickstoffausstoß positiv, d.h. ausstoßmindernd, beeinflusst.
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Das Kraftfahrtbundesamt hatte diese Software als unzulässige Abschalteinrichtung gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 bzw. nach Anhang I Ziffer 5.1.1 der Richtlinie 70/220/EWG qualifiziert und der Beklagten mit Bescheid vom 15.10.2015 die Beseitigung der Software durch geeignete Maßnahmen aufgegeben.
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Die von ... nach Bekanntwerden der beschriebenen Eigenschaft der Motorsteuerung für diese Fahrzeuge vorgesehene technische Überarbeitung in Form eines Software-Updates, das auch für die streitgegenständlichen Fahrzeuge des Klägers kostenfrei angeboten wurden, sieht vor, dass nach dessen Installation der Motor nur noch in einem adaptierten Betriebsmodus 1 betrieben wird.
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Bereits am 30.4.2015, also vor Bekanntwerden der „Dieselthematik“, verkaufte der Kläger den … mit einem Kilometerstand von 9.250 km für 16.500,- €.
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Bei dem … ließ der Kläger im Oktober 2016 das Software-Update aufspielen, nachdem er von der Beklagten die Mitteilung erhalten hatte, dass sein Fahrzeug mit der betreffenden Software ausgestattet ist.
7
Am 22.8.2017 verkaufte der Kläger auch den … mit einem Kilometerstand von 83.000 km für 13.000,- €.
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Der Kläger war zu keinem Zeitpunkt bei der Musterfeststellungsklage gegen die Beklagte vor dem OLG Braunschweig, Az. 4 MK 1/18, angemeldet.
9
Der Kläger trägt vor, die Beklagte habe ihn dadurch, dass sie den Motor mit einer verbotenen Abschalteinrichtung ausgestattet und auf den Markt gebracht habe, in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich geschädigt. Im normalen Fahrbetrieb würden die Abgasgrenzwerte der EURO-5-Norm nicht eingehalten. Die Fahrzeuge entsprächen aufgrund der verbauten Motorsteuerungssoftware nicht dem geltenden Recht. Die Beklagte habe den Kläger bei Erwerb der Fahrzeuge über das Vorhandensein der verbotenen Abschalteinrichtung getäuscht. Dieser sei davon ausgegangen, dass er ein vorschriftsmäßig zugelassenes Fahrzeug kaufen würde, das in jeder Hinsicht mit den geltenden Zulassungsbestimmungen übereinstimme. Die Beklagte habe die Software systematisch in Millionen von Fahrzeugen zur Gewinnmaximierung eingebaut und so die Gesundheitsgefahr vieler Menschen in Kauf genommen. Sie habe sich durch die vorgetäuschte Einhaltung der Grenzwerte mit minimalem Kostenaufwand einen Wettbewerbsvorteil verschaffen wollen und nicht nur die Verbraucher, sondern auch die zuständigen Behörden getäuscht und damit die EG-Typgenehmigung für das Fahrzeug erschlichen. Für einen Laien sei die Software nicht entdeckbar. Der Schaden des Klägers bestehe darin, dass er zwei für ihn nachteilige Kaufverträge abgeschlossen habe, die er bei Kenntnis der wahren Sachlage nicht geschlossen hätte, insbesondere, weil die Fahrzeuge nicht den Vorgaben der Euro-5-Norm entsprächen und in dieser Form nicht genehmigungs- und zulassungsfähig seien und tatsächlich aufgrund der Software deutlich mehr Stickoxid ausstoßen als zulässig sei und so den gesetzlichen Bestimmungen nicht entsprächen, was der Kläger aber erwartet habe und auch erwarten dürfe. Zudem hätten die Fahrzeuge aufgrund der Manipulation einen erheblichen Wertverlust erlitten. Es habe die Gefahr der Stilllegung und Entzug der Betriebserlaubnis bestanden. Das Software-Update beseitige den Mangel nicht und führe zu weiteren Nachteilen und Problemen. Darüber hinaus beinhalte auch das Update eine unzulässige Abschalteinrichtung, nämlich ein Thermofenster. Der Kläger trägt vor, der Vorstandsvorsitzende der Beklagten, … habe