Titel:
Arbeitnehmer, Arbeitszeit, Arbeitgeber, Arbeitsvertrag, Mehrarbeit, Ausschlussfrist, Ablehnung, Befristung, Berufung, Unionsrecht, Festsetzung, Zahlungsanspruch, Zahlung, Zulassung, Vorbringen der Parteien, Zulassung der Berufung, Ablauf der Befristung
Schlagworte:
Arbeitnehmer, Arbeitszeit, Arbeitgeber, Arbeitsvertrag, Mehrarbeit, Ausschlussfrist, Ablehnung, Befristung, Berufung, Unionsrecht, Festsetzung, Zahlungsanspruch, Zahlung, Zulassung, Vorbringen der Parteien, Zulassung der Berufung, Ablauf der Befristung
Rechtsmittelinstanzen:
LArbG München, Urteil vom 23.06.2022 – 3 Sa 847/21
BAG Erfurt, Beschluss vom 28.10.2022 – 5 AZN 459/22
BAG Erfurt, Beschluss vom 19.01.2023 – 5 AZN 657/22 (F)
BVerfG Karlsruhe, Beschluss vom 31.03.2023 – 1 BvR 382/23
Fundstelle:
BeckRS 2021, 61903
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3. Der Streitwert wird auf € 20.524,78 festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten um Zahlungsansprüche aus einem beendeten Arbeitsverhältnis.
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Der Kläger war seit dem 02.05.2019 bei der Beklagten beschäftigt und als Seminarleiter mit dem Abhalten von Sprachkursen betraut. Das Arbeitsverhältnis war gemäß Arbeitsvertrag vom 06.06.2019 befristet bis zum 30.04.2020. Der Arbeitsvertrag (Anlage K1) enthielt u.a. folgende Regelungen:
„§ 4 Arbeitszeit; Überstunden und Mehrarbeit
Der Arbeitnehmer wird mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 40 Stunden wöchentlich in einer Sechs-Tage-Woche eingestellt. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit richten sich nach den Kurszeiten.
Der Arbeitnehmer erhält eine monatliche Bruttovergütung in Höhe von 3.100 Euro. […]
§ 11 Verfall-/Ausschlussfristen
Die Vertragsschließenden müssen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit in Textform geltend machen und im Falle ihrer Ablehnung durch die Gegenseite innerhalb von drei Monaten einklagen.
Hiervon unberührt bleiben Ansprüche, die auf Handlungen wegen Vorsatzes oder grober Fahrlässigkeit beruhen sowie Ansprüche nach dem Mindestlohngesetz. Über den Mindestlohn hinausgehende Vergütungsansprüche des Arbeitnehmers unterliegen hingegen der vereinbarten Ausschlussfrist.“
3
Mit Schreiben vom 16.09.2020 (Anlage K2), welches der Beklagten jedenfalls am 22.09.2020 vorlag, machte der Prozessbevollmächtigte des Klägers gegenüber der Beklagten einen Zahlungsanspruch wegen 564 Überstunden geltend.
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Der Kläger behauptet, er habe wöchentlich 54 Schulstunden á 45 min. gearbeitet, obwohl im Vertrag nur 40 Schulstunden wöchentlich vereinbart seien. Der Kläger ist der Ansicht, dass wöchentlich 14 Überstunden angefallen seien. Er verweist darauf, dass gemäß § 19 Abs. 3 BaySchO eine Unterrichtsstunde 45 Minuten betrage. Für den Zeitraum vom 02.05.2019 bis zum 16.03.2020 ergäben sich Überstunden. Zur Berechnung der Klageforderung wird auf S. 2 der Klage sowie auf S. 3 f. des Schriftsatzes vom 28.01.2021 Bezug genommen. Der Kläger ist des Weiteren der Ansicht, dass die Beklagte für den Zeitraum 02.05.2019 bis zum 16.03.2020 allsonntäglich einen Sonntagszuschlag in Höhe von 100% aus dem Bruttolohn, insgesamt € 6.487,20 brutto, schulde. Zur Berechnung wird auf S. 2 des Schriftsatzes vom 09.04.2021 Bezug genommen. Die vertragliche Ausschlussfrist entspreche nicht dem europarechtlichen Effektivitäts- und Äquivalenzgrundsatz, es werde auf die Rechtsprechung des EuGH in Sachen Levez, Rechtssache C326/96, und auf die Rechtssache C-501/12 verwiesen. Jedenfalls habe der Kläger Kündigungsschutzklage erhoben und diese unterbreche auch die vertragliche Ausschlussfrist.
