Inhalt

LG München I, Endurteil v. 12.11.2021 – 25 O 15614/20
Titel:

Krankenversicherung, Versicherungsnehmer, Leistungen, Versicherungsvertrag, Versicherer, Versicherungsschein, Versicherungsschutz, Neuberechnung, Zeitpunkt, Unwirksamkeit, Versicherungsleistungen, Beitragszahlung, Kenntnis, Krankentagegeldversicherung, vertragliche Vereinbarung, formelle Unwirksamkeit, gesetzliche Regelung

Schlagworte:
Krankenversicherung, Versicherungsnehmer, Leistungen, Versicherungsvertrag, Versicherer, Versicherungsschein, Versicherungsschutz, Neuberechnung, Zeitpunkt, Unwirksamkeit, Versicherungsleistungen, Beitragszahlung, Kenntnis, Krankentagegeldversicherung, vertragliche Vereinbarung, formelle Unwirksamkeit, gesetzliche Regelung
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Endurteil vom 31.03.2022 – 25 U 8992/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 62741

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 23.925,57 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Klagepartei wendet sich gegen die Erhöhung der Beiträge ihrer bei der Beklagten bestehenden privaten Krankenversicherung.
2
Die Klagepartei unterhält bei der Beklagten eine private Krankenversicherung. Der Versicherung liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen gemäß Anlagenkonvolut … 1 a, b zugrunde.
3
In der Vergangenheit nahm die Beklagte folgende Beitragsanpassungen vor:
a) Im Tarif A 80/100 die Erhöhung zum 01.01.2011 in Höhe von 30,00 €
b) Im Tarif KTV6 die Erhöhung zum 01.01.2012 in Höhe von 15,63 €
c) Im Tarif 80/100 die Erhöhung zum 01.01.2012 in Höhe von 4,88 €
d) Im Tarif K 20 die Erhöhung zum 01.01.2013 in Höhe von 33,20 €
e) Im Tarif KS die Erhöhung zum 01.01.2013 in Höhe von 0,65 €
f) Im Tarif KTV6 die Erhöhung zum 01.01.2013 in Höhe von 22,42 €
g) Im Tarif A 80/100 die Erhöhung zum 01.01.2016 in Höhe von 11,46 €
h) Im Tarif Z 100/80 die Erhöhung zum 01.01.2016 in Höhe von 3,50 €
i) Im Tarif KS die Senkung zum 01.01.2016 in Höhe von – 0,29 €
j) Im Tarif A 80/100 die Erhöhung zum 01.01.2018 in Höhe von 30,00 €
k) Im Tarif A 80/100 die Erhöhung zum 01.01.2019 in Höhe von 22,50 €
l) Im Tarif K 20 die Erhöhung zum 01.01.2019 in Höhe von 29,70 €
m) Im Tarif Z 100/80 die Erhöhung zum 01.01.2019 in Höhe von 3,09 €
4
Die Beitragsanpassungen zum 01.01.2011, 01.01.2012, 01.01.2013, 01.01.2016, 01.01.2018 und zum 01.01.2019 wirkten sich auch auf den gesetzlichen Beitragszuschlag (GBZ) nach § 149 VAG (im Antrag bezeichnet als „Tarif Vorsorge“) in Höhe von 10 % des zu zahlenden Bruttobeitrags aus.
5
Zudem wurde der Beitrag im Tarif KTV 6 zum 01.04.2017 um 13,31 € aufgrund einer Erhöhung des versicherten Kranketagegelds aufgrund einer Vertragserklärung der Klagepartei erhöht.
6
Auslösender Faktor für die Anpassungen waren jeweils die geänderten Leistungsausgaben; eine Anpassung aufgrund geänderter Sterbewahrscheinlichkeiten erfolgte nicht. In allen Fällen waren die Abweichungen als nicht nur vorübergehend anzusehen. Den Beitragsanpassungen stimmten unabhängige Treuhänder zu.
7
Über die Beitragsanpassungen wurde die Klagepartei von der Beklagten jeweils durch die mit Anlagenkonvolut … 2 vorgelegten Anpassungsmitteilungen informiert. Hinsichtlich des Inhalts wird auf das Anlagenkonvolut … 2 Bezug genommen. Die Beklagte erteilte zudem mit dem als Anlage … 3 vorgelegten Schreiben ergänzende Informationen zu den Beitragsanpassungen und teilte die diesen zugrunde liegenden auslösenden Faktoren mit.
8
Die Klagepartei zahlte in der Folgezeit die Prämien für den jeweiligen Tarif in der von der Beklagten festgesetzten Höhe. Die letzten Zahlungen seitens der Klagepartei auf die streitgegenständlichen Tarife erfolgten jeweils am 01.03.2020.
9
Die gesamte Krankheitskosten-Vollversicherung wurde durch die Klagepartei zum 01.04.2020 gekündigt. Seither besteht nur noch eine Zusatzversicherung für zahnärztliche Behandlung.
10
Die Klagepartei trägt vor, die Beitragserhöhungen seien unwirksam, da die mitgeteilte Begründung jeweils nicht den gesetzlichen Vorgaben entspreche. Durch das Begründungserfordernis solle es dem Versicherungsnehmer möglich gemacht werden, die grundlegenden Tatsachen, die zur Beitragserhöhung geführt haben, in Erfahrung zu bringen und diese anschließend auf dieser Grundlage überprüfen zu können. Der Versicherer müsse die Erhöhungsgründe deutlich darlegen. Zur Mitteilung gehöre zudem die Nennung der zugrunde liegenden Kennziffern oder Daten, so dass dem Versicherungsnehmer mindestens eine summarische Überprüfung möglich werde. Wichtigstes Kriterium für die Beurteilung, ob die Beitragserhöhung ausreichend begründet wurde, sei, dass dem Versicherungsnehmer ermöglicht werde, sich bei einer fachkundigen Person Rat einzuholen. Könne selbst diese aufgrund der mitgeteilten Begründung nicht ermitteln, ob die Erhöhung rechtmäßig erfolgte, entspreche die Begründung nicht den Voraussetzungen des § 203 Abs. 5 VVG. Aus der Begründung müsse hervorgehen, welche der nach § 203 Abs. 2 Satz 1 und 3 VVG zu betrachtenden Berechnungsgrundlagen (Versicherungsleistungen und/oder Sterbewahrscheinlichkeiten) sich gegenüber der ursprünglichen Kalkulation verändert habe. Zudem müsse die konkrete Höhe dieser Veränderung mitgeteilt werden, da sich sonst nicht beurteilen lasse, ob der sogenannte auslösende Faktor für eine Neukalkulation der Prämie erreicht sei. Um eine Plausibilitätskontrolle zu ermöglichen, sei die Zusammensetzung der Prämienänderung mitzuteilen. Der Versicherer müsse daher aufschlüsseln, inwieweit die einzelnen Berechnungsgrundlagen zur Prämienerhöhung beigetragen hätten. Nach der Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs liege der Hauptzweck der Begründungspflicht darin, dem Versicherungsnehmer zu verdeutlichen, dass weder sein individuelles Verhalten noch eine freie Entscheidung des Versicherers Grund für die Beitragserhöhung war, sondern dass eine bestimmte Veränderung der Umstände die Erhöhung aufgrund gesetzlicher Regelungen veranlasst hat. Dieser Zweck werde hier nicht erreicht. Auf die Ausführungen in der Klageschrift (dort Seite 13 ff.) sowie in der Replik (dort Seite 3 ff.) wird ergänzend Bezug genommen.
