Titel:
Coronavirus, SARS-CoV-2, Verkehrsunfall, Unfall, Angeklagte, Krankenhaus, Fahrerlaubnis, Arbeitgeber, Afghanistan, Geschwindigkeit, Freiheitsstrafe, Erkrankung, Marke, Kollision, Angeklagten, Fahrzeug, Kosten des Verfahrens, depressive Episode, falsche Angaben
Normenkette:
StGB §§ 211 Abs. 1, Abs. 2, 5. Var., 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5, 315b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3, 315 Abs. 3 Nr. 1a, 22, 23 Abs. 1, Abs. 2, 49 Abs. 1 Nr. 1, 69, 69a, 52
Schlagworte:
Coronavirus, SARS-CoV-2, Verkehrsunfall, Unfall, Angeklagte, Krankenhaus, Fahrerlaubnis, Arbeitgeber, Afghanistan, Geschwindigkeit, Freiheitsstrafe, Erkrankung, Marke, Kollision, Angeklagten, Fahrzeug, Kosten des Verfahrens, depressive Episode, falsche Angaben
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Urteil vom 30.03.2023 – 4 StR 234/22
Fundstelle:
BeckRS 2021, 62350
Tenor
I.Der Angeklagte X X ist des versuchten Mordes mit vorsätzlichem gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr und mit gefährlicher Körperverletzung schuldig.
II.Er wird deswegen zur Freiheitsstrafe von
III.Dem Angeklagten wird die Fahrerlaubnis entzogen. Der Führerschein des Angeklagten wird eingezogen. Vor Ablauf von 1 Jahr 4 Monaten darf die Verwaltungsbehörde dem Angeklagten keine neue Fahrerlaubnis erteilen.
IV.Der Anspruch der Neben- und Adhäsionsklägerin X X gegen den Angeklagten wegen der zu ihrem Nachteil begangenen Tat auf Ersatz ihres entstandenen immateriellen Schadens ist dem Grunde nach gerechtfertigt. Im übrigen wird von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag abgesehen.
V.Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens, die durch das Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten sowie die der Neben- und Adhäsionsklägerin X X erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Angewendete Vorschriften:
§§ 211 Abs. 1, Abs. 2, 5. Var., 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5, 315b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3, 315 Abs. 3 Nr. 1a, 22, 23 Abs.1, Abs. 2, 49 Abs. 1 Nr. 1, 69, 69a, 52 StGB
Tatbestand
Entscheidungsgründe
1
Vom X bis y hatte sich der Angeklagte bei seinem Arbeitgeber krankgemeldet. In der Woche von Montag, dem X, bis Freitag, dem Y, ging er wieder zur Arbeit und legte am letztgenannten Tag erfolgreich die Prüfung zum Obermonteur ab.
2
Am Abend des x sah sich der Angeklagte über das Videoportal Youtube Videos von Fahrzeugkollisionen verschiedener Fahrzeughersteller, unter anderem BMW, Mercedes und Skoda, an und zeigte diese auch seiner Ehefrau X X, die die Crashtests infolgedessen ebenfalls in Augenschein nahm. Sie äußerte hierbei „Gott möge uns schützen“, in der Hoffnung, dass ihre Familie und sie von einem Autounfall verschont bleiben würden. Er erklärte ihr, dass er ihr die Videos vorführe, da er für sie einen Pkw des Herstellers Mercedes kaufen wolle. Sie ging daher davon aus, dass der Angeklagte ihr derart zeigen wollte, wie sicher die Fahrzeuge bei Kollisionen seien. Im Laufe des Abends wies die Geschädigte X den Wunsch des Angeklagten, mit ihm den Geschlechtsverkehr auszuüben, mit der Begründung, ihre Periode zu haben, zurück. Das Paar hatte zu diesem Zeitpunkt seit einem Monat keinen gemeinschaftlichen Geschlechtsverkehr mehr gehabt.
3
Am Morgen des x verließ der Angeklagte die von ihm, seiner Ehefrau und den drei gemeinsamen minderjährigen Söhnen bewohnte Wohnung im –, X zu der Zeit, zu der er sich gewöhnlich auf den Arbeitsweg begab. Er wartete jedoch nicht wie sonst vor dem Wohnanwesen auf die Abholung durch seine Arbeitskollegen, um gemeinsam mit jenen zum Einsatzort zu fahren, weswegen diese, nachdem sie vergeblich versucht hatten, den Angeklagten über sein Mobiltelefon zu erreichen, um 06:00 Uhr ohne diesen weiterfuhren. Dem Angeklagten war durch seinen Arbeitgeber für den x weder Urlaub noch überstundenfrei genehmigt gewesen. Die Geschädigte X X brachte die beiden älteren Söhne zur Schule und den Jüngsten in den Kindergarten und legte sich anschließend nochmals zu Hause schlafen. Als sie gerade im Begriff war, sich in der Familienwohnung umzuziehen, um anschließend Einkäufe beim Discounter Lidl zu tätigen, kehrte der Angeklagte gegen 10:00 Uhr dorthin zurück und fragte die Zeugin, weswegen sie nackt sei.
4
Der Angeklagte ging davon aus, dass seine Ehefrau Kontakt zu einem anderen Mann unterhielt, weswegen er eifersüchtig war. Zudem fürchtete er, dass sie ihn zusammen mit den drei gemeinsamen Söhnen verlassen könnte und jene dann nicht mehr, was dem Angeklagten wichtig war, christlich erzogen würden. Auch missfiel ihm der westliche Lebensstil seiner Ehefrau, insbesondere ihr in seinen Augen freizügiger Kleidungsstil. Ihre Zurückweisung seines Verlangens nach Geschlechtsverkehr hatte ihn verärgert. Er fasste daher den Entschluss, seine Ehefrau, die Geschädigte X X, umzubringen.
5
Am Montag, den x, kurz nach 10:00 Uhr spiegelte der Angeklagte seiner Ehefrau, die seinen diesbezüglichen Angaben ohne jedes Misstrauen Glauben schenkte, vor, für sie einen Pkw Mercedes von seinem Arbeitgeber in X kaufen und abholen zu wollen, weil er wusste, dass sie sich über einen eigenen Pkw freuen und ihn aus diesem Grund begleiten würde, ohne mit einem Angriff seinerseits auf ihr Leben zu rechnen. Bei dieser Gelegenheit küsste und umarmte der Angeklagte die Geschädigte, um sie in Sicherheit zu wiegen. Tatsächlich war Anlass der Fahrt, wie der Angeklagte wusste jedoch, dass er sie umbringen und es ausnutzen wollte, dass sie sich keines Angriffs auf ihr Leben versah und deswegen in ihrer Abwehrmöglichkeit eingeschränkt war. Er fuhr daher an der gemeinsamen Wohnanschrift x mit dem Pkw x, amtliches Kennzeichen x, mit seiner Frau als Beifahrerin in Richtung Autobahn los. Der Angeklagte rief während der Fahrt Richtung Autobahn den Zeugen X an, erzählte diesem, dass er mit der Geschädigten zum Zwecke eines Autokaufs nach X unterwegs sei und bat ihn, für den Fall einer späten Rückkehr, die Kinder am Nachmittag aus der Schule bzw. Nachmittagsbetreuung abzuholen.
6
Als sie sich auf der Autobahn AX in Fahrtrichtung X befanden, hielt der Angeklagte der Geschädigten vor, dass sie am vergangenen Montag, dem x, mit einem anderen Mann im Schwimmbad gewesen sei, in der vergangenen Nacht mit einem Mann Telefonsex gehabt habe und am Morgen des x bei seiner Rückkehr in die Familienwohnung nackt gewesen sei. Infolgedessen entwickelte sich zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten X ein Streitgespräch, in dessen Rahmen die Geschädigte die Vorwürfe des Angeklagten zurückwies, was den Angeklagten zunehmends wütender machte. Die Geschädigte schlug vor, dass er anhalten sollte, damit die beiden in Ruhe alles besprechen könnten. Der Angeklagte schrie laut und forderte die Geschädigte mehrfach auf, ihm den Namen des anderen Mannes zu nennen, da er anderenfalls sie beide umbringen werde. Nachdem die Geschädigte seiner Aufforderung nicht nachkam, sondern ihm mitteilte, dass es keinen anderen Mann gebe, konfrontierte er sie damit, zu wissen, dass es sein Arbeitskollege x sei, wobei er die Geschwindigkeit auf 155 km/h erhöhte. Die Geschädigte X, die inzwischen zu weinen begonnen hatte, verstummte daraufhin, wandte sich nach vorne der Fahrbahn zu und schloss die Augen. Der Angeklagte steuerte gegen 11:05 Uhr bei sichtigem Wetter den von ihm mit einer Mindestgeschwindigkeit von 155 km/h geführten Pkw von der linken der beiden trockenen Fahrspuren der Bundesautobahn X Richtung X im Autobahnabschnitt 420, Kilometer 4.311 auf die rechte und auf den dort mit einer Maximalgeschwindigkeit von 85 km/h fahrenden Sattelzug, bestehend aus der Zugmaschine mit dem amtlichen Kennzeichen x und dem unbeladenen Sattelauflieger mit dem amtlichen Kennzeichen x der Firma T GmbH bis es zwischen der Beifahrerseite des Pkws und dem linken Heck des Sattelaufliegers zum Zusammenstoß kam. Der Angeklagte führte diese Kollision in der Absicht, dadurch seine Ehefrau zu töten, herbei. Durch den Aufprall auf den Lkw wurde der Frontbereich des Pkw massiv beschädigt, auch der Bereich der Beifahrerseite wies erhebliche Beschädigungen auf. Aus dem Pkw wurde der Motorblock herausgeschleudert und kam im Bereich der Mittelleitplanke zum Liegen, wo er zunächst in Brand geriet.
7
Wegen der Einzelheiten des Tatortes wird auf das Lichtbild Blatt 85 d.A. und wegen der Art und des Aussehens der an dem Pkw eingetretenen Schäden auf die Lichtbilder auf Blatt 86, 87, 211, 212 d.A. und hinsichtlich der Art und des Aussehens der am Lkw eingetretenen Schäden auf die Lichtbilder auf Blatt 88 d.A. und Blatt 212 d.A. sowie hinsichtlich der Endpositionen der unfallbeteiligten Fahrzeuge und der bei diesen eingetretenen Schäden auf die Lichtbilder auf Blatt 210 d.A. verwiesen.
8
Als der Pkw x auf dem rechts neben dem Standstreifen befindlichen Grünstreifen zum Stehen gekommen war, realisierte der Angeklagte, dass die Geschädigte X X die Fahrzeugkollision überlebt hatte und er aufgrund der massiven Beschädigungen des von ihm geführten Pkws keine erneute Fahrzeugkollision zu ihrer Tötung herbeiführen konnte. Verärgert darüber, dass sein Plan nicht aufgegangen war, schlug er der noch rechts neben ihm im Fahrzeug auf dem Beifahrersitz sitzenden Geschädigten X zwei Mal mit der Faust gegen den Brustkorb, wodurch diese, wie von dem Angeklagten beabsichtigt, Schmerzen erlitt.
9
Durch die Tat hat der Angeklagte sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen.
10
Als der Angeklagte erkannte, dass sich Ersthelfer seinem Fahrzeug näherten, stieg er aus und zog seine Ehefrau, die aufgrund der unfallbedingt erlittenen Verletzungen ihrer Beine den Pkw nicht selbständig verlassen konnte, auf der Beifahrerseite aus dem Wagen. Die Geschädigte setzte sich anschließend auf den dortigen Grünstreifen.
11
Der Angeklagte und die Geschädigte X X wurden – ohne miteinander zu sprechen – gemeinsam mit dem selben Rettungswagen in das Krankenhaus nach x verbracht, wo sie jeweils getrennt von einander untersucht wurden. Der Angeklagte lehnte weitere Untersuchungen seiner Person ab, entließ sich selbst aus dem Krankenhaus und verließ dieses, ohne sich nach dem Gesundheitszustand seiner Ehefrau erkundigt zu haben. Von dort ließ er sich mit einem Taxi nach X fahren, wo er sich telefonisch mit dem Zeugen X verabredet hatte, der für den Angeklagten die Kosten der Taxifahrt begleichen und anschließend gemeinsam mit dem Angeklagten dessen Kinder aus der Schule bzw. dem Kindergarten abholen sollte. Zwischenzeitlich hatte die Geschädigte X, als sie bemerkt hatte, dass der Angeklagte das Krankenhaus verlassen hatte und die deswegen in großer Sorge um ihre Kinder war, durch das Krankenhauspersonal die Polizei verständigen lassen. Dem daraufhin im Krankenhaus eintreffenden Polizeibeamten PHK X schilderte sie, dass der Angeklagte den Verkehrsunfall bewusst herbeigeführt habe, um sie zu töten. Der Angeklagte wurde auf dem xplatz in x durch Polizeibeamte des dortigen Polizeireviers gegen 13:37 Uhr vorläufig festgenommen.
12
Die Geschädigte X wurde am Vormittag des X aus dem Klinikum X entlassen.
13
Zwischenzeitlich hat die Geschädigte die vormalige Familienwohnung in X aufgelöst und ist mit den drei Söhnen nach Norddeutschland verzogen, wobei sie ihre genaue Anschrift aus Angst vor dem Angeklagten, von dem sie sich scheiden lassen möchte, und dessen Familie geheim hält.
14
Sowohl die Einsichts- als auch die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten waren zum Tatzeitpunkt weder ausgeschlossen noch erheblich vermindert. Die Eingangsmerkmale des § 20 StGB lagen zur Tatzeit nicht vor.
5. Zu den Folgen der Tat und zur Gefährlichkeit der Tathandlung
a) Sachschaden des Sattelaufliegers
15
Durch den Zusammenstoß der beiden vorgenannten Fahrzeuge entstand an dem Sattelauflieger ein Sachschaden in Höhe von 4.300 € netto.
b) Verletzungen des Angeklagten
16
Der Angeklagte erlitt unfallbedingt leichten Druckschmerz an seinem rechten Ellenbogen.
c) Unfallfolgen der Geschädigten X
17
Infolge der durch das Auffahren auf das Lkw-Heck verursachten Fahrzeugkollision erlitt X X schmerzhafte Prellungen der Knie und Unterschenkel beidseits sowie Prellmarken an beiden Knien und dem linken Unterschenkel sowie kleinere oberflächliche Wunden an den Knien und Unterschenkeln. Schmerzen in den Unterschenkeln treten bei Belastung noch immer auf. Weiter erlitt X X kurzzeitig Atemnot sowie eine schmerzhafte Thoraxprellung. Sie befand sich vom X bis X zur Untersuchung und Wundversorgung stationär im Klinikum X und in der Folgezeit zwei Mal beim Arzt.
18
Weiter erlitt sie dadurch eine Posttraumatische Belastungsstörung sowie eine schwere depressive Episode (ICD10: F32.2), derentwegen sie sich seit X in psychologischer Behandlung zu therapeutischen Gesprächen, die individuell, durchschnittlich 14-tägig stattfinden, befindet und nahm bis März X Psychopharmaka ein, die jedoch infolge von Unverträglichkeit abgesetzt werden mussten.
d) Gefährlichkeit der Tathandlung
19
Infolge der durch das Auffahren auf das Lkw-Heck verursachten Fahrzeugkollision bestand für die Geschädigte unabhängig davon, dass der Pkw, in dem sie sich befand, mit einem funktionstüchtigen Beifahrerairbag ausgestattet und sie im Kollisionszeitpunkt angegurtet war, die Gefahr, dass der Beckengurt derart stark in den Bauchraum einschneidet, dass es zu schweren inneren Verletzungen wie einer Milz- und/oder Darmruptur und in deren Folge zu massiven inneren Blutungen kommt. Durch massives Eindringen von Fahrzeugteilen in den Fahrgastinnenraum (Intrusion) bestand die Gefahr für die Geschädigte, dass sie eine schwere Verletzung, insbesondere der unteren Extremitäten, erleidet, wodurch es zu einem starken, zum Tod führenden Blutverlust kommt. Darüber hinaus war die Geschädigte der Gefahr ausgesetzt, an dem aufgehenden Airbag vorbeizugleiten und sich infolgedessen den Kopf an der Dachkante anzustoßen oder aufgrund einer Überlastung der Halswirbelsäule knöcherne Verletzungen zu erleiden, die die menschliche Belastungsgrenze überschreiten und zum Tode führen. Hierdurch entstand für die Geschädigte Lebensgefahr, was der Angeklagte wusste und beabsichtigte.
20
Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten beruhen auf einem durch seine Verteidigerin verlesenen Lebenslauf, dessen Richtigkeit der Angeklagte bestätigt hat, ebenso wie auf dessen glaubhaften Angaben dem Sachverständigen Dr. X gegenüber, die dieser so ausgesagt hat, wie festgestellt, und die der Angeklagte als zutreffend anerkannt hat ebenso wie den ergänzenden glaubhaften Angaben des Angeklagten zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Familie. Die Feststellungen zu seiner beruflichen Tätigkeit bei der Firma X fußen auf den diesen entsprechenden glaubhaften Angaben der Zeugin X. Diejenigen hinsichtlich seines Übertritts zum christlichen Glauben und seiner Religionsausübung auf den diesen entsprechenden glaubhaften Angaben des Zeugen X. Die Feststellungen der Kammer betreffend den ältesten Sohn des Angeklagten basieren auf den diesen entsprechenden glaubhaften Angaben der Zeugen X und KHKin X. Den Feststellungen hinsichtlich den verschiedenen Wohnorten in Deutschland liegen die diesen entsprechenden glaubhaften Angaben der Zeugin X zugrunde. Die Feststellung zum strafrechtlichen Vorleben (Abschnitt I. 1. a)) hat die Kammer aufgrund der verlesenen Auskunft aus dem Bundeszentralregister getroffen.
21
Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen der Geschädigten X X gründen sich auf den diesen entsprechenden glaubhaften Angaben der Zeugin X und denjenigen des Zeugen X.
22
Der Angeklagte machte in der Hauptverhandlung von seinem Schweigerecht Gebrauch und führte in seinem letzten Wort lediglich aus, dass er seine Frau nicht habe töten wollen und er nicht wisse, wieso er das habe tun sollen. Er habe drei Kinder und sei nicht eifersüchtig.
23
Die Kammer ist von dem festgestellten Sachverhalt jedoch aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme überzeugt.
24
Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens machte der Angeklagte gegenüber den nachfolgenden Zeugen jeweils Angaben zur Sache, die diese so berichteten, wie festgestellt.
25
Gegenüber dem an der Unfallstelle anwesenden Polizeibeamten, PHM X, gab der Angeklagte an, dass dem Unfall ein Streit zwischen den Eheleuten X vorausgegangen sei, in dessen Rahmen es um Trennungsabsichten gegangen sei, wobei PHM X nicht mehr sicher ausführen konnte, ob der Angeklagte oder dessen Ehefrau jene Absichten hatte. Dabei hätten die Geschädigte X den Angeklagten am Ärmel ge- und jener das Lenkrad verzogen.
26
Die Zeugin X, behandelnde Ärztin des Angeklagten in der Notaufnahme im Krankenhaus X, führte glaubhaft aus, dass der Angeklagte ihr gegenüber Angaben – wie folgt – gemacht habe:
27
Es habe einen Streit zwischen dem Angeklagten und seiner Ehefrau mit Handgreiflichkeiten gegeben. Er sei mit einer Geschwindigkeit von 140 km/h bis 160 km/h gefahren. Sie habe ins Lenkrad gegriffen und er jenes daraufhin verrissen. So sei es zum Unfall gekommen.
