Inhalt

LG Landshut, Endurteil v. 30.08.2021 – 71 O 4183/20
Titel:

Schadensersatz, Fahrzeug, Marke, Sittenwidrigkeit, Streitwert, Haftung, Anspruch, Grenzwerte, Kenntnis, Sicherheitsleistung, Klage, Rechtsverfolgung, Vorstand, Minderungsanspruch, Kosten des Rechtsstreits, unerlaubten Handlung, konkrete Anhaltspunkte

Schlagworte:
Schadensersatz, Fahrzeug, Marke, Sittenwidrigkeit, Streitwert, Haftung, Anspruch, Grenzwerte, Kenntnis, Sicherheitsleistung, Klage, Rechtsverfolgung, Vorstand, Minderungsanspruch, Kosten des Rechtsstreits, unerlaubten Handlung, konkrete Anhaltspunkte
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Beschluss vom 19.01.2023 – 35 U 6675/21
OLG München, Hinweisbeschluss vom 23.11.2022 – 35 U 6675/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 61831

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 26.377,20 € festgesetzt.  

Tatbestand

1
Der Kläger macht einen Schadensersatz wegen des Kaufes eines Fahrzeugs mit Dieselmotor das angeblich mit einer unzulässigen Abschaltvorrichtung ausgestattet sei, geltend.
2
Die J. H. KG kaufte am 28∙12.2010 einen BMW 530 D Touring X-Drive kw) bei dem Autohaus T. in V. mit der Fahrzeugidentifikationsnummer – zum Bruttogesamtpreis von 73.270 € (Auftragsbestätigung vom 28.10.2010 Anlage K1, die einen Bruttokaufpreis von 64.535,19 € ausweist). Das Fahrzeug wies zum Zeitpunkt des Erwerbs durch den Kläger einen Kilometerstand von 10 km aus. Am 18.05.2021 betrug die Laufleistung ca. 229.000 km.
3
Der Dieselmotor des Fahrzeugs ist in die Euro 5-Norm eingestuft. Die interne Bezeichnung des Motors bei der Beklagten lautet N57. Das streitgegenständliche Fahrzeug verfügt über eine Abgasrückführungssystem (AGR). Die Motorsteuerung des Fahrzeugs ist mit einem sogenannten Thermofenster versehen, welche die Abgasrückführung abhängig von der Umgebungstemperatur steuert.
4
Es besteht kein verpflichtender Rückruf des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) für das Fahrzeug.
5
Die J. H. KG wurde aufgelöst; der Kläger übernahm am 31.12.2019 die Aktiva und Passiva ohne Liquidation und führt die Geschäfte als Einzelkaufmann fort.
6
Die Klagepartei machte über ihre Prozessbevollmächtigen am 16.11.2020 die hier streitgegenständlichen Schadensersatzansprüche gegenüber der Beklagten geltend und forderte sie zur Rückabwicklung auf. Die Beklagte hat die Ansprüche zurückgewiesen.
7
Der Kläger behauptet, dass das Fahrzeug mit unzulässigen Abschalteinrichtungen versehen sei, die dazu dient, Schadstoffausstöße des streitgegenständlichen Fahrzeugs unter Testbedingungen so zu optimieren, dass – nur unter den Testbedingungen – die Grenzwerte eingehalten werden. Unter normalen Umständen emittiere das Fahrzeug erheblich mehr Schadstoffe.
8
Der Kläger ist der Meinung, dass mit dem Thermofenster und der Strategie „hot restart“ unzulässige Abschalteinrichtungen vorlägen. Das Thermofenster sei technisch nicht erforderlich. Die Verwendung erfolge aus wirtschaftlichen Motiven.
9
