Inhalt

LG Würzburg, Endurteil v. 19.05.2021 – 21 O 2012/20 Ver
Titel:

Krankenversicherung, Versicherungsnehmer, Leistungen, Versicherer, Streitwert, Wirksamkeit, Kenntnis, Versicherungsleistungen, Behandlungskosten, Anspruch, Aufrechnung, Auslegung, Ermessen, Klage, Kosten des Rechtsstreits, Aussicht auf Erfolg, hinreichende Aussicht auf Erfolg

Schlagworte:
Krankenversicherung, Versicherungsnehmer, Leistungen, Versicherer, Streitwert, Wirksamkeit, Kenntnis, Versicherungsleistungen, Behandlungskosten, Anspruch, Aufrechnung, Auslegung, Ermessen, Klage, Kosten des Rechtsstreits, Aussicht auf Erfolg, hinreichende Aussicht auf Erfolg
Rechtsmittelinstanz:
OLG Bamberg vom -- – 1 U 259/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 62466

Tenor

I. Es wird festgestellt, dass die Erhöhung des Monatsbeitrags in der zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehenden Kranken-/Pflegeversicherung mit der … im Tarif VollMed ... zum 01.04.2016 bis 30.04.2021 unwirksam ist. 
II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.253,56 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 18.12.2020 zu bezahlen.
III. Es wird festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie aus dem Prämienanteil gezogen hat, den der Kläger auf die unter I. festgestellte unwirksame Beitragserhöhung gezahlt hat.
IV. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 
V. Die Beklagte trägt 19 %, der Kläger 81 % der Kosten des Rechtsstreits.
VI. Das Urteil ist für beide Parteien gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
VII. Der Streitwert wird auf 13.772,47 € festgesetzt.  

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung des Klägers.
2
Der Kläger ist bei der Beklagten unter der Versicherungsnummer ... kranken- und pflegeversichert. Im Rahmen dieser Krankenversicherung besteht für den Kläger unter anderem Versicherungsschutz im Tarif VollMed ...
3
Der Kläger wendet sich gegen folgende Beitragserhöhungen:
1.
Im Tarif VollMed ... die Erhöhung zum 01.01.2011 in Höhe von 55,00 €,
2.
im Tarif Vollmed ... die Erhöhung zum 01.04.2013 in Höhe von 14,32 € und
3.
im Tarif Vollmed ... die Erhöhung zum 01.04.2016 in Höhe von 28,49 €.
4
Die Beitragsänderung zum 01.01.2011 wurde in einem Anschreiben vom November 2010 wie folgt begründet:
„Um das garantieren zu können, ist es notwendig, die Versicherungsleistungen und Beiträge in einem ausgewogenen Verhältnis zu halten. Die jährliche Überprüfung hat ergeben, dass die Beiträge in einigen unserer Tarife angeglichen werden müssen.
Neben einer Beitragsanpassung kann es weitere Gründe für eine Änderung zum 01.01.2011 geben. Nähere Einzelheiten und ihren neuen Beitrag entnehmen Sie bitte der Rückseite dieses Schreibens und den beigefügten Unterlagen“ (BLD Anlagenkonvolut 4).
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Die Erhöhung zum 01.04.2013 wurde mit Schreiben vom Februar 2013 unter anderem wie folgt begründet:
„ … wir informieren sie heute darüber, dass wir in diesem Jahr Ihre Beiträge erhöhen müssen. Die wesentlichen Gründe hierfür sind der medizinische Fortschritt und die damit verbundenen verbesserten Behandlungsverfahren“ (Anlagenkonvolut B 4).
6
Die Änderung ab April 2016 wurde mit Schreiben vom Februar 2016 unter anderem wie folgt begründet:
„Warum ändert sich Ihr Beitrag?
Der wichtigste Grund sind die gestiegenen Gesundheitskosten. Diagnose- und Therapiemethoden entwickeln sich stets weiter. Diese haben ihren Preis. Doch sie helfen Ihnen, schneller gesund zu werden und mehr Lebensqualität zu genießen.
Weitere Gründe für die Beitragsanpassung entnehmen Sie bitte der Beilage „Medizinischer Fortschritt – Ein Praxisbeispiel der ...“ (Anlagenkonvolut B 4).
