Titel:
Inanspruchnahme aus der Bürgschaft
Normenketten:
EStG § 10d Abs. 4, § 20 Abs. 1 Nr. 4, § 15, § 15a Abs. 1 S. 2
AO § 164 Abs. 1
FGO § 68
BGB § 329, § 774
HGB § 230
Leitsatz:
Das Vorliegen einer stillen Gesellschaft setzt voraus, dass sich der stille Gesellschafter mit einer Einlage an einem Unternehmensträger (Inhaber eines Handelsgeschäftes) beteiligt und dafür eine Gewinnbeteiligung erhält. Da die stille Gesellschaft nur als Innengesellschaft existiert und nach außen hin nicht in Erscheinung tritt, muss die Einlage des stillen Gesellschafters nach ständiger BFH-Rechtsprechung so geleistet werden, dass sie in das Vermögen des Inhabers des Handelsgeschäfts übergeht; die Einlage wird daher kein Gesamthandsvermögen. Die stille Gesellschaft setzt damit eine Vermögenseinlage des stillen Gesellschafters voraus, die zu einer Vermögensmehrung beim Geschäftsinhaber führen muss (BGH vom 24.09.1952 – II ZR 136/51, Neue Juristische Wochenschrift, NJW 1952, 1412). (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagwort:
Kapitaleinkünfte
Rechtsmittelinstanz:
BFH München vom -- – VIII R 3/23
Fundstellen:
DStRE 2023, 1441
LSK 2021, 61970
BeckRS 2021, 61970
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
1
Streitig ist, ob die Inanspruchnahme des Klägers als Bürge zu einem Verlust aus einer atypisch stillen Beteiligung geführt hat oder hilfsweise eine Berücksichtigung bei den Einkünften aus Kapitalvermögen möglich ist.
2
Der Kläger erklärte in seiner Einkommensteuererklärung 2011 einen Verlust aus einer atypisch stillen Beteiligung an der Firma A GmbH & atypisch still i. H. v. 44.881 €. Der Verlust blieb im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung unberücksichtigt, da keine Mitteilung des Feststellungsfinanzamts vorlag.
3
Gegen den Einkommensteuerbescheid vom 02.04.2013 legte er Kläger Einspruch ein. Er verwies auf eine Feststellungserklärung gegenüber dem Finanzamt 1, wonach die A GmbH zu 90% und er selbst zu 10% an einer atypisch stillen Gesellschaft beteiligt seien. Sein Anteil am laufenden Verlust aus Gewerbebetrieb betrage 51.190,83 € abzüglich ihm allein zuzurechnender Betriebseinnahmen i. H. v. 6.309,58 €, so dass bei ihm ein Verlust i. H. v. 44.881,25 € anzusetzen sei.
4
Die Nachfrage des beklagten Finanzamts beim für die Feststellung zuständigen Finanzamt 1 ergab, dass die A GmbH & atypisch still bereits seit dem 30.06.2009 nicht mehr bestehe. Eine gesonderte und einheitliche Feststellung habe nicht stattgefunden, weil der vom Kläger vorgelegte, auf den 10.01.2011 datierte Vertrag über ein Partiarisches Darlehen mit Nachtrag vom 15.01.2011 keine Beteiligung an den stillen Reserven der GmbH vorgesehen habe, kein Jahresabschluss für das Jahr 2011 vorliege und die A GmbH Anfang 2012 Insolvenz angemeldet habe. Die Ablehnung der gesonderten und einheitlichen Feststellung sei dem Kläger mit Schreiben vom 26.04.2013 mitgeteilt worden.
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Mit Schreiben vom 26.04.2013 legte der Kläger einen auf den 10.01.2011 datierten Vertrag über ein Partiarisches Darlehen vor, der lautet wie folgt:
Der Darlehensgeber gewährt dem Darlehensnehmer ein verzinsliches Darlehen in Höhe von 180.273,72 € durch Umwandlung des Darlehens der Bank1, Kontonummer ….
§ 2 Verzinsung/Gewinnbeteiligung
Das Darlehen ist analog der Darlehensbedingungen der Bank1 mit 7% p.a. zu verzinsen. Zinsen und Gebühren sind ebenfalls analog der Bedingungen der Bank1 zu zahlen. Die Zinsen sind monatlich zu zahlen. Zusätzlich zum vereinbarten Zins ist eine Gewinn- und Verlustbeteiligung in Höhe von 1% des Jahresgewinns. Die Dauer der Gewinn- und Verlustbeteiligung ist bis zum 01.01.2016 vereinbart.