Die Beklagte habe darüber hinaus ein manipuliertes Onboard Diagnostic System verwendet (im Folgenden: OBD-System), das ebenfalls als unzulässige Abschalteinrichtung einzustufen sei. Ein ordnungsgemäßes OBD-System würde den nicht ordnungsgemäßen Betrieb der Abgassysteme im Normalbetrieb in den mit Abschalteinrichtung ausgestatteten Fahrzeugen melden und den amtlichen Prüfer bei der Abgasuntersuchung warnen. Eine Manipulation sei darin zu erkennen, weil das OBD-System bei der Inspektion fälschlicherweise eine ordnungsgemäße Funktion melden würde, vielmehr müsste das OBD-System bei Überschreiten der NOx-Grenzwerte eine entsprechende Anzeige liefern, was das Gerät absichtlich nicht leisten würde. Gleiches gilt für Fehlfunktionen der Abgasrückführungsrate und den Abgasrückführungskühler. Entsprechende Meldungen habe das System trotz massiver Überschreitung der Grenzwerte nicht abgesetzt.
10
Der Kläger behauptet, er sei zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses davon ausgegangen, ein umweltfreundliches und wertstabiles Fahrzeug zu erwerben, welches er überall, insbesondere auch in Städten nutzen könne. Bei Kenntnis der unzulässigen Abschaltvorrichtung hätte er das Fahrzeug nicht erworben.
11
Der Vorstand der Beklagten habe von dem Einbau der unzulässigen Abschaltvorrichtung Kenntnis gehabt und sei in die Vorgänge eingeweiht gewesen.
12
Der Kläger ist der Ansicht, ihm stehe ein Minderungsanspruch in Höhe des Kaufpreises zu. Weiterhin habe er einen Anspruch auf Feststellung eines bestehenden Schadensersatzanspruchs.
13
Der Kläger beantragt zuletzt,
1.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei EUR 14.654,00 nebst Zinsen aus Euro 12.980,72 hieraus in Höhe von 5% Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
2.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Schadensersatz zu zahlen für Schäden, die aus dem Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung i.S,v. Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 durch die Beklagte in das Fahrzeug der Marke BMW vom Typ 530 D Touring X-Drive mit der Fahrgestellidendifikationsnummer (FIN) – resultieren.
3.
Es wird festgestellt, dass der im Antrag zu 1) bezeichnete Anspruch aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung der Beklagten herrührt.
4.
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten des Klägers entstandenen Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von EUR 3.196,34 freizustellen.
14
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
15
Die Beklagte behauptet, dass in dem streitgegenständlichen Fahrzeug keine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut sei. Ein angeblich unzulässiges Thermofenster sei nicht zur Begründung einer Haftung der Beklagten geeignet. Dies sei von dem KBA bestätigt worden. Das Fahrzeug sei auch nicht „manipuliert“ und bei dem Fahrzeug würden keine Zulassungsprobleme gleich welcher Art drohen. Insofern sei dem Kläger kein Schaden entstanden.
16
Die Beklagte habe das Fahrzeug nicht an den Kläger veräußert. Dieser habe das Fahrzeug auch nicht von dem Autohaus T. erworben, so dass er nicht aktiv legitimiert sei. Die Kaufmotive seinen der Beklagen nicht bekannt.
17
Der Rückruf des KBA für bestimmte Modelle der Beklagten beruhe nicht auf einer unzulässigen Abschaltvorrichtung, sondern auf einer vermeintlichen falschen Bedatung.
18
Hinsichtlich des weiteren Parteivortrags wird auf sämtliche Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom 26.07.2021 Bezug genommen. Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden.

