Inhalt

LG Passau, Endurteil v. 06.05.2021 – 3 O 740/20
Titel:

Versicherungsnehmer, Leistungen, Wirksamkeit, Versicherungsschutz, Versicherungsvertrag, Versicherungsschein, Herausgabe, Zahlung, Anspruch, Feststellungsinteresse, Klage, Unwirksamkeit, Rechtsanwaltskosten, Berechnung, ohne Rechtsgrund, Anspruch auf Verzinsung, Rechtsprechung des BGH

Schlagworte:
Versicherungsnehmer, Leistungen, Wirksamkeit, Versicherungsschutz, Versicherungsvertrag, Versicherungsschein, Herausgabe, Zahlung, Anspruch, Feststellungsinteresse, Klage, Unwirksamkeit, Rechtsanwaltskosten, Berechnung, ohne Rechtsgrund, Anspruch auf Verzinsung, Rechtsprechung des BGH
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Hinweisbeschluss vom 09.08.2021 – 25 U 3640/21
OLG München, Beschluss vom 25.10.2021 – 25 U 3640/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 62740

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass folgende Erhöhungen des Monatsbeitrags in der zwischen der Klägerseite und der Beklagten bestehenden Kranken-/ Pflegeversicherung mit der Versicherungsnummer .... unwirksam sind:
a) Im Tarif Vital900 – N die Erhöhung zum 01.01.2011 in Höhe von 80,73 €
b) im Tarif TN 21 die Erhöhung zum 01.01.2011 in Höhe von 8,80 €,
c) im Tarif Vital-Z-N die Erhöhung zum 01.01.2014 in Höhe von 19,29 €,
d) im Tarif Vital900 – N die Erhöhung zum 01.01.2015 in Höhe von 44,54 €,
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite 1.179,78 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 13.11.2020 zu zahlen.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, welche sie bis einschließlich 12.11.2020 aus den Prämienanteilen, welche der Kläge auf die in Ziff. 1.2 und Ziff. 1.3 genannten Beitragserhöhungen in den Jahren 2017, 2018, 2019 und 2020 gezahlt hat, gezogen hat.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
5. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 91% sowie die Beklagte zu 9%.
6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar für den Kläger. Die Beklagte kann die Vollstreckung abwenden durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollsrteckenden Betrags, wenn nicht der Kläger zuvor selbst Sicherheit leistet in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags. Für die Beklagte ist das Urteil hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar gegen Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 35.176,80 € bis 15.03.2021 sowie ab 16.03.2021 auf 18.561,66 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Streitgegenständlich ist die Wirksamkeit von Beitragserhöhungen seitens der Beklagten im zwischen den Parteien bestehenden Kranken- und Pflegeversicherungsvertrag.
2
Zwischen den Parteien besteht ein Kranken- und Pflegeversicherungsvertrag mit der Versicherungsnummer ..., in welchem der Kläger Versicherungsnehmer und die Beklagte Versicherer ist.
3
Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben von November 2010 nebst Anlagen (Anlage B 5, S. 3 ff.) die Erhöhung der Beiträge zum 01.11.2011 im Tarif Vital900-N um 80,73 € sowie den Tarif TN 21 in Höhe von 8,80 €, mit Schreiben von November 2013 nebst Anlagen (Anlage B 5, S. 12 ff.) die Erhöhung der Beiträge im Tarif Vital-Z-N zum 01.01.2014 in Höhe von 19,29 €, sowie hinsichtlich des Tarifs Vital900- N mit Schreiben von November 2014 nebst Anlagen (B 5, S. 26 ff.) die Erhöhung der Beiträge zum 01.01.2015 in Höhe von 44,54 €, mit Schreiben von November 2016 nebst Anlagen (Anlage B 5, S. 46 ff.) die Erhöhung zum 01.01.2017 in Höhe von 117,70 € und mit Schreiben von November 2018 nebst Anlagen (B 5, S. 75 ff.) die Erhöhung zum 01.01.2019 in Höhe von 69,55 € mit.
4
Der Beitragshöhe im Tarif Vital-Z-N reduzierte sich im Vertragslauf zum 01.01.2016 auf 74,12 € aufgrund des Wegfalls eines gesetzlichen Zuschlags.
5
Der Kläger zahlte die jeweiligen Erhöhungsbeiträge monatlich in der geforderten Höhe ab dem Zeitpunkt der Erhöhung. Ohne die Erhöhungen betrüge die der zu zahlende monatliche Beitrag des Klägers 379,42 €.
6
Mit anwaltlichem Schreiben vom 08.07.2020 machte der Kläger die Unwirksamkeit der Prämienerhöhung geltend und forderte die Beklagte unter Fristsetzung mit anwaltlichem Schreiben zur Rückzahlung der auf die Erhöhung gezahlten Prämienanteile einschließlich der daraus gezogenen Nutzungen auf.
7
In der dem Kläger am 11.12.2020 zugestellten Klageerwiderung (Bl. 62 d.A.) begründete die Beklagte sämtliche Prämienerhöhungen mit einem Anstieg der Leistungsausgaben.
8