bereits seit 2008 Kenntnis von der Software gehabt. Der Motorenchef der Beklagten … habe … schon im Jahr 2011 vor der Verwendung der Software gewarnt, weil es sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung handele. Jedenfalls müsse die Beklagte im Rahmen einer ihr obliegenden sekundären Darlegungslast die internen Entscheidungsvorgänge und die Organisationsstruktur im Unternehmen näher darlegen und die Personen, die Kenntnis hatten bzw. den Einbau angeordnet haben, benennen. Im Rahmen der von der Beklagten geschuldeten Naturalrestitution sei der Kläger so zu stellen, wie er ohne das schädigende Ereignis stünde. Dann hätte er die Fahrzeuge nicht gekauft. Hierfür spreche bereits eine Vermutung. Im Rahmen einer anzurechnenden Nutzungsentschädigung sei von einer Gesamtlaufleistung von mindestens 300.000 km auszugehen.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei 7.571,93 EUR sowie Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt
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Die Beklagte führt aus, sie habe den Kläger bei Kaufvertragsschluss nicht über maßgebliche Umstände getäuscht, insbesondere habe sie keine unzutreffenden Angaben über die zum Einsatz kommende Software gemacht. Sie sei am Vertragsschluss nicht beteiligt gewesen. Das Softwareupdate habe die vom KBA beanstandete Software beseitigt und führe nicht zu negativen Folgen. Auch sei ein Minderwert des Fahrzeugs nicht gegeben. Der Kauf der Fahrzeuge sei für den Kläger nicht ungewollt oder wirtschaftlich nachteilig gewesen. Die Fahrzeuge seien technisch einwandfrei und uneingeschränkt nutzbar. Durch das Update seien eventuelle Beeinträchtigungen jedenfalls behoben. Es sei daher davon auszugehen, dass der Kläger die Pkw auch bei Kenntnis von der Software erworben hätte. Eine sittenwidrige Handlung der Beklagten liege nicht vor. Die Behauptung des Klägers, dass Organe der Beklagten von Entwicklung und Einsatz der Software Kenntnis gehabt oder dies sogar angeordnet hätten, sei nicht zutreffend. Die Beklagte kläre die Umstände der Entstehung der Software gerade auf, nach derzeitigem Ermittlungsstand lägen keine Erkenntnisse vor, dass einzelne Vorstandsmitglieder an der Entwicklung der Software beteiligt gewesen seien oder Kenntnis von der Verwendung der Software gehabt hätten. Ein Schädigungsvorsatz der Beklagten sei ebenfalls nicht erkennbar. Für den Fall eines Schadensersatzanspruchs müsse sich der Kläger die gezogenen Nutzungen des Fahrzeuges anrechnen lassen.
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Hierbei sei von einer Gesamtlaufleistung von 200.000-250.000 km auszugehen. Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung. Der Kläger habe bereits im Jahr 2015 Kenntnis von der Umschaltlogik und aller anspruchsbegründenden Tatsachen gehabt. Schon 2015 habe die Beklagte die Öffentlichkeit über die Thematik informiert. Zudem habe eine umfangreiche Medienberichterstattung stattgefunden, wobei auch über mögliche Verantwortlichkeiten und Kenntnisträger im Konzern spekuliert worden sei. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger zumindest eine dieser Medien wahrgenommen habe. Auch habe das KBA bereits im Jahr 2015 den Rückruf der betroffenen Fahrzeuge angeordnet. Bereits Anfang Oktober 2015 habe man auf einer von der Beklagten eingerichteten Internetseite durch Eingabe der Fahrzeugidentifizierungsnummer erfahren können, ob das Fahrzeug betroffen ist. Jedenfalls sei dem Kläger eine grob fahrlässige Unkenntnis anzulasten. Die Betroffenheit seines Fahrzeugs habe sich ihm aufdrängen müssen. Eine schlüssige Klage hätte er daher bereits im Jahr 2015 erheben können. Spätestens 2016 habe er allerdings vollumfänglich Kenntnis gehabt, nachdem er das Schreiben von der Betroffenheit des Fahrzeugs erhalten habe.
