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LG Kempten, Endurteil v. 04.03.2021 – 31 O 922/20 Ver
Titel:

Coronavirus, SARS-CoV-2, Versicherungsnehmer, Untersagung, Versicherungsschutz, Versicherungsvertrag, Versicherungsschein, Versicherungsbedingungen, Versicherung, Verletzung, Krankheit, Versicherer, Vergleich, Versicherungsbeginn, Zahlung, Anlage, Kosten des Rechtsstreits, Allgemeine Versicherungsbedingungen, Zeitpunkt des Vertragsschlusses

Schlagworte:
Coronavirus, SARS-CoV-2, Versicherungsnehmer, Untersagung, Versicherungsschutz, Versicherungsvertrag, Versicherungsschein, Versicherungsbedingungen, Versicherung, Verletzung, Krankheit, Versicherer, Vergleich, Versicherungsbeginn, Zahlung, Anlage, Kosten des Rechtsstreits, Allgemeine Versicherungsbedingungen, Zeitpunkt des Vertragsschlusses
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Verfügung vom 16.12.2022 – 14 U 1708/21
OLG München, Beschluss vom 02.02.2023 – 14 U 1708/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 62495

Tenor

1.    Die Klage wird abgewiesen.
2.    Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche aus einer Betriebsschließungsversicherung in Höhe von 13.080,00 € geltend.
2
Die Parteien sind über eine Betriebsschließungsversicherung mit der Nr.: ... miteinander verbunden. Der Kläger ist Versicherungsnehmer, die Beklagte der Versicherer. Versicherter Gegenstand ist das vom Kläger am Versicherungsort betriebene Hotel . Der Versicherungsschutz besteht im Hinblick auf Schließungsschäden und Schäden an Vorräten und Waren infolge Infektionsgefahr beim Menschen. Versicherungsbeginn ist nach dem vorgelegten Versicherungsschein der 01.02.2012. Im Falle des Vorliegens des versicherten Ereignisses ist eine Tagesentschädigung in Höhe von 436,00 € bis zur Dauer von 30 Schließungstagen vorgesehen. Der Jahresbeitrag für die Versicherung beträgt einschließlich Versicherungssteuer 65,96 €.
3
Die Einzelheiten des Vertrags werden durch die „Allgemeine Bedingungen für die Versicherung von Betrieben gegen Schäden infolge Infektionsgefahr beim Menschen (Betriebsschließungsversicherung) – BS 2008“ (im Folgenden: BS 2008) geregelt.
4
Unter § 23 der BS 2008 ist Folgendes bestimmt:
„§ 23 Gegenstand der Versicherung
Ist der versicherte Betrieb von behördlichen Anordnungen (siehe § 25) aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) betroffen, ersetzt der Versicherer den dadurch entstehenden Schaden.
Die Versicherung umfasst, soweit dies vereinbart ist, Schäden und Kosten infolge behördlicher Anordnungen zu Schließung, Desinfektion und Tätigkeitsverboten (siehe § 25 Nr. 1), Schäden und Kosten infolge behördlicher Anordnungen zu Vorräten und Waren (siehe § 25 Nr. 2) sowie behördlich angeordnete Ermittlungs- und Beobachtungsmaßnahmen (siehe § 25 Nr. 3).
§ 25 der BS 2008 sieht Folgendes vor:
„§ 25 Versicherte Gefahren und Schäden
1. Behördliche Anordnungen zu Schließung, Desinfektion und Tätigkeitsverboten
Der Versicherer leistet bis zu den in § 30 genannten Entschädigungsgrenzen Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Infektionsschutzgesetzes beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Nr. 4)
a) den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen nach Nr. 4 schließt; Tätigkeitsverbote gegen sämtliche Betriebsangehörige eines Betriebes oder einer Betriebsstätte werden einer Betriebsschließung gleichgestellt (Schließung);
(…)
4. Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger
Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger:
a) Krankheiten“
Es folgt eine Aufzählung von insgesamt 18 Krankheiten, jeweils eingerückt mit eigenem Spiegelstrich (als Anlage B 1 vorgelegte Bedingungen) bzw. eigenem Aufzählungspunkt (als Anlage K 4 vorgelegte Bedingungen) und jeweils untereinander in einer eigenen Zeile, beginnend mit „Botulismus“ und endend mit „die Verletzung eines Menschen durch ein tollwutkrankes, -verdächtiges oder -ansteckungsverdächtiges Tier sowie die Berührung eines solchen Tieres oder Tierkörpers“.