Der Kläger ist der Ansicht, sämtliche aufgeführte Erhöhungen seien nicht im gesetzlich erforderlichen Umfang begründet worden. Der Versicherer müsse die Gründe darlegen und dem Versicherungsnehmer eine summarische Überprüfung durch Hinzuziehung einer fachkundigen Person ermöglichen. Es müsse die Rechnungsgrundlage angegeben werden, welche die Erhöhung auslöse sowie die Höhe der Veränderung und das Erreichen des vertraglich oder gesetzlich regulierten Schwellenwerts. Auch die Zusammensetzung der Prämienänderung sei mitzuteilen.
9
Die Beklagte könne sich auf eine Verjährung nicht berufen, da der Kläger keine Kenntnis und keine grobfahrlässige Unkenntnis der Tatsachen, welche die Unwirksamkeit begründen, hatte. Das für die Berechnung verwendete Rechnungsmaterial sei dem Versicherungsnehmer nicht bekannt. Aufgrund der für die Bewertung der formellen Wirksamkeit erforderlichen höchstrichterlichen Klärung sei die Norm weit auszulegen. Im Übrigen beginne die Verjährungsfrist bei Unzumutbarkeit der Klageerhebung nicht zu laufen, soweit eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliege, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag (BGH Urt 28.10.2014, XI ZR 348/13 Rn. 42).
10
Mit Schriftsatz vom 15.03.2021 nahm der Kläger die Klage hinsichtlich der Beitragserhöhung im Tarif Vital900 – N zum 01.01.2017 um 118,00 € zurück und reduzierte seinen Antrag auf Rückzahlung überbezahlter Beiträge inkl. Nutzungen entsprechend.
11
Zuletzt beantragte der Kläger daher:
1. Es wird festgestellt, dass folgende Erhöhungen des Monatsbeitrags in der zwischen der Klägerseite und der Beklagten bestehenden Kranken-/Pflegeversicherung mit der Versicherungsnummer ... unwirksam sind:
a) Im Tarif Vital900 – N die Erhöhung zum 01.01.2011 in Höhe von 80,73 €,
b) im Tarif TN 21 die Erhöhung zum 01.01.2011 in Höhe von 8,80 €,
c) im Tarif Vital-Z-N die Erhöhung zum 01.01.2014 in Höhe von 19,29 €,
d) im Tarif Vital90 – N die Erhöhung zum 01.01.2015 in Höhe von 44,54 €,
e) im Tarif Vital900 – N die Erhöhung zum 01.01.2019 in Höhe von 69,55 €,
und die Klägerseite nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbetrages verpflichtet, sowie der Gesamtbeitrag unter Berücksichtigung der erfolgten Absenkungen auf insgesamt 379,42 € zu reduzieren ist.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite 9.199,44 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte
a) der Klägerseite zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie aus dem Prämienanteil gezogen hat, den die Klägerseite auf die unter 1) aufgeführten Beitragserhöhungen gezahlt hat,
b) die nach 3a) herauszugebenden Nutzungen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu verzinsen hat.
4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite einen Betrag in Höhe von 1.785,82 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit für die außergerichtliche anwaltliche Rechtsverfolgung zu zahlen.
12
Die Beklagte beantragte,
die Klage wird abgewiesen.
13
Die Beklagte behauptet, die Erhöhungen seien berechtigt erfolgt, insbesondere sei deren Erforderlichkeit hinreichend durch unabhängige Treuhänder bestätigt worden.
14
Sie ist der Ansicht, dies ergebe sich auch hinreichend aus den der jeweiligen der Erhöhung beigefügten Mitteilungsschreiben (B 5). Die Angabe weiterer Daten sei nicht erforderlich. Höhere Anforderungen stelle das Gesetz nicht und diese brächten die Gefahr divergierender Rechtsprechung mit sich. Eine unvollständige Begründung führe nicht zur Unwirksamkeit. Begründungsmängel seien durch Zugang der Klageerwiderung nachgeholt und daher geheilt.
15
Insoweit der Kläger Leistungen in Anspruch genommen und Beitragsrückerstattungen erhalten hat habe er diesbezüglich die Beiträge nicht geleistet und die Klageforderung sei überhöht. Sie beruft sich zudem auf Verjährung aller Ansprüche bis einschließlich des Jahres 2016 sowie auf Entreicherung. Soweit eine Entreicherung nicht angenommen würde, wäre jedenfalls das Äquivalenzverhältnis von Prämie und Gegenleistung gestört.
16
Das Gericht hat keinen Beweis erhoben. Nachdem beide Parteien bzw. Prozessbevollmächtigten mit schriftlichen Erklärungen vom 19.03.2021 (Bl. 104 d.A.) bzw. 15.03.2021 (Bl. 102/103 d.A.) ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt hatten, wurde mit Beschluss des Landgerichts Passau vom31.03.2021 die Entscheidung im schriftlichen Verfahren gem. § 128 II ZPO angeordnet (Bl. 105/108 d.A.).
17
Danach konnten Schriftsätze bis einschließlich 28.04.2021 bei Gericht eingereicht werden.
18
Wegen der Einzelheiten des Vortrages der beiden Parteien wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Prozessbevollmächtigten verwiesen.