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Der Kläger ist der Ansicht, dass seine Ansprüche nicht verjährt seien. Insbesondere habe der Kläger keine Kenntnis im Jahr 2015 erhalten. Aus der Berichterstattung und den Veröffentlichungen der Beklagten ergäben sich lediglich allgemeine Informationen bzw. die Information, dass die Software die Emissionen nicht beeinflusse. Von der Betroffenheit des … habe er erst mit Erhalt des Rückrufschreibens Kenntnis erlangt, 2016 oder 2017. Eine Abfrage auf der Internetseite der Beklagten mit FIN-Eingabe habe Ende 2015 bzw. Anfang 2016 noch ergeben, dass der … nicht betroffen sei. Er sei davon ausgegangen, dass mit dem update alles in Ordnung sei. Auch sei im Jahr 2015 keine grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers gegeben gewesen. Die Beklagte habe bis heute die verantwortlichen Entscheidungsträger nicht ausmachen können und bestreite eine Kenntnis des Vorstandes.
15
Der Kläger wurde informatorisch angehört. Hinsichtlich der Einzelheiten wird Bezug genommen auf das Protokoll vom 8.12.2020 (Bl. 161 ff. d. A).
16
Hinsichtlich der Einzelheiten des weiteren Parteivorbringens wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen und sonstigen Aktenbestandteile Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.
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Die Klage ist zulässig.
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Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Coburg ergibt sich aus § 32 ZPO. Der Erfolgsort der vom Kläger behaupteten unerlaubten Handlung ist sein Wohnort, da hier der Vermögensschaden i.S.d. § 826 BGB eingetreten ist. Dieser liegt im Bezirk des Landgerichts Coburg. Im Übrigen ergibt sich die Zuständigkeit des erkennenden Gerichts daneben nach rügeloser Einlassung der Beklagten auch aus § 39 Satz 1 ZPO.
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Die Klage ist im tenorierten Umfang begründet.
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Die Beklagte haftet dem Kläger gemäß §§ 826, 31, 249 Abs. 1 BGB auf Schadensersatz, da sie ihm in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zugefügt hat.
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a) Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. Schon zur Feststellung der Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben. Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es ferner darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht, vgl. BGH, Urteil vom 25.5.2020, Az. VI ZR 252/19, Rdnr. 15.
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Das Verhalten der Beklagten im Verhältnis zum Kläger objektiv als sittenwidrig zu qualifizieren. Die Beklagte hat auf der Grundlage einer für ihren Konzern getroffenen grundlegenden strategischen Entscheidung bei der Motorenentwicklung im eigenen Kosten- und damit auch Gewinninteresse durch bewusste und gewollte Täuschung des KBA systematisch, langjährig und in Bezug auf den Dieselmotor der Baureihe EA189 in siebenstelligen Stückzahlen in Deutschland Fahrzeuge in Verkehr gebracht, deren Motorsteuerungssoftware bewusst und gewollt so programmiert war, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte mittels einer unzulässigen Abschalteinrichtung nur auf dem Prüfstand eingehalten wurden. Damit ging einerseits eine erhöhte Belastung der Umwelt mit Stickoxiden und andererseits die Gefahr einher, dass bei einer Aufdeckung dieses Sachverhalts eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung hinsichtlich der betroffenen Fahrzeuge erfolgen könnte. Ein solches Verhalten ist im Verhältnis zu einer Person, die eines der bemakelten Fahrzeuge in Unkenntnis dar illegalen Abschalteinrichtung erwirbt, besonders verwerflich und mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht zu vereinbaren. Das gilt auch, wenn es sich um den Erwerb eines Gebrauchtfahrzeugs handelt. Die Sittenwidrigkeit ergibt sich aus einer Gesamtschau des festgestellten Verhaltens der Beklagten unter Berücksichtigung des verfolgten Ziels, der eingesetzten Mittel, der zutage getretenen Gesinnung und der eingetretenen Folgen, vgl. BGH, a.a.O., Rdnr. 16.