„b) Krankheitserreger“
Es folgt eine Aufzählung von insgesamt 49 Krankheitserregern, jeweils eingerückt mit eigenem Spiegelstrich (als Anlage B 1 vorgelegte Bedingungen) bzw. eigenem Aufzählungspunkt (als Anlage K 4 vorgelegte Bedingungen) und jeweils untereinander in einer eigenen Zeile, beginnend mit „Adenoviren“ und endend mit „Toxoplasma gondii (Meldepflicht nur bei konnatalen Infektionen)“.
5
Weder unter § 25 Nr. 4 lit. a BS 2008 noch unter § 25 Nr. 4 lit. b BS 2008 wird der COVID-19Erreger oder das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 namentlich erwähnt.
6
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vertragsinhalts wird auf den als Anlage K 1 vorgelegten Versicherungsschein sowie die als Anlagen K 4 und B 1 vorgelegten Allgemeinen Bedingungen BS 2008 Bezug genommen.
7
Mit Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 17.03.2020 wurde, nachdem bereits mit Allgemeinverfügung vom 16.03.2020 Gastronomiebetriebe jeder Art mit Wirkung ab 18.03.2020 mit den dortigen Ausnahmen untersagt worden waren, der Betrieb von Hotels und Beherbergungsbetrieben und die Zurverfügungstellung jeglicher Unterkünfte zu privaten touristischen Zwecken untersagt. Hiervon ausgenommen waren Hotels, Beherbergungsbetriebe und Unterkünfte jeglicher Art, die ausschließlich Geschäftsreisende und Gäste für nicht private touristische Zwecke aufnehmen. Diese Allgemeinverfügung trat am 18.03.2020 in Kraft.
8
Begründet wurde diese Allgemeinverfügung damit, dass sich das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 in kurzer Zeit weltweit verbreitet hat, sodass die WHO am 11. März 2020 das Ausbruchsgeschehen als Pandemie bewertet hat. Die Untersagung des Betriebs von Hotels und Beherbergungsbetrieben ist erforderlich und verhältnismäßig, weil nur durch Verringerung des Tourismus die massive und ungebremste Ausbreitung des Coronavirus verhindert werden kann.
9
Die Betriebsuntersagung wurde im Folgenden durch insgesamt 4 Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnungen sowie mit einer Änderung mehrfach verlängert. Hotels durften wieder ab 28.05.2020 geöffnet werden.
10
Der Kläger, der seinen Betrieb aufgrund der Untersagung schloss, meldete bei der Beklagten Leistungsansprüche an. Mit Schreiben vom 28.04.2020 (Anlage K 2) teilte diese mit, dass die Voraussetzungen für einen versicherten Schadenfall ihres Erachtens nicht vorliegen und bot als Vergleich einen Betrag von 3.430,00 € an. Mit Schriftsatz der Klägervertreterin vom 07.05.2020 lehnte der Kläger diesen Vergleich ab und forderte die Beklagte zur Zahlung des Betrages von 13.080,00 € bis spätestens 15.05.2020 auf. Eine Zahlung von Seiten der Beklagten erfolgte nicht.
11
Der Kläger ist der Auffassung, dass die Beklagte zur Leistung eines Betrages in Höhe von 13.080,00 € verpflichtet sei, da der Versicherungsfall eingetreten sei. § 25 BS 2008 nehme ausdrücklich Bezug auf das IfSG. Durch Verordnung sei das IfSG auf das Coronavirus ausgedehnt worden. Genau für solche Situationen sei der Vertrag abgeschlossen worden. § 25 Nr. 4 lit. b BS 2008 erwähne auch einige Krankheitserreger, die eine flächendeckende Ansteckungsgefahr begründeten, u. a. das Ebola-Virus.