Maßgeblich für die Gewinn- und Verlustbeteiligung des Darlehensgebers ist der Steuerbilanzgewinn der GmbH vor Abzug der. Körperschaftsteuer.
Die GmbH verpflichtet sich, ihren Jahresabschluss spätestens innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahres aufzustellen und dem Darlehensgeber schriftlich mitzuteilen.
Das Darlehen ist analog den Darlehensbedingungen der Bank1 in monatlichen Raten von jeweils 2.000,00 € zurückzuzahlen (Zins und Tilgung).
Es ist jederzeit eine Sondertilgung des Darlehens möglich.
Ein Respiro von einer Woche ist vereinbart. Im Fall des Verzugs der Rate oder einem Teil der Rate ist der Darlehensgeber berechtigt, Terminverlust geltend zu machen und den gesamten Darlehensrest sofort fällig zu stellen.
Ist die Darlehensnehmerin mit der Rückzahlung in Verzug, wird der Darlehnsgeber den ihm entstehenden Schaden als Verzugsschaden geltend machen.
Es gelten die mit der Bank1vereinbarten Sicherheiten.
Die Kosten der Kreditsicherung trägt das Unternehmen.
Die GmbH bedarf zu folgenden Geschäften der vorherigen Zustimmung des Darlehensgebers: Umwandlung der GmbH in eine andere Rechtsform einschließlich der Aufnahme von Gesellschaftern und Veräußerung und Verpachtung des Unternehmens.
§ 6 Kündigungsrecht des Darlehensnehmers
Für die Kündigungsfristen gelten die Bedingungen der Bank1.
§ 7 Kündigungsrecht des Darlehensgebers
Dem Darlehensgeber steht das Recht zur außerordentlichen Kündigung zu.
§ 8 Salvatorische Klausel
Neben dieser Vereinbarung bestehen keine mündlichen Nebenabreden. Änderungen und Ergänzungen des Vertrags bedürfen der Schriftform. Dies gilt auch für ein Abweichen vom Schriftformerfordernis. · Sollte eine Bestimmung dieses Vertrags unwirksam sein, werden davon die übrigen Regelungen nicht berührt.
Die Parteien sind verpflichtet, sich auf eine Regelung zu einigen, die rechtlich zulässig ist und dem Gewollten wirtschaftlich am nächsten kommt.“
6
Außerdem legte er einen auf den 15.01.2011 datierten Nachtrag vor.
„§ 2 Verzinsung/Gewinn-Verlustbeteiligung
Abweichend vom Darlehensvertrag vom10.01.2011 beträgt die Gewinn- und Verlustbeteiligung ab dem 01.01.2011 10% des Jahresergebnisses. Die Dauer der Gewinn- und Verlustbeteiligung ist bis zum 01.01.2016 fest vereinbart.“
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Der Kläger beantragte nunmehr die Berücksichtigung seines Verlusts bei den Einkünften aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG. Dem entsprach das Finanzamt mit Änderungsbescheid für 2011 vom 23.07.2014 und setzte die Zinsen i. H. v. 6.309 € und den anteiligen laufenden Verlust i. H. v. 51.190 € bei den inländischen Kapitalerträgen ohne Steuerabzug an, verrechnete den Werbungskostenüberschuss i. H. v. 44.881,25 € mit positiven inländischen Kapitalerträgen ohne Steuerabzug i. H. v. 12.063 € und stellte den verbleibenden Verlustabzug gem. § 10d Abs. 4 EStG i. H. v. 32.818 € unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 Abs. 1 AO gesondert fest.
8
Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 2012 beantragte der Kläger den verbleibenden Teil des sog. „Partiarischen Darlehens“ (180.273,72 € – 44.881,25 €) i. H. v. 135.392,47 € zu berücksichtigen und legte gegen den Einkommensteuerbescheid 2012 vom 10.07.2014 ebenfalls Einspruch ein. Er gab an, dass es sich nicht um den Ausfall eines Darlehens, sondern um einen anteiligen laufenden Verlust handele, und legte ein Schreiben des Insolvenzverwalters vom 11.08.2014 vor, in dem der Insolvenzverwalter darlegte, dass ihm keine Informationen und Unterlagen zu einem partiarischen Darlehen des Klägers vorlägen und dass der Kläger nachweisen solle, dass er den Darlehensbetrag tatsächlich ausbezahlt habe.