7
§ 8b der zum Vertragsinhalt gewordenen Versicherungsbedingungen (MB/KK) lautet in Ziff. 1 und 2 wie folgt:
„Teil I
1. Im Rahmen der vertraglichen Leistungszusage können sich die Leistungen des Versicherer z.B. wegen steigender Heilbehandlungskosten, einer häufigeren Inanspruchnahme medizinischer Leistungen oder aufgrund steigender Lebenserwartung ändern. Dementsprechend vergleicht der Versicherer zumindest jährlich für jeden Tarif die erforderlichen mit den in den technischen Berechnungsgrundlagen kalkulierten Versicherungsleistungen und Sterbewahrscheinlichkeiten. Ergibt diese Gegenüberstellung für eine Beobachtungseinheit bei den Versicherungsleistungen für eine Beobachtungseinheit eines Tarifs eine Abweichung von mehr als dem gesetzlich oder tariflich festgelegten Vomhundertsatz, werden alle Beiträge dieser Beobachtungseinheit vom Versicherer überprüft und, soweit erforderlich, mit Zustimmung des Treuhänders angepasst. Unter den gleichen Voraussetzungen kann auch eine betragsmäßig festgelegte Selbstbeteiligung angepasst und ein vereinbarter Risikozuschlag entsprechend geändert werden. Im Zuge einer Beitragsanpassung werden auch der für die Beitragsgarantie im Standardtarif erforderliche Zuschlag (§ 19 Abs. 1 S. 2) sowie der für die Beitragsbegrenzung im Basistarif erforderliche Zuschlag (§ 20 Satz 2) mit den jeweils kalkulierten Zuschlägen verglichen, und, soweit erforderlich, angepasst.
2. Von einer Beitragsanpassung kann abgesehen werden, wenn nach übereinstimmender Beurteilung durch den Versicherer und dem Treuhänder die Veränderung der Versicherungsleistungen als vorübergehend anzusehen ist.“
8
Die Klagepartei trägt vor, dass alle Erhöhungen nicht wirksam geworden seien, da es an einer ausreichenden Begründung i. S. d. § 203 Abs. 5 VVG fehle.
9
Zudem sei die Beklagte in Ermangelung einer Rechtsgrundlage zu keinem Zeitpunkt zu einer Prämienneufestsetzung berechtigt gewesen. Die entsprechende vertragliche Anpassungsklausel in § 8 b MB/KK sei mit den gesetzlichen Bestimmungen unvereinbar.
10
Mit den gesetzlichen Bestimmungen unvereinbar ist sei zunächst der Absatz 2. Nach dem Wortlaut der vertraglichen Bestimmung sei dem Versicherer bei einer als nur vorübergehend anzusehenden Abweichung ein Entscheidungsspielraum eröffnet. Dies widerspreche der gesetzlichen Regelung.
11
Dementsprechend könne auch der erste Absatz keinen eigenständigen Bestand mehr haben. Ihm fehle der zwingend notwendige unwirksame Passus des zweiten Absatzes. Ein wirksamer eigenständiger Bestand der Regelung des Absatzes 2 könne nicht angenommen werden, weil sie für sich betrachtet nicht sinnvoll und ausreichend sei.
12
Mangels rechtswirksamer Beitragserhöhung begehrt der Kläger die Feststellung der Unwirksamkeit der Beitragserhöhungen, die Absenkung des Gesamtbeitrags, die Rückforderung von aufgrund der unwirksamen Beitragserhöhungen zu viel gezahlter Beiträge, sowie die Feststellung eines Anspruchs auf Nutzungsherausgabe und deren Verzinsung.
13
Die klägerischen Ansprüche seien nicht verjährt.
14
Bei der Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren sei zu berücksichtigen, dass angesichts der Bedeutung des Streitfalls für die Klägerseite, der Mehrzahl der hier angegriffenen Erhöhungen und der Notwendigkeit der hier erforderlichen Berechnung sowie der Tatsache, dass es sich um einen versicherungsrechtliche Spezialmaterie handelt, der Ansatz einer 1,5 fachen Geschäftsgebühr angemessen sei.
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Der Kläger beantragt,
1. Es wird festgestellt, dass folgende Erhöhungen des Monatsbeitrags in der zwischen der Klägerseite und der Beklagten bestehenden Kranken-/ Pflegeversicherung mit der Versicherungsnummer KV202518279 unwirksam sind:
a) im Tarif VollMed ... die Erhöhung zum 01.01.2011 in Höhe von 55,00 €,
b) im Tarif VollMed ... die Erhöhung zum 01.04.2013 in Höhe von 14,32 €,
c) im Tarif VollMed ... die Erhöhung zum 01.04.2016 in Höhe von 28,49 €, und die Klägerseite nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbetrages verpflichtet, sowie der Gesamtbeitrag unter Berücksichtigung der erfolgten Absenkungen auf insgesamt 447,43 € zu reduzieren ist.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite 9.164,45 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte
a) der Klägerseite zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie aus dem Prämienanteil gezogen hat, den die Klägerseite auf die unter 1) aufgeführten Beitragserhöhungen gezahlt hat,
b) die nach 3a) herauszugebenden Nutzungen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu verzinsen hat.
4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite einen Betrag in Höhe von 1.154,20 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit für die außergerichtliche anwaltliche Rechtsverfolgung zu zahlen.
16
Die Beklagte beantragt
kostenpflichtige Klageabweisung.
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In der Klageerwiderung vom 01.03.2021, an den Klägervertreter zugestellt am 16.03.2021 benennt die Beklagte als Auslöser für alle Beitragsanpassungen geänderte Leistungsausgaben.