11
Alle Prämienneufestsetzungen, die durch eine Schwellenwertabweichung bei der Berechnungsgrundlage Versicherungsleistungen, die nicht über dem gesetzlich festgelegten Wert von 10 % gelegen habe, ausgelöst worden seien, seien unwirksam. Zu einer Neuberechnung sei die Beklagte in Ermangelung einer Rechtsgrundlage zu keinem Zeitpunkt berechtigt gewesen. Dies betreffe die Erhöhung im Tarif Z 100/80 zum 01.01.2019 in der Beobachtungseinheit Frauen. In § 155 Abs. 3 Satz 2 VAG habe den Gesetzgeber dem Versicherungsunternehmen das Recht eingeräumt, einen geringeren als den gesetzlich festgelegten Schwellenwert durch vertragliche Vereinbarung zu bestimmen. Die Beklagte habe von diesem Recht Gebrauch machen wollen und dementsprechend ein Anpassungsrecht in den Vertragsbedingungen vorgesehen. Die Klausel sei unwirksam und verstoße gegen unabdingbares Gesetzesrecht, da dem Versicherer bei einer als nur vorübergehend anzusehenden Abweichung ein Entscheidungsspielraum eingeräumt worden sei. Dies widerspreche der gesetzlichen Bestimmung. Sei eine Abweichung als nur vorübergehend anzusehen, bestehe gerade kein Spielraum für den Versicherer; eine Anpassung sei in solchen Fällen immer unzulässig. Damit sei der zweite Absatz der Anpassungsklausel unwirksam. Entsprechend könne auch der erste Absatz keinen eigenständigen Bestand mehr haben.
12
Die Klagepartei ist der Ansicht, dass ihr infolge der Unwirksamkeit der Beitragserhöhungen ein Anspruch auf Rückzahlung der auf die unwirksamen Prämienerhöhungen gezahlten Prämienanteile in Höhe von 13.987,53 € zustehe. Hinsichtlich der konkreten Berechnung wird auf die Ausführungen in der Klageschrift (dort Seite 4 und 56) Bezug genommen. Zudem habe die Klagepartei einen Anspruch auf Feststellung der Pflicht zur Herausgabe von Nutzungen, die die Beklagte aus der rechtsgrundlos gezahlten höheren Prämie gezogen habe.
13
Die Ansprüche seien nicht verjährt. Zum Zeitpunkt der Beitragszahlung habe die Klägerseite keine Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen gehabt. Die Verjährung beginne nicht mit dem Zeitpunkt, in dem der Klägerseite die Mitteilung über die Beitragserhöhung zugegangen ist. Kenntnis der die formelle Unwirksamkeit begründenden Umstände sei erst in dem Zeitpunkt anzunehmen, in dem der Versicherer ein den gesetzlichen Anforderungen genügendes Begründungsschreiben ausstelle. Kenntnis der die materielle Unrechtmäßigkeit begründenden Umstände habe der Bereicherungsgläubiger erst dann, wenn er Einsicht in das für die Erhöhungskalkulation verwendete Rechnungsmaterial erhält. Eine grob fahrlässige Unkenntnis liege nicht vor. Der Beginn der Regelverjährungsfrist sei jedenfalls hinausgeschoben, da die Klageerhebung aufgrund einer unsicheren und zweifelhaften Rechtslage bis in das Jahr 2018 unzumutbar gewesen sei.
14
Die Klagepartei beantragt zuletzt:
1. festzustellen, dass folgende Erhöhungen des Monatsbeitrags in der zwischen der Klägerseite und der Beklagten bestehenden Kranken-/Pflegeversicherung mit der Versicherungsnummer … unwirksam sind:
a)
Im Tarif Vorsorge die Erhöhung zum 31.01.2011 in Höhe von 2,53 €
b)
Im Tarif A 80/100 die Erhöhung zum 01.01.2011 in Höhe von 30,00 €
c)
Im Tarif Vorsorge die Erhöhung zum 01.01.2012 in Höhe von 0,40 €
d)
Im Tarif KTV6 die Erhöhung zum 01.01.2012 in Köhe von 15,63 €
e)
Im Tarif 80/100 die Erhöhung zum 01.01.2012 in Höhe von 4,88 €
f)
Im Tarif K 20 die Erhöhung zum 01.01.2013 in Höhe von 33,20 €
g)
Im Tarif Vorsorge die Erhöhung zum 01.01.2013 in Höhe vor 3,38 €
h)
Im Tarif K/S die Erhöhung zum 01.01.2013 in Höhe von 0,65 €
i)
Im Tarif KTV6 die Erhöhung zum 01.01.2013 in Höhe von 22,42 €
j)
Im Tarif A 80/100 die Erhöhung zum 01.01.2016 in Höhe von 11,46 €
k)
im Tarif Vorsorge die Erhöhung zum 01.01.2013 in Höhe von 1,47 €
l)
Im Tarif Z 100/80 die Erhöhung zum 01.01.2016 in Höhe von 3,50 €
m)
Im Tarif KS die Senkung zum 01.01.2016 in Höhe von – 0,29 €
n)
Im Tarif KTV6 die Erhöhung zum 01.04.2017 in Höhe von 13,31 €
o)
Im Tarif Vorsorge die Erhöhung zum 01.01.2018 in Höhe von 3,00 €
p)
Im Tarif A 80/100 die Erhöhung zum 01.01.2018 in Höhe von 30,00 €
q)
Im Tarif A 80/100 die Erhöhung zum 01.01.2019 in Höhe von 22,50 €
r)
Im Tarif K 20 die Erhöhung zum 01.01.2019 in Höhe von 29,70 €
s)
Im Tarif Z 100/80 die Erhöhung zum 01.01.2019 in Höhe von 3,09 €
t)
Im Tarif Vorsorge die Erhöhung zum 01.01.2019 in Höhe von 5,53 €.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite 13.987,53 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte
a)
der Klägerseite zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie aus dem Prämieranteil gezogen hat, den die Klägerseite auf die unter 1) aufgeführten Beitragserhöhungen gezahlt hat,
b)
die nach 3a) herauszugebenden Nutzungen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiliger Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu verzinsen hat.
15
Die Beklagte beantragt
Klageabweisung.
16
Die Beklagte ist der Ansicht, der Feststellungsantrag zu 1) sei wegen der Kündigung der Krankheitskostenvollversicherung zum 01.04.2020 mangels gegenwärtigen Rechtsverhältnisses unzulässig.
17
Die Beklagte trägt vor, die Anpassungen seien den Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG entsprechend ausreichend begründet. Maßgeblich seien die in den Entscheidungen des BGH vom 16.12.2020 aufgestellten Kriterien. Danach müsse nur angegeben werden, welche Rechnungsgrundlage (Versicherungsleistungen, Sterbewahrscheinlichkeit oder beide) die Neufestsetzung veranlasst hat. Dem würden die Anpassungsmitteilungen der Beklagten genügen.