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Im Zuge einer Konzernbetriebsprüfung beim Kläger in der Zeit vom 16.12.2015 bis 06.08.2018 für die Jahre 2009 bis 2013 wurde festgestellt, dass der Kläger mit Urkunde vom 20.12.2010 gegenüber der Bank1 eine Bürgschaft i. H. v. 200.000 € zugunsten der A GmbH übernommen hatte. Besichert worden war damit ein am 21.12.2010 von der Bank1 an die GmbH ausgereichtes Darlehen i. H. v. 200.000 €. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH im Januar 2012 hatte die Bank1 ihr Kreditengagement gegenüber der GmbH beendet, ihre Forderung fällig gestellt und den Kläger am 26.01.2012 aus der Bürgschaft in Anspruch genommen. Die sich inzwischen auf 188.276,61 € belaufende Forderung erfüllte der Kläger am 20.04.2012.
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Am 24.04.2018 hat der Kläger Untätigkeitsklage erhoben.
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In einer Besprechung mit dem Finanzamt am 21.06.2018 gab der Kläger an, er habe das Darlehen der Bank1 an die GmbH übernehmen wollen, eine Zustimmung der Bank sei aber nicht erteilt worden. Zins- und Tilgungsleistungen habe die GmbH weiterhin selbst an die Bank erbracht. Die GmbH sei nicht seine Mandantin gewesen. Es hätten keine Zahlungsflüsse stattgefunden, sondern es seien nur Vorgänge buchhalterisch abgebildet worden. So sei das Darlehen mit seinen Verlustanteilen verrechnet worden.
12
Aus der Anmeldung zur Insolvenztabelle und den Unterlagen des Insolvenzgerichts war zu entnehmen, dass der Kläger zunächst nur eine nicht im Zusammenhang mit einem Darlehen stehende Forderung gegenüber der GmbH i. H. v. 7.000 € und erst nach seiner Zahlung auf die Bürgschaft den Betrag i. H. v. 188.256,61 € angemeldet hatte.
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Das Finanzamt erließ am 02.10.2018 einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Einkommensteuerbescheid 2011 und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf. In dem geänderten Bescheid berücksichtigte das Finanzamt nunmehr den Verlust aus der Beteiligung an der GmbH nicht mehr bei den inländischen Kapitalerträgen. Ferner hob es gem. § 164 Abs. 2 AO den bisherigen Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zum 31.12.2011 auf.
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Mit Einspruchsentscheidung vom 18.01.2019 wies das Finanzamt den Einspruch betreffend die Einkommensteuer 2011 als unbegründet zurück. Mit einer weiteren Einspruchsentscheidung vom 23.01.2019 setzte das Finanzamt aufgrund einer Änderung bei hier nicht streitigen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung die Einkommensteuer 2012 auf 63.854 € herab und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück.
15
Die Änderungsbescheide sowie die Einspruchsentscheidung sind gem. § 68 FGO Gegenstand des Klageverfahrens geworden.
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Der Kläger ist zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung der Ansicht, der Vertrag mit der Bezeichnung „Partiarisches Darlehen“ stelle keinen Darlehensvertrag, sondern eine typisch stille Beteiligung dar. Die Schuldübernahme, die nicht stattgefunden habe, könne in eine Erfüllungsübernahme gem. § 329 BGB umgedeutet werden. Er habe seine Einlage im Wege der Erfüllungsübernahme des Darlehens bei der Bank1 erbracht. Auch die Erfüllungsübernahme habe zwar nicht stattgefunden. Schon seine bloße Bereitschaft zur Erfüllungsübernahme habe jedoch dazu geführt, dass die GmbH sich auf die Erfüllungsübernahme hätte berufen und ihre Verbindlichkeiten auf null hätte herabsetzen können. Die Verluste seien bei den Kapitaleinkünften i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG einzuordnen.