28
Der Polizeibeamte X, der den Angeklagten am Tattag vom Polizeirevier X nach X überführt hat, berichtete glaubhaft, dass er den Angeklagten bereits als jener aus dem Zellentrakt der Polizeistation in X gekommen sei, als Beschuldigten belehrt habe und mit dem Angeklagten eine Verständigung in deutscher Sprache relativ gut möglich gewesen sei. Ein Dolmetscher sei nicht beteiligt gewesen. Auf der Fahrt nach X, bei der beide zusammen hinten im Fahrzeug gesessen seien, habe der Angeklagte ihm gegenüber Nachfolgendes angegeben:
29
Der Angeklagte und seine Frau hätten sich während der Fahrt nach X, wo sie ein Auto hätten kaufen wollen, – wie bereits am Vortag – gestritten, da sie mit einem ihm unbekannten Mann telefoniert gehabt habe und seinen diesbezüglichen Nachfragen ausgewichen sei. Er sei ca. 140 km/h gefahren und sie habe ihm ins Lenkrad gegriffen.
30
Nach erneuter Beschuldigtenbelehrung machte der Angeklagte im Rahmen der Beschuldigtenvernehmung gegenüber der sachbearbeitenden Kriminalhauptkommissarin X, vormals X, wie diese glaubhaft ausgesagt hat, nachfolgende Angaben:
31
Sie seien auf dem Weg nach X gewesen und er sei etwa 150 km/h bis 160 km/h schnell gefahren und habe den Lkw überholen wollen. Im Rahmen eines Streits mit seiner Frau habe ihm jene auf seinen rechten Arm gegriffen. Er habe 3 Kinder und habe die Geschädigte nicht töten wollen.
32
Der Angeklagte hat bei der Exploration durch den Sachverständigen Dr. X folgende Angaben gemacht, wie dieser glaubhaft berichtet hat:
33
Er sei am besagten Tag in der Früh nach einem für ihn normalen Schlafpensum von 4 bis 5 Stunden zwischen 5 und 6 Uhr aufgestanden und habe arbeitsfrei gehabt. Als er von einem morgendlichen Spaziergang in die Familienwohnung zurückgekehrt sei, habe seine Frau noch geschlafen. Es habe Frühstück gegeben und seine Frau sei einkaufen gegangen. Der Tag habe harmonisch begonnen. Frau X habe den Wunsch gehabt, in X Kleidung einkaufen zu gehen, dem er entsprochen habe. Während der Fahrt sei es zum Streit wegen einer Trennung der beiden gekommen, wobei in Afghanistan für viele Paare Trennung aus gesellschaftlichen Gründen nicht möglich sei. Er habe zu seiner Frau gesagt, sie könne sich ja scheiden lassen, was diese verneint habe. Sie sei der Meinung gewesen, dass sie hinsichtlich ihrer Körperlänge zu klein und nicht hübsch sei. Sie habe aussteigen wollen, woraufhin er erwidert habe, dass dies wegen des Überholvorgangs und der hohen Geschwindigkeit nicht ginge. Sie habe ihren eigenen Sicherheitsgurt geöffnet, den er wieder geschlossen habe. Als sie sich fast auf Höhe des Lkws befunden hätten, habe sie in das Lenkrad gegriffen. Seine beiden Hände hätten sich am Lenkrad befunden.
34
Der Zeuge X, evangelischer Pfarrer im Ruhestand, führte glaubhaft aus, dass er den Angeklagten im Dezember 2020 ebenso wie im Januar und Februar 2021 in der Untersuchungshaft besucht und sich anschließend telefonisch und per Brief mit ihm ausgetauscht habe, wobei sie nicht direkt über den Unfall kommuniziert hätten. Der Angeklagte habe ihm gegenüber nur einen groben Umriss gegeben und mitgeteilt, dass er zu Unrecht im Gefängnis sei, mitnichten seine Frau habe töten wollen und er nicht wisse, warum sie das angebe.
35
Der Zeuge X, Pfarrer im Ruhestand und evangelischer Seelsorger in der Justizvollzugsanstalt X, führte Folgendes aus: Er habe seit November oder Dezember 2020 vierzehntägig oder öfter auf Initiative des Angeklagten mit jenem im Rahmen der Sprechstunde oder anlässlich des Gottesdienstes Gespräche geführt, von denen manche aufgrund der Sprachbarriere des Angeklagten nicht einfach gewesen seien, er, der Zeuge, habe den Angeklagten jedoch durch die Anzahl der Unterredungen immer besser verstehen können. Im Verlauf der Gespräche habe ihm der Angeklagte zum Unfallhergang Folgendes erzählt: Der Bruder der Ehefrau des Angeklagten habe vor 2 bis 3 Jahren in deren Familienwohnung ein Taufzeugnis jener gesehen, woraufhin er den Angeklagten geohrfeigt habe. Er habe Drohungen ausgesprochen, welche im Einzelnen wisse der Zeuge jedoch nicht. Der Bruder der Ehefrau des Angeklagten habe verlangt, dass jene wieder zum Islam übertrete und in seine Nähe nach Wuppertal oder Leverkusen ziehe. Während jene zum vorgenannten Umzug bereit gewesen sei, habe der Angeklagte einen solchen abgelehnt, da er den Besuch des christlichen Religionsunterrichts für die gemeinsamen Kinder gewollt habe. Dies habe zwischen den Eheleuten X zu Streit – auch während der Autofahrt – geführt. Nachdem Frau X bereit gewesen sei, in die Nähe ihres sehr dominanten Bruders zu ziehen – auch wenn dies schon einige Zeit zurückliegend gewesen sei –, habe der Angeklagte große Sorge gehabt, dass sie wegziehe, zum Islam zurückkehre – auch wenn sie dies nicht angekündigt habe – und die Kinder nicht mehr christlich erzogen würden. Frau X habe wegen des diesbezüglichen Einflusses ihres Bruders zurück zum Islam konvertieren und den Angeklagten verlassen wollen. Sie habe deswegen während der Fahrt „rübergelangt“. Er, der Zeuge, wisse jedoch nicht, ob sie an den Arm des Angeklagten oder in das Lenkrad gegriffen habe. Der Streit während der Autofahrt sei ziemlich heftig gewesen und in dessen Verlauf habe Frau X das Auto verlassen wollen und zum Angeklagten, der ihr erklärt habe, dass sie dies jetzt nicht könne, hinübergelangt. Sie habe die Tür aufmachen wollen, weswegen er auf ihre Seite gegriffen habe mit den Worten „lass die Tür zu!“. Nach der Kollision habe der Angeklagte seine Frau sofort aus dem Wagen gezogen. Seit einem mit ihrem Bruder geführten Telefonat, dessen Inhalt der Angeklagte nicht kenne, habe seine Frau davon gesprochen, dass der Angeklagte sie habe umbringen wollen. Irgendetwas in Bezug auf den Chef des Angeklagten oder dessen Geschäft seien Anlass der Fahrt gewesen, genau habe der Zeuge dies nicht verstanden.
36
Dem unter Abschnitt II.1. festgestellten Vortatgeschehen liegen die den Feststellungen entsprechenden glaubhaften Bekundungen der Zeuginnen X und X, soweit dies jeweils in ihr Wissen gestellt ist, zugrunde.
37
Die zum Tatgeschehen (Abschnitt II. 2.) und zum Nachtatgeschehen (Abschnitt II. 3.) getroffenen Feststellungen beruhen auf den nachfolgend dargestellten Ergebnissen der Beweisaufnahme:
38
Die Zeugin X X führte aus: Der Angeklagte habe sie – als sie noch in Afghanistan gelebt hätten – nicht geliebt und ihr das Leben schwer gemacht. Dort sei Trennung kein Thema gewesen. Erst in Deutschland habe er sich in sie verliebt und sei ein anderer Mensch gewesen. Der Angeklagte habe immer den Verdacht gehabt, dass sie mit anderen Männer in Kontakt stehe und sich mit diesen treffe, obgleich sie nicht wisse, warum. Er habe Unangenehmes zu ihr gesagt, nämlich dass sie sich im Bad mit der Hand befriedige und er wisse, dass sie ihn nicht liebe. Diese Unterstellungen habe der Angeklagte ihr immer gemacht, wenn sie nicht mit ihm habe schlafen wollen. Als sie noch in einem Flüchtlingsheim gelebt hätten, habe sie sich mit dem dortigen Hausmeister Uwe auf Englisch unterhalten, woraufhin der Angeklagte ihr unterstellt habe, sich in jenen verliebt zu haben. In Situationen, in denen sie traurig und ruhig gewesen sei, habe der eifersüchtige Angeklagte ihr unterstellt, dass sie an den Hausmeister denke. Sie und der Angeklagte hätten häufig gestritten, vor allem an den Wochenenden. Dann habe sie gesagt, am Montag zum Jugendamt zu gehen, was sie jedoch nicht gemacht habe. Auch die von ihr geäußerten Trennungsabsichten hätten zu Streit mit dem Angeklagten geführt. Auf ihren Vorschlag, sich scheiden zu lassen, habe der Angeklagte ihr zum einen angekündigt, kein ruhiges Leben mehr zu haben zum anderen, nach Afghanistan zu ihren Eltern mit einer Bombe zurückzukehren. Er habe ihr bei Streitigkeiten auch vorgehalten, dass sie sich nicht so verhalten könnte, wenn sie noch in Afghanistan seien.
39
Eine Woche vor dem Unfalltag, dem X, habe der Angeklagte mit ihr darüber gesprochen, dass er einen Mercedes kaufen wolle. Er habe sich mehrfach über das Videoportal Youtube auf seinem Smartphone angesehen, wie Männer und Frauen Unfälle „machen“. Am Abend des X habe er auch ihr derartige Unfallvideos, bei denen Fahrzeuge verschiedener Hersteller, unter anderem Mercedes, BMW und Skoda, beteiligt gewesen seien, gezeigt, woraufhin sie gesagt habe „Gott möge uns schützen“. Es habe sich dabei um Crashtestvideos mit Testfahrzeugen der Fahrzeughersteller gehandelt. Der Angeklagte habe ihr für das Betrachten vorgenannter Videos erklärt, dass er ein Fahrzeug der Marke Mercedes habe kaufen wollen, das sehr sicher sei. Sie habe dies nicht als Drohung empfunden, da sie gedacht habe, er würde einen Mercedes und damit ein sicheres Fahrzeug für sie kaufen.
40
Seinen Wunsch nach Geschlechtsverkehr habe sie an jenem Abend zurückgewiesen, da sie ihre Periode gehabt habe.
41
Am X habe der Angeklagte wie gewöhnlich, wenn er zur Arbeit gehe, die Wohnung zwischen 05:00 Uhr und 05:30 Uhr verlassen. Sie habe die Kinder morgens zur Schule gebracht, sich zu Hause nochmals hingelegt und sei eingeschlafen. Der Angeklagte sei gegen 10:00 Uhr in die Familienwohnung zurückgekehrt und habe sie gefragt, weswegen sie nackt sei. Sie habe sich umziehen wollen, um bei dem Discounter Lidl Coronaschutzmasken einkaufen zu gehen, wobei sie ihm von dieser Absicht bereits am Vorabend berichtet hatte. Während sie bei Lidl gewesen sei – wobei die dortigen Masken nicht gut gewesen seien – habe der Angeklagte geduscht. Bei ihrer Rückkehr in die Wohnung habe der Angeklagte sie geküsst und umarmt und ihr gesagt: „Komm, wir holen das Auto von X aus“.
42
Als sie auf der Autobahn A7 gefahren seien, habe der Angeklagte plötzlich die Geschwindigkeit auf 180 km/h erhöht, woraufhin sie ihn gebeten habe, langsamer zu fahren, da sie anderenfalls einen Unfall bauen würden. Der Angeklagte habe nur geschrien und sie habe ihre Hand auf seinen Oberschenkel gelegt und gedacht, Grund für sein Schreien sei das Versterben eines Familienangehörigen in Afghanistan. Sie habe geweint und Angst gehabt. Sodann habe der Angeklagte sie gefragt, mit welchem Mann sie am vergangenen Montag im Schwimmbad gewesen sei, woraufhin sie ihre Hand von ihm weggenommen habe. Auf ihre Antwort hin, dass sie mit niemanden schwimmen gewesen sei, habe er sie aufgefordert, ihm schnell den Namen zu nennen, ansonsten würden sie beide sterben. Auch habe er ihr unterstellt, am vorherigen Abend Telefonsex mit einem anderen Mann gehabt zu haben, woraufhin sie gefragt habe, weswegen er das ihr gegenüber nicht gleich angesprochen habe. Der Angeklagte habe ihr auch vorgeworfen, bei seiner Rückkehr am Morgen nackt gewesen zu sein. Der Angeklagte habe sie immer wieder aufgefordert, ihm den Namen des anderen Mannes zu nennen. Sie habe seine Vorwürfe zurückgewiesen und gewollt, dass er anhalte, damit die beiden es in Ruhe besprechen hätten können. Der Angeklagte sei jedoch sehr wütend gewesen und habe nur geschrien. Auch habe sie ihn gebeten, aufzuhören wegen der Kinder. Sekunden vor dem Aufprall auf den Lkw habe er ihr unterstellt, mit seinem Arbeitskollegen namens Houssein (phon.) im Schwimmbad gewesen zu sein. Daraufhin habe er das Auto in eine andere Richtung und zwar auf den Lkw aufgeschoben. Sie habe dabei ihre Augen geschlossen gehabt und für einen Moment gedacht, bereits gestorben zu sein. Sie habe nur an ihre Kinder gedacht. Als sie die Augen wieder geöffnet habe, habe sie große Schmerzen in ihren Beinen verspürt und befürchtet, nie mehr laufen zu können und sich gefragt, wer dann die Kinder aufziehen solle. Als der Pkw nach dem Zusammenstoß mit dem Lkw zum Stehen gekommen sei, habe der Angeklagte mit seiner Faust 2 bis 3 Mal auf ihre Brust geschlagen. Sie habe keine Luft mehr bekommen und Schmerzen in der Brust gehabt. Die Beifahrertür sei nicht aufgegangen und die Fensterscheibe sei zerbrochen gewesen. Ein unbekannter Mann sei zu ihrem Fahrzeug gekommen und habe ihr aus dem Auto helfen wollen, woraufhin sie der Angeklagte aus dem Auto gezogen habe.
43
Es seien Ersthelfer hinzugekommen und sie habe nur geweint. Bereits an der Unfallstelle habe sie gesagt, dass der Angeklagte sie habe töten wollen, doch niemand habe sie verstanden. Man habe sie nur beruhigen wollen und ihr über den Arm gestreichelt. Anschließend habe sie dies auch in der Ambulanz gesagt, aber niemand habe sie gehört. Sie habe die ganze Zeit geweint und im Krankenhaus gefragt, warum der Angeklagte frei gelassen worden sei. Der durch die Ärztin herbeigerufenen Polizei habe sie dann ohne Dolmetscher alles erzählt und sei am nächsten Tag um 10:00 Uhr von der Polizei aus dem Krankenhaus abgeholt und zu Gericht gebracht worden.
44
Durch den Unfall seien ihre Beine aufgerissen und geschwollen gewesen und sie hätte seitdem bis heute Schmerzen in diesen, vor allem unterhalb der Knie und wenn sie etwas mit ihren Kindern unternehme. Sie habe auch Schmerzen in der Brust gehabt, die ein bis zwei Wochen nach dem Unfall angehalten hätten. Anfangs sei sie auch zwei Mal bei einem Arzt gewesen, der ihr beim Auftreten von Schmerzen die Einnahme von Schmerzmitteln geraten habe. Sie leide noch immer unter dem Erlebten und träume nachts davon. Wenn sie auf der Autobahn unterwegs sei, habe sie das Gefühl, dass es wieder zu einem Unfall komme. Sie würde in einer Frequenz von ein Mal im Monat bis alle 15 Tage Termine bei einem Psychologen wahrnehmen. Es sei ihr schwer gefallen, den Angeklagten, von dem sie sich scheiden lassen wolle, bei Gericht zu sehen.
45
Der Zeuge X, Fahrdienstleiter der Deutschen Bahn, machte im Wesentlichen folgende Angaben: Er sei mit seiner Familie bestehend aus seiner schlafenden Ehefrau und seiner 11-jährigen Tochter, die von dem späteren Unfallgeschehen nichts mitbekommen habe, aus dem Urlaub in seinem Pkw BMW 5er nach Hause mit betätigtem Tempomat und einer geschätzten Geschwindigkeit von 120 bis 130 km/h auf der rechten Fahrspur der Bundesautobahn A7 gefahren als ihn ein kleiner Pkw des Herstellers Skoda mit sehr hoher Geschwindigkeit überholt habe. Dies habe ihn verwundert, da er derart hohe Geschwindigkeiten nur von Fahrzeugen der Marke Porsche gewohnt sei. Vor ihm sei ein Lkw bei sichtigem Wetter und Sonnenschein, also perfekten Verhältnissen, mit einer geschätzten Geschwindigkeit von 90 km/h gefahren. Der Straßenverlauf sei gerade ohne Kurve und ohne sonstige Besonderheit gewesen. Der Pkw sei plötzlich nach rechts gezogen und schnell geradeaus fahrend auf den Lkw aufgefahren, ohne vorher einen vollständigen Fahrstreifenwechsel auf die rechte Fahrspur vollzogen zu haben. Der Motor des Pkws sei aus diesem herausgerissen worden und habe angefangen zu brennen. Aus der Fahrbewegung des Pkws würde er schließen, dass jener ungebremst auf den Lkw aufgefahren sei. Die Bremsleuchten des Pkw hätten nicht aufgeleuchtet. Er selbst habe aufgrund des Unfalls keine Notbremsung durchführen müssen, da ausreichend Abstand gewesen sei. Er habe nicht gedacht, dass jemand lebend aus dem Fahrzeug komme. Er sei sofort zu dem Pkw gerannt und als er sich auf Höhe der Rücklichter befunden habe, sei der Fahrer ausgestiegen und habe die Frau auf der Beifahrerseite durch das Seitenfenster aus dem Wagen gezogen. Die Frau habe geschrien und sei am Bein verletzt gewesen, ohne das jenes geblutet hätte.
46
Der Zeuge X, bosnisch-herzegowinischer Kraftfahrer, führte aus: Er sei mit einem Sattelschlepper mit unbeladenem Anhänger mit einer Geschwindigkeit von 82 km/h, die er vom Display abgelesen habe, auf der Autobahn X gefahren als er ein Geräusch, das er zunächst für einen geplatzten Reifen gehalten habe, gehört und einen Schlag verspürt habe. Im linken Außenspiegel habe er einen Motor vorbeifliegen sehen, der bei den Mittelleitplanken zum Liegen gekommen sei, und in seinem rechten Außenspiegel einen Pkw, der auf die rechte Seite gegangen sei. Daraufhin habe er sofort angehalten und sei zu dem Pkw gelaufen. Die Frau habe sich die Brust gehalten und in einer ihm unverständlichen Sprache geschrien. Sie sei später im Grünstreifen gesessen. Er selbst habe durch den Aufprall des Pkws für etwa 2 bis 3 Tage Schmerzen am Hals, den er zu Hause gekühlt habe, verspürt. Bei einem Arzt sei er deswegen nicht gewesen. Der von ihm geführte Anhänger sei hinten links beschädigt worden.
47
Der Zeuge X, Rettungsassistent, hat im Wesentlichen bekundet: Er und der mitfahrende Kollege Wiesinger hätten eine Einsatzmeldung wegen eines Auffahrunfalls auf der Autobahn Richtung Würzburg erhalten. Auf der rechten Seite auf der Standspur hätten ein Lkw und ein Pkw gestanden, wobei sich im letztgenannten eine Person auf dem Beifahrersitz sitzend befunden habe als er sich genähert habe. Es habe sich um eine Frau gehandelt, die offensichtlich keine schweren Verletzungen erlitten gehabt habe, sodass der Einsatz eines Notarztes nicht erforderlich gewesen sei. Sie habe ein Brusttrauma, Thoraxschmerzen, einen hohen Puls, Prellungen an beiden Knien und Unterschenkeln, jedoch keine Brüche gehabt und sei physisch und psychisch sehr aufgebracht gewesen. Ihre Beine seien nicht eingeklemmt gewesen und sie habe selbst aus dem Pkw, dessen Beifahrertür sich normal habe öffnen lassen, aussteigen können. Einer ihrer ersten Sätze als sie noch im Fahrzeug gesessen sei, sei „er wollte uns umbringen“ gewesen. Auch habe sie davon berichtet, dass der Angeklagte sie unmittelbar vor dem Unfall geschlagen habe. Später sei es um die Kinder und deren Abholung aus X gegangen und es sei auch angesprochen worden, dass sie den Angeklagten am Arm gezogen habe. Ein Polizeibeamter habe ihn, den Zeugen, zur Seite genommen und ihn darüber informiert, dass wegen eines Tötungsdelikts ermittelt werde. Er, der Zeuge, habe diesbezüglich nicht nachgefragt, da dies für ihn nicht so relevant, sondern die medizinischen Belange bei dem Einsatz das für ihn Entscheidende gewesen sei. Er habe die Frau und den Angeklagten dann gemeinsam in einem Rettungswagen in das Krankenhaus gebracht, wobei der Angeklagte, der ruhig und gefasst gewirkt habe, telefoniert habe. Etwa vier Wochen nach diesem Einsatz sei er durch die Polizei vernommen worden.
