Titel:
Schadensersatzanspruch, Berufung, AGB, Nachzahlung, Wirksamkeit, Vertragsschluss, Feststellung, Berechnung, Teilurteil, Vereinbarung, Anlage, Vertragsauslegung, Fortdauer, Bestimmung, Aussicht auf Erfolg, keine Aussicht auf Erfolg, Rechtsprechung des BGH
Schlagworte:
Schadensersatzanspruch, Berufung, AGB, Nachzahlung, Wirksamkeit, Vertragsschluss, Feststellung, Berechnung, Teilurteil, Vereinbarung, Anlage, Vertragsauslegung, Fortdauer, Bestimmung, Aussicht auf Erfolg, keine Aussicht auf Erfolg, Rechtsprechung des BGH
Vorinstanz:
LG München I, Teilurteil vom 18.06.2021 – 22 O 12034/20
Fundstelle:
BeckRS 2021, 62876
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Teilurteil des Landgerichts München I vom 18.06.2021, Az. 22 O 12034/20, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Es ist beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 4.254,00 € festzusetzen.
3. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung des Klägers, mit der er sich gegen die Abweisung seiner Feststellungsanträge durch Teilurteil im Zusammenhang mit der Kündigung seiner Prämiensparverträge durch die Beklagte wendet, ist in der Sache ohne Aussicht auf Erfolg.
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1. Entgegen der Ansicht des Klägers ist das mit der Berufung angegriffene Teilurteil nicht gemäß § 301 ZPO unzulässig.
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Hinsichtlich der Feststellungsanträge (Klageanträge Ziff. 1 – 4, insbesondere hinsichtlich der Fortdauer der Prämiensparverträge ab dem 01.01.2020) und des Leistungsantrages (Klageantrag Ziff. 5 samt Hilfsanträge) auf Nachzahlung von Zinsen zum Wertstellungsdatum 30.10.2018 und damit einem Zeitraum, als die Prämiensparverträge unstreitig noch ungekündigt waren, handelt es sich um eigenständige Streitgegenstände. Eine materiell-rechtliche Verzahnung ist vorliegend nicht gegeben. Die Frage, ob es sich bei den streitgegenständlichen Prämiensparverträgen um unbefristete Sparverträge handelt oder eine Vertragsdauer vereinbart wurde, wie der Kläger meint, ist nicht präjudiziell für die Frage der Zinsanpassung, sondern allenfalls bei der Frage der ergänzenden Vertragsauslegung hinsichtlich der Bemessungsgrundlage zur Bestimmung des Referenzzinssatzes, der sich nach der aktuellen Rechtsprechung des BGH (s. Pressemitteilung des BGH Nr. 182/2021 vom 06.10.2021 zu Urteil des BGH vom 6.10.2021 – XI ZR 234/20) an langfristigen Sparanlagen orientiert, relevant. Die Frage einer etwaigen Vertragsdauer ist daher nur ein Bemessungsfaktor. Bei einer derartigen Konstellation kommt der Entscheidung im Rahmen der Feststellungsanträge keine präjudizielle Wirkung für die spätere Entscheidung über die Höhe eines etwaigen Zahlungsanspruchs zu (vgl. BGH, Beschluss vom 25.04.1989 – VI ZB 13/89 –, Rn. 7, juris, zu der vergleichbaren Konstellation bei der Berechnung von immateriellem und materiellem Schadensersatzanspruch). Einer Aufspaltung in Teil- und Schlussurteil steht zudem eine gewisse Abhängigkeit der Ansprüche nicht entgegen (BGHZ 29, 126, 128). Unbilligkeiten, die sich durch späteres Abweichen beim Erfolg des Rechtsmittels gegen das Teilurteil ergeben können, sind nach der gesetzlichen Verfahrensregelung in Kauf zu nehmen (BGH, Beschluss vom 25.04.1989 – VI ZB 13/89 –, Rn. 7, juris).
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Im Übrigen legt der Kläger seiner Berechnung des Leistungsantrages die Zeitreihe WX 4260 der Deutschen Bundesbank für die streitgegenständlichen Sparverträge (s. Klageschrift S. 22 und Schriftsatz vom 19.05.2021, S. 20, Bl. 150 d.A.) unter Berufung auf das OLG Dresden (Urteil vom 22.04.2020 – 5 MK 1/19) zugrunde. Dieser Zinssatz beruht auf der Umlaufrendite inländischer Inhaberschuldverschreibungen/Hypothekenpfandbriefe inländischer Emittenten mit einer mittleren Restlaufzeit von über neun bis einschließlich zehn Jahren (vgl. OLG Dresden, – Urteil vom 22.04.2020 – 5 MK 1/19, Rn. 89, juris), so dass es schon nach der eigenen Berechnung des Klägers im Rahmen des Leistungsantrages nicht auf die Frage ankommt, ob vorliegend eine Laufzeit von 99 Jahren vereinbart worden ist.