18
Die in den AVB der Beklagten vorgesehene Regelung, dass bereits bei einer Abweichung von 5 % alle Beiträge der Beobachtungseinheit überprüft und, soweit erforderlich, mit Zustimmung des Treuhänders angepasst werden können, sei nicht unwirksam, jedenfalls aber würde eine eventuelle Unwirksamkeit den vorhergehenden Absatz nicht erfassen. Der BGH habe mit Urteil vom 22.09.2004, IV ZR 97/03, eine nahezu identische Regelung für wirksam erachtet.
19
Die Beklagte wendet Verjährung ein. Die Ansprüche seien, so sie dem Grunde nach überhaupt bestünden, bis einschließlich 2016 verjährt. Für den Verjährungsbeginn sei es ausreichend, wenn der Gläubiger den Hergang in seinen Grundzügen kenne und wisse, dass der Sachverhalt Anhaltspunkte für die Entstehung eines Anspruchs biete. Bei Beitragsanpassungen genüge die hierfür erteilte Mitteilung.
20
Zinsen und Nutzungen könnten nicht nebeneinander verlangt werden, ein Anspruch auf Herausgabe von gezogenen Nutzungen sei vielmehr auf den Eintritt vor der Verzinsungspflicht für die Hauptforderung beschränkt. Eine Verzinsungspflicht bezüglich der Nutzungen bestehe nicht (BGH, IV ZR 294/19, Rz. 58, 59).
21
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 31.08.2021 Bezug genommen. Das Gericht entscheidet mit Zustimmung der Parteien im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO (Bl. 146 d.A.).

Entscheidungsgründe

22
Die Klage ist teilweise bereits unzulässig. Soweit sie zulässig ist, ist sie unbegründet.
23
A. Die Feststellungsanträge sind in Anwendung der vom Bundesgerichtshof in seinen Urteilen vom 16.12.2020 – IV ZR 294/19 und vom 19.12.2018 – IV ZR 255/17 entwickelten Grundsätze nur zum Teil zulässig.
24
I. Nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofs besteht ein Feststellungsinteresse grundsätzlich auch hinsichtlich früherer Prämienanpassungen ungeachtet dessen, dass eine frühere Prämienanpassung wegen einer zeitlich nachfolgenden Erhöhung überholt sein könnte und sich gegenwärtige Rechtsfolgen aus ihr nur noch mit Blick auf die Rückforderung eines etwaig überzahlten Betrags ergeben könnten, die bereits Gegenstand des bezifferten Leistungsantrags sind. Denn allein mit dem von der Klagepartei erstrebten Leistungsurteil auf Rückzahlung überzahlter Beiträge wäre nicht rechtskräftig festgestellt, dass sie zukünftig nicht zur Zahlung des sich aus den streitgegenständlichen Beitragsanpassungen ergebenden Erhöhungsbetrages verpflichtet ist. Zudem ist die begehrte Feststellung der Unwirksamkeit der Prämienerhöhung eine Vorfrage für den Leistungsantrag und geht zugleich über das dort erfasste Rechtsschutzziel der Klagepartei hinaus; sie ist deshalb auch als Zwischenfeststellungsklage im Sinne von § 256 Abs. 2 ZPO zulässig. Bei der Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO macht die Vorgreiflichkeit das sonst für die Feststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse entbehrlich (BGH, Urteil vom 16.12.2020 – IV ZR 294/19 –, Rn. 18-20, juris).
25
Ein gegenwärtiges Feststellungsinteresse kann hinsichtlich früherer Prämienanpassungen allerdings dann zu verneinen sein, wenn sich der Versicherungsnehmer nicht zugleich gegen die Wirksamkeit einer nachfolgenden Prämienanpassung wendet, also insbesondere in Fällen einer Tarifbeendigung oder eines Wechsels in einen neuen Tarif, da insoweit nicht ersichtlich ist, wie sich die Frage der Wirksamkeit der Erhöhung für die Zukunft auswirken kann (s. hierzu auch OLG Köln, Urteil vom 9.20.10.2019 – 9 U 127/18).
26
Der Feststellungsantrag zu 1) ist daher unzulässig, da es aufgrund der Beendigung der streitgegenständlichen Tarife an einem feststellungsfähigen gegenwärtigen Rechtsverhältnis fehlt. Denn vorliegend ist die streitgegenständliche Krankheitskostenvollversicherung zum 01.04.2020 seitens der Klagepartei gekündigt worden und besteht seither nur noch eine Zusatzversicherung für zahnärztliche Behandlung. Bei den hier streitgegenständlichen Tarifen handelt es sich jedoch nicht um Tarife aus der Zahnzusatzversicherung, sondern um Tarife aus der Krankenvollversicherung bzw. der Krankentagegeldversicherung. Wie die Beklagte mit Schriftsatz vom 08.10.2021 vortrug, wird die Zahnzusatzversicherung unter der Tarifbezeichnung ZE 80 geführt. Dem ist die Klagepartei nicht entgegengetreten. Auch hat sie nicht unter Beweis gestellt, dass es sich bei den streitgegenständlichen Tarifen um Tarife der Zahnzusatzversicherung handelt, bezüglich derer ein Versicherungsvertrag zwischen den Parteien nach wie vor besteht. Vielmehr ergibt sich aus den von der beklagten Partei vorgelegten Unterlagen, unter anderem den Informationen zur Beitragsanpassung 2018 (Teil des Anlagenkonvolut … dass es sich bei den hier streitgegenständlichen Tarifen um Tarife der Krankenvollversicherung bzw. der Krankentagegeldversicherung handelt. Dass diese Tarife zum 01.04.2020 beendet wurden, legt auch der eigene Vortrag der Klagepartei nahe, nach dem Zahlungen auf die streitgegenständlichen Tarife zuletzt jeweils am 01.03.2020 erfolgt sind.
27
II. Keine Bedenken bestehen hinsichtlich der Zulässigkeit des Feststellungsantrags zu 3). Ein Vorrang der Leistungsklage ist nicht gegeben, weil die von der Beklagten gezogenen Nutzungen aus den nach Ansicht der Klagepartei rechtsgrundlos gezahlten Prämienanteilen für sie zum Zeitpunkt der Klageerhebung mangels veröffentlichter Geschäftsberichte zur Ertragslage nur teilweise bezifferbar waren und ihr daher die Erhebung einer Leistungsklage nicht zumutbar war (BGH, Urteil vom 19.12.2018 – IV ZR 255/17). Soweit etwaige bestehende Zahlungsansprüche verjährt sind und somit auch der Anspruch auf Nutzungsherausgabe verjährt ist, steht dies einer Zulässigkeit des Feststellungsantrags nicht entgegen. Bei der Einrede der Verjährung handelt es sich um eine von der Beklagten geltend zu machende Einrede, die im Rahmen der Begründetheit des Anspruchs zu prüfen ist. Insoweit liegt eine doppelrelevante Tatsache vor mit der Folge, dass der Feststellungsantrag insgesamt zulässig ist.