48
Bei der Würdigung der Aussage des Zeugen X ist nicht übersehen worden, dass seine Angabe, die Zeugin X habe selbständig aus dem Pkw aussteigen können, unzutreffend ist, wovon die Kammer aufgrund der übrigen Zeugenaussagen, insbesondere derjenigen der Zeuginnen X und X, überzeugt ist. Auch seine Angabe, bereits an der Unfallstelle durch Polizeibeamte darüber informiert worden zu sein, dass wegen eines Tötungsdelikts ermittelt werde, ist objektiv unzutreffend. Die Kammer geht jedoch nicht davon aus, dass der Zeuge diesbezüglich absichtlich falsche Angaben gemacht hat, sondern er insofern ein falsches Erinnerungsbild aufgebaut hat, zumal er auf die medizinische Behandlung der unfallbeteiligten Personen fokussiert war.
49
Der Zeuge PHM X hat insbesondere ausgeführt: Er sei zu einem Unfall mit leicht Verletzten an der Bundesautobahn X Richtung X zwischen dem X und der Anschlussstelle W Höhe Km 4.311 gerufen worden. Die Straßenverhältnisse seien trocken bei geradlinigem Streckenverlauf gewesen. Die Außentemperatur habe etwa 20 Grad betragen. Wenn man von X nach X fahren wolle, führe die Strecke nicht über die BAB X Richtung X, sondern ab dem X über die AX weiter. Die Zeugin X sei in der Böschung gesessen, habe geweint und sei hysterisch gewesen.
50
Die Zeugin X, Krankenschwester im Klinikum X, machte im Wesentlichen nachfolgende Angaben: Der Angeklagte und seine Frau seien durch die Sanitäter in das Krankenhaus gebracht worden, er sitzend, sie liegend und hätten nicht miteinander gesprochen. Sie, die Zeugin, habe Frau X schlecht verstanden, da jene nur schlecht und gebrochen deutsch gesprochen, eine Maske getragen und sehr stark geweint habe. Frau X habe eine ausladende Bewegung gemacht und zum Ausdruck gebracht, dass der Angeklagte hinübergelangt und sie geschlagen habe. Für Frau X seien ihre Kinder, um die sie in großer Sorge gewesen sei, das Wichtigste gewesen. Als der Angeklagte das Krankenhaus verlassen habe, habe Frau X noch mehr geweint, sich sehr aufgeregt, noch größere Angst gehabt und gewollt, dass die Polizei gerufen werde, was sie, die Zeugin X und Frau X auch gemacht hätten.
51
Die Zeugin X, Assistenzärztin im Klinikum X, bekundete weiter Folgendes: Der Rettungsdienst habe Herrn und Frau X zeitgleich nach einem Autounfall in das Klinikum X eingeliefert. Der Angeklagte und seine Frau hätten sich dann getrennt voneinander in verschiedenen Räumen befunden und nicht über den jeweils anderen gesprochen. Der Angeklagte, dem es nach dem äußeren Eindruck gut gegangen sei, habe nach seiner körperlichen Untersuchung die ihm angebotenen Ultraschall- und Röntgenuntersuchungen ebenso wie eine stationäre Aufnahme abgelehnt und sich selbst aus dem Krankenhaus entlassen, ohne sich nach dem Gesundheitszustand seiner Frau erkundigt zu haben.
52
Demgegenüber sei Frau X wegen eines Traumas nach einem Verkehrsunfall mit hoher Geschwindigkeit für eine Nacht stationär aufgenommen worden. Frau X habe Schürfwunden, Prellungen an den Schienbeinen sowie Prellmarken ebendort und an den Unterschenkeln, jedoch keine Brüche gehabt und habe nicht laufen können. Der Brustkorb habe keine Prellmarken aufgewiesen. Es könne ärztlicherseits ohnehin nicht unterschieden werden, ob Prellmarken im Bereich des Brustkorbs von einem Schlag, dem Airbag oder dem Sicherheitsgurt herrührten. Frau X sei sehr aufgelöst gewesen und habe geweint. Mehrfach habe sie, die Geschädigte X, die deutsch gesprochen habe und größtenteils gut zu verstehen gewesen sei, geäußert, dass sie Angst um ihre Kinder und vor ihrem Mann habe und habe darum gebeten, dass die Polizei gerufen werde. Zwar habe Frau X den Unfall ähnlich wie der Angeklagte geschildert, jedoch seine Version nicht bestätigt, insbesondere nicht, dass sie in das Lenkrad gegriffen habe. Frau X habe berichtet, der Angeklagte habe gedacht, dass Frau X etwas mit einem anderen Mann gehabt habe. Es sei während der Fahrt zu Streit und Handgreiflichkeiten und dann zur Kollision gekommen. Der Angeklagte habe sie, die Geschädigte X, auf das Brustbein geschlagen. Auf Vorhalt vermochte sich die Zeugin X nicht mehr sicher daran zu erinnern, dass Frau X gesagt habe, der Angeklagte habe sie umbringen wollen.
53
Der Zeuge PHK X sagte insbesondere Nachfolgendes aus: Er sei am X als Polizeibeamter im Streifendienst gewesen und in das Klinikum X mit der Information, eine dort nach einem Unfall befindliche Frau habe Streit mit ihrem Ehemann gehabt und nun Angst um die Kinder, beordert worden. Vor Ort sei alles sehr hektisch gewesen. Er habe die Erstvernehmung von Frau X durchgeführt und zugleich die Abholung der Kinder in X organisiert, da die Geschädigte X gesagt habe, dass ihr Mann die Kinder dort holen wolle. Sie habe gebrochen deutsch gesprochen und angegeben, dass der Angeklagte, als sie auf dem Weg nach X gewesen seien, um dort ein Auto abzuholen oder zu kaufen, den Unfall „von selbst“ gemacht habe, was er, der Zeuge X, dahingehend verstanden habe, dass der Angeklagte den Unfall absichtlich herbeigeführt habe. Die Zeugin habe das Wort „absichtlich“ jedoch nicht gekannt. Durch mehrmaliges Nachfragen habe er die Angaben der Zeugin manifestiert. Weiter habe sie ausgesagt, am Unfallort nicht verstanden worden zu sein. Sie habe große Angst in Bezug auf die Kinder gehabt und von einer bereits seit längerer Zeit problematischen familiären Situation berichtet. Es habe oft Streit gegeben und sie sei öfter bedroht worden. Sie sei froh gewesen, da der Zeuge der Erste gewesen sei, der ihr zugehört habe.
54
Der Zeuge POM X führte aus, im Rahmen des Streifendienstes mit der Festnahme des Angeklagten beauftragt worden zu sein. Der Angeklagte sei mit einem jungen Mann vor einem Taxi mit Rothenburger Kennzeichen in X auf dem Karlsplatz angetroffen worden und habe nicht überrascht reagiert, als ihm die Festnahme erklärt worden sei und dabei gefragt, ob es wegen des Unfalls sei. Ein bei dem Angeklagten um 13:45 Uhr durchgeführter Atemalkoholtest habe 0,0 Promille ergeben.
55
Richter am Amtsgericht X machte im Rahmen seiner Zeugenvernehmung im Wesentlichen folgende Angaben: Aufgrund von Urlaubsabwesenheit der Ermittlungsrichterin habe er die Ehefrau des Angeklagten ermittlungsrichterlich nach Zeugenbelehrung sowie Belehrung über das ihr gegenüber dem Angeklagten zustehende Zeugnisverweigerungsrecht unter Zuhilfenahme einer Dolmetscherin vernommen, wobei die Zeugin auch einzelne Worte auf Deutsch gesprochen habe und er sie gut verstanden habe. Nachdem er sich das Geschehen zusammenhängend durch die Zeugin habe schildern lassen, habe er gezielte Nachfragen an sie gerichtet. Die Zeugin X habe berichtet, sie seien in X losgefahren, da sie in X ein Auto hätten kaufen wollen. Der Angeklagte sei auf die Autobahn aufgefahren, habe beschleunigt, sie habe Angst bekommen und ihn gefragt, was los sei. Es sei zum Streit gekommen, da der Angeklagte eifersüchtig gewesen sei. Der Angeklagte habe gesagt, er töte sie, habe den Pkw auf den Lkw gelenkt und anschließend auf sie eingeschlagen. Dann seien Leute gekommen. Auf Nachfrage habe die Zeugin bekräftigt, dass der Angeklagte wirklich absichtlich auf den Lkw aufgefahren sei und kein technisches Versagen vorgelegen habe. Ein Greifen in das Lenkrad ihrerseits habe die Zeugin verneint. Der Angeklagte habe geschrien und gesagt, er töte sie, er töte beide. Sie habe den Angeklagten vorher noch angefleht, es wegen der drei Kinder nicht zu machen. Jener sei jedoch eifersüchtig gewesen und habe ihr vorgehalten, mit einem anderen Mann im Schwimmbad gewesen zu sein. Dieser Vorwurf stimme nicht, sie könne nicht schwimmen und sei ungern dort. Es sei während der Ehe öfters zu Streitigkeiten gekommen und sie habe die Scheidung erwogen bzw. mit dieser gedroht. Sie habe verneint, dass er den Kindern etwas habe antun wollen.
56
Der Zeuge X, machte weiter folgende Angaben: Der Angeklagte habe ihm im Wesentlichen erzählt, dass er in Afghanistan seine Frau geheiratet habe und sie dort wie ein normaler afghanischer Ehemann – nämlich schlecht – behandelt habe. Während die beiden noch in ihrem Heimatland gewesen seien, sei ein Bruder seiner Ehefrau, der den Taliban zugehörig gewesen sei, durch die Taliban geköpft worden und sein Leichnam ohne Kopf zu der Familie seiner Ehefrau verbracht worden, wobei der Angeklagte als Polizist und Ehemann der Geschädigten hinzugezogen worden sei. Zwar sei dies fürchterlich und er, der Angeklagte, erschüttert gewesen, jedoch habe dies keine Belastung für ihn dargestellt. Die Geschädigte hingegen habe die Bilder des geköpften Leichnams nicht vergessen können, habe davon geträumt und sei schwer belastet gewesen, weswegen sie sich bereits in Afghanistan in ambulante therapeutische Behandlung begeben habe, welche sie in Deutschland fortgeführt habe. Ob diese bei einem Psychologen oder Psychiater erfolgt sei, es sich um eine reine Gesprächstherapie gehandelt habe und/oder die Zeugin X auch Psychopharmaka eingenommen habe, wisse er, der Zeuge, ebenso wenig, wie wie häufig genau jene Behandlungstermine erfolgt seien. Für ihn, den Zeugen, habe es so geklungen, als ob sie regelmäßig dort gewesen sei. Er habe es so verstanden, dass Frau X mindestens 1 Mal im Monat zur Behandlung gewesen sei. Außer dem Angeklagten kenne er, der Zeuge, niemanden aus dessen Familie, er habe lediglich für etwa eine Stunde als Zuhörer der Vernehmung der Zeugin X durch die Kammer beigewohnt. In ihrer Familie gebe es jedoch eine Frau, deren Ehemann wegen Mordes angeklagt und sie ihn derart „losgeworden“ sei. Es handle sich um ein Muster.
57
Die Ehe der Xs sei eigentlich gut gewesen. Er, der Zeuge X, halte den Angeklagten überhaupt nicht für eifersüchtig, er nehme an, dass Frau X eifersüchtig gewesen sei, da sie klein sei und es nach ihrer Vorstellung schönere deutsche Frauen gebe.
58
Er, der Zeuge, sei seit 15 Jahren Seelsorger und innerlich so sehr davon überzeugt, dass der Angeklagte unschuldig sei, dass er nachts aus dem Schlaf aufgewacht sei und einen Brief an das Gericht habe schreiben müssen. Er habe sich auch mit Herrn Pfarrer X, der das alles überhaupt nicht verstehe, da sich die Familie so gut eingelebt gehabt habe, über den Angeklagten und dessen Frau ausgetauscht. Er, der Zeuge X, habe die Anklage gelesen und sich intensiv mit dem Islam befasst, in bestimmten Ländern – wenn auch nicht in Deutschland – hätten Muslime, die ihren Glauben aufgäben, die Todesstrafe zu fürchten. Kein Familienangehöriger des Angeklagten lebe in Deutschland. Neben dem Halbbruder der Geschädigten X würden noch 2 Tanten von ihr in Deutschland leben, wobei er, der Zeuge, jenen nicht zutraue, dass diese die Geschädigte umbrächten.
59
Die Zeugin X, Pensionärin, bekundete insbesondere Nachfolgendes: Sie habe die Familie X erinnerlich im Jahr 2015 kennengelernt, als diese nach X in die Flüchtlingsunterkunft gekommen sei. X X sei damals mit ihrem 3. Kind schwanger gewesen. Sie, die Zeugin, habe die Familie öfters besucht und etwa bei Arztterminen unterstützt. Sie hätten sich gegenseitig gemocht. Sie seien regelmäßig, mindestens ein Mal wöchentlich, in Kontakt gestanden, wobei die Zeugin vor allem Kontakt zur Geschädigten X gehabt habe, da der Angeklagte auf der Arbeit und auf Montage gewesen sei. Die Geschädigte habe die Zeugin aus dem Kreißsaal angerufen, woraufhin die Zeugin und deren Mann den Angeklagten abgeholt hätten. Eines Nachts seien die Geschädigte und der Angeklagte mit dem Kind auf dem Arm zur Zeugin gekommen, weil die Geschädigte sich aufgrund des damaligen, für sie unerträglichen Alkoholkonsums des Angeklagten von jenem habe trennen wollen. Die Zeugin habe dem Angeklagten dabei geraten, mit dem Trinken aufzuhören, wenn er seine Frau halten wolle, was jener auch getan habe. Man habe gespürt, dass der Angeklagte sehr an seiner Frau gehangen habe.
60
Auch nach dem Umzug der Familie nach X habe die Zeugin die Geschädigte X und die Kinder regelmäßig besucht, bei Briefen geholfen, sich mit den Kindern beschäftigt und sie hätten gemeinsame Spaziergänge unternommen. Bei einem Ausflug an den Badesee habe die Geschädigte X sich nicht ausziehen wollen, ohne dies weiter zu begründen, weswegen die Zeugin im Badeanzug mit den Kindern ins Wasser schwimmen gegangen sei.
61
Die Geschädigte X habe immer Kopfschmerzen gehabt, zu deren Behandlung sie Schmerztabletten eingenommen habe. Eine Diagnose sei der Zeugin nicht bekannt ebenso wenig wie sie bei der Geschädigten X, die normal gewirkt habe, etwas bezüglich psychischer Probleme mitbekommen habe.
62
In der Zeit vor dem Unfall sei eine Trennung kein Thema mehr gewesen. Bei dem letzten Treffen der Zeugin mit der Familie X vor dem Unfall sei es dem Angeklagten körperlich und seelisch nicht gut gegangen.
63
Der Angeklagte habe immer versucht, etwas Schönes mit seiner Frau zu unternehmen, wie einen Einkaufsbummel oder er habe ihr Geschenke gemacht. Er habe um sie geworben und versucht, sie sich gewogen zu machen. Dass sie den Führerschein erlangt habe, habe er unterstützt und ihn stolz gemacht.
64
In Bezug auf den Unfall habe die Geschädigte der Zeugin nichts zum Unfallhergang erzählt, sondern nur, dass der Angeklagte sie, als die Mutter seiner Kinder, habe töten wollen. Bei der Wohnungsauflösung habe sie die Geschädigte zum 1. Mal nach dem Unfall getroffen, wobei die Geschädigte sehr klar und nicht bedrückt gewesen sei.
65
Der Zeuge X hat im Wesentlichen noch Folgendes bekundet: Er habe die Familie X 2015 kennengelernt, als jene in Gaggstatt/Jagst als Flüchtlinge untergebracht worden seien. Im Advent 2016 sei die gesamte Familie evangelisch getauft worden. Der Angeklagte habe – im Gegensatz zu seiner Ehefrau – regelmäßig den Gottesdienst besucht, im Gesangbuch gelesen und hinsichtlich ihm unverständlicher Textpassagen den Zeugen um Erläuterung gebeten. Er habe die Familie intensiv unterstützt und in der Regel 14-tägig besucht. Es sei eine fröhliche Familie gewesen, manchmal habe es Spannungen gegeben. Die Zeugin X habe ihm, dem Zeugen, in der Vergangenheit berichtet, ein selbständiges Leben führen zu wollen, was sie damit begründet habe, dass der Angeklagte nicht auf sie höre. Die Frage des Zeugen, ob der Angeklagte sie schlage, habe sie verneint. Die Zeugin X sei wegen schulischer Probleme des ältesten Sohnes zu Gesprächen beim Jugendamt gewesen. Es sei auch vage ein Fahrzeugkauf thematisiert worden, auf den die Zeugin X viel Wert gelegt habe. Die Zeugin X habe ihm erzählt, dass der Angeklagte immer meine, dass sie etwas mit anderen Männern habe, was sie jedoch nie tun würde. Der Angeklagte habe befürchtet, seine Ehefrau würde mit anderen Männern telefonieren. Die Zeugin X habe schon lange einen Trennungswunsch gehabt. Die Geschädigte habe sich chic und modern gekleidet, weswegen sich der Zeuge gefragt habe, ob dies dem Angeklagten, der nicht konservativ sei, etwas ausgemacht habe. Vier Tage vor dem Unfall habe der Zeuge die Familie X zuletzt gesehen, wobei die Stimmung gut gewesen sei, alle lustig gewesen seien und man mit den Kindern gescherzt habe.
66
Am Unfalltag habe die Geschädigte weinend den Zeugen gegen 18:00 Uhr aus dem Krankenhaus angerufen und gesagt: „X wollte uns beide töten, können Sie mich besuchen?“, wobei er ihrer Bitte entsprochen habe. Sie sei fit und völlig klar gewesen und habe ihm erzählt, dass sie unterwegs nach X gewesen seien, um von dem Arbeitgeber des Angeklagten ein Auto für sie zu kaufen. Der Angeklagte habe sie gefragt, mit wem sie eine Woche zuvor im Schwimmbad gewesen sei, was sie heftig abgestritten habe. Sie würde nicht ins Schwimmbad gehen und schon gar nicht mit einem Mann. Sie sei nur ein Mal mit einer Frau schwimmen gewesen. Der Angeklagte habe den Unfall provoziert, sei absichtlich auf den Lkw aufgefahren und habe sie geschlagen, nachdem der Pkw auf der Wiese zum Stehen gekommen sei. Er, der Zeuge, könne dies jedoch nicht glauben, auch finde er den Grund der Fahrt merkwürdig, zumal sich der Unfall nicht auf der Strecke nach X ereignet habe. Im Zeitpunkt seines Krankenhausbesuchs habe sie bereits in die Wege geleitet gehabt, mit den Kindern außerhalb von X in einem Frauenhaus unterzukommen.