18
Die Beklagte trägt vor, dass die jeweiligen Anpassungsschreiben, die maßgeblichen Gründe i. S. d. § 203 Abs. 5 VVG ausreichend bezeichnen.
19
Die Erhöhungen seien auch materiell rechtlich wirksam. Entgegen der Auffassung der Klägerseite sei die Anpassungsklausel § 8 b MB/KK in vollem Umfang wirksam.
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Die Beklagte macht zudem die Einrede der Verjährung geltend und erklärt vorsorglich die Aufrechnung gegen die bezifferte Klageforderung in Höhe von 1.320,00 €, eines Betrages, den die Klagepartei in den betroffenen Jahren als Beitragsrückerstattungen bezogen auf die, von der Klagepartei geltend gemachten unwirksam erhöhten Beitragsanteile, erhalten habe.
21
Zinsen und Nutzungen könnten nicht nebeneinander verlangt werden, ein Anspruch auf Herausgabe von gezogenen Nutzungen sei vielmehr auf die Zeit vor Eintritt der Verzinsungspflicht für die Hauptforderung beschränkt (BGH VI ZR 294/19, Rd. 58).
22
Ein Verzinsungsanspruch bezüglich der Nutzungen bestehe nicht.
23
Der Klägervertreter hätte sich mangels absehbar fehlenden außergerichtlichen Einigungsmöglichkeiten keinen bedingten Klageauftrag erteilen lassen und damit die von vorneherein aussichtslose vorgerichtliche Tätigkeit nicht in Rechnung stellen dürfen.
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Hinsichtlich des Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze mit Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28.04.2021 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Der Klage war in tenoriertem Umfang stattzugeben, da nur insoweit Feststellungs- und Zahlungsansprüche gegen die Beklagte gegeben sind. Die darüberhinausgehende Klage war abzuweisen.
I.
26
Dem Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit der Beitragsanpassungen war lediglich insoweit stattzugeben, als die Unwirksamkeit der Erhöhung des Tarifs Vollmed ... zum 01.04.2016 bis 30.04.2021 festzustellen war.
A. Erhöhungen zum 01.011.2011 und 01.04.2013
27
1. Vorab ist festzustellen, dass im Hinblick auf die Erhöhungen des Tarifes Vollmed ... zum 01.01.2011 und 01.04.2013 die insoweit angegebenen Begründungen nicht dem Erfordernis des § 203 Abs. 5 VVG genügen. Wie der Bundesgerichtshof in seinen Entscheidungen vom 16.12.2020 (IV ZR 314/19) und vom 16.12.2020 (IV ZR 294/19 dargestellt hat, setzt eine ausreichende Begründung voraus, dass die für die Prämienanpassung entscheidenden Umstände durch den Versicherer zu benennen sind. Der Versicherungsnehmer muss den Mitteilungen mit der gebotenen Klarheit entnehmen können, dass eine Veränderung der Rechnungsgrundlage Versicherungsleistungen über dem geltenden Schwellenwert die konkrete Beitragserhöhung ausgelöst habe. Dem Versicherungsnehmer muss daher mitgeteilt werden, welcher konkrete Grund die Beitragsanpassung erfordert, so dass mitzuteilen ist, ob Grund der Erhöhung die Versicherungsleistungen, die Sterbewahrscheinlichkeiten oder beides ist.
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Nach den Vorgaben des Bundesgerichtshofes in den genannten Entscheidungen ist Zweck der Begründungspflicht, dem Versicherungsnehmer zu verdeutlichen, dass weder sein individuelles Verhalten noch eine freie Entscheidung des Versicherers Grund für die Beitragserhöhung war, sondern, dass eine bestimmte Veränderung der Umstände die Erhöhung aufgrund gesetzlicher Regelungen veranlasst hat. Dieser Zweck wird durch die Angabe der Rechnungsgrundlage, die die Prämienanpassung ausgelöst hat, erreicht. Weitere Angaben sind nicht erforderlich. Insbesondere soll durch die gesetzliche Begründungspflicht dem Versicherungsnehmer auch keine Plausibilitätskontrolle der Prämienanpassung ermöglicht werden. Anzugeben ist daher nur der auslösende Faktor, das heißt entweder „Erhöhung der Versicherungsleistungen“ oder „Veränderung der Sterbewahrscheinlichkeit“ oder beides. Auch muss die Mitteilung der Versicherung über den Grund der Prämienanpassung einen Bezug zur konkreten Erhöhung aufweisen.
29
Die streitgegenständlichen Mitteilungsschreiben vom November 2010 und Februar 2013 genügen diesen Anforderungen nicht.