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Gegen den Ablauf der Befristung hat der Kläger Klage vor dem Arbeitsgericht München, Az. 25 Ca 6071/20, erhoben und wegen einer angeblichen Verlängerungszusage den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses behauptet. Mit seiner hiesigen Klage vom 21.10.2020, beim Arbeitsgericht München eingegangen am selben Tag, der Beklagten zugestellt am 27.10.2020, hat der Kläger einen Zahlungsanspruch wegen der Überstunden in Höhe von € 11.352,60 geltend gemacht und diesen später auf € 14.037,58 brutto erweitert. Mit Schriftsatz vom 09.04.2021, beim Arbeitsgericht München eingegangen am selben Tag, der Beklagten zugestellt am 12.04.2021, hat der Kläger zudem die Zahlung von Sonntagszuschlägen begehrt.
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Der Kläger hat eine Vorlage an den EuGH angeregt (S. 2 des Schriftsatzes vom 28.01.2021).
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Der Kläger beantragt zuletzt,
- 1.
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Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 14.037,58 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
- 2.
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Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 6.487,20 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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Die Beklagte verweist insbesondere auf die vertragliche Ausschlussfrist.
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Im Kammertermin am 19.11.2021 hat der Kläger die Bevollmächtigung der Prozessbevollmächtigten der Beklagten im Gütetermin am 19.11.2020 bestritten.
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Zum Vorbringen der Parteien wird im Übrigen auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen (Kläger:21.10.2020, 28.01.2021, 09.04.2021, 09.07.2021; Beklagte: 09.11.2020, 01.03.2021, 23.08.2021) sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Dem Bestreiten des Klägers bzgl. des Vorliegens einer ordnungsgemäßen Bevollmächtigung der Prozessbevollmächtigten der Beklagten war nicht nachzugehen, insbesondere kein Verfahren nach §§ 88, 89 ZPO veranlasst. Die Rüge bezog sich lediglich auf die Güteverhandlung. Die ordnungsgemäße Bevollmächtigung im Kammertermin sowie bezogen auf die eingereichten Schriftsätze der Beklagten hat der Kläger gerade nicht in Abrede gestellt. Zudem hat der im Kammertermin anwesende Geschäftsführer der Beklagten die durchgehende Bevollmächtigung seiner Prozessbevollmächtigten bestätigt.
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Die Klage hat keinen Erfolg.
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Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist eröffnet, § 2 Abs. 1 Nr. 3a) ArbGG.
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Die örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts München ergibt sich aus § 46 Abs. 2 ArbGG, §§ 12, 17 ZPO.
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An der Zulässigkeit der Klage bestehen keine Bedenken.
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Die Klage ist insgesamt unbegründet.
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1. Der Klageantrag zu 1. ist unbegründet. Unabhängig vom Bestehen eines Zahlungsanspruchs des Klägers wegen etwaiger Überstunden wäre dieser jedenfalls nach § 11 des Arbeitsvertrages verfallen.
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a) Nach § 11 des Arbeitsvertrages sind Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis auf der ersten Stufe innerhalb von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit in Textform geltend machen. Diese Frist hat der Kläger nicht eingehalten.
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aa) Da die Parteien eine monatliche Zahlung des Arbeitsentgelts vereinbart haben, wird der jeweilige Monatslohn des Klägers – da keine weitere Fälligkeitsregel getroffen ist – nach dem jeweiligen Monatsende fällig, vgl. § 614 BGB, also immer am Ersten des jeweiligen Folgemonats. Dies umfasst vorliegend auch den behaupteten Anspruch auf Überstundenbezahlung.
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Der zeitlich jüngste Überstundenanspruch betrifft den Monat März 2020 mit Fälligkeit am 01.04.2020.
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bb) Der Kläger hat seine Überstundenansprüche erstmals mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 16.09.2020 gegenüber der Beklagten geltend gemacht, welches der Beklagten jedenfalls am 22.09.2020 vorlag. Einen früheren Zugangszeitpunkt hat der Kläger nicht behauptet. Selbst wenn man zu seinen Gunsten eine Postlaufzeit von 2-3 Tagen unterstellt, wäre das Schreiben der Beklagten frühestens am 18.09.2020 zugegangen. Das ist ersichtlich zu spät, nämlich über fünf Monate nach Fälligkeit des jüngsten (Überstunden-)Lohnanspruchs für März 2020 am 01.04.2020.