28
B. Die Klage ist, sofern sie zulässig ist, unbegründet.
29
I. Die Anpassungsmitteilungen der Beklagten bezüglich der Beitragsanpassungen zum 01.01.2013, 01.01.2016, 01.01.2018 und zum 01.01.2019 genügen den gesetzlichen Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG; die entsprechenden Prämienanpassungen waren daher formell wirksam.
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1. Der Bundesgerichtshof hat in der Entscheidung vom 16.12.2020, IV ZR 294/19, Rn. 26-36, zu den Anforderungen an die Prämienerhöhungsschreiben folgendes ausgeführt:
31
Die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Neufestsetzung der Prämie nach § 203 Abs. 5 VVG erfordert die Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG veranlasst hat. Dagegen muss der Versicherer nicht mitteilen, in welcher Höhe sich diese Rechnungsgrundlage verändert hat. Er hat auch nicht die Veränderung weiterer Faktoren, welche die Prämienhöhe beeinflusst haben, wie z.B. des Rechnungszinses, anzugeben. Das ergibt die Auslegung des § 203 Abs. 5 VVG aus dem Wortlaut der Norm, der Gesetzessystematik, der Entstehungsgeschichte sowie dem Sinn und Zweck der Vorschrift.
32
aa) Der Gesetzeswortlaut sieht im Fall der Prämienanpassung die Angabe der „hierfür“ maßgeblichen Gründe vor und macht damit deutlich, dass sich diese auf die konkret in Rede stehende Prämienanpassung beziehen müssen (vgl. Franz, VersR 2020, 449, 457); eine allgemeine Mitteilung, die nur die gesetzlichen Voraussetzungen der Beitragserhöhung wiedergibt. genügt danach nicht.
33
Dabei zeigt der Wortlaut bereits durch die Verwendung desselben Begriffs „maßgeblich“ sowohl in § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG für die Beitragsanpassungsvoraussetzungen als auch in § 203 Abs. 5 VVG für die Mitteilung an den Versicherungsnehmer, dass das Gesetz mit den mitzuteilenden „maßgeblichen Gründen“ auf die dafür „maßgeblichen Rechnungsgrundlagen“ verweist (vgl. Franz VersR 2020, 449, 458). Maßgeblich, d.h. entscheidend für die Prämienanpassung ist gemäß § 203 Abs. 2 Satz 1 und 3 VVG die als nicht nur vorübergehend anzusehende Veränderung der bzw. einer der dort genannten Rechnungsgrundlagen.
34
Zugleich folgt aus dem Wort „maßgeblich“, dass nicht alle Gründe genannt werden müssen, sondern nur die für die Prämienanpassung entscheidenden Umstände. In diesem Sinne entscheidend ist nur, ob eine Veränderung der erforderlichen gegenüber den kalkulierten Versicherungsleistungen oder Sterbewahrscheinlichkeiten die in § 155 Abs. 3 und 4 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) oder in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen geregelten Schwellenwerte überschreitet oder nicht. Dagegen ist die konkrete Höhe der Veränderung dieser Rechnungsgrundlagen daneben nicht mehr entscheidend. Die Überprüfung der Prämie wird ausgelöst, sobald der Schwellenwert überschritten wird; dabei kommt es nicht darauf an, in welchem Umfang er überschritten wird (vgl. auch OLG Celle VersR 2018, 1179, 1183 [juris Rn. 100]). Dem steht nicht entgegen, dass § 203 Abs. 5 VVG von den Gründen im Plural spricht, da die Vorschrift auch Bedingungsanpassungen erfasst; der Gesetzgeber benötigte einen Begriff, der beiden Fällen gerecht wird (vgl. Franz, VersR 2020, 449, 458).
35
In diesem Wortsinn „maßgeblich“ für die Prämienanpassung kann es auch nicht sein, ob der überschrittene Schwellenwert im Gesetz oder davon abweichend in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen geregelt ist, was ohnehin nur bei der Rechnungsgrundlage Versicherungsleistungen (§ 155 Abs. 3 Satz 2 VAG), nicht dagegen bei der Sterbewahrscheinlichkeit in Betracht kommt (§ 155 Abs. 4 Satz 2 VAG).
36
bb) Die Gesetzessystematik steht im Einklang mit diesem Verständnis des Wortlauts. Der Vergleich des § 203 Abs. 5 VVG mit anderen Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes, die allgemeiner auf die Angabe der „Gründe“ abstellen (vgl. § 6 Abs. 2, § 6a Abs. 1. § 61 Abs. 1, § 192 Abs. 8 Satz 2 VVG), zeigt die einschränkende Bedeutung des Begriffs der „maßgeblichen“ Gründe (vgl. Franz, VersR 2020, 449, 456). Auch dies spricht gegen das Erfordernis. eine weitergehende Begründung und insbesondere auch die genaue Höhe der Veränderung der Rechnungsgrundlagen anzugeben.
37
cc) Auch die Gesetzgebungsgeschichte stützt ein Verständnis der „maßgeblichen Gründe“, das zwar die Angabe der Rechnungsgrundlage, deren Veränderung die Prämienanpassung ausgelöst hat. nicht aber die genaue Höhe dieser Veränderung einschließt. Der Gesetzesbegründung zufolge entspricht der zum 1. Januar 2008 in Kraft getretene § 203 Abs. 5 VVG „im Wesentlichen“ dem früheren § 178g Abs. 4 VVG a.F. (vgl. BT-Drucks. 16/3945 S. 114). Die Vorgängerregelung in § 178g Abs. 4 VVG a.F. machte ebenso wie der heutige § 203 Abs. 5 VVG das Wirksamwerden der Prämienanpassung von einer Mitteilung des Versicherers an den Versicherungsnehmer abhängig, sah jedoch nur eine „Benachrichtigung“ statt der jetzt vorgesehenen Angabe der maßgeblichen Gründe für die Prämienanpassung vor. Dass der Gesetzgeber dies dennoch als „im Wesentlichen“ gleiche Regelung einstufte zeigt, dass er damit keine grundsätzliche Neuregelung für das Wirksamwerden einer Prämienanpassung beabsichtigte, sondern die Mitteilungspflicht nur geringfügig erweitern wollte. Hinweise zum Inhalt der „maßgeblichen Gründe“ enthält die Gesetzesbegründung ansonsten nicht. Auch dies deutet darauf hin, dass der Gesetzgeber diesem Zusatz keine wesentliche Bedeutung für die Mitteilung zur Prämienanpassung beigemessen hat (vgl. Franz, VersR 2020, 449. 457) Eine Neuausrichtung der Mitteilungsanforderungen mit weitreichenden Informationspflichten des Versicherers hätte dagegen eine ausführlichere Gesetzesbegründung, die sich zu Inhalt und Zielen der Regelung äußert, erwarten lassen.