12
Der Kläger beantragt,
Die beklagte Partei wird dazu verurteilt, an den Kläger € 13.080,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5% Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.05.2020 zu zahlen.
13
Die Beklagte beantragt
Klageabweisung.
14
Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Klage unbegründet sei, da der geltend gemachte Schaden von dem streitgegenständlichen Versicherungsvertrag nicht gedeckt sei. Vorliegend sei der SARS-Coronavirus bzw. der SARS-Krankheitserreger nicht in den Versicherungsbedingungen genannt und nicht Bestandteil des abschließenden Katalogs der in den BS 2008 im Einzelnen ausdrücklich tabellarisch aufgeführten versicherten Krankheiten und Krankheitserreger. Die Reichweite der Deckung könne der Versicherungsnehmer den BS 2008 unschwer entnehmen. Erst mit Wirkung zum 23.05.2020 sei in § 7 IfSG SARS-CoV-2 aufgenommen worden. Im hier relevanten Zeitpunkt des Vertragsschlusses wäre ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer überhaupt nicht auf die Idee gekommen, dass sogar im IfSG gar nicht genannte und noch gänzlich unbekannte Krankheiten und Krankheitserreger versichert sein sollten.
15
Die Beklagte ist weiter der Auffassung, dass keine wirksame behördliche Anordnung vorliege. Es liege auch keine versicherte betriebsinterne Gefahr vor. Zudem sei der Betrieb des Klägers nicht vollständig geschlossen worden. Es liege nur eine Betriebseinschränkung vor. Die Beklagte bestreitet weiter die Schadenshöhe und weist auf die gesetzliche Schadensminderungsobliegenheit nach § 82 VVG hin.
16
Das Gericht hat am 04.03.2021 mündlich zur Sache verhandelt. Beweis wurde nicht erhoben.

Entscheidungsgründe

17
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Landgericht Kempten (Allgäu) sowohl sachlich gemäß §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG als auch örtlich nach § 215 Abs. 1 VVG zuständig.
18
Die Klage ist jedoch nicht begründet.
19
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen vertraglichen Zahlungsanspruch in Höhe von 13.080,00 € gemäß § 1 S. 1 VVG i.V. m. §§ 23, 25 Nr. 1 lit. a, Nr. 4 BS 2008.
20
Die vertraglichen anspruchsbegründenden Voraussetzungen des § 25 Nr. 1 lit. a, Nr. 4 BS 2008 sind vorliegend nicht erfüllt.
21
Nach § 25 Nr. 1 lit. a BS 2008 leistet der Versicherer bis zu den in § 30 genannten Entschädigungsgrenzen Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Infektionsschutzgesetzes beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Nr. 4) a) den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen nach Nr. 4 schließt.
22
Zwar wurde mit Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 17.03.2020 der Betrieb von Hotels und Beherbergungsbetrieben und die Zurverfügungstellung jeglicher Unterkünfte zu privaten touristischen Zwecken ab 18.03.2020 untersagt und diese Untersagung mehrfach bis zuletzt 27.05.2020 verlängert.
23
Allerdings ist eine Betriebsschließung wegen des Auftretens des in der Begründung der Allgemeinverfügung angeführten neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 (bzw. COVID-19) nicht von der streitgegenständlichen Betriebsschließungsversicherung umfasst.
24
§ 25 Nr. 1 lit. a BS 2008 verweist hinsichtlich des Auftretens meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger mit dem dortigen Klammerzusatz „siehe Nr. 4“ ausdrücklich auf § 25 Nr. 4 BS 2008 mit der fettgedruckten Überschrift „Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger“.
25
Diese Nr. 4 lautet wie folgt:
„Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger:
a) Krankheiten“
Es folgt eine Aufzählung von insgesamt 18 Krankheiten, jeweils eingerückt mit eigenem Spiegelstrich (als Anlage B 1 vorgelegte Bedingungen) bzw. eigenem Aufzählungspunkt (als Anlage K 4 vorgelegte Bedingungen) und jeweils untereinander in einer eigenen Zeile, beginnend mit „Botulismus“ und endend mit „die Verletzung eines Menschen durch ein tollwutkrankes, -verdächtiges oder -ansteckungsverdächtiges Tier sowie die Berührung eines solchen Tieres oder Tierkörpers“.