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Zumindest habe der Ausfall mit dem zur Tabelle angemeldeten Erstattungsanspruch als Bürge gegen die GmbH zu einem Verlust aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG geführt. Die Bürgschaft sei zwar unentgeltlich gewesen und in dem Vertrag über das „Partiarische Darlehen“ nicht erwähnt worden, weil es sich um zwei verschiedene Dinge handele. Bei der Übernahme der Bürgschaft habe er, der Kläger, in Gewinnerzielungsabsicht gehandelt, da im Fall seiner Inanspruchnahme auch Zinsansprüche auf ihn übergehen würden. Außerdem habe ihm im Rahmen des Partiarischen Darlehens eine Gewinnbeteiligung zugestanden. Zum Zeitpunkt des Eingehens der Bürgschaft habe er noch nicht wissen können, dass er in Anspruch genommen werden würde.
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Für das Jahr 2011 stehe ihm ein Verlust als Mitunternehmer einer atypisch stillen Gesellschaft gemäß § 15 EStG i. H. v. 44.881,25 € zu. Für das Jahr 2012 macht er den Verlust der privaten Darlehensforderung, die gem. § 774 BGB auf ihn übergegangen sei, i. H. v. 188.276,61 € bzw. im Rahmen der stillen Gesellschaft geltend. Da er 190.086,47 € zur Tabelle angemeldet habe, verblieben nach Abzug des Verlustes aus 2011 i. H. v. 44.881,25 € für das Jahr 2012 154.205,22 €.
den geänderten Einkommensteuerbescheid 2011 vom 02.10.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.01.2019 dahingehend abzuändern, dass die Einkommensteuer 2011 unter Berücksichtigung eines Verlusts bei den Einkünften aus Kapitalvermögen im Rahmen einer stillen Gesellschaft bzw. aufgrund des ausgefallenen Darlehens der Bank1, das auf den Kläger übergegangen ist, i. H. v. 44.881,25 € herabzusetzen und den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zum 31.12.2011 vom 02.10.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.01.2019 aufzuheben, und den geänderten Einkommensteuerbescheid 2012 vom 10.07.2014 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 30.10.2018 und der Einspruchsentscheidung vom 23.01.2019 dahingehend abzuändern, dass die Einkommensteuer 2012 unter Berücksichtigung eines Verlusts bei den Einkünften aus Kapitalvermögen i. H. v. 154.205,22 € herabgesetzt wird.
20
Das Finanzamt beantragt,
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Die Berücksichtigung von Verlusten in den Streitjahren 2011 und 2012 aus einer (a) typisch stillen Beteiligung nach § 15 EStG bzw. nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG komme aus Sicht des Beklagten bereits deshalb nicht in Betracht, da der Kläger keine Einlage erbracht habe. Infolgedessen liege die unabdingbare Voraussetzung für die Begründung einer stillen Gesellschaft im Sinne des § 230 HGB nicht vor. Daher sei nicht mehr entscheidungserheblich, ob der negative Feststellungsbescheid des Finanzamtes 1 vom 26.04.2013 als Verwaltungsakt i. S. d. § 118 AO zu qualifizieren sei.
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Für die Annahme einer (a) typisch stillen Beteiligung fehle es an einem Zufluss in das Gesellschaftsvermögen, wenn bei der Übernahme von Darlehensverbindlichkeiten der GmbH gegenüber Drittgläubigern zu den maßgeblichen Bilanzstichtagen noch die zivilrechtlich nach § 415 BGB notwendigen Genehmigungen der Gläubiger fehlten.
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Im Streitfall sei die Schuldübernahme durch die Bank1 nicht genehmigt worden. Bis zur Insolvenzeröffnung über das Vermögen der GmbH am 11.01.2012 sei die GmbH nicht von ihren Darlehensverbindlichkeiten befreit gewesen, die behauptete interne Erfüllungsübernahme durch den Kläger habe folglich im Zeitraum des angeblichen Bestehens einer (a) typisch stillen Gesellschaft zu keiner Zeit einen Vermögenszufluss i. S. des § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG bei der GmbH bewirkt und der Kläger habe somit keine Einlage i. S. d. § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG geleistet. Damit liege keine (a) typisch stille Gesellschaft im Sinne des § 230 HGB vor.
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Der Beklagte hält an seiner Rechtsauffassung fest, dass die Inanspruchnahme des Klägers aus der privaten Bürgschaft einen im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen irrelevanten privaten Vermögensverlust darstellt. Die Berücksichtigung eines Verlustes bei den Einkünften aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG scheitere bereits daran, dass der Kläger keine Einkünfteerzielungsabsicht gehabt habe.