Entscheidungsgründe

19
Die zulässige Klage ist nur zum Teil begründet.
I.
20
Das Landgericht Passau ist sachlich und örtlich zuständig gem. §§ 23 Nr. 1, 71 GVG, § 215 Abs. 1 VVG.
II.
21
Die Klage ist hinsichtlich der in Ziff. 1 formulierten Feststellungsanträge zulässig, aber nur zum Teil begründet.
1.
22
Ein feststellungsfähiges gegenwärtiges Rechtsverhältnis liegt vor.
23
Hinsichtlich der Feststellungsanträge der Ziffern. 1 b) – e) ist auch das klägerische Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO zu bejahen. Das Rechtsschutzziel übersteigt das im Weiteren geltend gemachte Leistungspetitum auf Rückzahlung überbezahlter Beiträge, da durch letzteres allein nicht festgestellt wäre, dass der Kläger auch zukünftig nicht zur Zahlung des streitgegenständliche Erhöhungsbeitrags verpflichtet ist (BGH, Urt. V. 16.12.2020, Az.: IV ZR 255/17, Rn. 17; IV ZR 294/19, Rz. 19).
24
Auch soweit durch nachfolgende Anpassungen des Beitrags im selben Tarif eine Heilung eines Begründungsmangels im Raum steht, wie vorliegend im Hinblick auf den Tarif Vital 900 – N, welcher zum 01.01.2011 (Antrag Ziff 1a) und zeitlich nachfolgend zum 01.01.2017 erhöht wurde, ist die Klage zulässig. Zwar hat der Kläger seine Einwendungen gegen die Erhöhung zum 01.01.2017 mittels teilweiser Klagerücknahme (Schriftsatz vom 15.03.2021, Bl. 97/99 d.A.) fallen gelassen und die Wirksamkeit der Erhöhung zuerkannt, der Feststellungsantrag ist aber jedenfalls als Zwischenfeststellungsklage gem. § 256 Abs. 2 ZPO zulässig. Die Vorgreiflichkeit – vorliegend für den in Ziff. 2 enthaltenen diesbezüglichen Leistungsantrag – macht ein Feststellungsinteresse entbehrlich.
25
Insoweit der BGH ausführt, ein Feststellungsinteresse könne zu verneinen sein, soweit sich der Kläger nicht auch gegen eine zeitlich spätere Beitragsanpassung wende, da sich bereits aus der Heilungswirkung einer wirksamen Anpassung ex nunc die Höhe der nunmehr zu zahlenden Beiträge ergebe (BGH aaO, IV ZR 294/19, Rz. 55), ist dies vorliegend nicht einschlägig. Die Ausführungen beziehen sich lediglich auf die Zulässigkeit eines Feststellungsantrags dahingehend, der Kläger sei nicht verpflichtet, nunmehr einen über einen konkreten Gesamtbeitrag hinausgehenden monatlichen Beitrag zu zahlen.
2.
26
Die Klage ist hinsichtlich Ziff. 1 lediglich zum Teil begründet. Festgestellt werden kann lediglich die Unwirksamkeit der Erhöhungen im Tarif Vital900 – N zum 01.01.2011 (Ziff 1a), im Tarif TN 21 zum 01.11.2011 (1 b), im Tarif Z-N zum 01.01.2014 (Ziff. 1c) sowie im Tarif Vital 900 – N zum 01.01.2015 (Ziff 1 d). Die weitere Erhöhung wurden wirksam erklärt und begründet, die Klage diesbezüglich mithin abzuweisen.
a)
27
Gem. § 203 Abs. 2 VVG ist der Versicherer nur bei einer nicht nur als vorübergehend anzusehenden Veränderung einer für die Prämienkalkulation maßgeblichen Rechnungsgrundlage berechtigt, die Prämie entsprechend der berichtigten Rechnungsgrundlagen auch für bestehende Versicherungsverhältnisse neu festzusetzen. Dies erfordert überdies die Überprüfung der technischen Berechnungsgrundlagen durch einen unabhängigen Treuhänder und dessen Zustimmung. Maßgebliche Berechnungsrundlagen im Sinne der Norm sind gem. S. 3 die Versicherungsleistungen und die Sterbewahrscheinlichkeit.
28
Die Wirksamkeit einer solchen Neufestsetzung oder Änderung nach Abs. 2 setzt gem § 203 Abs. 5 voraus, dass eine Mitteilung der hierfür maßgeblichen gründe an den Versicherungsnehmer erfolgt ist. Die Neufestsetzung oder Änderung wird sodann zu Beginn des zweiten Monats wirksam, der auf diese Mitteilung folgt.
29
Nach der Rechtsprechung des BGH (BGH aaO, IV ZR 294/19; IV ZR 314/19) bedarf die Wirksamkeit der Erhöhung oder Änderung, dass dem Versicherungsnehmer mitgeteilt wurde, welche Rechnungsgrundlage sich nicht nur vorübergehend verändert hat. Darüber hinaus muss nicht mitgeteilt werden, in welcher Höhe sich die Rechnungsgrundlage verändert hat oder ob auch weitere Faktoren, welche die Prämienhöhe beeinflussen, sich verändert haben.
30
Erforderlich ist jedoch, dass sich die Mitteilung stets auf die konkret in Rede stehende Prämienanpassung beziehen. Die nur allgemeine Mitteilung der gesetzlichen Voraussetzungen genügt nicht (BGH aaO, IV ZR 294/19, Rz. 26 ff.).
31
Zweck der Mitteilung ist nicht, eine Plausibilitätskontrolle durch den Versicherungsnehmer – auch nicht unter Hinzuziehung fachkundigen Rats – zu ermöglichen, sondern diesem zu verdeutlichen, dass nicht sein individuelles Verhalten oder eine freie Entscheidung des Versicherers die Veränderung ausgelöst haben, sondern diese durch die konkrete Veränderung bestimmter Umstände veranlasst wurde (BGH aaO, 314/19, Rz. 30 ff.).
b)
32