30
Zwar stellt das Schreiben vom November 2010 fest, dass es notwendig sei, die Versicherungsleistungen und Beiträge in einem ausgewogenen Verhältnis zu halten und die jährliche Überprüfung ergeben hat, dass die Beiträge in einigen der Tarife angepasst werden müssen. Damit bringt die Beklagte zwar zum Ausdruck, dass die Leistungsausgaben gestiegen seien, stellt jedoch keinen konkreten Bezug zum hier streitgegenständlichen Tarif dar und relativiert den Grund der gestiegenen Leistungsausgaben durch den nachfolgenden Satz, wonach es neben einer Beitragsanpassung weitere Gründe für eine Änderung zum 01.01.2011 geben könne. Damit wird dem Versicherungsnehmer gerade nicht eindeutig mitgeteilt, dass die Erhöhung des Beitrages im konkreten Tarif auf eine Veränderung der Rechnungsgrundlage „Versicherungsleistung“ beruht.
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Das Schreiben vom Februar 2013 enthält lediglich allgemein gehaltene Informationen zur Beitragsanpassung und damit weder die Mitteilung, dass die Beitragsanpassung auf veränderte Leistungsausgaben zurückzuführen ist, noch wird ein konkreter Bezug zum streitgegenständlichen Tarif hergestellt.
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2. Dies kann letztendlich jedoch dahingestellt bleiben, weil es im Hinblick auf die Feststellung der Unwirksamkeit der Erhöhungen zum 01.01.2011 und 01.04.2013 an einem Feststellungsinteresse fehlt.
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Eventuelle Beitragsrückzahlungsansprüche des Klägers, welche bis 30.12.2016 entstanden sind, sind verjährt, womit ein Feststellungsinteresse des Klägers nicht mehr besteht.
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a) Alle seitens der Klagepartei ggf bis zum 30.12.2017 entstandenen Rückzahlungsansprüche sind verjährt. Die Beklagte hat sich ausdrücklich Verjährung berufen.
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Für den bereicherungsrechtlichen Rückerstattungsanspruch gilt die dreijährige Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB, deren Beginn sich nach § 199 Abs. 1 BGB bzw. § 199 Abs. 3 BGB richtet. Nach § 199 Abs. 1 BGB beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB) und der Gläubiger von den, den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grober Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB).
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Die Verjährung begann damit jeweils mit dem Ende des Jahres zu laufen, in dem die nicht geschuldeten Beitragsanteile gezahlt wurden. Einzige Hemmung der Verjährung stellt die Klagezustellung im Dezember 2020 gem. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB dar. Diese erfasste damit lediglich zu diesem Zeitpunkt noch nicht verjährte Ansprüche. Alle bis Dezember 2016 entstandenen Zahlungsansprüche sind damit verjährt.
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Der Argumentation der Klagepartei, wonach weder Kenntnis, noch grob fahrlässige Unkenntnis seitens der Klagepartei vorlag und zudem eine Klageerhebung unzumutbar gewesen sei, kann nicht gefolgt werden.
38
Die für den Verjährungsbeginn erforderliche Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers lag mit Erhalt der jeweiligen Anpassungsschreiben vom November 2010 und Februar 2013 vor. Bezogen auf die formelle Unwirksamkeit liegt die Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers als Versicherungsnehmer im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB mit Erhalt der jeweiligen Anpassungsschreiben der Beklagten für die betreffenden Tarife vor. Diesen konnte der Kläger nichts entnehmen, was ihm die Prüfung der durch die Beklagte aufgestellten Behauptung über die Erforderlichkeit der Beitragsanpassung ermöglicht hätte.
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Ab Zugang der Mitteilungen über die Beitragserhöhungen ist von einer grob fahrlässigen Unkenntnis des Klägers in dem Sinne auszugehen, dass er seine Beiträge in einer Höhe entrichtete, die auf einer unwirksamen Beitragserhöhung beruht. Es genügt die Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen, nicht erforderlich ist, dass der Gläubiger den Vorgang rechtlich zutreffend bewertet (BGH NJW 2008, 1729 ff).
40
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Kenntnis im Sinne des § 199 Abs. 1 BGB vorhanden, wenn dem Anspruchsinhaber die Erhebung einer Klage, sei es auch nur in Form der Feststellungsklage, Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos, möglich ist. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB stellt nur auf die Kenntnis der tatsächlichen Umstände ab, mithin des Lebenssachverhalts, der die Grundlage des Anspruchs bildet (BGH Urteil vom 17.12.2020, VI ZR 739/20). Der Versicherungsnehmer hat im Hinblick auf das Fehlen der formellen Voraussetzung der Mitteilung der wesentlichen Gründe gemäß § 203 Abs. 5 VVG die Kenntnis von der Unwirksamkeit dann grob fahrlässig nicht erlangt, wenn er den Mitteilungen der in Anspruch genommenen Versicherung über die jeweilige Prämienerhöhung ganz offensichtlich nichts entnehmen konnte, was ihn die Richtigkeit der von der beklagten Versicherung aufgestellten Behauptung über die Erforderlichkeit der Beitragserhöhung überprüfen ließ (LG Neuruppin, a.a.O., in juris Rn. 43).
41
Die Mitteilungen vom November 2010 und Februar 2013 lassen – wie oben dargelegt – gerade nicht erkennen, worauf die Beitragsanpassung im konkreten Tarif beruht. Hiervon hatte der Versicherungsnehmer Kenntnis.