Entscheidungsgründe

19
Die zulässige Klage ist unbegründet.
20
I. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht Landshut örtlich zuständig. Der besondere Gerichtsstand nach § 32 ZPO ist dann eröffnet, wenn sich aus dem Vortrag des Klägers ergibt, die von ihm behauptete sittenwidrige Schädigung hätte sich zumindest auch im hiesigen Bezirk zugetragen.
21
II. Die Klage ist unbegründet.
22
Der Kläger kann aus keinem Rechtsgrund von der Beklagten die Erstattung eines Teils des Kaufpreises oder einen Schadensersatz verlangen..
23
1. Ein kaufrechtlicher Minderungsanspruch besteht nicht (§§ 346, 437, 441 BGB).
24
Zwischen den Parteien wurde unstreitig kein Kaufvertrag geschlossen. Veräußerer des streitgegenständlichen Fahrzeuges war nicht die Beklagte, sondern das Autohaus T.. Insoweit ist auch unerheblich, dass das ´Fahrzeug nicht durch den Kläger selbst erworben wurde.
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2. Ein Anspruch nach § 826 BGB wegen eines im Fahrzeug verbauten Thermofensters scheitert daran, dass das Inverkehrbringen des mit einem Thermofenster ausgestatteten Fahrzeugs nicht als sittenwidrige Handlung zu bewerten ist (OLG München, Beschluss vom 10.02.2020 – 3 U 7524/19).
26
Sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB ist ein Verhalten, das aus seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dabei genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (BGH, Urteil vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19). Schon zur Feststellung der Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, welche die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben. Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es ferner darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (BGH, a.a.O.).
27
Danach stellt das Verhalten der Beklagten, ein mit einem sogenannten Thermofenster ausgestattetes Fahrzeug in den Verkehr zu bringen unabhängig davon, ob es sich um eine objektiv unzulässige Abschalteinrichtung handelt, jedenfalls keine sittenwidrige Handlung dar. Bei dem Thermofenster, das grundsätzlich im normalen Fahrbetrieb gleichermaßen arbeitet wie auf dem Prüfstand, und bei dem Motor- und Bauteilschutz als Rechtfertigung ernsthaft in Erwägung gezogen werden können, kann ohne konkrete Anhaltspunkte nicht einfach angenommen werden, dass die Verantwortlichen bei der Beklagten in dem Bewusstsein gehandelt hatten, möglicherweise eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden. In Anbetracht der kontroversen Diskussion über Inhalt und Reichweite der Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 a VO (EG) 2007/715 muss eine möglicherweise falsche, aber dennoch vertretbare Gesetzesauslegung und -anwendung durch die Organe der Beklagten in Betracht gezogen werden (wenn es sich bei dem Thermofenster überhaupt um eine objektiv unzulässige Abschalteinrichtung handeln sollte). Eine Sittenwidrigkeit käme daher hier nur in Betracht, wenn über die bloße Kenntnis von der Verwendung eines Thermofensters hinaus zugleich Anhaltspunkte dafür ersichtlich wären, dass die Beklagte dabei einen Gesetzesverstoß billigend in Kauf genommen hatte. Sollte die Beklagte die Rechtslage jedoch fahrlässig verkannt haben, würde es ihr an dem für die Sittenwidrigkeit in subjektiver Hinsicht erforderlichen Bewusstsein der Rechtswidrigkeit fehlen (OLG München aaO).
28
Die diesbezüglichen Ausführungen in der Klageschrift sind lediglich pauschal und differenzieren insbesondere nicht zwischen der Kenntnis eines Thermofensters, die ggf. unterstellt werden kann, und dem Bewusstsein einer Rechtswidrigkeit, welches nicht ohne weitere Anhaltspunkte angenommen werden kann. Insbesondere ist eine Täuschung über das Thermofenster, welches im Prüfstand gleichermaßen arbeitet wie im Normalbetrieb, nicht erkennbar. Dass sich Schadstoffausstoß und Kraftstoffverbrauch im Prüfstand und Normalbetrieb ggf. trotzdem unterscheiden, ist dabei ohne Belang. Der Gesetzgeber hat sich dazu entschieden, für den Prüfstand bestimmte standardisierte Bedingungen (NEFZ) vorzugeben. Wenn die Bedingungen im Straßenbetrieb hiervon abweichen und dies zu erhöhten Schadstoffwerten oder einem erhöhten Kraftstoffverbrauch führt, das Thermofenster aber im Straßenbetrieb wie im Prüfstand gleichermaßen arbeitet, kann von den erhöhten Werten im Normalbetrieb nicht auf eine Täuschungsabsicht oder ein Rechtswidrigkeitsbewusstsein der Beklagten geschlossen werden.
29
3. Soweit der Kläger neben dem Thermofenster weitere in dem streitgegenständlichen Fahrzeug verbaute Abschalteinrichtungen behauptet, welche zwischen Rollenprüfstand und normalen Fahrbetrieb unterscheiden und abhängig davon den Schadstoffausstoß unterschiedlich gestalten würden, scheitern etwaige Ansprüche des Klägers (etwa aus § 826 BGB, § 823 Abs. 2 i.V.m § 263 StGB bzw. § 27 EG-FVG) bereits daran, dass das Gericht nicht vom Vorhandensein einer entsprechenden Abschalteinrichtung überzeugt ist.
30
Der diesbezügliche Vortrag des Klägers erfolgte letztlich pauschal und „ins Blaue hinein“, so dass eine Beweiserhebung über diese Behauptungen des Klägers auf einen in der ZPO nicht vorgesehenen Ausforschungsbeweis hinausliefe. Zwar ist bei der Annahme eines willkürlichen Sachvortrags Zurückhaltung geboten und ein solcher nur im Ausnahmefall anzunehmen, da es einer Partei auch möglich sein muss, im Zivilprozess Tatsachen zu behaupten, über die sie keine genaue Kenntnis besitzt, die sie nach Lage der Dinge aber für wahrscheinlich hält. Eine unzulässige Ausforschung ist aber dennoch gegeben, wenn eine Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich auf's Geratewohl Behauptungen aufstellt (BGH, Urteil vom 20.09.2002 – V ZR 170/01, NJW-RR 69, 70). Solche greifbaren Anhaltspunkte für die vom Kläger behauptete illegale Abschalteinrichtung liegen jedoch nicht vor.
