Inhalt

LG Regensburg, Endurteil v. 29.06.2021 – 61 O 349/20
Titel:

Drittwiderbeklagter, Außergerichtliche Kosten, Widerklage, Drittwiderklage, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Widerkläger, Vorgerichtliche Kosten, Dinglicher Arrest, Kostenfestsetzungsbeschluß, Veräußerung, Rechtswirksamkeit, Substantiierungspflicht, Basiszinssatz, Vertragsstrafe, Klageerweiterung, Geschäftswert, Urkundenprozess, Beigezogene Akten, Klageabweisung, Schuldanerkenntnis

Schlagworte:
Beweislast, Anfechtung, Schadensersatz, Substantiierungspflicht, Geschäftswert, Außergerichtliche Kosten, Kostenentscheidung
Rechtsmittelinstanzen:
OLG Nürnberg, Endurteil vom 24.03.2022 – 13 U 2275/21
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 04.04.2023 – XI ZR 79/22
Fundstelle:
BeckRS 2021, 61824

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Widerklage und Drittwiderklage wird abgewiesen.
3. Die Gerichtskosten tragen der Kläger zu 50/73 und der Beklagte zu 23/73. Die außergerichtlichen Kosten des Drittwiderbeklagten trägt der Kläger. Die außergerichtlichen Kosten des Drittwiderbeklagten trägt der Kläger. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten trägt der Kläger zu 23/73. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt der Beklagte zu 25/48.
4. Das Urteil ist für die Beteiligten jeweils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der jeweils zu vollstreckenden Forderung vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 480.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die zunächst im Urkundsprozess vom Kläger geltend gemachte Forderung in Höhe von 70.000,00 € wird nunmehr Klage erweiternd darauf gestützt, dass zwischen dem Kläger und dem Beklagten am 17.01.2020 eine Vereinbarung getroffen worden sein soll, Anlage K 1, aus der sich ergibt, dass der Beklagte sich verpflichtet hat, an den Kläger 180.000,00 € in Raten vom 31.01.2020 bis 28.08.2020 zu bezahlen und eine Vertragsstrafe in Höhe von 50.000,00 € vereinbart wurde, sofern die Rückzahlungstermine nicht eingehalten werden. Die Raten wurden nicht bezahlt.
2
Der Kläger trägt vor, dass er dem Beklagten seit Oktober 2018 immer wieder größere Geldbeträge zur Lieferung ihm angebotener Waren überlassen habe. Der Beklagte habe die Geldbeträge kassiert, ohne die Ware zu liefern. Der Kläger habe dem Beklagten außergerichtlich zur Zahlung aufgefordert.
3
Der Kläger und Widerbeklagte beantragt:
I. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 230.000,00 nebst Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Bundesbankdiskontsatz aus 70.000,00 seit dem 01.02.2020 und aus € 160.000,00 seit dem 04.04.2020 zu bezahlen.
II. Der Beklagte trägt die weiteren Kosten des Verfahrens.
mit der Maßgabe, dass in dem Verfahren des Landgerichts Regensburg, Az.: …, mit Schreiben vom 09.12.2020 die Aufrechnung mit dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichtes Regensburg, Az.: …, vom 30.11.2020 erklärt worden ist.
4
Der Beklagte beantragt kostenpflichtige Klageabweisung und erhebt Widerklage sowie Drittwiderklage mit dem Antrag:
I. Der Kläger und Widerbeklagte wird gesamtschuldnerisch mit dem Drittwiderbeklagten verurteilt, an den Beklagten € 250.000,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 19.12.2020 zu bezahlen.
II. Der Kläger wird verurteilt, an den Beklagten und Widerkläger vorgerichtliche Kosten in Höhe von € 3.420,72 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 19.12.2020 zu bezahlen.
III. Der Kläger wird verurteilt, an den Beklagten und Widerkläger weitere vorgerichtliche Kosten in Höhe von EURO 3.137,91 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 26.03.2020 zu bezahlen.
IV. Der Drittwiderbeklagte wird verurteilt, an den Beklagten und Drittwiderkläger vorgerichtliche Kosten in Höhe von € 3.420,72 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 19.12.2020 zu bezahlen,
V. Der Kläger und Widerbeklagte, wie auch der Drittwiderbeklagte, tragen samtverbindlich die weiteren Kosten der Widerklage.
5
Der Kläger und Widerbeklagte sowie der Drittwiderbeklagte beantragen:
kostenpflichtige Abweisung der Widerklage und Drittwiderklage.
6
Der Beklagte trägt vor, dass die Vereinbarung vom 17.01.2020 nur unter Drohung zustande gekommen sei. Er habe deshalb diese Vereinbarung angefochten. Sein Geschäftspartner sei nicht der Kläger und Widerbeklagte, sondern der Drittwiderbeklagte gewesen. Aufgrund des dinglichen Arrestes im Verfahren …, der vorübergehend angeordnet wurde und mit rechtskräftigem Urteil schließlich aufgrund einer falschen Versicherung an Eides statt aufgehoben worden sei, habe er seinen Betrieb nicht, wie beabsichtigt, für 250.000,00 € plus Mehrwertsteuer veräußern können. Dafür tragen der Kläger und der Drittwiderbeklagte die Verantwortung, so dass sie sich schadensersatzpflichtig nach § 823 Abs. 2 iBGB Vm § 263 StGB gemacht hätten.
7
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf die in vorliegender Sache gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Es wird auf das Protokoll vom 10.07.2020 sowie auf das Protokoll vom 24.11.2020 und 08.06.2021 hingewiesen. Die beigezogene Akte … wurde zum Verfahrensgegenstand gemacht und mit den Verfahrensbeteiligten erörtert.

