Inhalt

AG Kempten, Endurteil v. 09.02.2021 – 3 C 885/20
Titel:

Schadensersatz, Verkehrsunfall, Reparaturkosten, Abtretung, Unfall, Nutzungsausfall, Streitwert, Vollstreckung, Reparaturwerkstatt, Rechtsverfolgungskosten, Zinsen, Kostenentscheidung, Sicherheitsleistung, Unfallfahrzeug, Kosten des Rechtsstreits, Rechtsprechung des BGH

Schlagworte:
Schadensersatz, Verkehrsunfall, Reparaturkosten, Abtretung, Unfall, Nutzungsausfall, Streitwert, Vollstreckung, Reparaturwerkstatt, Rechtsverfolgungskosten, Zinsen, Kostenentscheidung, Sicherheitsleistung, Unfallfahrzeug, Kosten des Rechtsstreits, Rechtsprechung des BGH
Fundstelle:
BeckRS 2021, 62727

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.060,32 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Teilbetrag von 1.039,26 € seit 18.07.2020 und aus einem Teilbetrag von 21,06 € seit 20.11.20 sowie weitere 69,37 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 18.07.2020 Zug-um-Zug gegen Abtretung (etwaiger) streitgegenständlicher Ansprüche des Klägers gegen die Reparaturwerkstatt ... aus bzw. im Zusammenhang mit der mit Rechnung vom 07.07.2020, Rechnungsnummer ... abgerechneten Reparaturmaßnamen zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet. 
Beschluss 
Der Streitwert wird auf 1.176,03 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt restlichen Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall.
2
Der Verkehrsunfall ereignete sich am 27.05.20 auf der AT in Höhe K.. Beschädigt wurde das Fahrzeug des Klägers mit amtlichen Kennzeichen .... Die Beklagte ist Haftpflichtversicherer des unfallverursachenden Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen .... Die Haftung der Beklagten ist zwischen den Parteien unstreitig. Die Beklagte hat auf die geltend gemachten Reparaturkosten in Höhe von 10.336,88 € bisher insgesamt 9.826,56 € bezahlt. Auf den geltend gemachten Nutzungsausfall/Mietwagenkosten hat die Beklagte 240 € bezahlt. Von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, welche mit 1.003,40 € geltend gemacht worde sind, wurden, sind 69,37 € noch nicht bezahlt.
3
Der Kläger behauptet, dass die erforderlichen Reparaturkosten sich auf 10.336,88 € belaufen und der Nutzungsausfall für 10 Tage a 79 € mithin 790 € beträgt.
4
Der Kläger meint, dass er statt Mietwagenkosten auch Nutzungsausfall verlangen kann, selbst wenn er sich ein Ersatzfahrzeug für den Zeitraum beschafft hat.
5
Mit Schriftsatz vom 04.11.2020 hat der Kläger ein Teilbetrag in Höhe von 115,71 € für erledigt erklärt. Die Beklagte hat der Erledigterklärung nicht widersprochen.
6
Der Kläger beantragt zuletzt,
1. Die Beklagte wird verurteilt, den den Kläger einen Betrag in Höhe von 1.060,32 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem Teilbetrag von 1.039,26 € seit 18.07.2020 und aus dem Teilbetrag von 21,06 € seit Rechtshängigkeit sowie
2. Restliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 69,37 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 18.07.20 zu bezahlen.
7
Die Beklagte beantragt,
Klageabweisung
8
Die Beklagte behauptet, dass die tatsächlich erforderlichen Reparaturkosten geringer sind und de Kläger eine weitere Zahlung nicht zusteht.
9
Die Beklagten meint, dass der Kläger keinen Anspruch auf Nutzungsentschädigung hat, da er einen Ersatzwagen zur Verfügung hatte und daher kein Wahlrecht zwischen Mietwagenkosten und Nutzungsausfall hat.
10
Die Parteien haben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt. Mit Beschluss vom 28.12.2020 hat das Gericht als Zeitpunkt, welcher dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht und bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, den 20.01.2021 bestimmt. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die gewechselten Schriftsätze, nebst Anlagen sowie den übrigen Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe

11
Die Klage ist zulässig und begründet.
12
1. Wie das Gericht bereits in seinem Hinweis vom 15.12.20 klargestellt hat, hat die Beklagten die Werkstattkosten bei erfolgter Reparatur zu übernehmen. Dabei handelt es sich bei der Problematik des Werkstattrisikos um gefestigte Rechtsprechung des Amts- und Landgerichts Kempten.
13
Unstrittig haftet die Beklagte vollumfänglich für die aus dem Unfall vom 27.05.2020 entstandenen Schäden.
14
Nachdem das Fahrzeug aufgrund des Verkehrsunfalls instand zu setzen war, sind auch die dadurch angefallenen COVID-Schutzmaßnahmen und Schutzmaterial zur Durchführung der Reparatur adäquat kausal durch den Unfall verursacht. Diese stellen nicht lediglich allgemeine Arbeitsschutzmaßnahmen dar, sondern sind gerade Teil des konkreten jeweiligen Reparaturauftrages und damit im Rahmen der Schadensbeseitigung vereinbart.
15
Darüber hinaus hat sich im vorliegenden Parteienverhältnis die Schadensbetrachtung nicht nur an objektiven Kriterien zu orientieren, sondern ist nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 1992, 302) subjektbezogen.
16
Gibt der Geschädigte das Unfallfahrzeug zur Reparatur in die Hände von Fachleuten, so würde es dem Sinn und Zweck des § 249 BGB widersprechen, wenn er bei der Wiederherstellung des vorherigen Zustands im Verhältnis zum ersatzpflichtigen Schädiger mit Mehraufwendungen der Schadensbeseitigung belastet bleibt, deren Entstehung seinem Einfluss entzogen sind und die ihren Grund darin haben, dass die Schadensbeseitigung in einer fremden, vom Geschädigten nicht mehr kontrollierbaren Einflusssphäre stattfindet. Die Werkstatt ist insoweit kein Erfüllungsgehilfe des Geschädigten. Das sog. Werkstattrisiko geht insofern zu Lasten des Schädigers, vgl. BGH NJW 1992, 302. Dies gilt auch dann, wenn die Werkstatt dem Geschädigten unnötige Arbeiten in Rechnung stellt, überhöhte Preise oder Arbeitszeiten in Ansatz bringt oder Arbeiten berechnet, die nicht oder nicht in dieser Weise ausgeführt worden sind, vgl. OLG Hamm, NZV 1995, 442.
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Gibt der Kläger also wie hier das Unfallfahrzeug in Reparatur, so kann er auch die vollen ihm von der Reparaturwerkstatt berechneten Reparaturkosten ersetzt verlangen, ohne dass den Einwendungen der Beklagten gegen die Höhe der Reparaturrechnung durch Beweisaufnahme nachgegangen werden müsste. Insoweit fehlt es bereits aus Rechtsgründen an der Erheblichkeit des Beklagtenvorbringens.
18
Im Gegenzug kann der Schädiger nach den Grundsätzen der Vorteilsanrechnung in entsprechender Anwendung des § 255 BGB die Abtretung der streitgegenständlichen Ansprüche des Klägers gegen die Reparaturwerkstatt Zug um Zug verlangen (vlg. Urteil des Landgerichts Kempten vom 31.07.2019, Az.: 52 S 581/19). Dies gilt auch für die Beklagte, welche als Haftpflichtversicherer des Schädigers gemäß § 115 I 1 Nr. 1 VVG in Anspruch genommen wird.
19
2. Dem Kläger steht auch das Recht zu Nutzungsentschädigung zu verlangen.
20
Der Kläger kann vorliegend, entgegen der Ansicht der Beklagten Nutzungsausfall geltend machen (vgl. BGH, Urt. v. 5. 2. 2013 – VI ZR 290/11 (LG Görlitz)). Dies gilt vorliegend umso mehr, als dass die Beklagte behauptet, dass die Mietwagenkosten nicht erstattungsfähig seien. Der Nutzungsausfall von 10 Tagen und jeweils 79 € wurde seitens der Beklagten nicht bestritten und gilt daher als zugestanden. Auch insoweit war die Beklagte mithin zu verurteilen.
21
3. Der Zinsanspruch steht dem Kläger unter dem Gesichtspunkt des Verzuges gemäß §§ 280, 286, 288 BGB zu. Die Beklagte befand sich jedenfalls ab 18.07.20 in Verzug.
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4. Der Anspruch des Klägers auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten folgt ebenso wie der Schadensersatzanspruch am Pkw aus §§ 7 Abs. 1 i.V.m. § 115 VVG. Die Beklagte war daher zu verurteilen, den noch offen Betrag in Höhe von 69,37 € nebst Zinsen zu zahlen.
23
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91, 91a, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Zug-um-Zug-Verurteilung stellt nur ein geringfügiges Unterliegen dar.