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a) Ein solcher greifbarer Anhaltspunkte läge gegebenenfalls mit einem behördlich angeordnetem Rückruf vor. Ein solcher liegt aber unstreitig bezüglich des streitgegenständlichen Fahrzeugs nicht vor. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig. Der Umstand, dass bei anderen Modellen ein Rückruf erfolgte steht dem nicht entgegen. Insoweit bedarf es auch keiner Prüfung, ob dort eine unzulässige Abschaltvorrichtung der Grund des Rückrufes gewesen wäre.
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b) Dasselbe gilt für die von der Klagepartei zusammengestellten Messergebnisse. Hier liegen konkrete und greifbare Anhaltspunkte für die Behauptung, dass die Beklagte die Klagepartei tatsächlich durch den Verbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung betrogen und geschädigt hat, nicht vor.
33
Soweit sich der Kläger insbesondere auf die Messungen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) und auf Messungen des Umweltbundesamts stützt, ist zunächst zu sehen, dass der Kläger selbst vorträgt, dass diese Messungen auch andere Fahrzeuge betreffen. Soweit behauptet wird, dass in diesen Fahrzeugen mit dem streitgegenständlichen Motor vergleichbare Motoren verbaut worden seien, ist zu sehen, dass dort Messungen im Realbetrieb durchgeführt worden sind.
34
Fahrzeuge der Schadstoffklassen Euro 5 und 6 müssen aber nicht so beschaffen sein, dass die am Prüfstand gemessenen Werte nach dem NEFZ unter jedweden Straßenbedingungen eingehalten werden müssen. Ein Überschreiten der Grenzwerte im Realbetrieb führt daher nicht zu dem behaupteten Erlöschen der EG-Typengenehmigung und ist kein tauglicher Anknüpfungspunkt für deliktische Schadensersatzansprüche (vgl. hierzu auch OLG München, Urteil vom 19.03.2020 – 32 U 2840/19).
35
Aus diesem Grund ist das Gericht dem angebotenen Beweis der Erholung eines Sachverständigengutachtens nicht nachgegangen.
36
c) Im Übrigen kommt ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6, 27 EG-FGV deshalb nicht in Betracht, weil den Vorschriften bereits der Schutzcharakter fehlt (OLG München, Beschluss vom 10.01.2020 – 3 U 5980/19). Eine Norm ist dann als Schutzgesetz anzusehen, wenn sie zumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsguts zu schützen. Bei diesen Vorschriften handelt es sich nicht um Normen mit Drittschutzwirkung für den Autokäufer. Bei Vorschriften, die wie hier Richtlinien umsetzen, kommt es nach der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung insofern maßgeblich auf den Inhalt und Zweck der Richtlinie – hier also RL 2007/46/EG – an. Diese zielt nicht auf den Schutz der Vermögensinteressen der Fahrzeugkäufer ab, sondern auf die Harmonisierung des Binnenmarktes und in diesem Zusammenhang auf hohe Verkehrssicherheit, hohen Schutz der Umwelt und der Gesundheit, rationale Energienutzung und wirksamen Schutz gegen unbefugte Benutzung.
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d) Ein Anspruch der Klagepartei nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 5 Abs. 2, 3 Nr. 10 der VO Nr. 715/2007 scheitert im Übrigen daran, das diesen Vorschriften der Schutzgesetzcharakter fehlt (OLG München, Beschluss vom 10.01.2020 – 3 U 5980/19). Ziel der VO (EG) 715/2007 ist nämlich die Harmonisierung des Binnenmarktes bzw. die Vollendung des Binnenmarktes durch Einführung gemeinsamer technischer Vorschriften zur Begrenzung von Fahrzeugemissionen. Soweit auch ein hohes Umweltschutzniveau und die Reinhaltung der Luft bezweckt werden, geht es ausweislich der Ausführungen unter (7) der Verordnung nicht um individuelle Interessen, sondern um umwelt- und gesundheitspolitische Ziele. Dies ergibt sich auch daraus, dass unter (7) die Ziele in Beziehung gesetzt werden zu den Auswirkungen der Emissionsgrenzwerte auf die Märkte und die Wettbewerbsfähigkeit von Herstellern (OLG München, aaO)
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4. Aus den vorgenannten Erwägung ergibt sich auch, dass kein Anspruch des Klägers aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB besteht. Anhaltspunkte für eine vorsätzliche betrügerische Schädigung des Klägers bzw. Erwerbers des Fahrzeuges liegen nicht vor.
39
III. Aus diesen Gründen scheitert auch der Antrag auf Feststellung der Schadensersatzpflicht, auf Feststellung des Annahmeverzugs und auf Feststellung des Vorliegens eines Anspruchs, der aus einer unerlaubten Handlung herrührt.
40
Im Ergebnis kann dahingestellt belieben, ob neben dem geltend gemachtem Minderungsanspruch auch ein Schadensersatzanspruch bestehen kann und ob eine Feststellungsinteress bestehen würde. Der Antrag unter Ziffer 2 wurde insoweit, abweichend von den Ausführungen im Klageschriftsatz, unbedingt gestellt.
41
IV. Mangels Hauptanspruchs kann der Kläger auch keine Freistellung von seinen außergerichtlichen Kosten verlangen.
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V. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit resultiert aus § 709 ZPO. Der Streitwert wurde gemäß § 3 ZPO i.V.m. § 48 GKG festgesetzt.