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Fest stehe, dass der Kläger am 21.12.2010 gegenüber der Bank1 eine selbstschuldnerische (Höchst-) Bürgschaft zugunsten der GmbH für einen am selben Tag abgeschlossenen Darlehensvertrag zwischen der Bank1 und der GmbH i. H. v. 200.000 € übernommen habe. Diese Bürgschaftsverpflichtung habe der Kläger erfüllt und die auf ihn übergegangene (Kapital-)Forderung zur Insolvenztabelle angemeldet. Der Kläger habe keine eigene Darlehensforderung gegenüber der GmbH zur Insolvenztabelle angemeldet.
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Mit Erfüllung der Bürgschaft durch den Kläger sei nicht automatisch auch die bisherige steuerbare Einkunftsquelle der Bank1 auf den Kläger übergegangen. Die bis zur Bürgschaftserfüllung aufgelaufenen Zinsansprüche der Bank1 seien von der Bank1 zu versteuern und ließen keinen Rückschluss auf eine Einkünfteerzielungsabsicht des Klägers zu.
27
Der als „partiarisches Darlehen“ bezeichnete Darlehensvertrag sei zu keiner Zeit entsprechend der getroffenen Vereinbarungen tatsächlich durchgeführt worden. Es seien keine Zins- und Tilgungszahlungen der GmbH an den Kläger geleistet worden. Daher könne der Darlehensvertrag steuerlich nicht anerkannt und in der Folge nicht als Einkunftsquelle i. S. d. § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG angesehen werden.
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Es seien auch keine Zins- und Tilgungszahlungen des Klägers an die Bank1 erfolgt. Es liege folglich kein Nachweis vor, der auf eine tatsächlich durchgeführte Schuldübernahme des Klägers gegenüber der Bank1 bzw. auf eine im Innenverhältnis zwischen dem Kläger und der GmbH vereinbarte Erfüllungsübernahme nach § 329 BGB hindeuten könnte. Die im Vertrag vorgesehenen Kündigungsmöglichkeiten seien mit einer Erfüllungsübernahme nicht vereinbar. Abgesehen davon spreche auch die Tatsache, dass der Kläger kurze Zeit vor Abschluss des Darlehensvertrags (10.01.2011) eine Bürgschaft (21.12.2010) für die GmbH gegenüber der Bank1 übernommen habe, gegen einen zusätzlichen Abschluss eines Vertrags über die Erfüllungsübernahme nach § 329 BGB. Denn mit der Bürgschaftsübernahme habe der Kläger bereits sekundär für die Erfüllung der Darlehensschuld durch die GmbH gehaftet. Es seien somit nach Lage der Akten keine plausiblen Gründe dafür erkennbar, warum sich der Kläger gegenüber der GmbH zusätzlich noch zur primären Erfüllung der Darlehensschuld habe verpflichten sollen, für die er sich ja selbst am 21.12.2010 verbürgt habe. Der Kläger sei einer hypothetischen Verpflichtung zur Erfüllungsübernahme tatsächlich bis zur Insolvenzeröffnung nicht nachgekommen. Daher habe der Kläger keine Einlage in Form der Vereinbarung eines Freistellungsanspruchs zur Begründung einer (a) typisch stillen Beteiligung erbracht.
29
Die Inanspruchnahme des Klägers aus der Bürgschaft habe nicht zu einem anzuerkennenden steuerbaren Verlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geführt. Auch wenn Verluste aus dem Ausfall von Darlehen steuerlich inzwischen berücksichtigungsfähig seien (BFH-Urteil vom 27.10.2017 VIII R 13/15, BFHE 259, 535, BStBl II 2020, 831), führe dies nicht zu einem steuerbaren Verlust des Klägers.
30
Voraussetzung für die Steuerbarkeit negativer Kapitaleinkünfte sei, dass der Inhaber der Kapitalforderung Einkünfteerzielungsabsicht habe. Beim Übergang der Darlehensforderung auf den Kläger zum Zeitpunkt der Bürgschaftserfüllung sei das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH bereits eröffnet gewesen (11.01.2012). Aufgrund der im Insolvenzverfahren der Schuldnerin bereits seit dem 07.03.2012 angezeigten Masseunzulänglichkeit habe somit von vornherein festgestanden, dass der Kläger keine Rückzahlungen vom Schuldner zu erwarten gehabt habe und er auch keine Zinsansprüche gegen den Schuldner würde realisieren können. Der Kläger habe auf die Nachfrage des Finanzamts vom 10.05.2013, ob er neben dem vorgenannten Darlehen vom 10.01.2011 noch weitere Rechtsbeziehungen zu der GmbH unterhalten habe, mit Schriftsatz vom 10.05.2013 geantwortet, dass keine weiteren Geschäftsbeziehungen mit der vorgenannten Gesellschaft bestanden hätten.