38
Die Erweiterung der schon bisher, erforderlichen Mitteilung einer Prämienanpassung nach § 178g Abs. 4 VVG a.F. um die maßgeblichen Gründe gemäß § 203 Abs. 5 VVG erklärt sich im Rahmen der VVG-Reform 2008 daraus, dass dort in § 203 Abs. 2 Satz 3 VVG erstmals eine zweite Rechnungsgrundlage – die Sterbewahrscheinlichkeit – eingeführt wurde, deren Veränderung gegenüber dem kalkulierten Wert eine Prämienanpassung auslösen kann (vgl. Franz, VersR 2020, 449, 458). Während bis dahin auch ohne eine Angabe des Versicherers offenkundig war, welcher auslösende Faktor der Prämienanpassung zugrunde lag, weil nach § 178g Abs. 2 VVG a.F. nur einer, nämlich eine Veränderung des tatsächlichen Schadensbedarfs, existierte, war dies nach der Reform nicht mehr der Fall. Auch dies zeigt, dass die Begründungspflicht des § 203 Abs. 5 VVG darauf abzielt, den Anlass der Prämienanpassung für den Versicherungsnehmer klarzustellen (vgl. Franz a.a.O.).
39
dd) Im Einklang mit dem Wortlaut und der Gesetzesbegründung kann auch der Zweck des § 203 Abs. 5 VVG nicht weitreichend zu verstehen sein. Die Norm zielt – wie ihre Vorläuferbestimmungin erster Linie darauf ab, dem Versicherungsnehmer einen gewissen Zeitraum zu belassen, um sich auf eine ihm mitgeteilte Vertragsänderung einstellen zu können und sich darüber klar zu werden. ob er innerhalb der zeitgleich ausgestalteten Frist des § 205 Abs. 4 VVG sein Kündigungsrecht ausübt oder die Prämienänderung zum Anlass nimmt, von seinem Tarifwechselrecht nach § 204 VVG Gebrauch zu machen (vgl. Senatsurteil vom 19. Dezember 2018 – IV ZR 255/17, BGHZ 220, 297 Rn. 70). Daneben soll die Mitteilung der maßgeblichen Gründe dem Versicherungsnehmer zeigen, was der Anlass für die konkrete Prämienanpassung war. Diese Kenntnis des Versicherungsnehmers ergibt sich nicht bereits aus dem Gesetz oder den Allgemeinen Versicherungsbedingungen, sondern kann nur für den Einzelfall mitgeteilt werden. Entgegen der Ansicht der Revision muss der Versicherungsnehmer auch nicht aus dem Umstand, dass eine Prämienanpassung erfolgt ist, darauf schließen, dass deren Voraussetzungen erfüllt sind; dies soll der Versicherer ihm vielmehr ausdrücklich mitteilen.
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Die Mitteilung erfüllt so den Zweck, dem Versicherungsnehmer zu verdeutlichen, dass weder sein individuelles Verhalten (vgl. Franz, VersR 2020, 449, 459; Brand, VersR 2018, 453, 455) noch eine freie Entscheidung des Versicherers Grund für die Beitragserhöhung war, sondern dass eine bestimmte Veränderung der Umstände dies aufgrund gesetzlicher Regelungen veranlasst hat. Das wird durch die Angabe der Rechnungsgrundlage, die die Prämienanpassung ausgelöst hat, erreicht. Dagegen ist es für diesen Zweck nicht erforderlich, dem Versicherungsnehmer die Rechtsgrundlage des geltenden Schwellenwerts oder die genaue Höhe der Veränderung der Rechnungsgrundlage mitzuteilen.
41
Entgegen einer verbreiteten Ansicht (vgl. LG Potsdam r+s 2019, 274 [juris Rn. 65]; LG Frankfurt (Oder) VersR 2018, 669 [juris Rn. 64]; LG Neuruppin VersR 2018, 469 [jiluris Rn. 27]; Münch-Komm-VVG/Boetius, 2. Aufl. § 203 Rn. 1137; Brömmelmeyer in Schwintowski/Brömmelmeyer. PK-VersR 3. Aufl. § 203 Rn. 47; Klimke, VersR 2016, 22) hat die Mitteilungspflicht nicht den Zweck, dem Versicherungsnehmer eine Plausibilitätskontrolle der Prämienanpassung zu ermöglichen (vgl. OLG Stuttgart, Hinweisbeschluss vom 6. Juni 2019 – 7 U 237/18, juris Rn. 25; Franz. VersR 2020, 449, 458; Brand, VersR 2018, 453, 455; Laux, jurisPR-VersR 5/2020 Anm. 4). Weder der Wortlaut oder die Gesetzessystematik noch die Entstehungsgeschichte der Norm enthalten einen Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber bei der VVG-Reform 2008 beabsichtigt hätte, die Möglichkeit einer Plausibilitätskontrolle des Versicherungsnehmers als neues Kriterium für die formale Wirksamkeit einer Prämienanpassung einzuführen (vgl. Franz, VersR 2020, 449, 458). Eine solche Kontrolle setzte zunächst eine Übermittlung von Kalkulationsgrundlagen voraus, die weit über die dem Wortlaut nach auf die „maßgeblichen“ Gründe der Prämienanpassung beschränkte Mitteilung hinausginge. Eine Überprüfung der Erhöhung auf ihre Plausibilität wäre dem Versicherungsnehmer als Laien aber auch dann nicht möglich (vgl. OLG Celle VersR 2018, 1179, 1183 [juris Rn. 101]; LG Essen VersR 2019, 1203, 1205 [juris Rn. 42]; LG Frankfurt a.M. VersR 2019, 1548, 1549 [juris Rn. 25]: Muschner in Langheid/Rixecker, VVG 6. Aufl. § 203 Rn. 70; Franz, VersR 2020. 449, 458; Brand. VersR 2018, 453, 456; Kalis, r+s 2018, 464, 469).
42
Diesen Ausführungen schließt sich das Gericht vollumfänglich an. Damit umfasst die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Neufestsetzung der Prämie nach § 203 Abs. 5 VVG die Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Prämienanpassung ausgelöst hat. Nicht erforderlich ist dagegen die Mitteilung, in welcher Höhe sich diese Rechnungsgrundlage verändert hat oder die Mitteilung der Veränderung weiterer Faktoren, welche die Prämienhöhe zumindest auch beeinflusst haben, wie z.B. des Rechnungszinses. Auch einer Mitteilung der übrigen von der Klagepartei genannten Aspekte bedarf es nicht.
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2. Gemessen an diesen Grundsätzen sind die Anpassungsmitteilungen betreffend die Beitragsanpassungen zum 01.01.2013, 01.01.2016, 01.01.2018 und 01.01.2019 ausreichend begründet und formell wirksam.
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a) Die Anpassungsmitteilung von November 2012 (Teil des Anlagenkonvolut …betreffend die Prämienerhöhung im Tarif K 20, KS und KTV 6 zum 01.01.2013 ist ausreichend begründet. In dem Anschreiben heißt es wie folgt:
„(…) Wie alle Krankenversicherer sind auch wir jährlich verpflichtet, die tatsächlich angefallenen Leistungsaufwendungen mit den kalkulierten Schäden zu vergleichen. Zeigt sich bei diesem Vergleich, dass die Kalkulation angepasst werden muss, so wird in Abstimmung mit einem unabhängigen Treuhänder eine Beitragsanpassung vorgenommen. Dies betrifft sowohl Abweichungen nach oben als auch nach unten.