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2. Zutreffend hat das Landgericht den Klageantrag Ziff. 1, mit dem der Kläger die Feststellung begehrt, dass die streitgegenständlichen Prämiensparverträge durch die Kündigungserklärungen der Beklagten vom 25.09.2019 (Anlage K4) nicht beendet worden sind, abgewiesen.
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Die ordentliche Kündigung der Prämiensparverträge des Klägers durch die Beklagte mit Schreiben vom 25.09.2019 zum 31.12.2019 nach Erreichen der höchsten Prämienstufe der Sparverträge war wirksam. Das ordentliche Kündigungsrecht der Beklagten bestimmt sich nach Nr. 26 Abs. 1 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die gemäß Nr. 11 der Bestätigungsvereinbarungen vom 25.10.2016 (Anlagenkonvolut K1) wirksam in die vorliegenden Verträge einbezogen wurden. Danach kann eine Kündigung, „soweit weder eine Laufzeit noch eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart sind“, jederzeit „bei Vorliegen eines sachgerechten Grundes“ durch die Beklagte erfolgen, wobei die Kündigung nicht zur Unzeit ausgesprochen werden darf.
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Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
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2.1. Vorliegend ist Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen mit dem Wortlaut, wie von dem Landgericht in den Entscheidungsgründen (Teilurteil S. 6) zutreffend zitiert, anwendbar.
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Soweit der Kläger rügt (Berufungsbegründung S. 5, Bl. 195 d.A.), dass die maßgebliche Textfassung nicht feststehe und die AGB in der Fassung vom 26.11.2018 (Anlage B2) nicht durch die Vereinbarungen vom 25.10.2016 einbezogen worden sein konnten, übersieht er, dass der Wortlaut von Nr. 26 Abs. 1 AGB bereits seit 21.03.2016 identisch ist (vgl. BGH, Urteil vom 14.05.2019 – XI ZR 345/18 –, BGHZ 222, 74-88, Rn. 8). Die Klausel in der Fassung seit 21.03.2016 begegnet keinen Wirksamkeitsbedenken nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB. Sie macht nach Maßgabe des Urteils des BGH vom 05.05.2015 (XI ZR 214/14, BGHZ 205, 220, Rn. 10 ff.) die Wirksamkeit einer Kündigung der Beklagten, einer Anstalt des öffentlichen Rechts, vom Vorliegen eines sachlichen Grundes abhängig. Nr. 26 Abs. 1 ABG-Sparkassen (mit Stand vom 21.03.2016) wurde daher gemäß Nr. 11 der Bestätigungsvereinbarungen vom 25.10.2016 (Anlagenkonvolut K1) wirksam in die vorliegenden Verträge einbezogen, wie das Landgericht zutreffend und unangegriffen von der Berufung ausführt. Auf die (Un-)Wirksamkeit der Zustimmungsfiktion (vgl. Urteil des BGH vom 27.04.2021, Az. XI ZR 26/20) kommt es daher entgegen der Ansicht des Klägers nicht an.
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2.2. Vertraglich ist vorliegend keine feste Laufzeit vereinbart. Es wird in Ziff. 1.2 der Bestätigungsvereinbarungen vom 25.10.2016 (Anlage K1) jeweils lediglich der Beginn des Vertrags, nicht aber dessen Ende definiert. Soweit die Verträge unter Ziff. 3 mit der Überschrift „Prämie“ in Ziff. 3.2 auf die gültige Prämienstaffel am Ende des Vertrages verweisen, die beispielshaft die jeweilige Prämie für 99 Jahre betragsmäßig aufführt, kann aus dieser Formulierung unter Anwendung der allgemeinen Auslegungsgrundsätze, insbesondere dem Wortlaut, der systematischen Stellung, dem mit der vertraglichen Regelung verfolgten Zweck und der Interessenlage der Parteien nicht auf eine bestimmte Vertragslaufzeit geschlossen werden. Aus der Überschrift der Regelung folgt erkennbar der Zweck der Festschreibung der Höhe der Prämie, die Information über diese Höhe und gerade nicht die Definition der Laufzeit. Demzufolge besteht entgegen der Ansicht des Klägers (Berufungsbegründung S. 6, Bl. 196 d.A.) hinsichtlich Ziff. 3.2 der Bestätigungsvereinbarungen keine Unklarheit im Sinne von § 305 c Abs. 2 BGB, da bereits aus dem Wortlaut keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass eine Vertragslaufzeit von 99 Jahren vereinbart wurde.