31
Im Streitfall sei bis zur Insolvenzeröffnung am 11.01.2012 alleiniger Geschäftsführer der GmbH und deren alleiniger Gesellschafter Herr A gewesen. Es gebe keinerlei Anhaltspunkte, die darauf hindeuteten, dass dem Kläger ermöglicht worden sei, wie ein Unternehmer auf das Schicksal des Unternehmens und damit auch seiner eigenen Erfolgsbeteiligung Einfluss zu nehmen. Im Vertrag über das partiarische Darlehen vom 10.01.2011 seien dem Kläger lediglich die Befugnisse eingeräumt worden, die nach dem gesetzlichen Regelstatut des HGB bei außergewöhnlichen Geschäften auch einem Kommanditisten zustünden.
32
Auf den Inhalt der dem Senat vorliegenden Einkommensteuer-, Betriebsprüfungs- und Rechtsbehelfsakten und den Inhalt der im Klageverfahren eingereichten Schriftsätze sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
33
I. Über das vom Kläger zunächst behauptete Bestehen einer (a) typisch stillen Beteiligung i. S. d. § 15 EStG kann im Rahmen des vorliegenden Klageverfahrens nicht entschieden werden, da diese Frage Gegenstand des negativen Feststellungsbescheides des Finanzamts 1 vom 26.04.2013 gewesen ist und eine Anfechtung der vorliegenden Einkommensteuerfestsetzungen gem. § 42 FGO i. V. m. § 351 Abs. 2 AO insoweit ausgeschlossen ist. Der Bescheid vom 26.04.2013 enthält die ausdrückliche Feststellung, dass keine gemeinschaftlichen Einkünfte erzielt worden sind, die einheitlich und gesondert festgestellt werden könnten. Trotz fehlender Rechtsbehelfsbelehrunghandelt es sich daher um eine Regelung eines Einzelfalls mit Außenwirkung und damit um einen bestandskräftigen Verwaltungsakt i. S. d. § 118 AO. Eine Aussetzung des vorliegenden Verfahrens ist im Hinblick auf die Bestandskraft des negativen Feststellungsbescheides nicht geboten.
34
II. Die Klage ist unbegründet.
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1. Die Inanspruchnahme aus der Bürgschaft hat sich nicht bei den Einkünften im Rahmen der selbständigen Tätigkeit des Klägers als Wirtschaftsprüfer ausgewirkt. Ein Zusammenhang mit einem von ihm betreuten Mandat ist nicht vorhanden; insbesondere war die GmbH nicht Mandantin des Einzelunternehmens des Klägers.
36
2. Der Kläger hat keine berücksichtigungsfähigen Werbungskostenüberschüsse bei seinen Einkünften aus Kapitalvermögen erzielt.
37
a) Es liegt kein Werbungskostenüberschuss bei einer Beteiligung des Klägers als stiller Gesellschafter oder aus partiarischem Darlehen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG vor.
38
aa) Der Kläger hat keine Einlage geleistet, die zu einer stillen Beteiligung i. S. d. § 230 HGB geführt hätte. Insbesondere ist eine Erfüllungsübernahme weder vereinbart noch tatsächlich durchgeführt worden. Sie kann daher auch nicht als Einlage gewertet werden.