42
Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass es aufgrund unklarer Rechtslage im Hinblick auf die Anforderungen an die Mitteilung der maßgeblichen Gründe gemäß § 203 Abs. 5 VVG an einer Kenntnis bzw. grob fahrlässigen Unkenntnis i.S.d. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB fehle.
43
Aus der Regelung des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB, die nur auf die Kenntnis der den Anspruch begründenden tatsächlichen Umstände abstellt, ergibt sich, dass das Risiko der fehlerhaften rechtliche Bewertung eines Sachverhalts grundsätzlich dem Anspruchsinhaber auferlegt wird. Nicht erforderlich ist also in der Regel, dass der Gläubiger aus den ihm bekannten Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht. Nur ausnahmsweise kann die Rechtsunkenntnis des Gläubigers den Verjährungsbeginn hinausschieben, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliegt, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig – als erfolgversprechend, wenn auch nicht risikolos (hierzu sogleich) – einzuschätzen vermag. In diesen Fällen fehlt es an der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifender Voraussetzung für den Verjährungsbeginn. Das Hinausschieben des Beginns der regelmäßigen Verjährungsfrist wegen unsicherer und zweifelhafter Rechtslage kann allerdings nur in eng begrenzten, besonders begründeten Ausnahmefällen angenommen werden. Mit der Einführung der dreijährigen Regelverjährungsfrist verfolgte der Gesetzgeber die Absicht, in einem überschaubaren Zeitraum Rechtsfrieden und Rechtssicherheit zu schaffen. Angesichts dieses Schutzzwecks erfordert das Verjährungsrecht eindeutige Regeln und eine Auslegung, die die gebotene Rechtssicherheit gewährleistet. Deshalb ist es grundsätzlich erforderlich, sich bei der Anwendung solcher Vorschriften eng an deren Wortlaut zu halten. Zwar müssen Verjährungsregeln mit Rücksicht auf das verfassungsrechtlich geschützte Forderungsrecht (Art. 14 Abs. 1 GG) stets einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen des Schuldners und des Gläubigers darstellen. Dies kann in engen Grenzen Ausnahmen rechtfertigen, um dem Gläubiger eine faire Chance zu geben, seinen Anspruch geltend zu machen. Mit Rücksicht auf den formalen Charakter der Verjährungsvorschriften sind aber an die Rechtfertigung einer über den Wortlaut der Normen hinausgehenden Anwendung besonders strenge Anforderungen zu stellen. Auch mit Blick auf rechtliche Unsicherheiten gilt jedenfalls der allgemeine Grundsatz, dass eine Klageerhebung dann zumutbar ist, wenn die Klage bei verständiger Würdigung hinreichende Erfolgsaussichten hat; es ist nicht erforderlich, dass die Rechtsverfolgung risikolos möglich ist. Unzumutbar ist die Klageerhebung, wenn der Durchsetzung des Anspruchs eine gegenteilige höchstrichterliche Rechtsprechung entgegensteht, allerdings nur solange, bis sich – etwa in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte – eine gefestigte Gegenmeinung herausgebildet hat. Eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die die Erfolgsaussichten einer Klage lediglich verbessert, rechtfertigt dagegen den Aufschub des Verjährungsbeginns nicht. Eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage besteht nicht schon dann, wenn noch keine höchstrichterliche Entscheidung einer bestimmten Frage vorliegt. Vielmehr ist dafür zumindest ein ernsthafter Meinungsstreit in Literatur und Rechtsprechung erforderlich. Ist die Rechtslage ausgehend von früheren höchstrichterlichen Entscheidungen und den darin aufgestellten Grundsätzen erkennbar, weil sich diese Grundsätze auf die nunmehr zu entscheidende Fallkonstellation übertragen lassen, so verspricht die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg und ist zumutbar. Dies gilt in diesen Fällen auch dann, wenn Instanzgerichte, auch Obergerichte, sowie das Schrifttum die maßgebliche Rechtsfrage nicht einheitlich beantworten. Denn dann ist die Rechtslage nicht in einem solchen Maße zweifelhaft und ungeklärt, dass eine Klage als unzumutbar anzusehen wäre. Das Risiko, dass erst eine abschließende Entscheidung des Bundesgerichtshofs Gewissheit bringen wird, ist dem Gläubiger zuzumuten (BGH aaO).
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Eine Rechtslage ist nicht schon dann im Sinne der genannten Rechtsprechung unsicher und zweifelhaft, wenn eine Rechtsfrage umstritten und noch nicht höchstrichterlich entschieden ist. Bei einer solchen Konstellation ist dem Gläubiger die Erhebung der Klage jedenfalls dann nicht unzumutbar, wenn er gleichwohl bereits vor einer höchstrichterlichen Entscheidung seinen Anspruch gegenüber dem Schuldner geltend macht und dadurch zu erkennen gibt, vom Bestehen des Anspruchs auszugehen (BGH, Urteil vom 21.02.2018, – IV ZR 385/16 –, VersR 2018, 404 f. in juris Rn. 17). So liegt der Fall hier.