67
Der Zeuge X, Halbbruder der Geschädigten X und von Beruf Lieferfahrer, hat im Wesentlichen bekundet: Die Geschädigte X habe ihm bereits früher von ihren Problemen erzählt, wobei er nicht wisse, ob das Erzählte stimme. Es gebe drei Problemfelder: 1. Der Angeklagte habe kein Vertrauen zu ihr und habe ihr eine Beziehung mit dem Fahrschullehrer unterstellt. 2. Es störe sie, dass der Angeklagte sehr viel Geld an seine Familie in Afghanistan schicke. 3. Der Angeklagte schenke den Kindern wenig Aufmerksamkeit. Die Zeugin X habe ihn, den Zeugen, gebeten, eine Wohnung für sie in der Nähe seines Wohnortes zu suchen. Sie und die Kinder dürften dorthin umziehen, wohingegen der Angeklagte wegen seiner Arbeitsstelle am bisherigen Wohnort verbleibe. Später, etwa ein Jahr vor dem Unfall, habe sie dem Zeugen mitgeteilt, dass die Probleme aus der Welt seien, sie eine Wohnung in X gefunden hätten und sie dort blieben.
68
Er, der Zeuge, habe sich von seiner Ex-Frau scheiden lassen. Der Angeklagte sei nur wegen des Passes zum christlichen Glauben übergetreten. Der Angeklagte habe oft gelogen.
69
Am Tag des Unfalls habe ihn die Geschädigte weinend und aufgeregt angerufen und ihn gebeten, zu ihr zu kommen. Der Angeklagte wolle sie umbringen, woraufhin er, der Zeuge, sie gefragt habe, wieso sie ihn und nicht die Polizei anrufe. Der Angeklagte habe ihr vorgeworfen, mit einem anderen Mann im Schwimmbad gewesen zu sein. Er, der Zeuge, habe sie 15 Minuten später zurückgerufen als sie bereits im Krankenhaus gewesen sei. Während dieses Telefonats habe die Geschädigte dem Zeugen Folgendes erzählt: Der Angeklagte sei lieb zu ihr gewesen und habe ihr ein Auto kaufen wollen. Nachdem der Angeklagte auf die Autobahn aufgefahren gewesen sei, habe er ihr plötzlich vorgeworfen, mit einem anderen Mann im Schwimmbad gewesen zu sein und habe gesagt, dass er sie töten wolle. Als er nach dem Unfall gemerkt habe, dass sie durch jenen nicht gestorben sei, habe er ihr auf den Brustkorb geschlagen.
70
Nachdem der Zeuge das gehört gehabt habe, habe er wissen wollen, was der Angeklagte dazu zu sagen habe. Nach 5 bis 6 Anrufversuchen habe er den Angeklagten telefonisch erreicht und der Angeklagte habe Folgendes gesagt: Die Frau des Zeugen lebe seit 30 Jahren in Deutschland, wie sie sich kleide und verhalte sei normal. Die Tochter des Zeugen sei hier geboren und sehr anständig. Die Ehefrau des Angeklagten hingegen würde die eigene Kultur missachten und sich so kleiden, dass man ihren Bauch und ihre Brüste sehen könne. Der Angeklagte würde alles schön für seine Frau machen, ihr beste Schminksachen kaufen, ihr den Führerschein ermöglichen und doch sei das Verhältnis zwischen ihnen nicht wie unter Eheleuten. Sie würden getrennt schlafen, sie im Schlafzimmer und er auf der Couch im Wohnzimmer. Wenn der Angeklagte Geschlechtsverkehr wolle, würde die Geschädigte immer Ausreden suchen, behaupten, ihre Periode zu haben und den Angeklagten durch Ketchup auf Damenbinden hereinlegen. Auch würde sie nachts immer telefonieren. Er, der Angeklagte, sei gerade mit dem Taxi unterwegs, könne dieses jedoch nicht zahlen, weswegen dies ein Freund für ihn machen müsse. Von einem Schwimmbadbesuch habe der Angeklagte nichts erzählt. Der Angeklagte habe darum gebeten, dass die Geschädigte keine Anzeige gegen den Angeklagten erstatte. Sie solle an die Kinder denken. Dies sei jedoch zu spät gewesen, da die Zeugin X bereits Anzeige bei der Polizei erstattet gehabt habe. Das sei der letzte Kontakt des Zeugen zum Angeklagten gewesen.
71
Am selben Abend habe er fast eine Stunde mit der Zeugin X telefoniert. Dabei habe sie ihm Folgendes erzählt: Sie habe Anzeige bei der Polizei gegen den Angeklagten erstattet, der inzwischen festgenommen worden sei. Der Angeklagte habe sie umbringen wollen und ihr dies auch gesagt. Der Angeklagte habe der Zeugin X erzählt, dass sein Chef ein Auto habe und Aussehen, Anzahl der Türen, das Vorhandensein einer Automatik beschrieben und ihr mitgeteilt, dass er es kaufen würde, da sie ihren Führerschein gemacht habe. Er würde das Geld dafür aufbringen und den Wagen in Raten bezahlen. Bis zur Autobahn sei zwischen ihnen alles ganz normal gewesen. Dann habe der Angeklagte ihr vorgehalten, mit einem anderen Mann im Schwimmbad gewesen zu sein. Der Angeklagte habe ein bis zwei Wochen vor dem Unfall zweierlei Sorten Youtube-Videos angesehen: zum einen Videos davon, wie Frauen, die ins Ausland kämen, verderben würden und zum anderen Videos, bei denen Unfälle zu sehen gewesen seien, bei denen die Beifahrerin sterben und der Fahrer überleben würde. Der Angeklagte habe einen Plan gehabt.
72
Die sowohl als Zeugin als auch als Sachverständige gehörte Diplom-Psychologin X, mit Tätigkeit im Bereich der Aussagepsychologie, die von ihrer Patientin X X eingeschränkt, namentlich hinsichtlich der Gesprächsinhalte, die Geschehnisse ab dem X betreffen, von der Schweigepflicht entbunden worden war, bekundete im Wesentlichen: Am X habe sie die Geschädigte X, die sich seitdem bei der Zeugin in Behandlung befinde, kennengelernt. Der Patientin sei es sehr schlecht gegangen und sie habe typische Symptome einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), namentlich Schlafstörungen, Erregtheit, Flashbacks, Selbstvorwürfe und eine starke körperliche Angeschlagenheit, anhaltende Ängste, Zukunftsängste und Schreckhaftigkeit aufgewiesen und kaum sprechen können. Die Geschädigte habe dies auf den Verkehrsunfall zurückgeführt, von dem sie immer wieder sehr plastisch berichtet habe. Sie sei in großer Sorge gewesen und habe sich wiederholt in einem Zustand der Erregung befunden. Das Erleben des verfahrensgegenständlichen Unfallgeschehens sei als Ursache für die PTBS ausreichend.
73
Daneben liege bei der Geschädigten auch eine schwere depressive Episode (ICD10: F32.2) vor, die sich durch häufiges Weinen, das fast das Ausmaß von Weinkrämpfen annehme, Interessenverlust, Freudlosigkeit, Antriebsstörung und typische Morgentiefs, die es ihr unmöglich machten, morgens die Kinder zu versorgen, weswegen sie hierbei Unterstützung bedürfe, äußere. Insofern habe sie, die Zeugin, die in der fachärztlichen/psychologischen Bescheinigung vom X gestellte Diagnose einer depressiven Symptomatik (ICD10: F31.2) zu korrigieren. Der Geschädigten gehe es sehr schlecht. Die depressive Episode sei als schwer einzustufen und beruhe auf dem verfahrensgegenständlichen Verkehrsunfall, da die Geschädigte zuvor ein relativ glückliches Leben mit ihrem Mann und ihren Kindern in Deutschland geführt habe. Jedoch würden bei der Geschädigten keine Erinnerungslücken vorliegen.
74
Frau X leide darunter, dass die Haft des Angeklagten irgendwann zu Ende sei, da sie ihn und seine Familie fürchte. Der Angeklagte versuche Kontakt zu den Kindern aufzunehmen, wobei Frau X Angst habe, dass er ihr auf diese Weise bedrohlich werden könne.
75
Der Angeklagte habe ein Problem mit dem Rollenbild wie sich eine afghanische Frau in Deutschland zu verhalten habe.
76
Frau X schildere Einschlafprobleme wegen bestehender Gedankenschleifen ebenso wie Durchschlafprobleme und Erregungszustände. Am X habe sie auch über Schmerzen in den Beinen geklagt.
77
Es hätten bereits 12 Termine stattgefunden, die Behandlung werde jedoch bei individueller Terminvereinbarung, durchschnittlich 14-tägig, fortgesetzt, wobei ein Therapieende nicht absehbar sei. Die anfängliche Medikation sei im März 2021 wegen einer Unverträglichkeit seitens der Patientin abgesetzt worden.
78
Frau X habe ihr das Unfallgeschehen wie folgt geschildert: Sie habe den Führerschein gemacht und daher in Deutschland Auto fahren dürfen, was für sie etwas Besonderes gewesen sei, das sie mit Stolz erfüllt habe. Der Angeklagte habe für sie von einem Arbeitskollegen ein Auto besorgt gehabt, das sie abholen hätten wollen. Im Nachhinein habe sie vom Arbeitgeber des Angeklagten erfahren, dass es das vorgenannte Fahrzeug nie gegeben habe. Sie sei Beifahrerin gewesen und der Angeklagte habe ihr während der Autofahrt über das Videoportal Youtube Tutorials gezeigt, wie man einen Unfall verursache, ohne selbst dabei verletzt zu werden. Der Angeklagte sei dabei sehr erregt gewesen, da sie mit einer Freundin im Schwimmbad gewesen sei. Sie habe ihn noch gebeten, an die Kinder zu denken, aber er sei unter den Lkw gefahren, wodurch sie schwere Verletzungen erlitten habe. Als bereits Ersthelfer da gewesen seien, habe der Angeklagte auf sie eingeschlagen und es bedauert, dass sie nicht gestorben sei.
79
Der Zeuge X, afghanischer Lagerlogistiker, machte insbesondere nachfolgende Angaben: Er habe das Ehepaar X 2016 in X kennengelernt, wo jenes in einem Heim für Verheiratete und er in einem solche für Ledige gelebt habe. Sie seien sehr eng befreundet und hätten seitdem immer Kontakt gehabt, wobei er unter der Woche arbeitsbedingt telefonischen Kontakt zum Angeklagten gepflegt und ihn und seine Familie an den Wochenenden besucht habe. Bei den Treffen seien der Zeuge und der Angeklagte nie zu zweit gewesen, sondern auch immer die Geschädigte mit dabei gewesen, die für den Zeugen wie eine Schwester und der Angeklagte wie sein Bruder sei. Der Angeklagte habe ihm gegenüber nie Sorgen dahingehend geäußert, dass die Geschädigte während seiner, des Angeklagten, beruflichen Abwesenheiten Kontakte zu anderen Männern unterhalte. Dem Zeugen sei nichts von Trennungsabsichten, Eifersucht, einer christlichen Taufe, Gottesdienstbesuchen und dem Wunsch Xs, in der Nähe ihres Bruders zu leben, bekannt, obgleich er davon ausgehe, dass die Xs all ihre Probleme mit dem Zeugen besprochen hätten. Die Geschädigte habe gerne in einer Großstadt wie Berlin oder Hamburg leben wollen wegen der dortigen besseren Bildungsmöglichkeiten für die Kinder. Der Zeuge glaube, der Angeklagte und die Geschädigte seien sehr glücklich und sehr verliebt gewesen, Streit zwischen den Eheleuten X würde lange zurückliegen. Die Geschädigte habe vor dem Unfall auch nur Gutes über den Angeklagten erzählt.
80
Drei oder vier Tage vor dem Unfall habe er, der Zeuge, die Familie X zum gemeinsamen Pizza essen besucht. Der Angeklagte habe mit ihm, dem Zeugen, über das Auto, das er habe holen wollen gesprochen. Der Angeklagte habe schon lange für seine Frau ein Auto kaufen wollen, da sie den Führerschein gemacht gehabt habe.
81
Am Tag des Unfalls habe ihn der Angeklagte angerufen mit der Bitte, die Kinder gegen 14:00/15:00 Uhr abzuholen, falls das Ehepaar X später zurückkehren sollte, wobei der Zeuge die Kinder der Familie X zuvor noch nie abholt gehabt habe. Während des Anrufs seien der Angeklagte und die Geschädigte auf der Fahrt nach X oder Stuttgart, das Fahrtziel könne der Zeuge nicht mehr sicher erinnern, unterwegs gewesen, um ein Auto für die Geschädigte abzuholen. Den Fahrzeugtyp habe der Angeklagte dabei nicht genannt ebenso wenig wie dass das Fahrzeug vom Arbeitgeber des Angeklagten sei. Er, der Zeuge, wisse aber, dass die Geschädigte gerne einen viertürigen Opel, in dem Platz für die gesamte Familie gewesen sei, gewollt habe. Der Zeuge habe über den Lautsprecher sowohl mit dem Angeklagten als auch mit der Geschädigten gesprochen. Für den selben Abend habe er auch eine Einladung zum Abendessen bei den Xs gehabt.
82
Später habe der Angeklagte den Zeugen nochmals angerufen mit der Bitte, ihn in X, wo der Angeklagte sich mit dem Taxi habe hinbringen lassen, und anschließend gemeinsam die Kinder abzuholen. Dabei habe der Angeklagte dem Zeugen auch berichtet, dass er einen Unfall gehabt habe, wobei es nicht sehr schlimm gewesen sei und er die Einzelheiten zu einem späteren Zeitpunkt erzählen werde. Weder der Angeklagte noch der Zeuge hätten Geld gehabt, um die Taxifahrt zu bezahlen. Der Angeklagte habe versucht, Geld von der Bank zu holen, was jedoch nicht möglich gewesen sei, da die Geschädigte im Besitz der Bankkarte gewesen sei. Der Angeklagte sei müde gewesen und habe große Angst nach den Ereignissen gehabt. Dann sei die Polizei, welcher gegenüber sich der Zeuge wahrheitswidrig als Cousin des Angeklagten ausgegeben habe, um von jener Informationen zu erhalten, dazugekommen und habe den Angeklagten mitgenommen. Die Polizei habe zudem die Kinder abgeholt. Obwohl der Zeuge sich in der Folgezeit darum bemüht habe, sei ein Kontakt zu dem Angeklagten nicht mehr zustande gekommen.
83
Der Zeuge habe die Geschädigte angerufen, die ihm auf seine Frage, was passiert sei, unter Tränen Folgendes geantwortet habe: Sie befinde sich im Krankenhaus, da sie einen Unfall gehabt hätten, wobei der Angeklagte beabsichtigt habe, sie umzubringen, da irgendjemand dem Angeklagten erzählt habe, dass sie mit einem anderen Mann, dessen Namen sie genannt, den der Zeuge jedoch nicht mehr zu erinnern vermochte, da er die Person nicht gekannt habe, zusammen gewesen sei. Sie, also der Angeklagte und die Geschädigte, hätten sich unterhalten und diskutiert und plötzlich sei es zum Unfall gekommen, weil der Angeklagte sie habe töten wollen, da ihm jemand Lügen erzählt habe.
84
Sie habe ihm auch die Telefonnummer der Rechtsanwältin des Angeklagten gegeben, wobei sie gedacht habe, dass der vom Gericht beauftragte Rechtsanwalt keine gute Arbeit machen würde, weswegen sie ihn gebeten habe, für den Angeklagten einen anderen Rechtsanwalt zu mandatieren.
85
Aktuell habe er immer noch Kontakt zur Geschädigten X, der es vor dem Unfall gut gegangen sei ebenso wie danach. Er wisse nicht, ob sie in Deutschland noch unter den Ereignissen der Flucht gelitten habe, da sie nicht mit ihm darüber gesprochen habe und dies nur in ihrem Herzen habe. Dass es der Geschädigten gut gehe, habe der Zeuge selbst gesehen als er sie bei der Räumung der Wohnung unterstützt habe. Er habe oft mit ihr gesprochen. Zwar sei es ihr Wunsch, dass der Angeklagte „auf freien Fuß“ komme, jedoch wolle sie nicht mehr mit jenem zusammen sein, was der Zeuge bedauere. Sie sei sehr traurig, dass er während der Haft so stark abgenommen habe.
86
Die Zeugin X, Ehefrau des Firmeninhabers der Firma Brandschutz X, der Arbeitgeberin des Angeklagten, und dortige Mitarbeiterin, sagte aus: Der Angeklagte sei seit X als Brandschutzmonteur, was kein Ausbildungsberuf sei, sondern lediglich handwerkliche Fähigkeiten voraussetze, die der Angeklagte gehabt habe, bei der Firma X in X beschäftigt. Monteure seien nie am Firmensitz tätig, sondern würden auf Baustellen eingesetzt, wobei ab einer Anfahrtszeit von 2 Stunden der Trupp, in der Regel bestehend aus einem Obermonteur und ein bis zwei Monteuren, vor Ort übernachte und erst am Ende der Woche zurückkehre. Der Angeklagte sei in Vollzeit mit einer 40-Arbeitsstundenwoche beschäftigt gewesen, wobei er in etwa zu 2/3 auf Tagesbaustellen und zu 1/3 auf Montage eingesetzt worden sei und nur wenige Überstunden gemacht habe. Vom X bis X habe sich der Angeklagte krankgemeldet und sei nicht auf der Arbeit erschienen. Vom X bis X habe er gearbeitet und am X zudem die Prüfung zum Obermonteur abgelegt und bestanden. Als die Kollegen ihn am X an seiner Wohnanschrift haben abholen wollen, habe der Angeklagte nicht wie sonst vor der Wohnung gewartet und sei auch über sein Mobiltelefon nicht erreichbar gewesen, weswegen der Trupp um 06:00 Uhr ohne ihn zur Baustelle weitergefahren sei. Der Angeklagte habe für den X weder Urlaub beantragt und genehmigt bekommen noch wegen Überstunden frei gehabt, sondern unentschuldigt gefehlt. In der EDV sei dies nachträglich als Urlaubstag erfasst worden. Nachdem durch die Disposition die Trupps für die verschiedenen Baustellen zusammengestellt und eingeteilt werden würden, sei es nicht möglich, sehr kurzfristig von einem auf den anderen Tag frei zu nehmen. Die Ehefrau des Angeklagten habe ihr telefonisch mitgeteilt, dass der Angeklagte in der JVA sei und hinsichtlich des Unfalls berichtet, dass der Angeklagte ihr vorgehalten habe, am X mit X (phon.) im Schwimmbad gewesen zu sein, was ihn aufgeregt habe. Der Angeklagte sei sehr schnell gefahren und habe gesagt, dass sie alle sterben würden. Sie habe ihn gebeten, die Geschwindigkeit zu verringern und an die Kinder zu denken, dann sei der Angeklagte absichtlich auf den Lkw aufgefahren. Sie seien auf dem Weg nach X gewesen, um dort einen Pkw Mercedes der Firma X für die Geschädigte X zu kaufen. Daraufhin habe sie, die Zeugin, sich erkundigt und in der „Dispo“ nachgesehen. Bei der Firma X sei ein Houssein, ein ganz freundlicher junger Mann, beschäftigt, der sich derzeit im Iran aufhalte, verlobt sei und mit dem Angeklagten keine Probleme gehabt habe. Es könne nicht sein, dass Houssein mit der Geschädigten am X im Schwimmbad gewesen sei, da er an diesem Tag für die Firma unterwegs gewesen sei. Ebenso wenig habe es einen Firmenwagen in X zum Verkauf gegeben, zumal die Firma – abgesehen von einer aktuellen Baustelle in X – keine geschäftlichen Beziehungen nach Bayern habe.