39
Die stille Gesellschaft im Sinne des §§ 230 ff HGB ist eine auf das Innenverhältnis begrenzte Gesellschaft bürgerlichen Rechts, bei der sich eine oder mehrere Personen mit einer Vermögenseinlage an dem Handelsgewerbe, das ein anderer betreibt, beteiligt/beteiligen, und zwar in der Weise, dass diese Vermögenseinlage in das Vermögen des Inhabers des Handelsgewerbes übergeht (§ 230 Abs. 1 HGB). Ein eigenes Vermögen hat die stille Gesellschaft nicht; sie tritt nach außen nicht in Erscheinung. Auf die stille Gesellschaft finden in erster Linie die Vereinbarungen des Gesellschaftsvertrags, sodann die Regelungen in §§ 230 bis 236 HGB, sodann hilfsweise die Regelungen des BGB zur GbR Anwendung. Da im Streitfall kein Gesellschaftsvertrag über eine stille Gesellschaft vorliegt, sind die Regelungen der §§ 230 bis 236 HGB sowie ergänzend die Regelungen des BGB zu beachten. Da die stille Gesellschaft eine reine Innengesellschaft ist, bestehen keine Regelungen zur Vertretung der Gesellschaft nach außen. Die stille Gesellschaft wird aufgelöst durch Kündigung der Gesellschafter, eines Gesellschaftsgläubigers oder durch Auflösungsklage (§§ 132, 133, 135 i. V. m. 234 Satz 1 HGB). Auch die Insolvenz eines Gesellschafters führt zur Auflösung der stillen Gesellschaft (§ 728 BGB). Übertragen auf den Streitfall bedeutet dies zunächst, dass eine stille Gesellschaft, falls eine solche bestanden hätte, jedenfalls mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der A GmbH (Betreiberin des Handelsgewerbes) am 11.01.2012 als aufgelöst gilt.
40
Das Vorliegen einer stillen Gesellschaft setzt voraus, dass sich der stille Gesellschafter mit einer Einlage an einem Unternehmensträger (Inhaber eines Handelsgeschäftes) beteiligt und dafür eine Gewinnbeteiligung erhält. Da die stille Gesellschaft nur als Innengesellschaft existiert und nach außen hin nicht in Erscheinung tritt, muss die Einlage des stillen Gesellschafters nach ständiger BFH-Rechtsprechung so geleistet werden, dass sie in das Vermögen des Inhabers des Handelsgeschäfts übergeht; die Einlage wird daher kein Gesamthandsvermögen. Die stille Gesellschaft setzt damit eine Vermögenseinlage des stillen Gesellschafters voraus, die zu einer Vermögensmehrung beim Geschäftsinhaber führen muss (BGH vom 24.09.1952 – II ZR 136/51, Neue Juristische Wochenschrift, NJW 1952, 1412).
41
Eine Kommanditeinlage i. S. d. § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG ist erst geleistet, wenn sie tatsächlich erbracht worden ist. Die im Innenverhältnis gegenüber einer KG bestehende Einlageverpflichtung, die „ausstehende Einlage“ des Kommanditisten oder eine entsprechende sonstige Forderung der Gesellschaft gegenüber dem betreffenden Gesellschafter, reicht hierfür nicht aus (BFH-Urteil vom 03.12.2002 IX R 24/00, BFH/NV 2003, 894). Dies gilt entsprechend für die Einlage eines atypisch stillen Gesellschafters (BFH-Urteil vom 10.07.2001 – VIII R 45/98, BStBl II 2002, 339). Die Leistung einer Einlage durch den typisch stillen Gesellschafter ist nach denselben Grundsätzen zu beurteilen. Dem Gesellschaftsvermögen muss etwas von außen zugeflossen sein, was den bilanziellen Unternehmenswert mehre, also die Aktiva des Unternehmens erhöht oder die Passiva mindert und dadurch das Kapitalkonto beeinflusst (vgl. oben aufgeführtes BFH-Urteil vom 16.10.2007 VIII R 21/06, BStBl II 2008, 126).
42
Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 16.10.2007 VIII R 21/06, BStBl II 2008, 126, sowie BFH-Beschluss vom 07.08.2002 VIII B 90/02, BFH/NV 2002, 1577) kann die Übernahme einer Gesellschaftsschuld durch einen stillen Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft nur dann eine „geleistete“ Einlage im Sinne von § 15a EStG sein, wenn die Gesellschaft endgültig von ihrer Schuld befreit wird. Eine spätere Genehmigung der Schuldübernahme durch den Gläubiger wirkt dabei steuerrechtlich nicht auf den Zeitpunkt der Verpflichtung zurück (BFH-Urteil vom 16.10.2007 VIII R 21/06, BStBl II 2008, 126; sowie BFH-Beschluss vom 07.08.2002 VIII B 90/02, BFH/NV 2002, 1577).
43
Ohne die Leistung der Vermögenseinlage kann die stille Gesellschaft auch steuerlich nicht anerkannt werden (BFH-Urteil vom 19.10.2005 – I R 48/04, BStBl II 2006, 334).