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Dass es sich bei der streitgegenständlichen Software um eine unzulässige Abschalteinrichtung nach Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 20.6.2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge gehandelt hat, stellt die Beklagte nicht mehr in Abrede. Dies sieht im übrigen auch das Kraftfahrt-Bundesamt und der Bundesgerichtshof so, vgl. Hinweisbeschluss vom 8.1.2019, Az. VIII ZR 225/17, Rdnr. 6 ff, und Urteil vom 25.5.2020, Az. VI ZR 252/19, Rdnr. 17.
25
Die Beklagte hat gegenüber dem KBA bei der Erlangung der (jeweiligen) Typgenehmigungen durch die Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung vorgespiegelt, das Fahrzeug werde auf dem Prüfstand unter den Motorbedingungen betrieben, die auch im normalen Fahrbetrieb zum Einsatz kommen. Sie hat dadurch über die Einhaltung der gesetzlichen Abgaswerte getäuscht, um die Typgenehmigung auf kostengünstigem Weg zu erhalten.
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Das von der Beklagten entwickelte und zur Verfügung gestellte Software-Update kann an der Einschätzung als sittenwidrig nichts ändern. Bis zum Zeitpunkt der letztendlichen Freigabe des Updates bestand die Gefahr, dass die erforderliche Entwicklung nicht gelingen würde und die von dem KBA nachträglich angeordnete Nebenbestimmung zur Typgenehmigung nicht erfüllt werden könnte. Abgesehen von den tatsächlichen Unwägbarkeiten bestanden ferner auch erhebliche rechtliche Risiken. Die unzulässige Abschalteinrichtung konnte grundsätzlich dazu führen, dass die Zulassungsbehörde eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung nach § 5 Abs. 1 FZV vornahm, weil das Fahrzeug wegen der gegen Art. 5 Abs. 2 VO 715/2007/EG verstoßenden Abschalteinrichtung nicht dem genehmigten Typ (§ 3 Abs. 1 Satz 2 FZV) entsprach. Dabei kann offenbleiben, ob dies nur bei zuvor erfolgter Rücknahme der Typgenehmigung möglich war, denn auch das kam hier gemäß § 25 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 EG-FGV in Verbindung mit § 48 VwVfG grundsätzlich in Betracht, vgl. BGH, a.a.O., Rdnr. 20, 21.
27
Der Käufer eines Fahrzeugs – gleichgültig, ob er das Fahrzeug neu oder gebraucht erwirbt – setzt die Einhaltung der entsprechenden Vorgaben arglos als selbstverständlich voraus. Das betrifft auch den Gebrauchtwagenkäufer, dessen Fahrzeug bereits über eine Erstzulassung (§ 6 Abs. 3 Satz 1 FZV) verfügt, bei der die von dem Inhaber der EG-Typgenehmigung für jedes dem genehmigten Typ entsprechende Fahrzeug auszustellende Übereinstimmungsbescheinigung nach Artikel 18 in Verbindung mit Anhang IX der Richtlinie 2007/46/EG vorgelegen hat, § 6 Abs. 1 EG-FGV. Die Beklagte machte sich im Rahmen der von ihr bei der Motorenentwicklung getroffenen strategischen Entscheidung, die Typgenehmigungen durch arglistige Täuschung des KBA zu erschleichen und die derart bemakelten Fahrzeuge alsdann in Verkehr zu bringen, die Arglosigkeit und das Vertrauen der Fahrzeugkäufer gezielt zunutze. Dabei erfolgte das Inverkehrbringen der Fahrzeuge gerade mit dem Ziel, möglichst viele der bemakelten Fahrzeuge abzusetzen. Ein solcher Fall steht einer bewussten arglistigen Täuschung derjenigen, die ein solches Fahrzeug erwerben, gleich. Die Beklagte trifft das Unwerturteil, sittenwidriggehandelt zu haben, daher gerade auch im Hinblick auf die Schädigung aller unwissenden Käufer der bemakelten Fahrzeuge. Diese Schädigung stellt die zwangsläufige Folge des Inverkehrbringens der betroffenen Fahrzeuge dar und liegt unmittelbar in der Zielrichtung des sittenwidrigen Verhaltens, vgl. BGH, a.a.O., Rdnr. 25.