87
Die Zeugin KHKin X, vormals X, hat bekundet: Sie sei die in dem Verfahren, dem ein Verkehrsunfall vom X gegen 11:05 Uhr auf der Bundesautobahn 7 zugrunde gelegen sei, sachbearbeitende Kriminalbeamtin gewesen. Ihre Ermittlungen hätten ergeben, dass es in X ein Hallenbad gebe, das montags geschlossen sei. Sie habe das Mobiltelefon der Geschädigten X, auf dem die App WhatsApp nicht installiert gewesen sei, kurz durchgesehen, wobei die meisten Kontakte zu deren Sohn bestanden hätten. Der älteste Sohn des Ehepaars X sei wegen unangemessenen Verhaltens der Schule verwiesen worden, weswegen das Jugendamt eine Familienhilfe eingerichtet habe. Die Kinder des Ehepaars X seien montags lange in der Schule bzw. Nachmittagsbetreuung und erst nachmittags von dort abzuholen, sodass es zeitlich möglich gewesen wäre, jene nach einem Autokauf in X selbst abzuholen. Die seitens des Angeklagten gefahrene Strecke und der Unfallort würden jedoch nicht den Fahrtweg nach X darstellen. Sie habe den Zeugen X telefonisch vernommen, wobei es nach ihrer Einschätzung nicht sein könne, dass jener bereits am Unfallort gewusst habe, dass wegen eines Tötungsdelikts ermittelt werde, da der Unfall zunächst als Verkehrsdelikt erfasst worden sei und sich die Geschädigte X erst später im Klinikum X dem dortigen Personal anvertraut habe, als der Angeklagte jenes verlassen habe.
88
Die Zeugen X und PHK X konnten keine sachdienlichen Angaben machen.
89
Zur Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugin X Bei der Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugin X wie bei der übrigen gesamten Beweiswürdigung ist berücksichtigt worden, dass es sich vorliegend nicht um eine klassische Aussage-gegen-Aussage-Konstellation handelt, da der Angeklagte sich in der Hauptverhandlung gerade nicht zur Sache eingelassen hat und darüber hinaus neben der Aussage der Zeugin X weitere Beweismittel zur Verfügung stehen. Dennoch hat die Kammer bei der Beweiswürdigung Vorsicht walten lassen und sorgfältig geprüft, ob das Unfallgeschehen auch auf anderweitige Unfallursachen zurückzuführen sein könnte, etwa denjenigen, die der Angeklagte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens gegenüber anderen Zeugen und dem Sachverständigen Dr. X gegenüber vorgebracht hat, wie diese jeweils glaubhaft berichtet haben.
90
Die Zeugin X ist zur Überzeugung der Kammer aussagetüchtig. Sie war zum Zeitpunkt der Tat fähig, das Verhalten des Angeklagten, insbesondere seine Worte und Handlungen, zuverlässig wahrzunehmen, das von ihr Wahrgenommene im Gedächtnis abzuspeichern sowie sicher zu bewahren und sie verfügt, was sich bei ihrer Vernehmung gezeigt hat, auch über das erforderliche sprachliche Ausdrucksvermögen, um das von ihr Wahrgenommene wiederzugeben. Daran, dass die Zeugin in der Lage ist, Erlebtes von anders generierten Vorstellungen, etwa in Augenschein genommenen Verkehrsunfällen und Fahrzeugcrashtests über das Videoportal Youtube, zu unterscheiden, besteht ebenfalls kein Zweifel. Die Zeugin X ist zur Überzeugung der Kammer in der Lage, Erlebtes und Phantasien zu differenzieren. Auch wenn – wie die Zeugin X bestätigte – tatsächlich kein Fahrzeug des Arbeitgebers des Angeklagten zum Verkauf stand und sich der Unfall nicht auf der Autobahn Richtung X ereignete, ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass der Angeklagte einen Pkw-Kauf der Zeugin X als Anlass und X als Ziel der Fahrt genannt hat, da dies in Einklang mit weiteren erhobenen Beweisen steht. Der Angeklagte selbst ließ sich gegenüber dem Zeugen X, wie dieser bekundete, dahingehend ein, dass sich der Unfall auf der Fahrt nach X, wo sie ein Auto hätten kaufen wollen, ereignet habe und nannte auch dem Sachverständigen Dr. X, wie dieser ausführte, X als Fahrtziel zum Einkaufen, wenn auch von Kleidung. Ebenso berichtete der Zeuge X, dass ihn das Ehepaar X während der Autofahrt angerufen habe und mitgeteilt habe, dass es wegen eines Pkws für Frau X unterwegs sei, wobei er sich nicht mehr erinnern konnte, ob in Richtung X oder Stuttgart. Die Kammer ist davon überzeugt, dass der Angeklagte auch dem Zeugen X X als Zielort nannte, da das Gespräch im Beisein der Zeugin X stattfand und jene bei abweichenden Ortsangaben sonst misstrauisch werden hätte können.
91
Wegen Besonderheiten in der Person des Zeugen, wie etwa dem Vorliegen einer psychischen Erkrankung und bei Zeugen, die sich in psychologischer bzw. psychiatrischer Behandlung befinden, kann die Hinzuziehung eines Sachverständigen geboten sein. Dies ist im verfahrensgegenständlichen Einzelfall jedoch nicht der Fall, wobei die Kammer dabei nicht verkennt, dass die Zeugin X ausweislich der Angaben der Sachverständigen X an einer posttraumatischen Belastungsstörung sowie an einer schweren depressiven Episode (ICD10: F32.2) leidet und sich aufgrund dessen seit X durchgehend in psychologischer Behandlung befindet. Unter Heranziehung und Würdigung der Aussage der Sachverständigen X hat die Kammer aber keine Anhaltspunkte dafür, dass die vorgenannten psychischen Erkrankungen Einfluss auf die Zeugentüchtigkeit der Zeugin X haben. Ihre Aussagetüchtigkeit war aufgrund der vorgenannten psychischen Erkrankungen nicht beeinträchtigt, da jene im Zeitpunkt der Tat noch nicht vorlagen, sondern durch diese erst hervorgerufen worden sind. Darüber hinaus bestehen bei der Geschädigten ausweislich der glaubhaften Ausführungen der Zeugin X keine Erinnerungslücken. Die Kammer würdigt dabei auch, dass die Sachverständige X, die ihren Angaben zufolge auch aussagepsychologische Gutachten erstattet, die Angaben der Zeugin X, die der Zeugin X immer wieder sehr plastisch von dem Unfallgeschehen berichtet habe, als sehr glaubhaft einschätzt.
92
Ein Anderes ergibt sich auch nicht aufgrund des Umstandes, dass die Geschädigte X in Afghanistan und während der Flucht nach Deutschland Schlimmes erlebt haben mag, da die Kammer nicht feststellen konnte, dass sie vor dem verfahrensgegenständlichen Verkehrsunfallgeschehen bereits an einem vergleichbaren Verkehrsunfall beteiligt gewesen ist. Aufgrund dessen kann ausgeschlossen werden, dass die Zeugin X die Erinnerungen an verschiedene Verkehrsunfälle miteinander vermischt. Ebenso wenig konnte die Kammer feststellen, dass sie sich bereits in Afghanistan in psychologischer Behandlung befunden hat, da die diesbezüglichen Angaben des Zeugen X sehr vage waren und zum Teil auf seinen Schlussfolgerungen und Vermutungen beruhten.
93
Im Tatzeitpunkt war die Zeugin X nüchtern und stand weder unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln noch unter demjenigen von zentral wirksamen Medikamenten. Hiervon ist die Kammer aufgrund des verlesenen Gutachtens der Sachverständigen Prof. Dr. X und Dr. X vom X, aus dem als Analyseergebnis bezüglich der der Geschädigten am X um 15:29 Uhr entnommenen Blutprobe hervorgeht, dass im Zeitpunkt jener keine Alkoholisierung bestanden habe sowie dem verlesenen Gutachten der vorgenannten Sachverständigen sowie des Sachverständigen Dr. X vom X, demgemäß sich aus der chemisch-toxikologischen Untersuchung der der Geschädigten entnommenen Venenblutprobe keine Anhaltspunkte für den Konsum von Betäubungsmitteln oder für die Einnahme von zentral wirksamen Medikamenten in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Blutentnahme ergeben hätten, überzeugt. Die vorbezeichneten Untersuchungsergebnisse stehen in Einklang mit dem verlesenen Untersuchungsbefund der Assistenzärztin X vom X, wonach die Sprache der Geschädigten deutlich, ihre Pupillen unauffällig, ihre Pupillenlichtreaktion prompt, ihr Bewusstsein klar und ihr Denkablauf geordnet war. Sie war demnach auch zur Tatzeit in ihrer Wahrnehmungsfähigkeit nicht beeinträchtigt.
94
Ebenso wenig stand die Zeugin X im Zeitpunkt ihrer Aussage in der Hauptverhandlung am X unter dem Einfluss von Psychopharmaka, da ihre, sie seit X behandelnde Psychologin, die sowohl als sachverständige Zeugin als auch als Sachverständige gehörte Diplom-Psychologin X, plausibel und nachvollziehbar ausführte, dass die anfänglich medikamentös erfolgende Behandlung der Zeugin X bereits im März X eingestellt worden ist. Aufgrund des seitdem erfolgten Zeitablaufs von mehreren Monaten war von der bis März X erfolgenden Medikamenteneinnahme keine Auswirkung mehr auf das Bewusstsein, die Wahrnehmung und das Erinnerungsvermögen der Zeugin X am X gegeben, zumal sie im Zeitpunkt ihrer Aussage zeitlich und örtlich orientiert war und die ihr gestellten Fragen sowohl unter Zuhilfenahme der Dolmetscherin für die Sprache Farsi als auch direkt in deutscher Sprache adäquat beantwortete. Eine Benommenheit, anderweitige Bewusstseinsbeeinträchtigungen oder irgendwie geartete Verhaltensauffälligkeiten stellte die Kammer bei der Zeugin X – abgesehen von der mit einer Zeugenaussage vor Gericht für eine Vielzahl von Zeugen verbundenen Nervosität – nicht fest.
95
Ein Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Zeugin X zumindest im Zeitraum vor dem verfahrensgegenständlichen Verkehrsunfallgeschehen frei erhältliche und nicht verschreibungspflichtige Schmerzmittel gegen Kopfschmerzen eingenommen hat, da das Gericht aus eigener Sachkunde weiß, dass solche Schmerzmittel keine derartige Langzeitwirkung haben, dass sie auf die Zeugin im Zeitpunkt ihrer früheren Aussagen und bei ihrer Aussage in der Hauptverhandlung noch eine Wirkung gezeigt hätten, zumal die Zeugin X ausführte, dass die Zeugin X in der Vergangenheit zwar immer Kopfschmerzen, jedoch keine ärztlicherseits gestellte Diagnose gehabt habe. Weiter stellte sie die Zeugin X auch als die Cleverere der Eheleute X dar und konnte bei jener nach dem X keine Wesensveränderung feststellen, sondern beschrieb sie als zielgerichtet, relativ überlegt und klar, nicht durcheinander und als nicht verwirrt. Sie, die Zeugin X, habe die Zeugin X vor dem Unfall als durchsetzungsfähig und als Person, die wisse, was sie wolle, wahrgenommen. Psychische Probleme habe sie demgegenüber bei der Zeugin X nicht festgestellt, auf sie habe X X normal gewirkt. Dabei ist zu würdigen, dass die Zeugin X seit X regelmäßig mindestens ein Mal wöchentlich Kontakt zu der Zeugin X hatte, jene sie sogar aus dem Kreißsaal anrief und sie, die Zeugin X, die Geschädigte X bei Arztbesuchen unterstützte, was verdeutlicht, wie vertraut die beiden Frauen miteinander umgingen, wie gut sie einander kennen und dass ihr Umgang insbesondere auch gesundheitliche Belange mit umfasste. Trotz dieses intensiven Kontakts konnte die Zeugin X nicht von einer bereits vor dem Unfall bestehenden psychischen Erkrankung oder von Verhaltensauffälligkeiten der Zeugin X berichten, was jedoch bei ihrem Vorliegen zu erwarten gewesen wäre.
96
Der Sachverständigen X war eine psychologische bzw. psychiatrische Behandlung der Zeugin X in Hamburg, die vor der psychologischen Behandlung durch sie selbst, mithin vor dem X erfolgt sein soll, nicht bekannt.
97
Gefragt nach dem Gesundheitszustand der Zeugin X und, ob jene vor dem Unfall oft traurig gewesen sei, antwortete der Zeuge X, dass es ihr gut gegangen sei. Er habe ihr nach dem Verkehrsunfall beim Räumen der Wohnung geholfen, es sei ihr gut gegangen, sie habe keine Probleme gehabt. Der Zeuge X bekundete zudem, dass die Zeugin X für ihn wie eine Schwester sei und er davon ausgehe, dass sie ihm von ihren Problemen berichte. Wäre die Zeugin X bereits vor dem Unfallgeschehen psychisch krank und aufgrund dessen in psychologischer Behandlung gewesen, wäre dies dem Zeugen X aufgrund des vorbeschriebenen Näheverhältnisses zur Zeugin X bekannt gewesen, was jedoch nicht der Fall ist. Unter Würdigung der vorgenannten Zeugenaussagen konnte die Kammer bei der Zeugin X keine psychische Erkrankung, die vor dem Unfallgeschehen bestanden hat und von einem Ausmaß war, das auf ihre Aussagetüchtigkeit Einfluss gehabt hat, feststellen.
98
Hieran vermögen auch die diesbezüglichen vagen und zudem auf Vermutungen beruhenden Angaben des Zeugen X nichts zu ändern, denn er war nicht in der Lage, zu benennen, welche konkrete psychische Erkrankung bei der ihm persönlich unbekannten Zeugin X vorgelegen haben solle und welche konkrete Behandlung jener erfolgt sei. Die Zeugen X, X und X hingegen kennen die Zeugin X bereits seit einem längeren Zeitraum persönlich und haben sich von ihrer Person und ihrem Verhalten einen eigenen Eindruck verschaffen können.
99
Die Zeugin X tätigte in der Hauptverhandlung am 24.06.2021 ihre Aussage in zusammenhängenden sinnvollen Sätzen sowohl unter Zuhilfenahme der Dolmetscherin für die Sprache Farsi, die keine Auffälligkeiten in Bezug auf das Vermögen, die Gedanken in Worte zu fassen, mitteilte, als auch in deutscher Sprache. Probleme, ihre Gedanken zu verbalisieren, stellte die Kammer bei der Zeugin X nicht fest. Zwar kamen ihr während ihrer Aussage die Tränen, dies war jedoch zeitlich von kurzer Dauer und nicht von Heftigkeit geprägt, mithin nicht als stark oder gar Weinkrampf zu bezeichnen. Die Angabe der Sachverständigen X, dass bei der Zeugin X keine Erinnerungslücken bestünden, deckt sich mit dem Eindruck, den die Kammer von der Zeugin X im Rahmen ihrer Aussage von ihr gewonnen hat. Trotz der seitens der Sachverständigen X geschilderten Sorge der Zeugin X vor künftigen Gewalthandlungen belastete sie den Angeklagten im Rahmen ihrer Aussage insoweit nicht, da sie die Frage danach, ob es im Nachgang ihr gegenüber weitere Bedrohungen gegeben habe, verneinte. Belastungseifer oder Aggravationstendenzen waren demnach nicht erkennbar.
100
Die Angaben der Zeugin X waren nicht von Belastungseifer geprägt, sondern erkennbar von dem Bemühen um Objektivität und eine wahrheitsgemäße Aussage. So behauptete die Zeugin nicht, dass der Angeklagte am Morgen des X zur Arbeit gegangen sei, sondern führte aus, dass er in der Früh aus dem Haus gegangen sei, wie sonst auch, wenn er zur Arbeit gehe. Sie wisse aber nicht, ob er wirklich zur Arbeit gegangen sei. Fehlender Belastungseifer wurde zudem deutlich als die Zeugin auf die Frage, ob sie den Eindruck gehabt habe, der Angeklagte habe sie töten, erschrecken oder verletzen wollen, erwiderte, die Frage nicht beantworten zu können, dies könne nur der Angeklagte, da nur er „es im Kopf“ habe. Bei einem falsch aussagenden Zeugen wäre eine derartige Antwort nicht zu erwarten. Des Weiteren zeichnete sie vom Angeklagten kein ausschließlich negatives Bild, sondern schilderte auch positive Eigenschaften und Handlungen, beispielsweise, dass er sich nach Streitigkeiten bei ihr entschuldigte, sie umarmte und küsste, er ihr nach der Kollision aus dem verunfallten Fahrzeug half und indem sie die Frage nach Todesdrohungen seitens des Angeklagten verneinte. Was falsche Beschuldigungen normalerweise kennzeichnet, nämlich die typische Überbetonung der belastenden Teile, fehlte in der Aussage. Die Zeugin verschwieg nicht, dass sie während der Autofahrt, als der Angeklagte anfing, zu schreien, ihre Hand auf seinen Oberschenkel gelegt habe, wodurch sie eine Berührung des Angeklagten als Fahrzeugführer während der Fahrt einräumte.
101
Auch der Umstand, dass die Zeugin X den Zeugen X – wie dieser glaubhaft aussagte – nach der Verhaftung des Angeklagten darum gebeten hat, einen guten Rechtsanwalt für jenen, den Angeklagten, zu beauftragen, da sie Sorge hatte, dass die bestellte Pflichtverteidigerin schlechte Arbeit mache ebenso wie der Umstand, dass sie sich aufgrund des aktuellen Ernährungszustandes des Angeklagten, der während der Inhaftierung stark an Gewicht verloren hat, erschrocken hat und sie in Sorge um ihn war, verdeutlicht, dass ihr sein Wohlergehen noch immer von Bedeutung ist – obgleich sie die Scheidung von ihm möchte –, was wiederum dagegen spricht, dass sie ihn zu Unrecht belastet.
102
Der Umstand, dass die Zeugin X im Klinikum X in Sorge um ihre drei minderjährigen Kinder war und diese bei ihr vor allem in dem Moment, als sich der Angeklagte selbst aus der Klinik ent- und diese verlassen hatte, vorrangig wurde, weswegen sie die Zeugin X beauftragte, die Polizei von der ihrer Meinung nach von dem Angeklagten den Kindern möglicherweise drohenden Gefahr zu informieren, ohne aber die Zeugin X zu bitten, die Polizei auch auf die ihr gegenüber durch den Angeklagten begangene Tat hinzuweisen, ist menschlich nachvollziehbar. Die Zeugin X selbst verblieb im Krankenhaus und war dort im Beisein von Pflegepersonal, wohingegen der Angeklagte jenes verließ, sodass sie aufgrund dessen zu dieser Zeit keine weiteren Angriffe auf ihren Leib und ihr Leben zu befürchten hatte, wohingegen sie nicht wusste, was der Angeklagte mit den drei Kindern machen werde. Aufgrund der vorbeschriebenen Situation war ihre einzige Möglichkeit der Einflussnahme, andere, insbesondere die Polizei, von ihrer Sorge um die Kinder zu informieren, um etwaige künftige Handlungen des Angeklagten zum Nachteil der Kinder zu verhindern, wohingegen der Angriff auf ihr Leben bereits in der Vergangenheit lag und insoweit zwar zum Gegenstand der Strafverfolgung, jedoch nicht ungeschehen gemacht werden konnte. Den Fokus aufgrund dessen in dieser konkreten Situation auf die Zukunft und nicht die Vergangenheit zu richten, stellt sich nicht als krankhafte und verzerrte Wahrnehmung, sondern als verständliches Verhalten einer besorgten Mutter dar. Zudem hat die Zeugin X, wie der Polizeibeamte X berichtet hat, diesem, nachdem er die Zeugin X im Krankenhaus X aufgesucht hatte, davon berichtet, der Angeklagte habe den Unfall absichtlich herbeigeführt, wobei sie das Wort „absichtlich“, das sie nicht gekannt habe, mit den Worten „von selbst“ umschrieben hat.
103
Für die Glaubhaftigkeit der tatbezogenen Angaben der Zeugin spricht auch die Qualität ihrer Aussage.
104
In sehr hohem Maß auf die Glaubhaftigkeit ihrer Angaben weisen die Interaktionen und mehrfachen Gesprächssequenzen zwischen ihr und dem Angeklagten hin, da sie wiederholt in wörtlicher Rede angab, was sie bzw. er zum jeweils anderen sagte. Weitere belegkräftige Indizien für die Glaubhaftigkeit ihrer Angaben sind die eigenpsychischen Wahrnehmungen, denn sie schilderte, was sie für den Grund des Schreiens des Angeklagten hielt, ihre Ängste, insbesondere im Hinblick auf ihre Kinder und ihre Sorge, wer diese versorgen solle, wenn sie tot oder gelähmt sei und berichtete auch von eigenen massiven emotionalen Reaktionen, nämlich ihrem Weinen während des Streits, nach dem Unfall und im Krankenhaus.