(…) Für Frauen sind Anpassungen in den Tarifen A 106, A 118, TA, KTV sowie in den stationären Tarifen K 30, K 20, K 50 und K/S notwendig. (…)
Um das vertraglich zugesicherte Leistungsversprechen im vereinbarten Umfang auch in Zukunft halten zu können, wird die … die Beiträge zur Krankenversicherung zum 1. Januar 2013 anpassen. (…)#
Das Anschreiben teilt demnach mit, dass Grund für die Beitragsanpassung Änderungen bei den Leistungsaufwendungen sind. Darüber hinaus wird im Nachtrag zum Versicherungsschein von November 2012 sowohl der bisherige als auch der neue Beitrag des jeweiligen Tarifs nebst der Beitragsänderung zahlenmäßig ausgewiesen. Damit wird dem Versicherungsnehmer in der Anpassungsmitteilung der maßgebliche Grund für die Erhöhung seiner konkreten Beiträge mitgeteilt. Der Versicherungsnehmer kann dem Wortlaut und Sinnzusammenhang der dortigen Ausführungen klar entnehmen, dass eine Veränderung der Rechnungsgrundlage Versicherungsleistungen die Beitragsanpassung zum 01.01.2013 für den von ihm unterhaltenen Tarif ausgelöst hat.
Unschädlich ist, dass in der Beilage „Informationen zur Beitragsanpassung zum 1. Januar 2013“ noch weitere Faktoren als Gründe für eine Beitragsanpassung aufgeführt sind und in diesem Zusammenhang auch die Sterbewahrscheinlichkeiten bzw. eine höhere Lebenserwartung genannt werden. Denn hierbei handelt es sich erkennbar um allgemeine Ausführungen für das Verfahren der Beitragsanpassung im Generellen. Dagegen verdeutlichen die Ausführungen in der Anpassungsmitteilung für den Versicherungsnehmer klar und unmissverständlich, dass die steigende Lebenserwartung sowie die weiteren in dem Beiblatt genannten Faktoren die Beitragserhöhung nicht ausgelöst haben, sondern maßgeblicher Grund für die Beitragsanpassung in den Tarifen des Versicherungsnehmers allein die Änderung der Leistungsaufwendungen bzw. Versicherungsleistungen war. Damit ist die Begründung der Beitragserhöhung zum 01.01.2013 für einen informierten Versicherungsnehmer ebenso wie für einen Empfänger ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse klar und verständlich
b) Gleiches gilt für die Anpassungsmitteilung von November 2015 (Teil des Anlagenkonvoluts … betreffend die Prämienanpassungen in den Tarifen A 80/100, Z 100/80 und KS zum 01.01.2016. Auch diese ist formell wirksam.
In dem Anschreiben heißt es:
„Um den Ihnen vertraglich zugesicherten Versicherungsschutz auch zukünftig erfüllen zu können, ist die … dazu verpflichtet, jährlich die tatsächlich angefallenen Leistungsaufwendungen mit den kalkulierten Schäden zu vergleichen. Als Ergebnis des Vergleichs müssen die Rechnungsgrundlagen einiger Tarife zum 1. Januar 2016 angepasst werden. Dadurch ergeben sich sowohl Beitragsanpassungen nach oben als auch nach unten.
Ihre individuelle Beitragsänderung und die von der Beitragsanpassung betroffenen Tarife entnehmen Sie bitte dem beiliegenden Nachtrag zum Versicherungsschein. Dort sind neben Ihren bisherigen Beiträgen auch die jeweiligen Mehr- oder Minderbeiträge ausgewiesen. (…)#
Im Nachtrag zum Versicherungsschein von November 2015 wird sowohl der bisherige als auch der neue Beitrag des jeweiligen Tarifs nebst der Beitragsänderung zahlenmäßig ausgewiesen.
Damit wird dem Versicherungsnehmer in der Anpassungsmitteilung als maßgeblicher Grund für die Erhöhung seiner konkreten Beiträge wiederum Änderungen bei den Leistungsaufwendungen mitgeteilt. Der Versicherungsnehmer kann dem Wortlaut und Sinnzusammenhang der dortigen Ausführungen klar entnehmen, dass eine Veränderung der Rechnungsgrundlage Versicherungsleistungen die Beitragsanpassung zum 01.01.2016 für den von ihm unterhaltenen Tarif ausgelöst hat.
Dass in der Beilage „Informationen zur Beitragsanpassung zum 1. Januar 2016“ noch weitere Faktoren als Gründe für eine Beitragsanpassung aufgeführt sind und in diesem Zusammenhang auch die Sterbewahrscheinlichkeiten bzw. eine höhere Lebenserwartung genannt werden, ist aus den unter lit. a) aufgeführten Gründen wiederum unschädlich.
c) Das Anpassungsschreiben von November 2017 (Teil des Anlagenkonvoluts … betreffend die Prämienerhöhung im Tarif A 80/100 zum 01.01.2018 ist ebenfalls ausreichend begründet.
In dem Anschreiben von November 2017 heißt es wie folgt:
„(…) Um die vertraglich zugesicherten Leistungen auch in Zukunft erfüllen zu können. sind wir für jeden Tarif gesetzlich verpflichtet, jährlich die tatsächlich erforderlichen mit den kalkulierten Versicherungsleistungen zu vergleichen. Ergeben sich dabei Abweichungen von mehr als fünf Prozent, so werden die Beiträge überprüft und – falls erforderlich – angepasst. Dabei stellen wir Leistungen und Beiträge getrennt nach Personengruppen und Altersstufen eines bestimmten Tarifes gegenüber. (…)
Ihre Beitragsänderung und die von der Beitragsanpassung betroffenen Tarife entnehmen Sie bitte dem beiliegenden Nachtrag zum Versicherungsschein. Dort sind ihre bisherigen und künftigen Beiträge ausgewiesen.
Die maßgeblichen Gründe sowie wichtige Hinweise und Gesetzestexte für die Anpassung haben wir für Sie im Beiblatt „Informationen zu Beitragsanpassung 2018“ zusammengestellt. (…)#
In den „Informationen zu Beitragsanpassung 2018“ heißt es sodann unter anderem wie folgt:
„Die diesjährige Beitragsanpassung erfolgt in allen betroffenen Tarifen aufgrund der Entwicklung der Leistungsausgaben (auslösender Faktor „Schaden“). Diese wurden vor allem durch inflationsbedingte Preissteigerungen, aber auch den medizinischen Fortschritt beeinflusst. Eine höhere Lebenserwartung sowie die vermehrte Inanspruchnahme von ärztlichen Leistungen haben sich ebenfalls auf die Schadenaufwendungen niedergeschlagen. (…)#
Die „Informationen zu Beitragsanpassung 2018“ enthalten zudem eine tabellarische Übersicht über die verschiedenen Tarife. Dabei heißt es für jeden einzelnen Tarif, einschließlich des Tarifs A 80/100 in der Spalte „Auslösender Faktor“ „Schaden“. Darüber hinaus wird im Nachtrag zum Versicherungsschein von November 2017 sowohl der bisherige als auch der neue Beitrag des jeweiligen Tarifs nebst der Beitragsänderung zahlenmäßig ausgewiesen.