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Der Ansicht des Klägers, die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 14.05.2019 – XI ZR 345/18) behandle einen mit der Situation der streitgegenständlichen Prämiensparverträge nicht vergleichbaren Fall, da anders als in dem der Entscheidung des Bundesgerichtshofes zugrundeliegenden Fall hier eine ausformulierte Prämienstaffel von 99 Jahren in den Vertrag aufgenommen worden sei, kann nicht gefolgt werden. Die den Bestätigungsvereinbarungen vom 25.10.2016 beigefügte Prämienstaffel (Anlage K 1) führt zu keiner Vertragsänderung im Sinne einer Vereinbarung einer Vertragslaufzeit. Ihr objektiver Aussagehalt erschöpft sich in der Darstellung der Höhe der Prämie bezogen auf das jeweilige Vertragsjahr. Inwieweit die Ausführungen der Beklagten, dass die Bestätigungsvereinbarungen vom 25.10.2016 der Vertragsergänzung hinsichtlich einer Vereinbarung eines flexibel nach dem Jahr 2005 entwickelten Zinsanpassungsverfahren dienten (S. 8, Bl. 50 d.A.), mit der Bestätigungsvereinbarung jedoch keine Vereinbarung eines befristeten Vertrages verbunden war, widersprüchlich und konstruiert sein sollen, wie der Kläger meint, erschließt sich nicht.
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2.3. Die Kündigungsvoraussetzung eines sachgerechten Grundes liegt vor. Dieser ist gegeben, wenn die Umstände, die die Sparkasse zur Kündigung veranlassen, derart beschaffen und zu bewerten sind, dass ein unvoreingenommener, vernünftiger Beobachter das Verhalten der Sparkasse für eine nachvollziehbare und der Sachlage nach angemessene Reaktion halten muss (vgl. BGH, Urteil vom 14.05.2019, aaO, Rz.45). In den Kündigungsschreiben der Beklagten vom 25.09.2019 wurde jeweils als Kündigungsgrund die historisch einmalige Niedrigzinsphase angegeben. Sie erschwert der Beklagten, die Erträge zu erwirtschaften, die sie benötigt, um die jährlichen Prämienzahlungen aufzubringen und stellt demzufolge einen sachgerechten Kündigungsgrund dar (vgl. BGH, Urteil vom 14.05.2019, aaO, Rz 46).
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2.4. Die Ausübung des ordentlichen Kündigungsrechts der Beklagten über 19 Jahre nach Vertragsschluss ist nicht zu beanstanden. Dies gilt auch vor dem Hintergrund der Besonderheiten der streitgegenständlichen Prämiensparverträge. Ein konkludenter Kündigungsausschluss betreffend die Beklagte über das Erreichen der höchsten Sparstufe hinaus liegt nicht vor.
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Mit der vereinbarten Prämienstaffel wird ein besonderer Bonusanreiz gesetzt (vgl. BGH, Urteil vom 14.05.2019, aaO, Rz. 39). Dieser bedingt einen konkludenten Ausschluss des Kündigungsrechts aus Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen bis zum Erreichen der höchsten Prämie, denn der von der Beklagten gesetzte besondere Sparanreiz liegt in erster Linie in der kontinuierlich steigenden Prämienhöhe, wohingegen ein Sparer redlicherweise nicht erwarten kann, dass ihm mit dem Abschluss des Sparvertrags eine zeitlich unbegrenzte Sparmöglichkeit eröffnet werden soll (vgl. BGH, Urteil vom 14.05.2019, aaO, Rz.42). Dies entspricht einer beiderseits interessengerechten Auslegung des Sparvertrags, die das Erstgericht zutreffend vorgenommen hat. Der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger hat nicht dargetan, woraus sich ein konkludenter Kündigungsausschluss für die Beklagte über das Erreichen der höchsten Prämienstufe nach Ablauf von 15 Jahren ergeben soll.
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Da vorliegend die höchste Prämie von 50% bereits mit dem Ablauf des 15. Vertragsjahr erreicht war, ist die im 20. Vertragslaufjahr durch die Beklagte ausgesprochene Kündigung wirksam.
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3. Demzufolge sind auch die Klageanträge Ziff. 2 – 4 unbegründet.
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Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).
Oberlandesgericht München München, 11.11.2021