105
Die Aussage der Zeugin war auch in sich stimmig und frei von inhaltlichen Strukturbrüchen. Die von ihr bekundeten Details lassen sich zu einem logischen Handlungsablauf zusammenfügen.
106
Ein Motiv, den Angeklagten zu Unrecht zu belasten, hat die Zeugin nachdem es sich bei ihr um die Ehefrau des Angeklagten handelt, mit dem sie drei gemeinsame minderjährige Söhne hat, nicht. Bei dem Angeklagten handelt es sich um den Alleinverdiener der Familie und die Zeugin selbst verfügt über keine abgeschlossene Berufsausbildung, sodass sie von ihm wirtschaftlich abhängig ist. Sofern die Zeugin X unabhängig von dem Unfallgeschehen und vor diesem ernsthafte Trennungs- und Scheidungsabsichten gehabt hat, hätte sie diese zur Überzeugung der Kammer umsetzen können, ohne Repressalien durch ihre Familienangehörigen fürchten zu müssen und ohne den Angeklagten zu Unrecht wegen eines versuchten Tötungsdelikts zu ihrem Nachteil zu beschuldigen. Hiervon ist die Kammer überzeugt aufgrund der Angaben des Zeugen X, dass er sich selbst von seiner Ex-Frau habe scheiden lassen und dass er für die Zeugin X und die Kinder eine Wohnung in der Nähe seines Wohnortes gesucht habe, wobei der Angeklagte am bisherigen Wohnort der Familie verblieben wäre. Die Umsetzung vorgenannter Umzugspläne hätte neben der rein räumlichen Trennung auch ein Ende des bisherigen Familienlebens bedeutet. Ein Anderes ergibt sich auch nicht aufgrund der Behauptung des Zeugen X, eine Familienangehörige der Zeugin X sei ihren Mann wegen einer Anklage wegen Mordes losgeworden, was einem Muster entspreche, da der Zeuge weder die Zeugin X noch deren Familienangehörigen kennt und er aufgrund seiner festen Überzeugung von der Unschuld des Angeklagten der Zeugin X dies als Motiv ihrer Belastung unterstellt hat.
107
Für die Erlebnisfundierung der Angaben der Zeugin X spricht auch die Aussagekonstanz. Sie hat bereits an der Unfallstelle dem Zeugen PHM X mitgeteilt, dass der Angeklagte sie habe umbringen wollen. Sie erklärte, dass sie jedoch an der Unfallstelle niemand verstanden habe, sondern alle nur versucht hätten, sie zu beruhigen und ihr zu diesem Zweck über den Arm gestreichelt hätten. Die Kammer verkennt dabei nicht, dass der Zeuge PHM X demgegenüber bekundete, dass er die Zeugin gefragt habe „warum gezogen?“, „wie gezogen?“ und er sie nach dem Lenkrad gefragt habe, woraufhin sie „ja“ gesagt habe, er diese Angaben durch sein Eingeständnis, dass er keine Erinnerung an die Einzelheiten habe, sondern es sich eher um einen Versuch seinerseits, den Unfall zu erklären, relativiert hat. Er habe zu ihr „am Arm gezogen“ gesagt und es gezeigt, woraufhin sie genickt habe, ob sie wirklich „ja“ gesagt habe, vermochte er dann doch nicht mehr zu sagen, da es für ihn an der Unfallstelle ein „Hin- und Hergerenne“ gewesen sei. Jedenfalls habe die Zeugin X „Polizei helfen, bitte helfen!“ gesagt. Sie sei hysterisch gewesen, habe geweint und sich in einem Zustand wie bei einem Nervenzusammenbruch befunden. Die Kammer ist davon überzeugt, dass die Aussage der Zeugin X glaubhaft ist, da sie plausibel geschildert hat, wie sich die anderen Personen an der Unfallstelle ihr gegenüber verhalten haben. Aufgrund dessen, dass sie während dessen stark weinte, aufgebracht war und sie nicht akzentfrei deutsch spricht, ist es für die Kammer nachvollziehbar, dass sie an der Unfallstelle unverstanden blieb. Unmittelbare körperliche Gewalt gegen eine Person, wie etwa das Zustechen mit einem Messer oder das Würgen des Halses, stellen offensichtlich absichtliche Verletzungshandlungen dar, wohingegen sich viele Verkehrsunfälle aus Unachtsamkeit oder aufgrund technischer Defekte ereignen, weswegen es naheliegend ist, davon auszugehen, dass ein Unfallbeteiligter wegen des Unfallgeschehens an sich aufgebracht ist. Der Zeuge PHM X hingegen hat zwar etwas bekundet, zugleich jedoch eingestehen müssen, dass dem keine konkrete Erinnerung zugrundeliegt, sodass seiner Aussage, die Zeugin X habe ihm gegenüber bestätigt, den Angeklagten am Arm gezogen zu haben, keine Bedeutung zukommt, da er selbst nicht wusste, ob dies dem wirklichen Geschehen am Unfallort entsprach.
108
Weiter zu würdigen ist, dass die Angaben der Zeugin zum Kerngeschehen insoweit mit den Angaben des Angeklagten, die dieser selbst gegenüber den einvernommenen Zeugen gemacht hat, in Einklang stehen, als die beiden sich auf der Fahrt nach X wegen eines Autokaufs befunden haben und es während der Fahrt zum Streit, unter anderem bezüglich des Namens des anderen Mannes, mit dem die Zeugin telefoniert haben soll, gekommen ist. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass der Angeklagte dem Sachverständigen Dr. X gegenüber ausführte, dass X das Fahrtziel auf Wunsch der X X zum Zwecke des Kleidungskaufs gewesen sei, zumal er während der Fahrt dem Zeugen X sowie zeitnah nach dem Tatgeschehen dem Zeugen X jeweils einen Autokauf als Fahrtanlass berichtet hat. Jedoch fehlt es den Angaben des Angeklagten hinsichtlich des maßgeblichen Umstandes, namentlich der Unfallursache an Konstanz, da seine Aussagen diesbezüglich von „seine Frau habe ihm am Ärmel gezogen“ über „sie habe ins Lenkrad gegriffen“ bis hin zu „sie habe auf seinen rechten Arm gegriffen“ variierten. Derartige Abweichungen bezüglich des Umstandes, in welcher konkreten Form ein Eingreifen der geschädigten Beifahrerin erfolgt, dieses Eingreifen die Unfallursache gesetzt und damit den Kern des Geschehens dargestellt haben soll, stellen – anders als abweichende Angaben im Randbereich, auf den sich die Erinnerung nicht fokussiert – den Erlebnisbezug der früheren Angaben des Angeklagten im Bereich des Kerngeschehens in Frage.
109
Die Konstanz der Aussage der Zeugin X wird nicht durch die Angaben der Zeugin X und des Zeugen X in Frage gestellt, auch wenn diese hinsichtlich der Youtube-Videos verschiedene Angaben gemacht haben, die zudem nicht denjenigen der Zeugin X entsprechen. Es handelt sich hierbei um Angaben zum Randgeschehen. Die Kammer geht davon aus, dass die Zeugin X insofern etwas falsch verstanden hat und es sich hinsichtlich ihrer Angaben, der Angeklagte sei sehr erregt gewesen, da die Zeugin X mit einer Freundin im Schwimmbad gewesen sei, ebenfalls um ein Missverständnis handelt.
110
Als nicht auf bewussten oder unbewussten fremdsuggestiven Einflüssen beruhend, sondern als zuverlässig eingestuft werden kann die Aussage der Zeugin X aufgrund ihrer Entstehungsgeschichte. Die Zeugin X hat sich am Tattag im Krankenhaus Gehör verschafft, dass der Angeklagte sie habe umbringen wollen und damit nur wenige Stunden nach der Tat. Zwar hat sie zuvor ein kurzes Telefonat mit ihrem Halbbruder, dem Zeugen X, geführt, jedoch hat dieser glaubhaft bekundet, er habe sie auf ihre Mitteilung, der Angeklagte habe sie töten wollen, gefragt, weswegen sie sich damit an ihn und nicht an die Polizei wende. Ihre ermittlungsrichterliche Vernehmung erfolgte bereits am 20.10.2020 und damit an dem auf den Tattag folgenden Tag, sodass für die Möglichkeit einer Einflussnahme auf die Zeugin nur wenig Zeit war.
111
Daneben gibt es weitere nachfolgende Indizien, die für die Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugin X sprechen und zu der Überzeugung der Kammer, dass der Angeklagte die Zeugin unter dem Vorwand, dieser einen Mercedes in X zu kaufen, zur Mitfahrt bewogen hat und dann in Tötungsabsicht von der linken auf die rechte Fahrspur auf das Heck des vorausfahrenden Lkws aufgefahren ist, führen:
112
Die Angabe der Zeugin X, sich unmittelbar vor der Kollision nach vorne in Richtung Fahrbahn gewandt zu haben, stehen in Einklang mit den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. med. X, wonach sich die Zeugin X aufgrund des geringen Grades der erlittenen Verletzungen im Zeitpunkt der Kollision in einer korrekten Sitzposition befunden habe müsse.
113
Die Angaben der Zeugin X betreffend die Unfallursache können zwanglos mit dem Ergebnis des unfallanalytischen Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) X in Einklang gebracht werden.
114
Der Angeklagte teilte auch dem Zeugen X telefonisch mit, dass er sich mit der Geschädigten X auf der Fahrt Richtung X zum Zwecke eines Pkw-Kaufs befinde, obwohl, wie die Zeugin X glaubhaft berichtete, kein Firmenfahrzeug der Firma X in X zum Verkauf an den Angeklagten stand. Nicht lediglich die Zeugin X, sondern auch der Angeklagte benannte gegenüber den Zeugen X und X einen Fahrzeugkauf als Anlass der Fahrt und gegenüber der Zeugin KHKin X, dem Zeugen X und dem Sachverständigen Dr. X X als Fahrtziel, wie diese jeweils glaubhaft bekundet haben.
115
Weiter bat der Angeklagte den Zeugen X während vorgenannten Telefonats um eine Abholung der Kinder des Ehepaars X aus der Schule bzw. dem Kindergarten, obwohl der Zeuge X dies in der Vergangenheit noch nie gemacht hatte und ausweislich der glaubhaften Angaben der Zeugin KHKin X die Kinder sich montags im Nachmittagsunterricht bzw. der Nachmittagsbetreuung befanden, sodass eine Abholung durch die Eltern persönlich zeitlich bei einem Autokauf in X mit Hin- und Rückfahrt möglich gewesen wäre. Die Kammer zieht hieraus den Schluss, dass der Angeklagte seine Kinder versorgt wissen wollte, wenn die Geschädigte und er unfallbedingt nicht zu einer Abholung in der Lage sein würden.
116
Sofern der Unfall tatsächlich ohne willentliches Dazutun des Angeklagten entstanden wäre, stellte sich die Frage, weswegen der Angeklagte – ausweislich der glaubhaften Angaben der Zeugin X – sich im Krankenhaus nicht nach dem Wohlbefinden und dem Gesundheitszustand seiner verunfallten Ehefrau erkundigt hat und mit dieser im Klinikum nicht gesprochen hat, obgleich er nicht deren Untersuchungen beiwohnte und nicht bei ihr verblieb, sondern das Krankenhaus alleine vorzeitig verließ. Erkundigungen vorstehender Art nach einem schweren Verkehrsunfall in Bezug auf seinen Ehepartner einzuholen, wäre ein übliches und für gewöhnlich zu erwartendes Verhalten des Fahrzeugführers, selbst wenn dem Unfall ein Streit vorausgegangen ist.
117
Ausweislich der glaubhaften Aussage des Zeugen X bat der Angeklagte ihn, den Zeugen X, in einem Telefonat nach dem Unfall darum, dass die Geschädigte X keine Anzeige gegen ihn, den Angeklagten, erstatte. Wieso sollte der Angeklagte eine derartige Bitte an den Zeugen X richten, wenn er, der Angeklagte – wie er wusste – sich keiner strafbaren Handlung schuldig gemacht hätte, sondern stattdessen – seinen Bekundungen außerhalb der Hauptverhandlung zufolge – ein Eingreifen der Zeugin X für die Kollision ursächlich gewesen wäre. Auch dies spricht dafür, dass sich das Tatgeschehen so, wie von der Zeugin X geschildert, tatsächlich zugetragen hat.
118
Nicht übersehen worden ist, dass die Aussage der Zeugin X hinsichtlich der Fahrgeschwindigkeit des Pkws, die sie mit 180 km/h angab, erwiesenermaßen objektiv unrichtig ist, da sie zur Überzeugung der Kammer entsprechend dem Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) X 155 km/h betrug. Daraus den Schluss zu ziehen, dass deshalb auch ihre übrigen den Angeklagten belastenden Angaben nicht glaubhaft sind, erachtet die Kammer auf der Grundlage einer umfassenden Gesamtwürdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme für falsch. Bei dem Teil der Aussage, der objektiv unrichtig ist, handelt es sich nicht um den wesentlichen Teil der Aussage und es liegt zur Überzeugung der Kammer insofern keine bewusste Falschaussage vor. Die Kammer ist vielmehr davon überzeugt, dass sich die Zeugin insofern ein falsches Erinnerungsbild aufgebaut hat.
119
Die Kammer hat auch zur Kenntnis genommen, dass die Zeugin X nicht das mit dem Zeugen X während der Fahrt geführte Telefonat zur Sprache gebracht hat. Das Gericht ist jedoch davon überzeugt, dass die Zeugin dies für eine Nebensächlichkeit hielt oder dieses Ereignis, das dem Randgeschehen zuzuordnen ist, bereits vergessen hat, zumal sie auch nicht explizit nach diesem gefragt worden ist.
120
Auch die Bekundungen des Zeugen X zum Unfallhergang, insbesondere die Beschreibung der hohen Geschwindigkeit des überholenden Fahrzeugs und des plötzlichen teilweisen Fahrstreifenwechsels und – aus seiner Sicht ungebremsten – Auffahrens auf den Lkw stehen mit der Unfallschilderung der Zeugin X in Einklang und bieten keine Anhaltspunkte dafür, dass der Pkw aufgrund eines Eingreifens der Zeugin X nach rechts gefahren ist, da der Zeuge X dann ein nach den Ausführungen des Sachverständigen X zu erwartendes anderes Fahrverhalten, nämlich eine Lenkkorrektur, beschrieben hätte. Der Zeuge X, ein unbeteiligter, zufällig die Unfallstelle befahrender Dritter, der – ebenso wie seine weiteren Fahrzeuginsassen (seine Frau und seine Tochter) – durch das Unfallgeschehen weder materielle noch immaterielle Schäden erlitten hat, machte seine Angaben sachlich, nachvollziehbar, widerspruchsfrei und emotional unbeteiligt, weswegen die Kammer sie für glaubhaft erachtet und ihrer Entscheidung zugrundelegt.
121
Der Sachverständige Dipl.-Ing. (FH) X, öffentlich bestellter und beeidigter Sachverständiger für Unfallanalyse, führte im Wesentlichen aus: Er sei seit 33 Jahren mit der Analyse von Verkehrsunfällen betraut, wobei er während seiner ersten Berufsjahre durchschnittlich 50 Schwerstunfälle jährlich, insgesamt bereits etwa 1.500 Unfälle bearbeitet habe.
122
Vorliegend sei er in einem frühen Verfahrensstadium beauftragt worden. Er habe die Beweissicherungsbilder der Polizei ausgewertet, den Pkw Skoda nachbesichtigt und die Unfallstelle in Augenschein genommen. Der Pkw verfüge aufgrund seines Alters nicht über einen Event-Data-Recorder (EDR), weswegen ein solcher nicht habe ausgelesen werden können.
123
Der Kollisionsort ergebe sich aus der Spurenlage. Der Lkw sei nach der Kollision schnurgerade weitergefahren. Aufgrund dessen sei eine Unfallrekonstruktion möglich gewesen, aufgrund der sich ergebe, dass der Pkw ohne Winkelstellung mit 50%-iger Querüberdeckung, achsenparallel kollidiert sei. Eine signifikante Winkelstellung der Fahrzeuge habe es nicht gegeben, diese betrage also null Grad, da dies mit allen Anknüpfungstatsachen in Einklang zu bringen sei, was die von ihm iterativ durchgeführten Simulationen der Kollision, also in Form eines schrittweise erfolgenden Annäherns unter Berücksichtigung einer Vielzahl von Parametern an die vorgefundene Spurenlage, ergeben hätten. Die Toleranz betrage dabei plus/minus drei Grad, wobei eine Winkelstellung der Fahrzeuge von null Grad hoch- und eine solche von drei Grad sehr unwahrscheinlich sei. Mit null Grad Winkelstellung liege eine parallele Ausrichtung der Fahrzeuge zueinander vor, was er anhand der unfallbedingten Fahrzeugschäden, der nachkollisionären Bewegungsbahnen der Fahrzeuge und der Endstellungen festgestellt habe. Insbesondere die straßenparallel verlaufende Reifenspur des Lkws auf der Fahrbahnoberfläche, der nicht erfolgte Seitenversatz des Lkws durch den Anstoß, die Abweisung des Pkws nach links Richtung Mittelleitschutzplanke, der dort zum Liegen gekommene, herauskatapultierte Pkw-Motorenblock und die Flüssigkeitsspuren würden vorgenanntes Ergebnis belegen.
124
Die Kollisionsgeschwindigkeit des Lkws hätten etwa 85 km/h, diejenige des Pkws rund 155 km/h und die Differenzgeschwindigkeit der beiden Fahrzeuge damit 70 km/h betragen, was in Einklang mit den Spurenbildern an dem Pkw, den Verformungsverhältnissen des hinten an dem Lkw angebrachten befindlichen Stahlblechs sowie den Endstellungen der Fahrzeuge stehe. Auch unter Berücksichtigung der seitens des Lkw-Fahrers angegebenen Fahrgeschwindigkeit von 82 km/h habe das Gutachtensergebnis Bestand, da dieses nicht von einer Absolutgeschwindigkeit des Sattelzugs abhänge. Der Umstand, dass die Tachonadel des Pkws bei knapp 160 km/h stehen geblieben sei, sei bei diesem Fahrzeugmodell ein verlässliches Indiz für die im Kollisionszeitpunkt gefahrene Geschwindigkeit unter Berücksichtung des Umstandes, dass der Tacho 5 km/h vorausgehe.
125
Nachdem das Auffahren des Pkws 2 Sekunden gedauert habe, sei für dessen Fahrer eine Lenkkorrektur möglich gewesen. Es sei auffällig und spreche gegen die Vornahme einer solchen, dass der Anstoß jedoch ohne Winkelstellung erfolgt sei.
126
Er, der Sachverständige, habe beide Sicherheitsgurte mit dem Ergebnis, dass sowohl der Fahrer als auch die Beifahrerin während des Aufpralls jeweils den Gurt getragen haben, mikroskopiert.
127
Auf der Anlage IV – insoweit wird wegen der Einzelheiten des Aussehens der Reifenspur auf die Abbildung Bl. 213 d.A. verwiesen – sei die Reifenspur des hinteren linken Rades des Sattelaufliegers, das eingeklemmt gewesen sei und daher auf der Fahrbahn radiert habe, abgebildet. Diese Reifenspur, die aufgrund der Breite des Reifens und des Unfallablaufs sicher dem Lkw zuordenbar sei, markiere den Kollisionsort. Eine Abbremsspur des Pkws sei hingegen nicht auf der Fahrbahn vorhanden gewesen. Sofern die Fahrbewegung des Pkws von der linken auf die rechte Fahrspur auf ein Verreißen des Lenkrades oder das Eingreifen eines anderen zurückzuführen sei, seinen typische Fahrerreaktionen in Form von Konterreaktionen zu erwarten, für deren Vornahme es verfahrensgegenständlich jedoch keine Anhaltspunkte gebe. 99% der Fahrer würden bei einer lebensbedrohlichen Situation gegenlenken und bremsen, was hier aber nicht erfolgt sei, was sich daraus ergebe, dass keine dem Pkw zuordenbare Bremsspur vorhanden sei sowie aus der konkreten Anstoßkonstellation. Bei einem sofort erfolgtem Gegenlenken hätte sich der Pkw nicht 1,80 m nach rechts bewegt, wie tatsächlich geschehen. Eine abrupte Fahrbewegung des Pkws nach rechts sei nicht erfolgt, da dies nicht mit einem schlüssigen Weg-Zeit-Ablauf korrespondiere.