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe erfüllen die Mitteilungsschreiben der Beklagten im Tarif Vital900 – N zum 01.11.2011, im Tarif TN21 zum 01.11.2011, im Tarif Vital-Z-N zum 01.01.2014 sowie im Tarif Vital900 – N zum 01.01.2015 die gesetzlichen Anforderungen nicht.
33
Der Versicherungsnehmer kann diesen Mitteilungen nicht hinreichend deutlich entnehmen, dass die Veränderung der Rechnungsgrundlage „Versicherungsleistungen“ die konkrete Beitragserhöhung in diesem Tarif ausgelöst hat, da die Erläuterung zu allgemein gehalten sind.
aa)
34
Das Mitteilungsschreiben zur Erhöhung der Beiträge ab 01.01.2011 entspricht den dargestellten Maßstäben nicht.
35
Der Nachtrag zum Versicherungsschein nimmt Bezug auf die beiliegende Darstellung der Änderungsgründe. Maßgeblich sei in beiden streitgegenständlichen Tarifen, Vital900 – N sowie TN 21, Änderungsgrund 1, welcher in der separaten Beilage dargestellt sei (B 5, S. 3f.). Die Beilage „Informationen zu den Beitragsänderungen zum 01.01.2011“ enthält allgemeine Informationen zum medizinischen Fortschritt, welchen es nicht „zum Nulltarif“ gebe, der gestiegenen durchschnittlichen Lebenserwartung, welche in den letzten 50 Jahren um 10 Jahre gestiegen sei sowie zur Zusammensetzung der Beiträge zur Krankenversicherung (B 5, S. 7 ff.).
36
Aus dem Schreiben geht mithin nicht hervor, welche Rechnungsgrundlage sich dauerhaft verändert hat. Überdies fehlt jeglicher Bezug zur konkreten Erhöhung bzw. Neubemessung. Wie von Klägerseite zutreffend dargestellt, wäre eine solche Mitteilung universell für jedes Jahr ohne Anpassung verwendbar. Dies genügt den gesetzlichen Mitteilungsanforderungen nicht.
bb)
37
Auch das Mitteilungsschreiben zur Erhöhung ab 01.01.2014 im Tarif Vital-Z-N nimmt Bezug auf „Änderungsgrund 1“, welcher sich aus der separaten Beilage ergibt (B 5, S. 14f.)
38
Auch dieses Mitteilungsschreiben entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG.
39
Zwar wird nunmehr unter der Überschrift „Was sind die Gründe für die Beitragsanpassung?“ dargestellt, dass der Versicherer einmal jährliche alle Beiträge in jedem Tarif überprüfen müsse und dabei die kalkulierten Leistungsausgaben mit den künftig erforderlichen verglichen werden sowie die Beiträge zu erhöhen seien, wenn die Zahlen hierbei um den in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen festgelegten Prozentsatz nach oben oder unten voneinander abweichen, ein Ergebnis der konkret für dieses Jahr vorgenommenen Prüfung wird demgegenüber aber nicht mitgeteilt.
40
Zudem wird ebenso allgemein im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang dargestellt, dass auch die steigende Lebenserwartung, die Kapitalmarktsituation und die Entwicklung des Versichertenbestandes die Beitragshöhe beeinflussen (B 5, S. 20).
41
Der Versicherungsnehmer kann diesen Ausführungen nicht entnehmen, welches Ergebnis die konkrete jährliche Überprüfung ergeben hat und aufgrund welcher Veränderung eine Neufestsetzung durchzuführen war. Damit wäre auch dieses Mitteilungsschreiben grundsätzlich geeignet, in jedem Jahr ohne Anpassung auf die konkrete Erhöhung verwendet zu werden. Dies genügt den gesetzlichen Anforderungen, der Bezugnahme auf die konkrete Erhöhung, nicht (vgl. Insoweit auch BGH IV ZR 294/19, Rz. 39). Im Übrigen ist auch eine hinreichende Differenzierung zwischen Umständen, welche die Beitragserhöhung auslösen und solchen, die lediglich die Beitragshöhe beeinflussen hinsichtlich der steigenden Lebenserwartung/Sterbewahrscheinlichkeit nicht ersichtlich.
cc)
42
Das im Nachtrag zum Versicherungsschein hinsichtlich der streitgegenständlichen Beitragserhöhung zum 01.01.2015 in Bezug genommene Mitteilungsscheiben (B 5, S. 35 f.) genügt den gesetzlichen Anforderungen ebenso nicht.
43
Mitgeteilt wurde auch hier die Pflicht des Versicherers zur jährlichen Überprüfung, ob kalkulierte Leistungsausgaben von den zukünftig erforderlichen über das in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen festgelegten Maß abweichen und damit eine Beitragsanpassung durchzuführen ist.
44
Ohne Mitteilung eines Ergebnisses wird im unmittelbaren Nachgang dargestellt, dass neben den Leistungsausgaben weitere Faktoren, wie eine steigende Lebenserwartung, den Beitrag beeinflussen.
45
Im letzten Absatz der ersten Seite des Informationsschreibens wird sodann jedenfalls teilweise Bezug genommen auf das Ergebnis der konkreten Prüfung, soweit ausgeführt ist:
„War Ihr Tarif bereits im letzten Jahr von einer Beitragsanpassung betroffen? Dann wurden die Auswirkungen des in den letzten Jahren veränderten Kündigungsverhaltens bereits bei der Beitragsneuberechnung zum 01.01.2014 berücksichtigt – der Einfluss in diesem Jahr ist nur gering. Die Beitragsanpassung ist dann überwiegend in den veränderten Leistungsausgaben begründet.“