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Bei der Bewertung der Sittenwidrigkeit ist auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte systematisch und bewusst eine Software eingesetzt hat, durch die die Stickoxidgrenzwerte der Euro 5-Norm nur im Prüfbetrieb eingehalten wurden. Dadurch wurde unerlaubt Einfluss auf den Stickoxidausstoß genommen und dieser über das Maß des nach den gesetzlichen Vorgaben Zulässigen hinaus erhöht. Dieses Vorgehen zeigt im Hinblick auf den von den gesetzlichen Vorgaben intendierten Schutz der Gesundheit der Bevölkerung eine rücksichtslose Gesinnung, die gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt.
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b) Die schädigende Handlung ist der Beklagten zuzurechnen, § 31 BGB.
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Der Kläger hat vorgetragen, dass die Entwicklung und der Einbau der Software mit Wissen und Wollen des Vorstandes der Beklagten, insbesondere des Vorstandsvorsitzenden ... erfolgt ist. Dieser Vortrag ist als zugestanden anzusehen, § 138 Abs. 3 ZPO, da sich die Beklagte nicht lediglich auf ein Bestreiten hätte zurückziehen dürfen.
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Nach allgemeinen Grundsätzen trägt zwar derjenige, der einen Anspruch aus § 826 BGB geltend macht, die volle Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen, d.h. sowohl für die Umstände, die die Schädigung und deren Sittenwidrigkeit in objektiver Hinsicht begründen, als auch für den zumindest bedingten Vorsatz des Schädigers hinsichtlich des Vorliegens dieser Umstände. Der Anspruchsteller hat daher auch darzulegen und zu beweisen, dass der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßiger Vertreter (§ 31 BGB) des in Anspruch genommenen Unternehmens die objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 826 BGB verwirklicht hat. In bestimmten Fällen ist es indes Sache der Gegenpartei, sich im Rahmen der ihr nach § 138 Abs. 2 ZPO obliegenden Erklärungspflicht zu den Behauptungen der beweispflichtigen Partei substantiiert zu äußern. Dabei hängen die Anforderungen an die Substantiierungslast des Bestreitenden zunächst davon ab, wie substantiiert der darlegungspflichtige Gegner – hier der Kläger – vorgetragen hat. In der Regel genügt gegenüber einer Tatsachenbehauptung des darlegungspflichtigen Klägers das einfache Bestreiten des Beklagten. Ob und inwieweit die nicht darlegungsbelastete Partei ihren Sachvortrag substantiieren muss, lässt sich nur aus dem Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag bestimmen, wobei die Ergänzung und Aufgliederung des Sachvortrags bei hinreichendem Gegenvortrag immer zunächst Sache der darlegungs- und beweispflichtigen Partei ist.
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Eine sekundäre Darlegungslast trifft den Prozessgegner der primär darlegungsbelasteten Partei, wenn diese keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung hat, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm unschwer möglich und zumutbar ist, nähere Angaben zu machen. Die Beklagte trifft hiernach eine sekundäre Darlegungslast trifft. Es liegen hinreichende Anhaltspunkte für eine Kenntnis des Vorstands von der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung vor. Hierfür spricht nicht nur der Umstand, dass es sich bei der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung um eine grundlegende, weltweit alle Fahrzeuge mit Motoren der Serie EA189 betreffende Strategieentscheidung handelte, die mit erheblichen Risiken für den gesamten Konzern und auch mit persönlichen Haftungsrisiken für die entscheidenden Personen verbunden war, sondern auch die Bedeutung gesetzlicher Grenzwerte und der technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten ihrer Einhaltung für die Geschäftstätigkeit der Beklagten. Wegen der besonderen Schwierigkeiten des Klägers, konkrete Tatsachen darzulegen, aus denen sich die Kenntnis eines bestimmten Vorstandsmitglieds ergibt, war die Einlassung der Beklagten, nach dem derzeitigen Ermittlungsstand lägen keine Erkenntnisse dafür vor, dass eines ihrer Vorstandsmitglieder im Sinne des Aktienrechts an der Entwicklung der Software beteiligt gewesen sei oder die Entwicklung und Verwendung der Software in Auftrag gegeben oder davon gewusst habe, nicht ausreichend, vgl. BGH, a.a.O., Rdnr. 35 ff..