45
Nachdem der Kläger inzwischen trotz fortbestehenden Meinungsstreits Klage erhoben und sich u.a. auch auf den unzureichenden Inhalt der Anpassungsschreiben sowie die daraus folgende fehlende Wirksamkeit der Prämienanpassung berufen hat, war ihm eine Klageerhebung trotz des bis heute noch bestehenden Meinungsstreits in Rechtsprechung und Literatur hinsichtlich der Anforderungen an eine Mitteilung der maßgeblichen Gründe im Sinne des § 203 Abs. 5 VVG nicht unzumutbar. Angesichts dessen hätte die Klage auch schon früher erhoben werden können, weil der Meinungsstreit bis heute nicht höchstrichterlich entschieden ist. Würde man dies anders sehen, könnte in solchen Fällen die Verjährung nie zu laufen beginnen, bis der jeweilige Meinungsstreit höchstrichterlich entschieden ist.
46
Die Frage der Verjährung wurde für die vorliegenden Fälle der Prämienanpassung noch nicht durch den BGH entschieden. Dieser hat jedoch in einer Entscheidung vom 19.12.2018 (IV ZR 255/17) nach Zurückverweisung eines Rechtsstreits über eine Prämienanpassung ausgeführt:
„Sollte es danach die geltend gemachten Zahlungsansprüche ganz oder teilweise für berechtigt halten, wird es auch die Frage der Verjährung neu zu beurteilen haben, die angesichts der dreijährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB sowie der Klageerhebung im Jahre 2016 allerdings nur für die im Jahre 2012 geleisteten Prämienanteile in Betracht kommt.“
47
Auch der BGH scheint damit von einem Verjährungsbeginn nach Zahlung der Prämienanteile und Mitteilung der (unwirksamen) Prämienerhöhung auszugehen.
48
b) Nachdem die Feststellung der Unwirksamkeit der Prämienerhöhungen zum 01.01.2011 und 01.04.2013 für den Kläger lediglich insoweit noch rechtlich relevant ist, als er damit Rückzahlungsansprüche begründet, kann bei einer verjährten Forderung ein Feststellungsinteresse nicht begründet werden.
49
Ein darüberhinausgehendes Interesse an der Feststellung der Unwirksamkeit der Beitragserhöhung ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
B. Erhöhung zum 01.04.2016
50
1. Im Hinblick auf die Beitragserhöhung im Tarif Vollmed ... zum 01.04.2016 wurden erhöhte Beiträge, deren Rückforderung begehrt wird, auch in unverjährter Zeit geleistet, so dass insoweit ein Feststellungsinteresse gegeben ist.
51
2. Dem Feststellungsantrag war insoweit stattzugeben, als die Unwirksamkeit der Erhöhung bis 30.04.2021 festzustellen ist.
52
a) Die Beitragserhöhung zum 01.04.2016 wurde nicht ausreichend begründet. Insoweit wird im Schreiben vom Februar 2016 seitens der Beklagten als „wichtigster Grund“ für die Änderung der Beiträge die gestiegenen Gesundheitskosten genannt und der Versicherungsnehmer hinsichtlich „weiterer Gründe“ für die Beitragsanpassung auf die Beilage „Medizinischer Fortschritt – Ein Praxisbeispiel der ...“ verwiesen.
53
Bereits die Formulierung „Der wichtigste Grund“ schafft beim Versicherungsnehmer den Eindruck, dass die daraufhin genannten gestiegenen Gesundheitskosten nicht alleiniger Auslöser der Prämienanpassung waren. Zudem wird der Versicherungsnehmer im nachfolgenden Satz auf „weitere Gründe“, welche sich aus einer in Bezug genommenen Beilage ergeben sollen, verwiesen. Damit liegt weder die eindeutige Mitteilung des Anpassungsgrundes vor, noch ein konkreter Bezug zum geänderten Tarif.
54
b) Eine fehlerhafte Begründung kann nachgeholt werden (BGH, Urteil vom 16.12.2020, AZ: IV ZR 294/19, RdNr. 42). Vorliegend hat die Beklagte in der Klageerwiderung ausdrücklich mitgeteilt, dass Grund für die Prämienanpassungen gestiegene Leistungsausgaben waren. Damit hat sie eine ausreichende Begründung für die Prämienanpassungen gegeben. Mit dieser nachgeholten Begründung wird die für die Wirksamkeit der Neufestsetzung der Prämie angeordnete Frist in Lauf gesetzt (BGH, a. a. O.), so dass diese Prämienerhöhung zum 01.05.2021 wirksam geworden ist. Der bis dahin bestehende Begründungsmangel wurde geheilt, so dass die Beitragsanpassung zum 01.05.2021 gem. § 203 Abs. 5 VVG wirksam geworden ist.
55
4. Die Beitragsanpassung ist in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden, sodass auch aus diesem Grund eine Feststellung der Unwirksamkeit der Beitragsanpassung über den 01.05.2021 hinaus nicht zu treffen ist.