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cc) Hinweis des Klägers auf eine Kündigungsschutzklage (gemeint ist wohl das Verfahren vor dem Arbeitsgericht München, Az. 25 Ca 6071/20 auf Fortbestand des befristeten Arbeitsverhältnisses) ist unbehelflich, weil der Beginn der Ausschlussfrist nicht vom Ausgang dieses Verfahrens abhängt, denn es geht hier um rückständige Zahlungsansprüche.
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b) Die Ausschlussfrist in § 11 des Arbeitsvertrages ist wirksam.
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aa) Es liegt kein Verstoß gegen die §§ 305 ff. BGB vor. Die Frist ist nicht unangemessen lang (vgl. BAG vom 28.09.2005 – 5 AZR 52/05), sie knüpft unter Berücksichtigung der Belange des Arbeitnehmers an die Fälligkeit an (vgl. BAG vom 28.09.2005 – 5 AZR 52/05) und verlangt eine Geltendmachung in Textform, sodass auch kein Verstoß gegen § 309 Nr. 13b) BG vorliegt. Darüber hinaus sind rechtskonform Ansprüche, die auf Handlungen wegen Vorsatzes oder grober Fahrlässigkeit beruhen, ausgenommen (vgl. hierzu BAG vom 26.11.2020 – 8 AZR 58/20), ebenso wie Ansprüche nach dem Mindestlohngesetz (vgl. BAG vom 18.09.2018 – 9 AZR 162/18).
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bb) Der Ausschlussfrist begegnen auch unter europarechtlichen Gesichtspunkten keine Bedenken. Insbesondere hat der EuGH in der vom Kläger herangezogenen Entscheidung vom 19.06.2014 – C-501/12 unter Rn. 114 f. mit Blick auf den Effektivitätsgrundsatz ausdrücklich festgestellt, dass die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen mit Unionsrecht vereinbar ist, weil derartige Fristen gerade nicht geeignet seien, die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte praktisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren; auch ein Verstoß gegen den Äquivalenzgrundsatz bestehe daher nicht. Die Angemessenheit einer Ausschlussfrist zu prüfen, ist ohnehin Sache des nationalen Gerichts. Zur hier maßgeblichen Länge von drei Monaten wird auf die unter aa) aufgeführte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verwiesen, der sich die erkennende Kammer insoweit anschließt. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Urteil des EUGH vom 01.12.1998 – C-326/96 (Levez). Dort ging es um die Frage, ob dem Arbeitgeber das Berufen auf ein Gesetz, dass die Geltendmachung von Zahlungsansprüchen des Arbeitnehmers zeitlich einschränkt, verwehrt ist, wenn die verspätete Geltendmachung auf Falschangaben des Arbeitgebers zurückzuführen ist. Dafür, dass der Kläger die Ausschlussfrist wegen etwaiger Falschangaben der Beklagten (welche Aussagen, welche Handlungen sollten das sein?) versäumt hat, sind keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich.
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2. Aus den unter 1. genannten Gründen ist auch ein etwaiger Anspruch des Klägers auf Sonntagszuschläge verfallen: Fälligkeit spätestens 01.04.2020, Geltendmachung erstmals mit der Klageerweiterung vom 09.04.2021, also über ein Jahr später. Darüber hinaus hat der Kläger – trotz Hinweis des Gerichts im Beschluss vom 27.05.2021 – nicht vortragen können, worauf er diesen Anspruch stützt. Eine Anspruchsgrundlage ist auch nicht ersichtlich, weder gesetzlich noch vertraglich.
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3. Eine Vorlage an den EuGH im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 267 AEUV war nicht veranlasst, weil die den Kläger interessierende Frage, ob es einem Arbeitgeber gestattet sein kann, sich auf eine vertragliche Ausschlussfrist zu berufen, wenn er gegenüber dem Arbeitnehmer die Höhe des Entgelts bewusst falsch angegeben hat, schon deshalb nicht entscheidungserheblich ist, weil weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass die Beklagte dem Kläger gegenüber die Höhe des Entgelts bewusst falsch angegeben hat. Dass die Parteien die Regelung im Arbeitsvertrag unterschiedlich auslegen (40 Zeitstunden <-> 40 Unterrichtsstunden), rechtfertigt diese Annahme jedenfalls nicht.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG, § 91 Abs. 1 ZPO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 61 Abs. 2, 46 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit §§ 3 ff. ZPO.
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Die Voraussetzungen für eine gesonderte Zulassung der Berufung nach § 64 Abs. 3 ArbGG sind nicht gegeben.
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Gegen diese Entscheidung kann der Kläger nach Maßgabe der folgenden RechtsmittelbelehrungBerufung einlegen.