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c) Die Beklagte hat dem Kläger vorsätzlich einen Schaden zugefügt.
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Im Fall einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung dient der Schadensersatzanspruch nicht nur dem Ausgleich jeder nachteiligen Einwirkung durch das sittenwidrige Verhalten auf die objektive Vermögenslage des Geschädigten. Vielmehr muss sich der Geschädigte auch von einer auf dem sittenwidrigen Verhalten beruhenden Belastung mit einer „ungewollten“ Verpflichtung wieder befreien können, Schon eine solche stellt einen gemäß § 826 BGB zu ersetzenden Schaden dar. Insoweit bewirkt § 826 BGB einen Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit und speziell des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts des Einzelnen. Der Kläger wurde durch das einer arglistigen Täuschung gleichstehende sittenwidrige Verhalten der Beklagten veranlasst, eine ungewollte Verpflichtung einzugehen. Ein Schaden ist hier deshalb eingetreten, weil der Vertragsschluss als unvernünftig anzusehen ist. Der Kläger hat durch den ungewollten Vertragsschluss eine Leistung erhalten, die für seine Zwecke nicht voll brauchbar war. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung folgt ein Erfahrungssatz, wonach auszuschließen ist, dass ein Käufer ein Fahrzeug erwirbt, dem eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung droht und bei dem im Zeitpunkt des Erwerbs in keiner Weise absehbar ist, ob dieses Problem behoben werden kann. Bei einem zur eigenen Nutzung erworbenen Kraftfahrzeug sind dessen Gebrauchsfähigkeit und ständige Verfügbarkeit für den Eigentümer von so großer Bedeutung, dass die vorübergehende Entziehung eines Kraftfahrzeugs auch bei der Anlegung des gebotenen strengen Maßstabs einen Vermögensschaden darstellt. Der Verlust der Nutzungsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs wirkt sich typischerweise als solcher auf die materiale Grundlage der Lebenshaltung signifikant aus; bei generalisierender Betrachtung erfolgen Anschaffung und Unterhaltung eines Kraftfahrzeugs in erster Linie um des wirtschaftlichen Vorteils willen, der in der Zeitersparnis liegt. Das rechtfertigt nach der allgemeinen Lebenserfahrung die Annahme, dass ein Käufer, der – wie hier der Kläger – ein Fahrzeug zur eigenen Nutzung erwirbt, bei der bestehenden Gefahr einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung von dem Erwerb des Fahrzeugs abgesehen hätte, vgl. BGH, a.a.O., Rdnr. 48 ff. Der Kläger hat im Rahmen seiner informatorischen Anhörung dies auch glaubhaft bestätigt. Die Beklagte hat ihr Beweisangebot der Parteivernehmung des Klägers zum Beweis der Tatsache, dass er das Fahrzeug auch bei Kenntnis von der Software erworben hätte, daraufhin fallen lassen.
35
Ein entsprechender Schädigungsvorsatz der handelnden Personen lag ebenfalls vor. Da diese die grundlegende und mit der bewussten Täuschung des KBA verbundene strategische Entscheidung in Bezug auf die Entwicklung und Verwendung der unzulässigen Software jedenfalls kannten und jahrelang umsetzten (s.o. zur Zurechnung), ist schon nach der Lebenserfahrung davon auszugehen, dass ihnen bewusst war, in Kenntnis des Risikos einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung der betroffenen Fahrzeuge werde niemand – ohne einen erheblichen, dies berücksichtigenden Abschlag vom Kaufpreis – ein damit belastetes Fahrzeug erwerben, vgl. BGH, a.a.O., Rdnr. 63.