46
Dieser Absatz führt dem Versicherungsnehmer jedoch nicht vor Augen, dass sich die Leistungsausgaben im Ergebnis der konkreten Prüfung als in dem Umfang und dauerhaft verändert dargestellt haben, wie zuvor als erforderlich beschrieben. Vielmehr suggeriert die Formulierung, die Beitragsanpassung sei dann „überwiegend in den veränderten Leistungsausgaben begründet“, dass steigende Ausgaben die Beitragsanpassung lediglich mitbeeinflusst, nicht jedoch konkret ausgelöst haben.
47
Im Übrigen bezieht sich der Absatz lediglich auf Beitragsanpassungen in Tarifen, welche bereits im letzten Jahr angepasst wurden. Beim Kläger ist eine Anpassung des Tarifs Vital900 – N zum 01.01.2014 demgegenüber nicht ersichtlich, sodass ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer in dessen Lage erneut ohne konkrete Bezugnahme und Begründung einer Beitragserhöhung gegenübersteht.
48
Dies genügt den Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG nicht. Das Mitteilungsschreiben ist vielmehr derart formuliert, dass dem Versicherungsnehmer nunmehr nicht klar ist, ob – wie zu Beginn dargestellt – lediglich eine Veränderung der Leistungsausgaben über den Schwellenwert der AVB hinaus eine Beitragsanpassung auslöst, oder ob eine solche die Beiträge lediglich mit beeinflusst, wie hinsichtlich anderer Versicherungsnehmer im letzten Absatz formuliert.
49
Ein konkreter Bezug für den Versicherungsnehmer in der Lage des Klägers fehlt erneut gänzlich und wird auch im weiteren Verlauf des Schreibens nicht hergestellt. Das Schreiben war folglich nicht geeignet, die Anpassung wirksam werden zu lassen.
c)
50
Die Begründung der Beitragserhöhung im Tarif Vital900 – N zum 01.01.2019 erfüllt die gesetzlichen Anforderungen demgegenüber. Aus dem Mitteilungsschreiben geht eindeutig hervor, dass eine Änderung der Rechnungsgrundlage „Versicherungsleistungen“ die Neubemessung ausgelöst hat.
51
Erneut wurde im Nachtrag Bezug genommen auf den Änderungsgrund 1, welcher im Informationsschreiben dargestellt werde (B 5, S. 77 u. 85).
52
Der Versicherungsnehmer wird in diesem darüber informiert, dass die beiden in § 203 VVG enthaltenen Rechnungsgrundlagen Leistungsausgaben sowie Sterbewahrscheinlichkeit jährlich überprüft werden und eine dauerhafte Abweichung um mehr als einen in den AVB bestimmten Prozentsatz eine Neufestsetzung auslösen. Soweit dies geschehe, würden ggf. auch alle weiterer Rechnungsgrundlagen überprüft.
53
Im Anschluss wird der Versicherungsnehmer unter der seitlichen Überschrift
„2. Was sind die maßgeblichen Gründe für die Beitragsanpassung in der Kranken-, Krankenhaustagegeld- und Pflegeergänzungsversicherung?“,
im Fettdruck sowie mit dem ersten Satz des Absatzes eindeutig darüber informiert, dass die maßgeblichen Gründe für die Anpassung zum 01.01.2019 bei allen Tarifen der Kranken-, Krankenhaustagegeld.- und Pflegeergänzungsversicherung die veränderten Leistungsausgaben (Versicherungsleistungen) sind.
54
Entgegen der Einwendungen des Klägers sind die Ausführungen nicht nur pauschal gehalten, sondern nehmen hinreichend Bezug auf die konkrete Tarifanpassung, da sowohl Datum der Erhöhung als auch ein konkretes Prüfungsergebnis dargestellt werden, soweit ausgeführt wird „auf das nächste Jahr hochgerechnet ergab diese Veränderung der Kosten eine Abweichung um mehr als den oben genannten Prozentsatz“.
55
Die Darstellung wird nicht dadurch unverständlich, dass die Mitteilung des Prüfungsergebnisses nicht unmittelbar an die abstrakte Darstellung des Prüfungsvorgangs anknüpft. Der an dieser Stelle eingefügte Absatz verhindert nicht, dass der durchschnittliche Versicherungsnehmer den Zusammenhang nachvollziehen kann. Es wird vielmehr gerade Bezug genommen auf die Darstellungen unter Punkt 1.
56
Der Versicherungsnehmer muss die Darstellung auch nicht so verstehen, dass sein individuelles Verhalten, insbesondere das Einreichen von Rechnungen, die Erhöhung ausgelöst hat. Es wird in keiner Form Bezug genommen auf das konkrete Verhalten des Versicherungsnehmers, sodass eine derartige Auslegung abwegig erscheint. Auch der verwendete Begriff der „Leistungsausgaben“ stellt einen Zusammenhang zu den durch den einzelnen Versicherungsnehmer verursachten Kosten nicht her.
57
Soweit ein Ergebnis bezüglich der Überprüfung des Faktors Sterbewahrscheinlichkeit nicht ausdrücklich mitgeteilt wird, vermag dies die Wirksamkeit der Beitragsanpassung nicht zu hindern. Dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer erschließt sich in der Gesamtschau der ersten Seite des Informationsschreibens, dass die Sterbewahrscheinlichkeit nicht über den dargestellten Schwellenwerten verändert war. Unter Ziff. 1 wird dargestellt, dass auch eine Veränderung dieser die Neubemessung auslösen kann. Unter Ziff. 2 wird sodann unzweideutig geschildert, dass die Neubemessung ausgelöst wurde durch die veränderten Leistungsausgaben.