44
Im Streitfall liegt demnach bereits deshalb weder eine typische noch eine atypisch stille Gesellschaft vor, weil der Kläger bis zur Auflösung der stillen Gesellschaft, also bis zur Insolvenzeröffnung über das Vermögen der A GmbH am 11.01.2012, keine Einlage in das Vermögen der GmbH geleistet hat, die bei dieser zu einer Vermögensmehrung geführt hätte.
45
Eine Erfüllungsübernahme ist weder im Vertrag über das „Partiarische Darlehen“ noch auf andere Weise vereinbart worden. Der Vertrag über das „Partiarische Darlehen“ sieht ganz im Gegenteil eine Rückzahlung des sog. Darlehensbetrags vor. Es ist auch keine tatsächliche Vornahme einer Erfüllungsübernahme erkennbar. Die Zinsen hätten dann vom Kläger an die Bank1 gezahlt werden müssen. Tatsächlich hat jedoch weiterhin die GmbH die Zinsen an die Bank gezahlt.
46
bb) Das sog. „Partiarische Darlehen“ ist nicht ausgezahlt worden. Der Kläger ist daher auch nicht mit einer Rückforderung ausgefallen. Die vom Kläger selbst erstellten Kontennachweise, welche mangels Testierung für die Besteuerung unmaßgeblich sind, wurden vom Kläger erst im Jahr 2015 vorgelegt. Selbst aus diesen Kontennachweisen ergibt sich keine Verrechnung von Verlusten mit dem Sachkonto „Partiarisches Darlehen“.
47
cc) Der Kläger hat auch nicht die Darlehensverpflichtung der GmbH gegenüber der Bank1 übernommen. Die für eine Schuldübernahme erforderliche Genehmigung durch die Bank1 ist nicht erteilt worden. Die Inanspruchnahme des Klägers lediglich als Bürge und die Anmeldung der Darlehensforderung zur Insolvenztabelle durch die Bank zeigt zur Überzeugung des Senats, dass eine Schuldübernahme der Bank nicht bekannt war und von dieser auch nicht genehmigt worden ist. Es sind auch keine Zins- und Tilgungsleistungen von der GmbH an den Kläger oder vom Kläger an die Bank erbracht worden, sondern ausschließlich von der GmbH an die Bank.
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b) Auch der Ausfall des Klägers mit der auf ihn gem. § 774 BGB übergegangenen Darlehensforderung des Bank1 hat nicht zu Werbungskosten im Rahmen des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG geführt.
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Der endgültige Ausfall einer Kapitalforderung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der privaten Vermögenssphäre führt nach Einführung der Abgeltungsteuer zu einem steuerlich anzuerkennenden Verlust nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, Abs. 4 EStG (BFH, Urteil vom 24.10.2017 VIII R 13/15, BFHE 259, 535, BStBl II 2020, 831).
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Die mit der Abgeltungsteuer als Schedule eingeführten Besonderheiten der Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG) bedingen eine tatsächliche Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht (BFH-Urteil vom 14.03.2017 VIII R 38/15, BFHE 258, 240, BStBl II 2017, 1040). Diese kann zwar vermutet werden; die Vermutung ist allerdings widerlegt, wenn ein positives Ergebnis der Kapitalanlage in Form laufender Kapitalerträge oder Gewinne gem. § 20 Absätze 2 und 4 EStG von vornherein ausgeschlossen erscheint (Levedag in Schmidt, EStG, 40. Aufl., § 20, Rn. 20).
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Im Streitfall war der Darlehensforderung gegen die GmbH zum maßgeblichen Zeitpunkt ihres Übergangs auf den Kläger gem. § 774 BGB aufgrund der bereits eröffneten Insolvenz der GmbH wertlos. Die Übernahme der Bürgschaft ist unentgeltlich erfolgt und vom nicht vollzogenen Vertrag über das sog. „Partiarischen Darlehen“, in dem sie ohnehin nicht erwähnt wird, zu trennen. Nach Überzeugung des Senats haben die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung eingeräumten privaten Motive im Vordergrund gestanden. Durch die Bürgschaft hat der Kläger bewusst der Familie seiner zweiten Ehefrau die Fortführung des Familienunternehmens zumindest für eine Weile ermöglicht.
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Es fehlt daher an der erforderlichen Einkunftserzielungsabsicht.
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Die angefochtenen Bescheide verletzten den Kläger somit nicht in seinen Rechten.
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Die Klage war daher abzuweisen.
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III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.