36
d) Daher hat der Kläger grundsätzlich einen Anspruch auf Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises. Eine Zug-um-Zug-Herausgabe und Übereignung der Fahrzeuge ist ihm allerdings nicht mehr möglich, da er beide Fahrzeuge veräußert hat. Dies kann jedoch einem Schadensersatzanspruch nicht entgegenstehen. Vielmehr muss sich der Kläger die bei Verkauf erlangten Kaufpreise anrechnen lassen, wobei – mangels entgegenstehendem Sachvortrag der Beklagten – davon auszugehen ist, dass die erzielten Kaufpreise dem Wert der Fahrzeuge zum Verkaufszeitpunkt entsprachen. Entgegen der Auffassung der Beklagten muss der Kläger nicht Wertersatz in Höhe des Kaufpreises leisten. Wenn er die Fahrzeuge noch besäße, müsste er diese lediglich in dem Zustand zurückgeben, in dem sie sich befinden. Allerdings muss er sich nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung die von ihm gezogenen Nutzungen anrechnen lassen, vgl. BGH, a.a.O., Rdnr. 64 ff., wovon auch der Kläger ausgeht.
37
Der Wert der anzurechnenden Nutzungen ist entsprechend der unbestrittenen Darlegung der Kilometerstände bei Verkauf der Fahrzeuge gemäß § 287 ZPO auf 669,70 € (bei dem … und 8.964,- € (bei dem … zu schätzen. Dabei ist eine Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs von 250.000 km zugrunde zu legen, § 287 ZPO. Die Gesamtlaufleistung bemisst sich danach, wie lange ein Fahrzeug mit einem vernünftigen und im Verhältnis zum Zeitwert des Fahrzeugs angemessenen wirtschaftlichen Aufwand voraussichtlich in der Regel, also durchschnittlich, gefahren werden kann. Bei Neufahrzeugen ergibt sich die Höhe des Anspruchs aus einer Multiplikation des Bruttokaufpreises und der zurückgelegten Fahrstrecke geteilt durch die zu erwartende Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 13. Auflage 2017, Rn. 1166). Bei gebrauchten Fahrzeugen bzw. Fahrzeugen, die bereits eine Laufleistung absolviert haben, ist von der zu erwartenden Gesamtlaufleistung der Anfangskilometerstand abzuziehen. Dies bedeutet vorliegend folgende Rechnungen:
für den … : 18.100,- € × 9.250 km/250.000 km = Nutzungen in Höhe von 669,70 €
für den ...: 27.000,01 € × 83.000 km/250.000 km = Nutzungen in Höhe von 8.964,- €.
38
Nach Abzug der Nutzungen und der erzielten Verkaufserlöse von den Kaufpreisen ergibt sich ein Zahlungsanspruch in Höhe von 5.966,30 €.
39
e) Der Schadensersatzanspruch des Klägers ist nicht verjährt. Der Anspruch des Klägers verjährt gemäß § 195 BGB in 3 Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste, § 199 Abs. 1 BGB. Der Schuldner hat Beginn und Ablauf der Verjährungsfrist zu beweisen, im Falle der Regelverjährung des § 199 BGB auch die Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis des Gläubigers. Die Beklagte hat allerdings weder substantiiert dargelegt noch nachgewiesen, dass der Kläger bereits im Jahr 2015 oder 2016 Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen hatte bzw. ihm insoweit grob fahrlässige Unkenntnis vorzuwerfen wäre. Nur dann wäre Verjährung zum 31.12.2019 eingetreten. Die Klageerhebung (Zustellung der Klageschrift) am 8.9.2020 hat jedenfalls die noch laufende Verjährung rechtzeitig gehemmt.