58
Die Erforderlichkeit einer ausdrücklichen Schilderung des Prüfungsergebnisses hinsichtlich der zweiten Rechnungsgrundlage kann entgegen der klägerischen Ausführungen auch der Rechtsprechung des BGH nicht entnommen werden. Soweit der BGH in Rz. 33 des Urteils, Az.: IV ZR 294/19 sowie Rz 28 des Urteils Az.: IV ZR 314/19, ausführt, Zweifel hinsichtlich der zweiten Rechnungsgrundlage seien auszuräumen, begründet dies lediglich eine solche Pflicht nicht. Der BGH argumentierte hierbei lediglich, dass vor der Änderung des VVG 2008 nur eine Rechnungsgrundlage vorhanden war, welche eine Neubemessung auslösen konnte. Veränderte sich diese, musste mithin nicht angegeben werden, welche Rechnungsgrundlage die Veränderung ausgelöst hat. Demgegenüber ist aufgrund der nunmehr veränderten gesetzlichen Regelung des § 203 VVG zu fordern, dass jedenfalls die konkrete Rechnungsgrundlage benannt wird, welche die Neubemessung ausgelöst hat.
59
Die streitgegenständliche Begründung führt dem Versicherungsnehmer eindeutig formuliert vor Augen, dass die Leistungsausgaben entscheidend verändert waren.
60
Dies genügt den Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG.
d)
61
Demgegenüber konnte nicht festgestellt werden, dass der Kläger nicht zur Zahlung der Erhöhungsbeiträge verpflichtet ist. Sämtliche zunächst unwirksamen Erhöhungen wurden wirksam geheilt.
62
Hinsichtlich des Tarifs Vital900 – N wurde der Beitrag mit Erhöhung zum 01.01.2017 wirksam neu festgesetzt. Der Kläger griff nach erklärter Klagerücknahme die Wirksamkeit dieser Erhöhung nicht weiter an. Eine wirksame Erhöhung gem. § 203 VVG ergänzt jedoch die vorherige Beitragsbemessung nicht lediglich, sondern setzt den Beitrag gänzlich neu fest (BGH aaO, IV ZR 294/19, Rz. 54 f.). Ab 01.01.2017 war der Kläger mithin im Tarif Vital900 – N zur Zahlung der Beiträge in der nunmehr festgesetzten Höhe verpflichtet.
63
Auch hinsichtlich der weiteren streitgegenständlichen Beitragserhöhungen wurden diese, soweit die Begründung nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprach und das Wirksamwerden hinderte, ab Zugang der Klageerwiderung ex nunc geheilt. In dieser wurde hinreichend mitgeteilt, dass für die Neubemessung die gestiegenen Leistungsausgaben maßgeblich waren. Der Zugang der Mitteilung mit Zustellung der Klageerwiderung am 11.12.2020 setzte sodann die Frist des § 203 Abs. 5 VVG in Lauf (BGH aaO, IV ZR 294/19, Rz. 55; IV ZR 314/19, Rz 39). Die Erhöhungen wurden mithin zu Beginn des zweiten auf den Zugang folgenden Monats wirksam, folglich zum 01.02.2021.
64
Seither ist der Kläger zu Leistung der Beiträge in voller Höhe verpflichtet.
II.
65
Der Kläger hat Anspruch auf Rückzahlung der Beitragsanteile, welche er auf die zunächst unwirksamen Beitragsneufestsetzungen gezahlt hat. Mangels wirksamer Erhöhung wurden diese ohne Rechtsgrund im Sinne des § 812 Abs. 1 Alt. 1 BGB geleistet.
1.
66
Der Rückzahlungsanspruch besteht grundsätzlich der Höhe nach uneingeschränkt.
a)
67
Soweit die Beklagte geltend macht, der Kläger sei nicht im vollen eingeklagten Umfang entreichert, da er auch Beitragsrückerstattungen erhalten habe, vermag dies nicht, den Anspruch zu mindern. Die Beklagte hat bereits nicht konkret vorgetragen, in welcher Höhe und in welchem Zeitraum Rückerstattungen erfolgt sind.
68
Zudem ist auf Basis des Vortrags auch nicht erkennbar, inwiefern die Beitragsrückerstattungen ggf. nicht oder in anderem Umfang erfolgt wären, soweit die Beiträge nicht erhöht worden wären. Unklar bleibt daher, inwiefern und in welchem Umfang der Kläger durch die Rückerstattungen tatsächlich weniger belastet war als mittels der Klage geltend gemacht.
b)
69
Entgegen der höchstrichterlichen Rechtsprechung bezüglich der Rückabwicklung von Lebensversicherungsverträgen ist bei der Rückerstattung überbezahlter Beitragsanteile der Wert des Versicherungsschutzes nicht anspruchsmindernd zu berücksichtigen (BGH aaO, IV ZR 314/19, Rz. 43; IV ZR 294/19, Rz. 46). Der Versicherungsschutz wurde nicht ohne Rechtsgrund erlangt, da weiterhin ein wirksamer Versicherungsvertrag bestand.
c)
70
Die Beklagte kann auch keine Störung des Äquivalenzinteresses im streitgegenständlichen Versicherungsverhältnis geltend machen.
71
Gerade die gesetzliche Normierung der Beitragsneubemessung gem. § 203 VVG bezweckt, die Einhaltung des Äquivalenzverhältnisses und die dauerhafte Erfüllbarkeit der Versicherungsleistung zu sichern. Soweit die Erhöhung also nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprach, das Verfahren der Abs. 2, 5 nicht eingehalten wurde, kann ein erhöhter Wert des Versicherungsschutzes nicht angerechnet werden, ohne die gesetzliche Wertung in das Gegenteil zu verkehren (BGH aaO, IV ZR 314/19, Rz. 44; IV ZR 294/19, Rz. 47) .