56
Im Hinblick auf eine materielle Wirksamkeit bzw. Unwirksamkeit der Beitragsanpassung zum 01.04.2016 wird seitens der Klagepartei lediglich darauf abgestellt, dass in der Anpassungsklausel des § 8 b MB/KK keine ausreichende Grundlage für die Prämienerhöhung gesehen werden kann.
57
§ 8b MB/KK stellt iVm § 203 VVG und § 155 VAG eine rechtswirksame Grundlage für die Prämienanpassung dar.
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Die von der Klagepartei gegen die Wirksamkeit dieser Bedingungen vorgetragenen Einwände greifen nicht durch.
59
Die Klagepartei trägt vor, § 8b MB/KK, der unter Teil I der Versicherungsbedingungen einbezogen ist, sei deswegen unwirksam, weil diese Vorschrift der Beklagten im Falle einer, als nur vorübergehend anzusehenden Veränderung der Versicherungsleistungen ein Ermessen bei der Beitragsanpassung einräume, obwohl die gesetzlichen Vorschriften in § 203 III VVG und § 155 III VAG eine Anpassung nur dann vorsehen, wenn es sich nicht nur um eine als vorübergehend anzusehende, also einer dauerhaften Veränderung der Verhältnisse handelt, mit der Folge, dass bei einer nur vorübergehenden und nicht dauerhaften Veränderung eine Anpassung nicht erfolgen und auch nicht in das Ermessen der Versicherung gestellt werden dürfe.
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Zudem sei jedenfalls bei einer Unwirksamkeit der Ziff. 2 des § 8b MB/KK auch dessen Ziff. 1 unwirksam.
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Es kann dahin gestellt bleiben, ob einer solchen Argumentation bezüglich der Unwirksamkeit der Ziff. 2 gefolgt werden kann.
62
Auch bei unterstellter Unwirksamkeit von Ziff. 2 des § 8b MB/KK bleibt dennoch Nr. 1 MB/KK als ausreichende Grundlage für die streitgegenständliche Anpassung erhalten. Eine eventuelle Unwirksamkeit des § 8b Nr. 2 MB/KK lässt die Klausel in Nr. 1 in ihrer Wirksamkeit unberührt.
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Diese hat einen ausreichenden, bestimmten und eigenständigen Regelungsinhalt. Zutreffend wird durch die Klagepartei darauf abgestellt, dass § 203 III VVG und § 155 III Satz 2 VAG eine Beitragsanpassung bei „nicht nur als vorübergehend anzusehenden Veränderungen der Verhältnisse“ vorsieht. § 8a Nr. 1 MB/KK setzt sich damit nicht in Widerspruch. Darin wird geregelt, dass der Versicherer zumindest jährlich die erforderlichen kalkulierten Versicherungsleistungen mit den Beiträgen vergleicht und bei einer bestimmten Abweichung anpasst. Den in Satz 1 genannten Kriterien der steigenden Behandlungskosten, häufigeren Inanspruchnahme medizinischer Leistungen oder steigender Lebenserwartung ist bereits begrifflich immanent, dass es sich dabei regelmäßig gerade nicht um lediglich vorübergehende Veränderungen handelt. Auch die Prüfungsabstände von regelmäßig einem Jahr zeigen, dass eine Beobachtung der Kostenentwicklung über einen längeren Zeitraum erfolgen und eine Anpassung nicht kurzfristig erfolgen soll. Dementsprechend formuliert weder sowohl § 203 III VVG, noch § 155 VAG eine dauerhafte Veränderung als positiv festzustellende Voraussetzung einer Anpassung, wie dies von Klägerseite vorgetragen wird. Eine im Sinne der Klagepartei vorgetragene Dauerhaftigkeit der Veränderung ist den gesetzlichen Regelungen nicht zu entnehmen. Vielmehr wird davon ausgegangen, dass festgestellte Veränderungen eine Anpassung ermöglichen und eine solche nur dann nicht erfolgen darf, wenn feststeht, dass diese lediglich vorübergehend sind. Es handelt sich folglich um ein „Regel – Ausnahme – Verhältnis“. Die versicherungsvertragliche Beitragsberechnung und Beitragsanpassung der MB/KK erfolgt ersichtlich auf der Grundlage des VVG und des VAG, was auch darin zum Ausdruck kommt, dass § 8a MB/KK in Nr. 1 ausdrücklich die Regelung enthält, dass die Berechnung der Beiträge nach Maßgabe der Vorschriften des VAG erfolgt. Dass § 8b Nr. 1 MB/KK nicht nochmals ausdrücklich darauf hinweist, dass eine Anpassung nicht erfolgt, wenn die Veränderung (ausnahmsweise) nur als vorübergehend anzusehen ist, widerspricht daher nicht den §§ 203 III VVG und § 155 VAG. Eine Unwirksamkeit dieser Regelung ist daher nicht festzustellen.
II.