128
Zwar seien Bremsspuren von Fahrzeugen, die über ABS verfügten, weniger gut sichtbar, jedoch zeige sich vorliegend durch die vorhandene Reifenspur, die dem hinteren linken Reifen des Lkw-Aufliegers zuzuordnen sei, dass der Asphaltbelag an der Unfallstelle spurzeichnungsfreudig sei, sodass bei einem starken Abbremsen auch bei einer Fahrzeugausstattung mit ABS aufgrund des hohen Schlupfs eine Spurzeichnung erfolgen sollte. Er habe die Unfallstelle selbst besichtigt und die seitens der Polizeibeamten gefertigten Lichtbilder, die von guter Qualität gewesen seien, da an sichtiger Stelle „flach hineinfotografiert“ worden sei, ausgewertet. Spuren des Pkws, die auf seine abrupte Abbremsung hinweisen würden, seien jedoch nicht vorhanden gewesen. Voraussetzung für die Entstehung einer Bremsspur sei eine starke Verzögerung, die bei 80% bis 100% der Bremswirkung vorliege.
129
Die Bremsen und die Lenkung des Pkws seien intakt, weswegen er einen technischen Mangel ebenso wie einen Reifenplatzer als Unfallursache ausschließen könne. Ebenso wenig liege ein Spurwechselunfall vor, da aufgrund der Spurzeichnung auf der rechten Fahrbahn feststehe, dass der Lkw sich stets auf dieser befunden habe. Des Weiteren sei der Zusammenstoß der Fahrzeuge auch nicht auf eine reine Unaufmerksamkeit des Pkw-Führers zurückzuführen, da dieser den nahezu mit der Maximalgeschwindigkeit geführt habe. Neben einem absichtlichen Auffahren auf den Lkw komme allenfalls ein Einschlafen des Fahrers als Unfallursache in Betracht.
130
Durch den verfahrensgegenständlichen Verkehrsunfall sei die Beifahrerin deutlich stärker gefährdet gewesen als der Fahrzeugführer, da der Pkw direkt nach rechts gefahren und mit der rechten Fahrzeugseite kollidiert sei. Dadurch sei es zu einer Intrusion, namentlich dem Einschieben der Fahrzeugfront in den Fußraum auf der Beifahrerseite und einer Stauchung des Fahrzeugdachs gekommen. Wäre der Motor nicht aus dem Pkw geschleudert, sondern auch in den Fahrgastraum geschoben worden, hätte sich der Unfall noch gefährlicher dargestellt. Es stelle ein Zufallsprodukt dar, dass der Pkw rechts auf dem Grünstreifen zum Stehen gekommen sei. Der Pkw hätte sich ebenso gut aufstellen oder überschlagen können oder auf der Fahrbahn liegen bleiben können und ein Auffahren durch nachfolgende Fahrzeuge erfolgen können, wobei nicht vorhersehbar sei, wie sich ein auffahrendes Fahrzeug nach der Kollision bewege.
131
Die Kammer ist, nach erfolgter eigenständiger Überprüfung von der Richtigkeit des gewissenhaft erstellten, in sich widerspruchsfreien, im Einzelnen nachvollziehbaren und von großer Sachkunde getragenen Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) X überzeugt.
132
Sie verkennt dabei nicht, dass der Sachverständige Dipl.-Ing. (FH) X seiner ersten Gutachtenserstattung im Hauptverhandlungstermin am 05.07.2021 falsche Anknüpfungstatsachen dergestalt zugrunde gelegt hat, dass er versehentlich die Glühbirnen der hinteren Nebelschlussleuchten anstelle derjenigen der Bremslichter untersucht hat; dies hat er jedoch im Rahmen seiner ergänzenden Gutachtenserstattung vom 06.12.2021 eingeräumt und korrigiert. Allein dieses Versehen stellt jedoch nicht die Fachkompetenz des Sachverständigen X insgesamt in Frage, zumal seine weiteren Ausführungen von großer Sachkunde getragen waren und es sich schlichtweg um eine Verwechslung der Glühlampen handelte, deren Grund der Sachverständige nachvollziehbar erläuterte. Er führte hierzu aus, dass er anfangs die Zweifadenbirne zur Auswertung herangezogen habe, da diese üblicherweise für das Brems- und Fahrlicht konzipiert sei. Beim verfahrensgegenständlichen Pkw hingegen sei das Bremslicht keine Zweifadenglühlampe, sondern eine Einfadenglühlampe und an oberster Position verbaut, was er zunächst übersehen habe. Seine Sachkunde ist nicht zweifelhaft.
133
Darüber hinaus stellt die Begutachtung des Bremslichtes nicht den maßgeblichen Punkt seines Gutachtens dar, da der Sachverständige aufgrund der massiven Beschädigung des Unfallfahrzeuges andere Ursachen dafür, dass das Bremslicht im Kollisionszeitpunkt nicht stromführend gewesen ist, wie etwa einen technischen Defekt oder eine zuvor bereits bestehende Beschädigung des Kabelbaums, nicht ausschließen konnte. Der Grund, weswegen das Bremslicht im Kollisionszeitpunkt nicht stromführend war, konnte damit durch die Kammer nicht festgestellt werden. Infolgedessen handelt es sich hierbei um keinen äußeren Anhaltspunkt, der Rückschlüsse auf die inneren Vorgänge des Angeklagten zuließe, sodass die Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) X betreffend den Glühfaden des Bremslichtes ohne Beweiswert und ohne Einfluss auf die Überzeugungsbildung der Kammer sind.
134
Der Sachverständige Dipl.-Ing. (FH) X führte aus, dass als weitere Unfallursache ein Einschlafen des Angeklagten denkbar sei. Ein Einschlafen des Angeklagten ist jedoch zur Überzeugung der Kammer auszuschließen, zumal nicht nur die Zeugin X einen Streit zwischen ihr und dem Angeklagten unmittelbar vor der Kollision bekundet hat, sondern der Angeklagte dies auch den Zeugen PHM X, X, X, KHKin X und X sowie dem Sachverständigen Dr. X berichtet hat, wie die vorgenannten jeweils im Rahmen der Beweisaufnahme ausgesagt haben. Ein Einschlafen des Angeklagten während eines Streits ist ausgeschlossen, weswegen die Kammer davon überzeugt ist, dass der Angeklagte nicht eingeschlafen war als der von ihm geführte Pkw mit dem Lkw kollidierte.
135
Weitere straßen- und/oder witterungsbedingte Unfallursachen sind auszuschließen.
136
Die Feststellungen zur Schuldfähigkeit (Abschnitt II. 4.) beruhen auf den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. X. Der Sachverständige Dr. X, der Facharzt für Rechtsmedizin, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und in den Bereichen Forensische Psychiatrie und Suchtmedizin tätig ist, hat in der Hauptverhandlung im Wesentlichen Nachfolgendes ausgeführt:
137
Er habe den Angeklagten am X ohne Zuhilfenahme eines Dolmetschers und am X unter Übertragung des Gesprochenen durch eine Dolmetscherin in der JVA X exploriert und das Gesundheitsheft der JVA ausgewertet, das keine relevanten Eintragungen enthalten habe. Der Angeklagte habe ihm gegenüber angegeben, dass es in seiner Herkunftsfamilie keine psychiatrischen Erkrankungen oder Abhängigkeitserkrankungen gebe, sondern alle gesund seien. Seine Geburt sei normal verlaufen und er habe die Schule nach 12 Jahren mit dem Abitur erfolgreich abgeschlossen, wobei seine Leistungen mittelmäßig gewesen seien. Er habe sich nie zur Behandlung psychischer Probleme in stationärer Behandlung befunden.
138
Erstmals Alkohol habe er mit Anfang 20 und in der Folgezeit unregelmäßig, jedoch nicht übermäßig getrunken. Nach seiner Ankunft in Deutschland habe er eine gewisse Zeit lang vermehrt Alkohol getrunken, wobei zwei Bier und ein Mixgetränk pro Trinkgelegenheit für ihn viel gewesen sei. Zu einem Vollrausch sei es noch nie gekommen. Illegale Drogen habe er zu keinem Zeitpunkt konsumiert.
139
Keines der Eingangskriterien des § 20 StGB sei eröffnet.
140
Bei den durchgeführten Testverfahren sei nur der Benton-Test – wenn auch nur diskret – auffällig gewesen, wobei hieraus keine hirnorganische Veränderung zur Tatzeit ableitbar sei. Der Angeklagte sei bei der Exploration labil gewesen und habe, vor allem wenn seine Kinder thematisiert worden seien, mehrfach angefangen, zu weinen. Das Vorliegen einer krankhaften seelischen Störung könne ebenso ausgeschlossen werden wie eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung. Die intellektuelle Leistungsfähigkeit des Angeklagten könne – auch in Anbetracht der Ausbildung des Angeklagten – dem oberen Normbereich zugeordnet und das Merkmal des Schwachsinns demnach nicht zur Anwendung gebracht werden. Eifersüchtig sein gehöre zu den Persönlichkeitsmerkmalen einer Person. Krankhafte Eifersucht wäre als wahnhafte Störung nicht zu übersehen und würde sich dadurch äußern, dass der Betroffene sich nicht von seiner Vorstellung lösen und jene nicht leugnen könne, sondern von dieser überzeugt sei. Der Angeklagte hingegen habe sich nicht als eifersüchtig dargestellt, sondern die diesbezüglichen Vorwürfe seiner Ehefrau als Meinungsverschiedenheiten geschildert, wobei auch er die Trennung angesprochen habe. Der Angeklagte habe sich nicht eifersüchtig eingelassen und er, der Sachverständige, sehe bei dem Angeklagten auch keine krankhafte Eifersucht. Das Vorliegen einer schweren anderen seelischen Abartigkeit könne demnach ausgeschlossen werden.
141
Aufgrund dessen sei keines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB erfüllt und es würden sich aus ärztlicher Sicht keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der Einsichtsfähigkeit sowie einer verminderten oder gar aufgehobenen Steuerungsfähigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB zur Tatzeit ergeben. Aus forensisch-psychiatrischer Sicht müsse von voller Schuldfähigkeit für die angegebene Tatzeit ausgegangen werden.
142
Mangels Vorliegen einer überdauernden psychiatrischen Erkrankung bei dem Angeklagten zur Tatzeit seien die Eingangsvoraussetzungen für eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gem. § 63 StGB nicht erfüllt ebenso wenig wie diejenigen für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gem. § 64 StGB, da dem Angeklagten keine suchtrelevante Diagnose zu stellen sei.
143
Die Kammer ist nach erfolgter eigenständiger kritischer Überprüfung von der Richtigkeit des vom Sachverständigen Dr. X gewissenhaft erstellten, von zutreffenden Anknüpfungstatsachen ausgehenden, in sich widerspruchsfreien, im Einzelnen nachvollziehbaren und von großer Sachkunde getragenen Gutachtens überzeugt, folgt ihm bezüglich des Nichtvorliegens einer psychiatrischen Diagnose und zieht aus den Befundtatsachen, die der Sachverständige festgestellt hat, unter Würdigung sämtlicher Umstände in ihrer Gesamtheit, die den Zustand des Angeklagten bei Begehung der Tat geprägt haben, seines Erscheinungsbildes, seines psychischen Zustands, seines Verhaltens vor, bei und nach der Tat aufgrund eigener gewonnener Erkenntnisse den Schluss, dass der Angeklagte mangels Eröffnung eines der Eingangskriterien im Sinne der §§ 20, 21 StGB strafrechtlich voll verantwortlich ist.
144
Hinsichtlich fehlender Anhaltspunkte für eine Suchterkrankung werden die Ausführungen des Sachverständigen Dr. X bezüglich Alkohol und Drogen dadurch bestätigt, dass ausweislich des verlesenen Gutachtens der Sachverständigen Prof. Dr. X und Dr. X des Instituts für Rechtsmedizin an der Universität Erlangen-X vom 02.11.2020 hinsichtlich der dem Angeklagten am 19.10.2020 um 16:28 Uhr entnommenen Blutprobe keine Anhaltspunkte für eine Alkoholisierung des Angeklagten zur Zeit der Probenentnahme und ausweislich desjenigen der vorgenannten Sachverständigen sowie des Sachverständigen Dr. S. vom 14.12.2020 hinsichtlich jener Venenblutprobe sich bei der chemisch-toxikologischen Untersuchung keine Anhaltspunkte für einen Konsum von Betäubungsmitteln oder für eine Einnahme von zentral wirksamen Medikamenten in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Blutentnahme ergeben.
145
Zu den Feststellungen zu den Folgen der Tat und der Gefährlichkeit der Tathandlung (Abschnitt II. 5.)
146
Die Feststellungen zu dem an dem Sattelauflieger eingetretenen Sachschaden beruhen auf dem verlesenen Kurzgutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) X vom 23.07.2021.
147
Die Feststellungen zu den unfallbedingten Verletzungen des Angeklagten fußen auf dem verlesenen Notaufnahmebericht der Zeugin X vom 19.10.2020.
148
Die Feststellungen zu den körperlichen Verletzungen der Geschädigten X gründen sich auf den diesen entsprechenden glaubhaften Angaben der Zeuginnen X, X und X sowie dem verlesenen Notaufnahmebericht der Zeugin X vom 19.10.2020.
149
Die Feststellungen der Kammer zur Gefährlichkeit des Handelns des Angeklagten und der durch sein Handeln potentiell für die Geschädigte verursachten Lebensgefahr basieren auf den diesen entsprechenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. med. X, Universitätsprofessor am Institut für Rechtsmedizin, der im Wesentlichen Nachfolgendes angab:
150
Anders als bei Crashtests, die standardisiert unter Testbedingungen erfolgten und bei denen der Aufprall auf eine Wabenstruktur den großen Unterschied zum verfahrensgegenständlichen Auffahren auf das massive Lkw-Heck darstelle, und die Dummies eine sehr korrekte Sitzposition mittig auf dem Sitz mit idealer 3-Punkt-Gurt Fixierung innehätten, seien diese Bedingungen in der Realität oftmals nicht gegeben. Der Beifahrer sei häufig leicht verdreht, insbesondere wenn es – wie vorliegend – zu Streitgesprächen und Handgreiflichkeiten während der Fahrt komme. Dadurch, dass der Beifahrer sich in vorgenannten Situationen seinem Kontrahenten, also hier dem Fahrer, zuwende, winde er seinen Schulterbereich aus der idealen Gurtfixierung. Infolge einer derartigen Drehung um die körperliche Hochachse sei dann oftmals nur noch eine Teilüberdeckung mit dem aufgehenden Airbag gegeben oder sogar ein Vorbeigleiten an dem Airbag häufig, was zum Anstoß des Kopfes an die Dachkante und zu einer Überlastung der Halswirbelsäule mit knöchernen Verletzungen, auch bei jungen Personen, führe.
151
Vielfach sitze der Beckengurt nicht ausreichend straff, was insbesondere durch Kleidung wie Wintermäntel bedingt werde und gerade bei einem Unfall im Oktober zu erwarten sei. Es komme bei Frontalkollisionen oftmals zum sog. Submarining, also einem Hindurchrutschen durch den Gurt und infolgedessen zu tödlichen Verletzungen. Durch das Einschneiden des Beckengurtes in den Bauchraum sei die Verursachung schwerer innerer Verletzungen wie einer Milz- und/oder Darmruptur denkbar.
152
Stärkere Intrusionen führten zu Verletzungen der Extremitäten, insbesondere der unteren, die mit einem starken Blutverlust einhergehen könnten und damit potentiell tödlich seien. Die Verletzungsfolgen seinen um so gravierender je älter die verunfallte Person sei, da mit zunehmendem Lebensalter die Milz und die Knochen verletzungsanfälliger seien. Daneben bestehe auch die Gefahr, dass durch sekundäre Unfälle tödliche Verletzungen herbeigeführt würden, zumal im Zeitpunkt dieser die Airbagfunktion nicht mehr vorhanden sei.
153
Die Geschädigte X habe vergleichsweise geringe Verletzungen durch die Fahrzeugkollision erlitten, was dafür spreche, dass sie in deren Zeitpunkt eine korrekte Sitzposition innegehabt habe und mittig auf den Airbag aufgetroffen sei. Wäre dies jedoch nicht der Fall gewesen und ein Faktor abgewichen, also wenn sie sich in einer anderen Position befunden hätte, ihr Gurt etwas schlaffer angelegt gewesen wäre, die Fahrzeugteile weiter in das Fahrzeuginnere gedrückt worden wären oder es etwa zu Folgekollisionen durch auffahrende Fahrzeuge gekommen wäre, hätte eine konkrete Lebensgefahr für sie bestanden. Denn insbesondere ein Vorbeigleiten an dem Airbag führe zu einer Pendelbewegung des Kopfes, die auch die Belastungsgrenze junger Personen überschreite.
154
Ein Fahrzeugführer könne bei der verfahrensgegenständlichen Unfallkonstellation nicht darauf vertrauen, dass er durch das Unfallgeschehen den Beifahrer lediglich erschrecke, zumal auf jenen stärker Kräfte als auf den Fahrer einwirkten. Vorliegend habe der Angeklagte nicht wissen können, ob seine Beifahrerin die korrekte Sitzposition innehabe.
155
Die Kammer ist nach eigenständiger kritischer Würdigung der plausiblen, nachvollziehbaren und von großer Sachkunde des der Kammer als äußerst gründlich und zuverlässig arbeitenden Sachverständigen Prof. Dr. med. X überzeugt und legt sie daher ihrer Entscheidung zugrunde.
156
Dass der Angeklagte, dessen Einsichts- und Steuerungsfähigkeit – wie unter Abschnitt II. 4. dargestellt – nicht erheblich vermindert und der daher zu einer ausreichenden Risikoeinschätzung in der Lage war, bei dem Auffahren mit der rechten Fahrzeugseite eines Pkw mit einer Geschwindigkeit von 155 km/h auf das massive Heck eines mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von maximal 80 km/h fahrenden Lkw auf einer Bundesautobahn wusste, dass er für die geschädigte Beifahrerin durch sein Handeln eine Lebensgefahr bewirkte und dies auch wollte, schließt die Kammer aus der auch für einen medizinischen Laien leicht erkennbaren, objektiven generellen Gefährlichkeit eines derartigen Handelns bei hohen Geschwindigkeiten, aufgrund hoher Differenzgeschwindigkeiten auf den Körper einwirkenden und ihn stark belastenden Kräften und der fehlenden Kontrollierbarkeit des sowohl eigenen Fahrverhaltens nach erfolgter Kollision als auch desjenigen Fahrverhaltens nachfolgender Fahrzeugführer, wodurch es zu weiteren Kollisionen durch das Auffahren jener auf den verunfallten, zwischenzeitlich zum Stillstand gekommenen Pkw kommen kann. Die Überzeugung der Kammer, dass auch ein medizinischer Laie diese Kenntnis hat, wird auch durch die glaubhaften Angaben des Zeugen X, den Fahrer des nachfolgenden Pkws, er habe nicht damit gerechnet, dass die von ihm beobachtete Kollision ein Fahrzeuginsasse des Pkws überlebt habe, gestützt. Darüber hinaus ist die Kammer aufgrund der glaubhaften diesbezüglichen Angaben der Zeugin X, davon überzeugt, dass der Angeklagte aufgrund der jedenfalls am Abend vor der Tathandlung über die Videoplattform Youtube betrachteten Crashtestvideos Kenntnis von den bei einer Fahrzeugkollision auf den menschlichen Körper wirkenden Kräften hatte und er aufgrund seiner intellektuellen Fähigkeiten, von denen die Kammer aufgrund seiner festgestellten Schul- und Hochschulbildung überzeugt ist, wusste, dass das tatsächliche Fahrgeschehen nicht mit den Idealbedingungen einer Testsituation identisch ist.