„b) Krankheitserreger“
Es folgt eine Aufzählung von insgesamt 49 Krankheitserregern, jeweils eingerückt mit eigenem Spiegelstrich (als Anlage B 1 vorgelegte Bedingungen) bzw. eigenem Aufzählungspunkt (als Anlage K 4 vorgelegte Bedingungen) und jeweils untereinander in einer eigenen Zeile, beginnend mit „Adenoviren“ und endend mit „Toxoplasma gondii (Meldepflicht nur bei konnatalen Infektionen)“.
26
Weder unter § 25 Nr. 4 lit. a BS 2008 noch unter § 25 Nr. 4 lit. b BS 2008 ist das in der Begründung der Allgemeinverfügung vom 17.03.2020 aufgeführte neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 bzw. das Virus COVID-19 enthalten.
27
Die Auslegung von § 25 Nr. 4 BS 2008 ergibt, dass allein die dort namentlich angeführten „folgenden“ Krankheiten und Krankheitserreger versichert sind.
28
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (zuletzt BGH, Urteil vom 08.01.2020 – IV ZR 240/18, Rz. 9, m.w.N.) sind Allgemeine Versicherungsbedingungen so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind.
29
Ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer kann bereits nach dem Wortlaut von § 25 Nr. 4 BS 2008 erkennen, dass ausschließlich die in dieser Nr. 4 folgenden, im Einzelnen unter lit a namentlich aufgeführten Krankheiten und unter lit b namentlich aufgeführten Krankheitserreger versichert sind.
30
So steht zwischen dem Wort „folgenden“ und dem weiteren Text in § 25 Nr. 4 BS 2008 „im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger“ ausdrücklich ein Komma. Das Wort „folgenden“ bezieht sich damit nicht auf die im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger, sondern betrifft nur die anschließend unter lit a aufzählend aufgeführten Krankheiten sowie die unter lit b aufzählend aufgeführten Krankheitserreger. Hierdurch ist für den die Versicherungsbedingungen aufmerksam lesenden Versicherungsnehmer klargestellt, dass nur diese jeweils aufzählend aufgeführten Krankheiten und Krankheitserreger von der Versicherung umfasst sind. Der Versicherungsnehmer kann auch ohne weiteres und eindeutig den BS 2008 entnehmen, welche Krankheiten und Krankheitserreger im Falle einer Betriebsschließung tatsächlich versichert sind.
31
Die Aufzählung ist auch aus der Sicht eines durchschnittlichen, um Verständnis bemühten Versicherungsnehmers abschließend. Ein solcher Versicherungsnehmer kann aus dem Wortlaut der vorliegenden Zusatzbedingungen nicht entnehmen, dass weitere in §§ 6 und 7 sowohl zum Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrags als auch zukünftig namentlich genannte Krankheiten oder Krankheitserreger, jedoch in der Aufzählung der Zusatzbedingungen nicht enthaltene Krankheiten oder Krankheitserreger versichert sein sollen.
32
Jedem verständigen Versicherungsnehmer wird sich zudem unweigerlich die Frage stellen, aus welchem Grund der Versicherer sich die Mühe machen sollte, umständlich und ausführlich diverse Krankheiten und Krankheitserreger im Einzelnen in den Versicherungsbedingungen aufzulisten, wenn allein die Bezugnahme auf die §§ 6 und 7 IfSG ohne darüber hinausgehende Voraussetzungen leistungsbegründend wäre.
33
§ 25 Nr. 4 BS 2008 enthält auch keine Einschränkung dahingehend, dass insbesondere oder beispielsweise die folgenden Krankheiten oder Krankheitserreger meldepflichtige Krankheiten oder Krankheitserreger im Sinne der Bedingungen sind und damit im Falle einer Betriebsschließung versichert sind.
34
Soweit der Begriff „namentlich“ in einem bestimmten Kontext auch die Bedeutung „insbesondere“ haben kann, kommt eine solche Bedeutung des Begriffs „namentlich“ im vorliegenden Kontext und bei der Stellung des Wortes „namentlich“ in § 25 Nr. 4 BS 2008 keinesfalls in Betracht.