d)
72
Zuletzt kann sich die Beklagte auch nicht auf den Wegfall der Bereicherung im Sinne des § 813 Abs. 3 BGB berufen, auch soweit sie die anteiligen Beiträge für die Rückstellungsbildung verwendet hat.
73
Hinsichtlich dieser fehlt es bereits an einem dauerhaften Vermögensverlust.
74
Eine Berechtigung oder Pflicht, die Beiträge derart zu verwenden besteht auch gesetzlich nicht, nachdem sämtliche gesetzlichen Vorgaben (wie § 146 VAG, § 7f. KVAV) lediglich die Verwendung vertraglich geschuldeter, mithin wirksam festgesetzter Zahlungen zum Gegenstand haben.
75
Eine ggf. im Alter erfolgende Verrechnung muss daher auch im Rahmen der nunmehr vorzunehmenden Rückabwicklung unberücksichtigt bleiben (BGH aaO, IV ZR 294/19, Rz. 49; IV ZR 314/19, Rz. 46ff.).
2.
76
Die streitgegenständliche Rückforderung ist jedoch zum Großteil verjährt.
77
Unstreitig unterliegt der Rückforderungsanspruch gem. § 812 Abs. 1 Alt. 1 BGB der dreijährigen Regelverjährung des § 195 BGB.
78
Die Verjährungsfrist beginnt gem. § 199 Abs. 1 BGB mit Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen sowie der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobfahrlässige Unkenntnis hätte erlangen müssen.
79
Entgegen der Ansicht des Klägers hatte dieser bei Vornahme der jeweiligen Zahlung, mithin bei Anspruchsentstehung, hinreichende Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB, sodass sämtliche Rückforderungen hinsichtlich der Zahlungen, die vor dem 01.01.2017 geleistet wurden, verjährt sind. Insoweit berief sich die Beklagte bereits im Rahmen der Klageerwiderung durchgreifend auf die Einrede der Verjährung.
80
Der Kläger hatte mit Zugang der jeweiligen Mitteilungsschreiben Kenntnis von allen Umständen, welche den Rückforderungsanspruch begründeten (so auch OLG Köln, Urt. v. 07.04.2017, 20 U 128/16; Urt. v. 28.01.2020, Az. 9 U 138/19, VuR 2020, 230). Der Inhalt der jeweiligen Mitteilungsschreiben begründet das Fehlen des Rechtsgrunds. Nicht erforderlich ist hierbei, dass der Kläger als Gläubiger den Vorgang auch rechtlich zutreffend bewertet hat (BGH, Urt. v. 29.1.2008, XI ZR 160/07; BeckRS 2008, 5761, Rn. 26).
81
Der klägerischen Ansicht, die Rechtsprechung des BGH zum Nichtanlauf der Verjährungsfrist, soweit eine Klageerhebung nicht zumutbar sei, sei auf den vorliegenden Sachverhalt übertragbar, kann nicht gefolgt werden.
82
Auch das insoweit zitierte OLG Koblenz gab die noch im Beschluss vom 18.06.2019, Az.: 10 U 674/18 (BeckRS 2019, 14204) vertreten Rechtsansicht auf (jedenfalls abweichend im Hinweisbeschluss vom 30.03.2020, 10 U 674/18, Anlage B 15).
83
Die Kammer vermag ebenso nicht, vergleichbare Sachverhalte zu erkennen. Die höchstrichterliche Rechtsprechung sprach sich gegen den Anlauf einer Verjährungsfrist aus, soweit eine gänzlich abstrakt Rechtsfrage – der AGBrechtlichen Wirksamkeit von Bearbeitungsentgelten – gänzlich ungeklärt war.
84
Vorliegend bedarf es aber in jedem streitigen Versicherungsverhältnis einer Prüfung der konkreten Mitteilungsschreiben, mithin auch des konkreten Einzelfalls. Die nunmehr ergangenen Urteile des BGH vermögen zwar insoweit, eine Klärung der grundsätzlichen rechtlichen Anforderungen zu bewirken, nicht jedoch, den Rechtsstreit auch für den konkreten Einzelfall umfassend zu klären (vgl. Fuxman/Leygraf: Offene Verjährungsfragen im Rahmen von Beitragsanpassungsklagen in der privaten Krankenversicherung – Ein Anwendungsfall der Stammrechtstheo…, r+s 2021, 61).
85
Im Übrigen machte der Kläger vorliegend seine Ansprüche noch vor der höchstrichterlichen Entscheidung durch den BGH im Dezember 2020 mit Klage vom 18.09.2020 geltend. Schon dies belegt, dass er die Geltendmachung nicht von einer höchstrichterlichen Entscheidung abhängig machen wollte (so auch OLG Köln, Urt. v. 28.01.2020 – 9 U 138/19, Rz. 129 ff.; BGH Urt. v. 21.02.2018, IV ZR 385/16, Rz. 17).
86
Rückforderungsansprüche hinsichtlich sämtlicher bis einschließlich 31.12.2016 geleisteter Zahlungen waren somit bei Klageerhebung am 18.09.2020 verjährt.
87
Der Kläger hat Anspruch auf Rückzahlung der ab dem 01.01.2017 ohne Rechtsgrund geleisteten Zahlungen, soweit sie im Rahmen der Klage geltend gemacht wurden, mithin bis einschließlich Juni 2020 (Bl. 4 d.A.).
88
Ansprüche aus den Erhöhungen im Tarif Vital 900 – N zum 01.01.2011 sowie 01.01.2015 sind folglich gänzlich verjährt, nachdem der Tarif zum 01.01.2017 wirksam erhöht wurde.
89
Die bestehenden Zahlungsansprüche ergeben sich wie folgt:

Tarif

Erhöhung zum

Zeitraum

Monate

Erhöhungs betrag

insgesamt

von

bis

Vital TN 21

01.01.2011

01.01.2017

Juni 2020

8,80 €

369,60 €

Vital-Z-N

01.01.2014

01.01.2017

Juni 2020

19,29 €

810,18 €

90
Der Kläger hat Anspruch auf Rückzahlung von 1.1.79,78 €.
3.
91
Der Kläger hat Anspruch auf die Verzinsung der Forderung gem. §§ 291, 288 Abs. 1 BGB ab Rechtshängigkeit, mithin ab 13.11.2020. Die Klageschrift wurde den Beklagten am 12.11.2020 zugestellt.
III.
92
Der Kläger hat im Übrigen hinsichtlich eines Teils der Forderungen einen feststellungsfähigen Anspruch bezüglich der Pflicht der Beklagten, die durch sie gezogenen Nutzungen herauszugeben.
1.
93
Ein Feststellungsantrag hinsichtlich der Herausgabe durch die Beklagte gezogener Nutzungen aus den Prämienanteilen ist nicht durch eine vorrangige Leistungsklage gehindert. Anfall und Höhe tatsächlich gezogener Nutzungen oblägen bei der Leistungsklage der Darlegungs- und Beweislast des Klägers als Versicherungsnehmer. Dieser Tatsachenvortrag ist dem Versicherungsnehmer aber mangels Kenntnis über die wahre Ertragslage der Beklagten und Kenntnis der Geschäftsberichte nicht möglich (BGH, Az.: IV ZR 255/17, Rz. 20)
2.
94
Der klägerische Anspruch besteht grundsätzlich, war im Umfang aber zu begrenzen.
a)
95
Der Anspruch auf Herausgabe gezogener Nutzungen besteht zum einen lediglich hinsichtlich der auf die unwirksamen Beitragserhöhungen gezahlten anteiligen Prämien sowie lediglich im unverjährten Zeitraum. Zudem besteht der Anspruch in zeitlicher Hinsicht lediglich für die Zeit vor Eintritt der Verzinsungspflicht für die Hauptforderung (BGH aaO, IV ZR 294/19, Rz. 58).
96
Im Hinblick auf eine Verzinsung der Forderung erfolgte kein weiterer Vortrag. Daher ist von einer Verzinsung gem. § 291 BGB ab Rechtshängigkeit auszugehen. Die Klage wurde der Beklagten am 12.11.2020 zugestellt, sodass Nutzungen bis einschließlich 12.11.2020 geschuldet sind.
97
Der Kläger hat Anspruch auf Herausgabe der Nutzungen, welche die Beklagte bis zum 12.11.2020 aus den auf die in Ziff. 1 genannten Beitragserhöhungen in den Tarifen TN-21 und Vital-Z-N in den Jahren 2017, 2018, 2019 und 2020 gezahlten Prämienanteilen gezogen hat.
b)
98
Ein Anspruch auf Verzinsung der gezogenen Nutzungen besteht demgegenüber nicht. § 291 BGB greift bereits bei einer Klage, welche auf Feststellung einer Verbindlichkeit gerichtet ist, mithin wie der streitgegenständlichen, nicht ein (BGH aaO, IV ZR 294/19, Rz 59).
99
Das Begehr kann vorliegend auch nicht in einen Anspruch auf Verzinsung der Nutzungen aus Verzugsgesichtspunkten umgedeutet werden, da nicht vorgetragen wurde, inwiefern sich die Mahnung des Klägers auch auf die Nutzungen bezogen und ab welchem Zeitpunkt ein dahingehender Verzug vorgelegen haben kann. Der Kläger führte lediglich aus, eine „angemessene Frist“ mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten gesetzt zu haben.
IV.
100
Entsprechend hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Ersatz seiner vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus Verzugsgesichtspunkten.
101
Der Kläger machte geltend, die Beklagte bereits mit anwaltlichen Schreiben zur Leistung aufgefordert zu haben. Der Verzug wurde, soweit ein solcher aufgrund des Schreibens anzunehmen wäre, erst nach Mandatierung des Prozessbevollmächtigten begründet.
102
Weitere vorgerichtliche Tätigkeit ist nicht ersichtlich.
V.
103
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO sowie § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO, nachdem eine anderweitige Kostentragungspflicht hinsichtlich des zurückgenommenen Antrags (ursprünglich Ziff. 1 e) nicht ersichtlich ist.
104
Der Kläger obsiegt hinsichtlich seiner Feststellungsanträge Ziff. 1 a, b, c sowie d. Die insoweit begründete Klage bleibt aber deutlich hinter dem dahinterstehenden wirtschaftlichen Interesse des Klägers, auch zukünftig die Beiträge nur in reduzierter Höhe tragen zu müssen, zurück, sodass das entsprechende Obsiegen lediglich mit 1/3 des jeweils entsprechend § 9 ZPO anzusetzenden Wertes berücksichtigt wird.
105
Der Kläger unterliegt hinsichtlich seines Feststellungsbegehrs Ziff. 1 e sowie Ziff. 1 f.
106
Hinsichtlich des klägerischen Rückzahlungsantrags obsiegt der Kläger lediglich in Höhe von 1.179,78 € zu den begehrten von 9.199,44 €.
107
Der Kläger hat folglich die Kosten in Höhe von 91%, die Beklagte im Umfang von 9% zu tragen. Die Anwendung des § 92 Abs. 1 Nr. 1 ZPO war nicht angezeigt, nachdem der Anteil des klägerischen Obsiegens nicht lediglich von untergeordneter Bedeutung war.
VI.
108
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils ergibt sich für den Kläger aus §§ 708 Nr. 11, 711 S. 1, S. 2 ZPO sowie für die Beklagte aus § 709 S. 1, 2 ZPO.
VII.
109
Der Streitwert folgt aus §§ 3, 9 ZPO.
110
Bis zur Teilklagerücknahme mit Schriftsatz vom 15.03.2021 ist dieser festzusetzen auf 35.176,80 € und ergibt sich in Addition des Zahlungsbegehrs in Höhe von 20.858,58 € und der Bewertung des Feststellungsbegehrs nach § 9 ZPO mit 14.318,22 €.
111
Nach der Klagerücknahme reduzierte sich das Zahlungsbegehr auf 9.199,44 € sowie die Bewertung des Feststellungspetitums auf 9.362,22 €, sodass der Gesamtstreitwert auf 18.561,66 € seit dem 16.03.2021 festzusetzen war.