Das Anschreiben und die dieses ergänzenden „Informationen zur Beitragsanpassung 2018“ teilen dem Versicherungsnehmer demnach als Grund für die Beitragsanpassung im betroffenen Tarif ausdrücklich die Versicherungsleistungen als auslösenden Faktor mit. Dies genügt. Dass zudem mitgeteilt wird, dass sich auch eine höhere Lebenserwartung sowie die vermehrte Inanspruchnahme von ärztlichen Leistungen auf die Schadensaufwendungen niedergeschlagen hat, macht die Anpassungsmitteilung angesichts des Vorstehenden nicht unklar. Vielmehr entnimmt der Versicherungsnehmer dem Wortlaut und Sinnzusammenhang der Anpassungsmitteilung nebst Anlagen, dass die höhere Lebenserwartung sich lediglich ebenfalls auf die Schadensaufwendungen niedergeschlagen hat, Grund für die Beitragsanpassung jedoch allein die Versicherungsleistungen waren.
d) Im Ergebnis gleiches gilt für das Anpassungsschreiben von November 2018 (Teil des Anlagenkonvoluts … betreffend die Prämienerhöhung in den Tarifen A 80/100, K 20 und Z 100/80 zum 01.01.2019.
In dem Anschreiben von November 2018 heißt es wie folgt:
„(…) Um die vertraglich zugesicherten Leistungen auch in Zukunft erfüllen zu können. sind wir gesetzlich verpflichtet, für jeden Tarif jährlich die tatsächlich erforderlichen mit den kalkulierten Versicherungsleistungen zu vergleichen. Gleiches gilt für die Sterbewahrscheinlichkeiten. Ergeben sich dabei Abweichungen von mehr als fünf Prozent, so werden die Beiträge überprüft und – falls erforderlich – angepasst.
Die Beitragsänderung für ihren Vertrag und die von der Beitragsanpassung betroffenen Tarife entnehmen Sie bitte dem beiliegenden Nachtrag zum Versicherungsschein. Dorf sind die bisherigen und künftigen Beiträge Ihrer Tarife ausgewiesen.
Die maßgeblichen Gründe für die Anpassung haben wir für Sie im Beiblatt „Informationen zu Beitragsanpassung 2019“ zusammengestellt. (…)"
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In den „Informationen zu Beitragsanpassung 2019“ heißt es sodann unter anderem wie folgt:
„Die diesjährige Beitragsanpassung erfolgt in allen betroffenen Tarifen aufgrund der Entwicklung der Versicherungsleistungen. Der nachfolgenden Tabelle können Sie entnehmen. dass der auslösende Faktor „Schaden“ in Ihrem von der Beitragsanpassung zum 01.01.2019 betroffenen Tarif den Schwellenwert von +/- 5 % überschritten hat. Der auslösende Faktor „Sterblichkeit“ hat den gesetzlich festgelegten Satz von +/- 5 % in keinem Fall überschritten.“
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Es folgt sodann eine Tabelle, in der für jeden einzelnen Tarif der auslösende Faktor „Schaden“ der Höhe nach genannt ist.
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Die Anpassungsmitteilung nebst Anlagen benennt als Auslöser für die Beitragsanpassung in den streitgegenständlichen Tarifen nicht nur ausdrücklich die Entwicklung der Versicherungsleistungen, sondern teilt darüber hinaus jeweils die Höhe des auslösenden Faktors mit. Dies genügt ohne weiteres den Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG.
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Die vorgenannten streitgegenständlichen Beitragsanpassungen sind daher formell wirksam.
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II. Ab der wirksamen Prämienanpassung im Tarif A 80/100 zum 01.01.2016 und im Tarif KTV 6 zum 01.01.2013 bestand ein Anspruch der Beklagten auf Zahlung der jeweiligen Prämie in der durch diese Anpassungen festgesetzten neuen Gesamthöhe.
50
§ 203 Abs. 2 Satz 1 VVG berechtigt den Versicherer, die Prämie neu festzusetzen. Dazu hat die Berechnung der Prämie bei der Prämienanpassung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 KVAV nach den für die Prämienberechnung geltenden Grundsätzen zu erfolgen, d.h. nach § 10 KVAV wie bei der Erstkalkulation der Prämie. Sämtliche Rechnungsgrundlagen sind zu überprüfen und ggf. anzupassen (vgl. MünchKomm-VVG/Boetius, 2. Aufl. § 203 Rn. 870; Franz, VersR 2020, 449, 451). Bei der Prämienanpassung findet also nicht nur die Festsetzung eines Erhöhungsbetrages, sondern eine vollständige Neufestsetzung für den neu kalkulierten Zeitraum statt. Ob eine frühere Prämienerhöhung fehlerhaft war, ist für die Wirksamkeit der Neufestsetzung und der daraus folgenden erhöhten Beitragspflicht des Versicherungsnehmers ohne Bedeutung (vgl. Kalis, r+s 2018, 464, 470, Franz a.a.O. S. 462). Eine spätere wirksame Prämienanpassung bildet daher fortan die Rechtsgrundlage für den Prämienanspruch in seiner Gesamthöhe (BGH, Urteil vom 16.12.2020 – IV ZR 294/19).
51
Ob die Prämienanpassungen im Tarif A 80/100 zum 01.01.2011 und im Tarif KTV6 zum 01.01.2012 formell wirksam waren, kann daher dahingestellt bleiben.
52
III. Der Beitragsanpassung im Tarif KTV6 zum 01.04.2017 in Höhe von 13,31 € lag keine einseitige Beitragsanpassung im Sinne von § 203 VVG zugrunde. Vielmehr wurde das Krankentagegeld und in der Folge der Beitrag aufgrund einer Vertragserklärung der Klagepartei erhöht; die dieser Anpassung zugrunde liegende Klausel wird von der Klagepartei, wie diese mit Schriftsatz vom 19.09.2021 klarstellte, nicht weiter angegriffen. Weitere Ausführungen zu dieser Beitragserhöhung bedarf es daher nicht.
53
IV. Bei der Prämienanpassung im Tarif Z 100/80 zum 01.01.2019 um 3,09 € lag die Veränderung bei den Versicherungsleistungen jeweils unter dem gesetzlichen Schwellenwert von über 10 %, aber über 5 %. Diese Anpassung ist aufgrund der Beitragsanpassungsklausel in § 8b MB/KK 2009 (Anlage … 1 a, b) gerechtfertigt. Diese Klausel gestattet bei einer Abweichung der Versicherungsleistungen von mehr als 5 % eine Überprüfung aller Beiträge dieser Beobachtungseinheit und, soweit erforderlich, eine Anpassung der Prämien mit Zustimmung des Treuhänders.
54
Die vorgenannte Klausel ist wirksam. In § 155 Abs. 3 Satz 2 VAG hat der Gesetzgeber dem Versicherungsunternehmen explizit das Recht eingeräumt, einen geringeren als den gesetzlich festgelegten Schwellenwert durch vertragliche Vereinbarung zu bestimmen. Entgegen der Ansicht der Klagepartei lassen sich Bedenken gegen die streitgegenständliche Tarifklausel nicht daraus herleiten, dass § 8b Abs. 2 MB/KK 2009 dem Versicherer auch dann eine Anpassung ermöglicht, wenn die Veränderung der Versicherungsleistungen nur vorübergehender Art ist. Zwar weicht dies von der halbzwingenden gesetzlichen Regelung des § 12b Abs. 2 Satz 2 VAG a.F. bzw. § 203 Abs. 3 VVG ab, wonach eine Beitragsanpassung nur bei einer nicht nur als vorübergehend anzusehenden Veränderung zulässig ist.