35
Auch der Sinn und Zweck der BS 2008 lässt aus der Sicht eines durchschnittlichen, um Verständnis bemühten Versicherungsnehmers keine andere Auslegung zu.
36
Einem solchen Versicherungsnehmer ist auch bewusst, dass ein Versicherungsunternehmen seinen Versicherungsbedingungen eine Risikoanalyse zu Grunde legt und hierbei insbesondere den Umfang der versicherten Risiken in Relation zur Höhe der zu zahlenden Prämien setzt (ebenso LG Bayreuth, Endurteil vom 08.09.2020, Az. 22 O 207/20). Ebenso ist es einem solchen Versicherungsnehmer bewusst, dass ein Versicherer nur für die von ihm angeführten Krankheiten und Krankheitserreger und von ihm deshalb einschätzbaren Risiken einstehen will.
37
Einem Versicherer steht es auch, was einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer ebenfalls bekannt ist, frei, nur bestimmte Risiken, vorliegend nur die Betriebsschließung aufgrund bestimmter Krankheiten und Krankheitserreger, die er in seinen Allgemeinen Versicherungsbedingungen im Einzelnen aufgezählt hat, zu versichern.
38
So hat die beklagte Versicherung, die in § 25 Nr. 4 BS 2008 auf das IfSG verweist, nicht alle dort aufgeführten Krankheiten und Krankheitserreger in § 25 Nr. 4 BS 2008 mit aufgeführt. So fehlt bei den Krankheiten in § 25 Nr. 4 lit a BS 2008 die in § 6 IfSG aufgeführte Krankheit „humane spongiforme Enzephalopathie, außer familiär-hereditärer Formen“. Bei den Krankheitserregern sind Keuchhusten, Mumps oder Röteln in § 25 Nr. 4 lit. b BS 2008 nicht enthalten.
39
§ 25 Nr. 4 BS 2008 definiert auch im Einzelnen die versicherten meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger und ist nicht als Einschränkung des Leistungsumfangs zu verstehen. Es handelt sich um keine den Versicherungsschutz einschränkende Ausschlussklausel.
40
Der Versicherungsnehmer kann, wie bereits ausgeführt, anhand der Auflistung in § 25 Nr. 4 BS 2008 ohne weiteres und eindeutig erkennen, welche Krankheiten und Krankheitserreger im Falle einer Betriebsschließung versichert sind. Eine nach § 305 c Abs. 1 BGB überraschende Klausel liegt ebenso wenig vor wie eine den Versicherungsnehmer unangemessen benachteiligende Klausel.
41
Entgegen der Ansicht der Klagepartei kann das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 bzw. das Virus COVID-19 auch nicht unter eine der in § 25 Nr. 4 BS 2008 unter lit a aufgeführten Krankheiten oder unter lit b aufgeführten Krankheitserreger, wie etwa das vom Kläger angeführte Ebolavirus subsumiert werden. Ließe man eine solche Analogie zu, würde das Risiko des Versicherers trotz Verwendung eines abschließenden Katalogs für diesen im Ergebnis unkalkulierbar sein (ebenso LG Bayreuth, Urteil vom 08.09.2020).
42
Dem Kläger als Versicherungsnehmer wäre es unbenommen gewesen, das neuartige Coronavirus, das spätestens im Februar 2020 durch entsprechende Medienberichte bekannt war, vor Erlass der Allgemeinverfügung vom 17.03.2020 in den Versicherungsschutz ausdrücklich aufnehmen zu lassen, soweit die Beklagte zum damaligen Zeitpunkt einverstanden gewesen wäre.
43
Da kein versicherter Fall einer Betriebsschließung vorliegt, kann insbesondere dahinstehen, ob der Hotelbetrieb des Klägers vollständig oder nur teilweise geschlossen war und ob vorliegend die Entschädigungsrechnung des Klägers richtig ist.
44
Mangels Hauptanspruch besteht auch kein Anspruch auf die geltend gemachten Zinsen.
45
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
46
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.