64
Der Klagepartei steht damit ein Anspruch auf Rückzahlung der aufgrund der unwirksamen Prämienanpassung bezahlten Beitragsteile gem. § 812 BGB zu.
65
1. Streitgegenstand des Zahlungsantrages Ziff. 2) der Klageanträge sind nach der Zusammenstellung in der Klageschrift auf S. 4 im Hinblick auf die Prämienerhöhung zum 01.04.2016 monatliche Zahlungen in Höhe von 28,49 € vom 01.04.2016 bis 27.08.2020, mithin 53 monatliche Zahlungen.
66
Die bis einschließlich 30.12.2016 zu viel bezahlten Beiträge können mangels Verjährung, auf die sich die Beklagte beruft, nicht zurückgefordert werden. Insoweit wird auf die Ausführungen oben I.A.2.a) verwiesen.
67
Für den Zeitraum vom 01.01.2017 bis 27.08.2020 ergeben sich 44 monatliche Zahlungen in Höhe von jeweils 28,49 €, also ein Betrag in Höhe von insgesamt 1.253,56 €.
68
2. Die klägerische Forderung ist nicht durch Aufrechnung erloschen.
69
Von der Beklagten wurde vorsorglich und hilfsweise die Aufrechnung mit Gegenansprüchen erklärt, nämlich mit von der Beklagten in den streitgegenständlichen Jahren geleisteten Beitragsrückerstattungen unter Berücksichtigung der auf die Beitragserhöhung zurückzuführenden anteiligen Beiträge in Höhe von insgesamt 1.320,00 €.
70
Gem. § 390 BGB kann mit einer Forderung, der eine Einrede entgegensteht nicht wirksam aufgerechnet werden. Hierunter fällt auch die Einrede der Verjährung. Die Aufrechnung ist allein durch das Bestehen der Einrede ausgeschlossen. Es ist nicht erforderlich, dass die Einrede erhoben ist. Die bloße Existenz der Einrede schließt die Aufrechenbarkeit aus, es bedarf also keiner Berufung des Aufrechnungsgegners hierauf (Palandt, BGB, 80. A., 2021, § 390 Rdnr. 1,BGH NJW 2002, 3541).
71
Nachdem die Beklagte Ansprüche auf Rückzahlung von Beitragsrückerstattungen für alle „betroffenen“ Jahre zum Gegenstand ihrer Aufrechnung macht, sind damit auch Beitragsrückerstattungen erfasst, deren Rückzahlung – ebenso wie den Ansprüchen der Klagepartei auf Rückzahlung zu Unrecht gezahlter Beitragsanteile – die Einrede der Verjährung entgegensteht. Die Beklagte hat hier lediglich einen Gesamtbetrag (hilfsweise) zur Aufrechnung gestellt und nicht vorgetragen, wann welche Beitragsrückerstattungen erfolgten und in welcher Höhe diese durch Beitragserhöhungen mitbedingt waren. Damit steht fest, dass jedenfalls ein Teil der zur Aufrechnung gestellten Forderung verjährt ist. Mangels substantiiertem Vortrag kann nicht festgestellt werden, bezüglich welcher Forderungsteile Verjährung eingetreten, bzw noch nicht eingetreten ist. Die entsprechende Vortragspflicht trifft die aufrechnende Partei.
72
Dementsprechend war die Beklagte in tenorierter Höhe zur Zahlung zu verurteilen.
III.
73
Dem Antrag auf Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Herausgabe von Nutzungen, soweit diese aus Prämienanteilen gezogen wurden, die durch den Kläger aufgrund einer unwirksamen Beitragsanpassung geleistet wurden, ist im tenorierten Umfang stattzugeben.
74
Dem Versicherungsnehmer, der überhöhte Beiträge gem. § 812 BGB zurückverlangen kann, steht grundsätzlich ein Anspruch auf Nutzungen gem. § 818 Abs. 3 BGB zu (s. BGH, IV ZR 294/19, RdNr. 58, 59). Eine Verzinsung erfolgt jedoch nicht (BGH a. a. O.), sodass der Feststellungsantrag insoweit abzuweisen war.
IV.
75
Der Zinsanspruch beruht auf § 291 ZPO.
V.
76
Ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten besteht mangels Anspruchsgrundlage nicht.
77
Eine vor Inanspruchnahme des Rechtsanwaltes getätigte Aufforderung wurde durch die Klagepartei nicht vorgetragen, sodass sich die Beklagte im Zeitpunkt des klägerseits vorgetragenen anwaltschaftlichen Schreibens nicht in Verzug befand, die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten damit keinen Verzugsschaden darstellen.
VI.
78
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO und berücksichtigt das jeweilige Obsiegen und Unterliegen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
79
Der Streitwert errechnet sich wie folgt:
Ziff. 1: § 9 ZPO:
Gesamterhöhungsbetrag 97,81 x 12 x 3,5 ergibt 4.108,02 €
Ziff. 2: 9.164,45 €
Ziff. 3: 500 €