157
Die festgestellten Tatsachen ergeben bei einer Gesamtwürdigung ein stimmiges und in sich schlüssiges Bild vom Tatgeschehen einschließlich Tatvor- und -nachgeschehen sowie von der Persönlichkeit des Angeklagten.
158
Der Angeklagte berichtete verschiedenen Zeugen sowie dem Sachverständigen Dr. X von der Fahrt, dem Fahrtziel X und einem dem Unfall vorausgegangenen Streit, was in Einklang mit den ihn belastenden Angaben der Zeugin X steht. Durch diese Angaben hat der Angeklagte den Zeugen gegenüber zugleich seine Fahrereigenschaft eingeräumt. Die Angaben des Angeklagten gegenüber verschiedenen Zeugen hinsichtlich der Ursache der Kollision variieren, was, da es sich um den Kern des Geschehens handelt, dagegen spricht, dass seine diesbezüglichen Angaben erlebnisfundiert sind, wohingegen die Angaben der Zeugin X zum Kerngeschehen konstant sind.
159
Die belastenden Angaben der Zeugin X können zudem mit dem Ergebnis des unfallanalytischen Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) X in Einklang gebracht und alternative Unfallursachen ausgeschlossen werden.
160
Tatsächlich befand sich das Fahrzeug nicht auf der Fahrstrecke von X nach X, wobei die Kammer ausschließen kann, dass der Angeklagte sich verfahren hat, da er der deutschen Sprache soweit mächtig war, dass er Straßenverkehrsschilder lesen konnte, da der Angeklagte im Gesangbuch las und der Streit während der Autofahrt erst nach dem Auffahren auf die Autobahn begann.
161
Obgleich es ihm zeitlich möglich gewesen wäre, seine drei Kinder nach einem Fahrzeugkauf in X selbst vom montäglichen Nachmittagsunterricht bzw. der Nachmittagsbetreuung abzuholen, bat er den Zeugen X um die Abholung der Kinder, wobei bemerkenswert ist, dass der Zeuge dies zuvor noch nie getan hatte. Dies stellt ein Indiz dafür dar, dass der Angeklagte wusste, dass aufgrund des durch ihn geplanten Unfalls weder die Zeugin X noch er die Abholung der Kinder selbst würde vornehmen können und dass er diese durch seinen Freund X versorgt wissen wollte.
162
Der Angeklagte und die Zeugin X sprachen weder während des Transportes durch den Rettungswagen noch im Klinikum X miteinander, obgleich Erkundigungen nach dem Wohlbefinden des anderen aufgrund der Schwere der Fahrzeugkollision unter Ehegatten naheliegend gewesen wären.
163
Der Angeklagte bat den Zeugen X bei einem Telefonat am Tattag darum, dass die Zeugin X keine Anzeige gegen ihn erstatten möge. Für eine derartige Bitte hätte der Angeklagte keinen Anlass gehabt, wenn das Unfallgeschehen auf ein Eingreifen durch die Zeugin X zurückzuführen wäre.
164
Neben der seitens der Zeugin X geschilderten Eifersucht des Angeklagten und ihrer Zurückweisung seines sexuellen Verlangens, stellen die seitens des Zeugen X geschilderten Ängste des Angeklagten von der Zeugin X mit den drei Kindern verlassen zu werden und jene dadurch einer christlichen Erziehung zu entziehen, die hinsichtlich eines Umzugs nicht völlig aus der Luft gegriffen waren, da damit übereinstimmend der Zeuge X von in der Vergangenheit liegenden Umzugsplänen der Zeugin X mit den Kindern bei einem alleinigen Verbleib des Angeklagten in X bekundete, Teil eines Motivbündels dar. Dem Angeklagten missfiel – wie die Zeugen X und X glaubhaft berichteten – der westliche Lebensstil der Zeugin X, was sich als weiterer Teil des vorgenannten Motivbündels darstellt.
165
Ein kollusives Zusammenwirken der Zeugen kann ausgeschlossen werden. Ein Teil der Zeugen berichtete über Beobachtungen, die jeweils im Rahmen der beruflichen Tätigkeit gemacht wurden, ohne dass einer von ihnen eine persönliche Beziehung zu dem Angeklagten oder der Zeugin X oder ein persönliches Interesse am Verfahrensausgang hatte. Ein anderer Teil der Zeugen stammte zwar aus dem persönlichen Umfeld des Angeklagten und der Zeugin X, zeigte jedoch keinen Belastungseifer ebenso wenig wie aufgrund der jeweils getätigten Aussagen Anhaltspunkte für eine vorherige Absprache jener vorliegen.
166
Gegen die Täterschaft des Angeklagten spricht auch nicht, dass sich die Belastungszeugin X erst nach dem Verlassen des Krankenhauses durch den Angeklagten verständig mit ihren Vorwürfen gegen diesen gemacht hat, da sie plausibel und nachvollziehbar schilderte, insbesondere an der Unfallstelle missverstanden worden zu sein. Ebenso stellte die Zeugin X nachvollziehbar dar, dass sie aufgrund des Weinens, der eingeschränkten Deutschkenntnisse der Zeugin X und des Tragens einer Maske jene nur schlecht verstanden habe.
167
Die Kammer verkennt nicht, dass bei Tötungsdelikten grundsätzlich von einer hohen Hemmschwelle auszugehen ist und der Angeklagte durch das Unfallgeschehen zudem seinen eigenen Körper und sein eigenes Leben stark gefährdet hat.
168
1. Durch sein Verhalten hat sich der Angeklagte des versuchten Mordes mit vorsätzlichem gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr und mit gefährlicher Körperverletzung schuldig gemacht gem. §§ 211 Abs. 1, Abs. 2 5. Var., 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5, 315b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3, 315 Abs. 3 Nr. 1a, 22, 23 Abs. 1, Abs. 2, 52 StGB.
169
Das Mordmerkmal der Heimtücke ist erfüllt, da der Angeklagte in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit der Geschädigten X ausnutzte, um seine Tötungshandlung gegen diese vorzunehmen. Er brachte sie unter dem Vorwand, für sie einen Pkw des Herstellers Mercedes in X zu kaufen, dazu, als seine Beifahrerin die Autofahrt von X aus anzutreten. Denn er wusste, dass die Geschädigte den Führerschein Ende Juni 2020 erlangt hatte und sich über den Erwerb eines eigenen Pkws freute. Als der Angeklagte während der Fahrt der Geschädigten mit dem Tode drohte und das Fahrzeug vom linken Fahrstreifen auf die rechte Fahrspur und auf das Heck des dort fahrenden Lkws steuerte, wusste er, dass sie aufgrund dieses Überraschungsmoments nicht mit seiner Tötungshandlung rechnete und sich aufgrund dessen auch nicht gegen diese zur Wehr setzen konnte, was er bewusst für die Ausführung seines Handelns in Tötungsabsicht ausnutzte. Die Geschädigte X versah sich – wie der Angeklagte wusste – dabei keines Angriffs auf ihr Leben, obgleich ihr jener am Abend zuvor über das Videoportal Youtube Videos von Fahrzeugkollisionen verschiedener Hersteller, unter anderem auch des Herstellers und damit demjenigen des Pkws des Angeklagten, zeigte, da er dies nicht mit einer Drohung ihr gegenüber verband. Es handelte sich darüber hinaus um Crashtestvideos, insbesondere des Fahrzeugherstellers Mercedes, und die Geschädigte äußerte dem Angeklagten gegenüber „Gott möge uns schützen!“, damit ihnen kein derartiger Unfall widerfahre, wobei sie die Recherche des Angeklagten dahingehend auffasste, dass er sich nach besonders sicheren Fahrzeugen erkundigte, sie aufgrund dessen nicht mit einem baldigen Angriff des Angeklagten gegen ihr Leben oder ihre körperliche Unversehrtheit rechnete, wovon auch der Angeklagte ausging. Während der Fahrt kam es zwar zum Streit zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten, in dessen Verlauf der Angeklagte der Geschädigten gegenüber äußerte, sie zu töten, wenn sie ihm nicht den Namen des fremden Mannes nenne, wodurch er ihr seine Tötungsabsicht offenbarte. Dies machte der Angeklagte jedoch zu einem Zeitpunkt, als sich die Geschädigte als Beifahrerin in dem von ihm mit einer hohen Geschwindigkeit von etwa 155 km/h auf der Autobahn geführten Pkw befand, sodass ihr in diesem Moment keine Möglichkeit blieb, dem Angriff des Angeklagten auf ihr Leben zu begegnen. Der Angeklagte wusste, dass er die Geschädigte mit dem Angriff auf ihr Leben während der Autofahrt überraschen werde und nutzte diesen Umstand bewusst aus.
170
Demgegenüber ist das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe nicht erfüllt, da bei der gebotenen Gesamtwürdigung der Tat, der Lebensverhältnisse und der Persönlichkeit des Angeklagten die Motive für seine Tötungshandlung nach allgemeiner sittlicher Anschauung weder verachtenswert sind noch auf tiefster Stufe stehen. Denn hierbei ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass der Angeklagte sich durch seine Tötungshandlung selbst unmittelbar der Gefahr ausgesetzt hat, infolge der durch ihn herbeigeführten Fahrzeugkollision zu sterben, zumindest jedoch, unter Umständen sogar schwer, verletzt zu werden. Auch wenn er das Fahrzeug lediglich mit hälftiger Fahrzeugüberdeckung gegen den Lkw gelenkt hat, konnte er nicht wissen, wie sich sein Fahrzeug und nachfolgende Fahrzeugführer verhalten werden.
171
Der Angeklagte handelte auch aus Eifersucht, da er davon ausging, dass die Geschädigte mit einem anderen Mann, nämlich seinem Arbeitskollegen Houssein, eine Woche zuvor im Schwimmbad gewesen und in der Nacht zuvor Telefonsex gehabt habe und er war verärgert darüber, dass sie dies auf seine Konfrontation abstritt und ihm auf seine Aufforderung hin nicht den vorgenannten Männernamen nannte. Zwar kommen Gefühlsregungen wie Eifersucht und Wut als niedrige Beweggründe in Betracht, jedoch nur, wenn sie ihrerseits auf niedrigen Beweggründen beruhen, was der Fall ist, wenn die Gefühlsregungen jeglichen nachvollziehbaren Grundes entbehren. Beim Vorliegen eines Motivbündels beruht die vorsätzliche Tötung auf niedrigen Beweggründen, wenn das Hauptmotiv, welches der Tat ihr Gepräge gibt, nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe steht und deshalb verwerflich ist. Der Täter muss weiterhin die tatsächlichen Umstände, welche die Niedrigkeit der Beweggründe ausmachen, in ihrer Bedeutung für die Tatausführung in sein Bewusstsein aufgenommen und erkannt haben sowie – insbesondere auch bei affektiver Erregung und gefühlsmäßigen oder triebhaften Regungen, wie dies etwa Verärgerung, Wut und Eifersucht sind – in der Lage gewesen sein, sie gedanklich zu beherrschen und willensmäßig zu steuern. Die Eifersucht des Angeklagten war hier Teil eines Motivbündels, wobei die weiteren Voraussetzungen für die Annahme einer Tötung aus niedrigen Beweggründen i.S.d. § 211 Abs. 2 StGB aus krankhaft übersteigerter Eifersucht nicht erfüllt sind, zumal der Sachverständige Dr. X nachvollziehbar schilderte, weswegen bei dem Angeklagten keine Eifersucht von Krankheitswert gegeben ist.
172
Das Mordmerkmal des gemeingefährlichen Tatmittels ist nicht erfüllt, da in der konkreten Tatsituation durch das seitens des Angeklagten eingesetzte Tatmittel keine Gefährdung einer unbestimmten Mehrzahl von Personen an Leib und Leben bestand.
173
Der Angeklagte ist vom Versuch des Mordes nicht strafbefreiend zurückgetreten, da für einen Rücktritt vorliegend kein Raum ist, nachdem ein fehlgeschlagener Versuch vorliegt. Der Angeklagte musste nach dem Auffahren auf das Lkw-Heck erkennen, dass dieses nicht ausreichend war, um das Leben der Geschädigten X zu beenden und zugleich, dass der von ihm geführte Pkw nunmehr so stark beschädigt war, dass ein erneutes Auffahren auf ein Hindernis zur Tötung seiner Beifahrerin nicht mehr möglich war. Andere Mittel zur Tötung seiner Ehefrau standen dem Angeklagten nicht zur Verfügung, zumal alsbald die Zeugen X und X hinzukamen. Eine andere rechtliche Bewertung ist auch nicht aufgrund des Umstandes, dass der Angeklagte die Geschädigte sodann aus dem Fahrzeug zog, veranlasst, da bei einem fehlgeschlagenen Versuch kein Raum für einen Rücktritt ist und dies überdies lediglich die örtliche Position der Geschädigten änderte, jedoch nicht der Versorgung ihrer Wunden und Verletzungen diente.
174
Der Angeklagte hat der Zeugin X, die Verletzungen an ihren Beinen durch das kollisionsbedingte Eindringen der Fahrzeugteile in das Fahrzeuginnere (Intrusion) erlitt, durch den von ihm geführten Pkw und damit durch ein von außen unmittelbar auf den Körper der Geschädigten einwirkendes gefährliches Tatmittel die Körperverletzung und damit mittels eines anderen gefährlichen Werkzeugs im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2, 2. Alt. StGB beigebracht.
175
Die Körperverletzung erfolgte zugleich mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung gem. § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB, da durch das Auffahren mit einer Geschwindigkeit von 155 km/h auf den vorausfahrenden Lkw für die Beifahrerin eine abstrakte Lebensgefahr bestand.
176
Der Straftatbestand des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gem. § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB verwirklichte der Angeklagte, indem er die Sicherheit des Straßenverkehrs durch einen verkehrsfremden Inneneingriff, namentlich das Auffahren mit dem von ihm geführten Pkw auf den vorausfahrenden Lkw, gefährdete, wodurch es zu Verletzungen des Körpers der Geschädigten X sowie einem nicht unbedeutendem Sachschaden für den Eigentümer des Sattelanhängers kam und dadurch Leib und Leben einer anderen Person und fremde Sachen von bedeutendem Wert nicht nur gefährdet wurden, sondern sich die Gefahr auch tatsächlich realisiert hat. Der Angeklagte handelte damit nicht nur mit bedingtem Schädigungsvorsatz, sondern in der Absicht, einen Unglücksfall herbeizuführen im Sinne von § 315 Abs. 3 Nr. 1a StGB, da es ihm gerade darauf ankam, derart das Leben seiner Beifahrerin, der Geschädigten X, zu beenden. Für diese Absicht des Angeklagten ist es unschädlich, dass die Geschädigte den Unfall überlebte, zumal die Tötung eines Menschen denknotwendig die Verletzung seines Körpers mitumfasst.
177
Durch das Auffahren auf den Lkw hat der Angeklagte auch absichtlich eine von ihm herbeigeführte verkehrsspezifische Gefahr verwirklicht.
178
Mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft wurde gem. § 154a Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO die gefährliche Körperverletzung zum Nachteil des Lkw-Fahrers X sowie die Sachbeschädigung zum Nachteil der Firma X GmbH von der Verfolgung ausgenommen, da diese Teile der Tat für die erkannte Strafe nicht beträchtlich ins Gewicht fallen.
179
Entnommen ist die Strafe dem gem. § 23 Abs. 2 StGB i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 211 Abs. 1 StGB.
180
Zugunsten des Angeklagten ist insbesondere berücksichtigt worden, dass
- er nicht vorbestraft ist,
- er vor der Tat ein ordentliches Leben geführt hat, er insbesondere sozial integriert war,
- die Geschädigte X durch die Tat keine schweren körperlichen Verletzungen, insbesondere keine lebensgefährlichen, erlitten hat,
- neben der Strafe die Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet und eine Sperre für die Wiedererteilung einer solchen festgesetzt worden ist und
- der Angeklagte sich durch die Tat selbst gefährdete und verletzt worden ist.
181
Straferschwerend fällt bei dem Angeklagten ins Gewicht, dass
- er durch die Tat mehrere Straftatbestände mit verschiedenen Schutzrichtungen verwirklicht hat und
- die Geschädigte X durch das Tatgeschehen eine noch andauernde posttraumatische Belastungsstörung sowie eine schwere depressive Episode erlitten hat, was für den Angeklagten vorhersehbar war.
182
Tat- und schuldangemessen ist eine Freiheitsstrafe von 7 Jahren.
183
Bei der Bemessung der Strafe sind insbesondere alle vorstehend aufgeführten Umstände, die zugunsten und zu Lasten des Angeklagten ins Gewicht fallen und auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, nochmals berücksichtigt worden.
VI. Führerscheinmaßnahmen
184
Dem Angeklagten ist, neben der Strafe, die Fahrerlaubnis zu entziehen. Dass der Angeklagte bereit war, zur Erreichung seines kriminellen Ziels der Tötung seiner Ehefrau die Sicherheit des Straßenverkehrs zu beeinträchtigen und er deshalb ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist, ergibt sich offenkundig daraus, dass der Angeklagte absichtlich während der Fahrt auf der Autobahn auf das Heck des vorausfahrenden Lkws aufgefahren ist und dadurch gezielt einen Verkehrsunfall, dessen Folgen er nicht zu kontrollieren vermochte, herbeigeführt hat. Er hat dadurch zum Ausdruck gebracht, dass er die Sicherheit des Straßenverkehrs seinen eigenen Interessen und deren Verwirklichung unterordnet. Diese verkehrsgefährdende Fahrweise und Verwendung des Kraftfahrzeugs war von dem Angeklagten geplant. Diese Ungeeignetheit ist inzwischen nicht entfallen, sondern besteht auch heute noch fort. Denn der Angeklagte befindet sich seit dem Tatgeschehen ununterbrochen in Untersuchungshaft und konnte demnach weder durch die Teilnahme an Verkehrsschulungen noch durch das zwischenzeitliche zuverlässige Führen von Kraftfahrzeugen ein Verhalten zeigen, das für das Entfallen seiner vorgenannten Ungeeignetheit sprechen könnte. Die Kammer erachtet eine Sperre von 1 Jahr 4 Monaten unter Berücksichtigung der gesamten Persönlichkeit des Angeklagten, insbesondere seiner Zuverlässigkeit, seines Vorlebens, seines Verhaltens bei und nach der Tat sowie der gesamten Tatumstände und der oben im Einzelnen geschilderten Strafzumessungserwägungen, auf die Bezug genommen wird, als ausreichend, aber auch als erforderlich, um bei dem Angeklagten das zutage getretene Verhaltensdefizit zu beseitigen. Bedacht worden ist dabei insbesondere, dass der Führerschein des Angeklagten seit X sichergestellt ist und sich der Entzug der Fahrerlaubnis für ihn nicht besonders aufgrund der parallel erkannten Freiheitsstrafe auswirkt.
185
Die Entscheidung beruht auf § 406 Abs. 1 StPO. Nachdem der Angeklagte des versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil der Adhäsionsklägerin schuldig gesprochen wird, ist seine Haftung für den der Adhäsionsklägerin wegen der Tat entstandenen Schmerzensgeldanspruch gemäß §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB dem Grunde nach gegeben.
186
Die Kammer hat im Übrigen von einer Entscheidung abgesehen gem. § 406 Abs. 1 S. 4 und 5 StPO abgesehen, da sich der Antrag hinsichtlich der Höhe des Schmerzensgeldes auch unter Berücksichtigung der berechtigten Belange der Antragstellerin zur Erledigung im Strafverfahren nicht eignet, weil insoweit weitere Beweiserhebungen, insbesondere zu den genauen Auswirkungen der erlittenen Beeinträchtigungen erforderlich gewesen wären.
Kosten- und Auslagenentscheidung
187
Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf §§ 465 Abs. 1 S. 1, 472 Abs. 1 S. 1, 472a Abs. 2 S. 1 StPO.