40
Soweit die Beklagte vorträgt, der Kläger habe bereits im Jahr 2015 Kenntnis aller anspruchsbegründenden Tatsachen gehabt, und insoweit als Beweismittel die Parteivernehmung des Klägers anbietet, ist ihr Vorbringen bereits unsubstantiiert. Die Beklagte trägt insbesondere nicht vor, dass der Kläger bereits im Jahr 2015 bzw. 2016 Kenntnis davon hatte, dass der Beklagten eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung vorzuwerfen ist. Allein eine Kenntnis vom Einbau einer Umschaltlogik in seinem Fahrzeug ist nicht gleichzusetzen mit der Kenntnis, dass die Beklagte hier vorsätzlich in sittenwidriger Weise eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut hat. Es mag sein, dass der Kläger aufgrund von Informationen der Beklagten, dem Rückruf des KBA und der umfangreichen Medienberichterstattung sowie der Einrichtung einer Internetseite zur Überprüfung mittels der Fahrzeugidentifizierungsnummer, Kenntnis davon hatte, dass seine Fahrzeuge von dem sogenannten „Dieselskandal“ betroffen sind oder waren. Allerdings konnte er – jedenfalls im Jahr 2015 bzw. 2016 – hieraus nicht den Schluss ziehen, dass die Beklagte ihn vorsätzlich sittenwidrig geschädigt hat. Ungeachtet der Frage, ob der Kläger von all den Informationen und Medienberichten, die die Beklagte anspricht, Kenntnis hatte, hätte er auch hieraus nicht ableiten können, dass ihm gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch zusteht. Die Beklagte führt insoweit lediglich aus, dass dort von der „Dieselthematik“, der „Umschaltlogik“, der „Betroffenheit von 11 Millionen Fahrzeugen“, der „Software“ und der „Betroffenheit einzelner Modelle“ die Rede war. Aus der von der Beklagten zitierten ad-hoc-Mitteilung vom 22.9.2015 geht lediglich hervor, dass es Unregelmäßigkeiten bei der verwendeten Software bzw. auffällige Abweichungen zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb gibt. Weiter führt die Beklagte dort allerdings aus, dass die beanstandete Software weder Fahrverhalten noch Verbrauch oder Emissionen beeinflusst. Dass es sich um eine verbotene Abschalteinrichtung handelt, konnte der Kläger aus den Mitteilungen der Beklagten jedenfalls nicht entnehmen. Insoweit hat die Beklagte nichts substantiiertes vorgetragen. Auch hat die Beklagte nicht behauptet, dass der Kläger bereits im Jahr 2015 bzw. 2016 gewusst hat oder hätte wissen können, dass die Beklagte vorsätzlich und in sittenwidriger Weise eine verbotene Abschalteinrichtung verbaut hat. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass nicht jede Abschaltvorrichtung per se verboten ist. Abschalteinrichtungen sind vielmehr unter bestimmten Umständen durchaus erlaubt. Eine derartige Einschätzung war allerdings dem Kläger im Jahr 2015 bzw. 2016 noch nicht möglich. Auch durch den Rückruf des KBA musste der Kläger nicht davon ausgehen, dass er vorsätzlich sittenwidrig geschädigt wurde. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass selbst aufgrund der Medienberichterstattung bei Bekanntwerden der Umstände für die Käufer als Laien die Sach- und Rechtslage zunächst sehr undurchsichtig war. Die Beklagte hat noch bis Anfang 2019 in zahllosen gerichtlichen Verfahren bestritten, dass es sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt und ihre gesetzlichen Vertreter Kenntnis von der verwendeten Software gehabt hätten; letzteres bestreitet sie bis heute. Wenn es sogar der Beklagten innerhalb von mehreren Jahren und mithilfe von unabhängigen Ermittlern nicht gelungen sein soll, die Entscheidungsträger in Ihrem Unternehmen ausfindig zu machen, kann dies erst recht von dem Kläger nicht verlangt werden, insbesondere dass dieser bereits bei Bekanntwerden der ersten Details die vorsätzliche sittenwidrige Begehungsweise der Beklagten erkannt hat bzw. erkennen musste.
41
Die Verpflichtung zur Zahlung von Zinsen ergibt sich aus den §§ 286, 288, 291 BGB. Ab Rechtshängigkeit stehen dem Kläger Prozesszinsen zu.
42
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
43
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 1 und 2 ZPO.