55
Letztlich kann jedoch dahinstehen, ob die Regelungen in § 8b Abs. 2 MB/KK 2009 wirksam ist, da eine Unwirksamkeit dieser Regelung die hiervon abgrenzbare Bestimmung in § 8b Abs. 1 MB/KK 2009 unberührt lässt. Maßgeblich ist, ob nach Streichung der unwirksamen Bestimmung eine verständliche und wirksame Regelung verbleibt. Dies ist vorliegend der Fall, da die Bestimmung des § 8b Abs. 1 MB/KK 2009 sprachlich und inhaltlich selbstständig und abtrennbar ist. Die Regelung in § 8b Abs. 2 MB/KK 2009 wird dann durch die gesetzliche Regelung in § 155 Abs. 3 Satz 2 VAG ersetzt (so auch Kammergericht Berlin, Anlage …6, LG München I, Anlage … 7, sowie LG Erfurt, Anlage … 8, LG Halle, Anlage … 9, LG Oldenburg, Anlage … 10, s. auch Hinweis des OLG München, Anlage … 12).
56
V. Soweit die Klagepartei ihren Zahlungsanspruch auf vor dem 01.01.2017 geleistete Zahlungen auf Prämienerhöhungen stützt, war die Klage abzuweisen, da die Ansprüche der Klagepartei auf Beitragsrückzahlung bis einschließlich Dezember 2016 verjährt sind. Denn insoweit greift angesichts der erst im Jahr 2020 erfolgten Klageerhebung die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung.
57
Für den bereicherungsrechtlichen Rückerstattungsanspruch gilt die dreijährige Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB. Nach § 199 Abs. 1 BGB beginnt diese mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Für den Beginn des Laufs der Verjährungsfrist genügt die Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen, nicht erforderlich ist, dass der Gläubiger den Vorgang rechtlich zutreffend bewertet. Grundsätzlich reicht eine Kenntnis aus, die den Berechtigten in die Lage versetzt, wenn auch nicht ohne Risiko, eine Feststellungsklage zu erheben. Dies gilt auch bei ungeklärter Rechtslage. Danach beginnt die Verjährung jeweils zu dem Zeitpunkt zu laufen, in dem dem Versicherungsnehmer die Mitteilung über die Beitragserhöhung zugegangen ist. Denn ab diesem Zeitpunkt ist von einer grob fahrlässigen Unkenntnis des Versicherungsnehmers in dem Sinne auszugehen, dass er seine Beiträge in einer Höhe entrichtet, die auf einer unwirksamen Beitragserhöhung beruht.
58
Hinsichtlich des Verjährungsbeginns bei formeller Unwirksamkeit der Prämienanpassung, wird auf die Ausführungen des OLG Köln im Urteil vom 28.01.2020 – 9 U 138/19 Bezug genommen. denen sich das Gericht anschließt. Danach hat der Versicherungsnehmer im Hinblick auf das Fehlen der formellen Voraussetzungen der Beitragsanpassung die Kenntnis von der Unwirksamkeit dann grob fahrlässig nicht erlangt, wenn er den Mitteilungen der in Anspruch genommenen Versicherung über die jeweilige Prämienerhöhung ganz offensichtlich nichts entnehmen konnte, was ihn die Richtigkeit der von der beklagten Versicherung aufgestellten Behauptung über die Erforderlichkeit der Beitragserhöhung überprüfen ließe. Von einer solchen grob fahrlässigen Unkenntnis des Versicherten ist auszugehen, wenn in den betreffenden Anpassungsmitteilungen der Versicherung nicht einmal die maßgebliche Rechnungsgrundlage, die für die Prämienanpassung verantwortlich war, angegeben wurde (OLG Köln, Urteil vom 28.01.2020 – 9 U 138/19 m.w.N.).
59
Nichts anderes kann nach Ansicht des Gerichts hinsichtlich der Kenntnis bzw. grob fahrlässigen Unkenntnis der die materielle Wirksamkeit begründenden Umstände gelten. Mit Zugang der Erhöhungsschreiben hatte die Klagepartei nicht nur die Möglichkeit sich zu entscheiden, ob ihr die maßgeblichen Gründe für die Erhöhung mitgeteilt wurden, sondern auch ob sie die gesetzlichen bzw. tariflichen Voraussetzungen für eine Anpassung als gegeben erachtet und ob sie in der Folge die Erhöhung akzeptiert oder sich hiergegen notfalls gerichtlich wendet.
60
Auf eine weitergehende Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis der die formelle oder materielle Unwirksamkeit der Prämienanpassung begründenden Umstände kommt es nicht an. Denn sowohl die formellen als auch die materiellen Wirksamkeitsvoraussetzungen einer Prämienanpassung ergeben sich aus dem Gesetz, §§ 203 Abs. 2 VVG, 12b VAG a.F. bzw. § 155 VAG. Dass nach Ansicht der beklagten Versicherung der gesetzliche bzw. der in den AVB vereinbarte Schwellenwert überschritten ist, ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass eine Prämienanpassung erfolgt ist. Nach Ansicht des Gerichts ist der auslösende Faktor (Rechnungsgrundlage) in dem Erhöhungsschreiben zwar zu benennen, aber nicht in der konkreten Höhe zu beziffern. Auch die weiteren Berechnungsgrundlagen einer Prämienanpassung sind im Anpassungsschreiben nicht mitzuteilen. Bereits mit Zugang des jeweiligen Erhöhungsschreibens ist der Versicherungsnehmer daher in der Lage, die Wirksamkeit der Prämienerhöhung jedenfalls im Rahmen einer Feststellungsklage überprüfen zu lassen.
61
Dass die Klagepartei die Erfolgsaussichten einer solchen Klage nicht sicher vorherzusehen vermag, macht eine Klageerhebung nicht unzumutbar. Die Ungewissheit über das Obsiegen ist letztlich jedem Rechtsstreit in gewisser Weise immanent. Würde man dies anders sehen, würde die Verjährung – abgesehen vom Ablauf der absoluten Verjährung – nie zu laufen beginnen. Denn ob die Voraussetzungen der Prämienanpassung gegeben waren, wird sich in der Regel erst im Rahmen eines Rechtsstreits zeigen.
62
VI. Da die Beitragsanpassungen daher formell und materiell wirksam waren bzw. Zahlungsansprüche auf vor dem 01.01.2017 geleistete Zahlungen auf Prämienerhöhungen verjährt sind, bestehen weder Rückzahlungsansprüche noch Ansprüche auf Herausgabe von Nutzungen, so dass sowohl der Zahlungsanspruch zu 2) als auch der Feststellungsantrag zu 3) als unbegründet abzuweisen waren.
63
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 709 ZPO.
64
D. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 48 Abs. 1, 43 GKG, §§ 3, 4, 9 ZPO.