Entscheidungsgründe

8
1. Die zulässige Klage ist unbegründet.
9
Dem Kläger ist es nicht gelungen, mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit nachzuweisen, dass er Ansprüche auf Rückzahlung von Geldbeträgen hat, die er den Beklagten überlassen hat. Insbesondere ist hierfür nicht die vorgelegte Urkunde vom 17.01.2020 geeignet. Die Zeugin …, die Ehefrau des Klägers, hat ausgesagt, dass sie Schreie und Drohungen gehört habe, als die Urkunde am 17.01.2020 beim Kläger erstellt worden sei. Sie konnte dies näher präzisieren, indem der Kläger dem Beklagten auch damit gedroht habe, dass er Schande über ihn bringe und seine Eltern in Gasa Schwierigkeiten bekommen würden. Der Zeuge … hat in der mündlichen Verhandlung zwar angegeben, dass es nicht zu Drohungen gekommen sei. Das Gericht hat keinen persönlichen Eindruck von der Zeugeneinvernahme erlangt, da zwischenzeitlich ein Richterwechsel stattgefunden hat. Dies ist im vorliegenden Fall aber auch nicht notwendig, da das Gericht bereits aus der vorgelegten Urkunde und der äußeren Umstände, nämlich der Fertigung der Urkunde im Wohnhaus des Beklagten nach Aufsuchen durch den Kläger mit weiteren Personen, dies als ungewöhnlich erachtet, so dass bereits aus diesem Umstand der Schluss zu ziehen ist, dass die Urkunde nur zustande kam, da erheblicher Druck auf den Beklagten ausgeübt wurde. Es kommt hierbei nicht darauf an, ob direkt Drohungen ausgestoßen wurden, die Gesamtumstände lassen aber den Rückschluss zu, dass eine freie Willensentscheidung am 17.01.2020 bei Fertigung der Urkunde nicht in vollem Umfange gegeben war. Aufgrund dieser Drucksituation konnte der Beklagte das Schuldanerkenntnis anfechten, so dass es keine Rechtswirksamkeit erlangte.
10
Die Widerklage und Drittwiderklage ist zulässig, jedoch unbegründet. Der Beklagte macht mit der Widerklage Schadensersatzansprüche deswegen geltend, dass er zu Unrecht mit einem dinglichen Arrest im Verfahren … überzogen worden sei, hierbei seien betrügerische Handlungen, auch falsche Versicherungen an Eides statt abgelegt worden. Aufgrund dieses Umstands habe er sein Geschäft nicht, wie geplant, für 250.000,00 € an den bereiten Käufer veräußern können. Dieses Vorbringen ist nicht hinreichend substantiiert. Es fehlt insoweit bereits daran, dass der Widerkläger zum Wert des übergebenen Geschäfts nichts vorträgt, weder zum Warenwert noch zum Wert eines möglichen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs. Allein der bloße Vortrag, dass ein Käufer bereit gewesen wäre, 250.000,00 € zu bezahlen, genügt nicht, um hinreichend darzutun, dass der Widerkläger einen entsprechenden Schaden erlitten hat. Es ist naheliegend und gehört zur Substantiierungspflicht, dass derjenige, der eine Schadensersatzforderung geltend macht, zumindest ansatzweise dartut, welche Waren, Geschäftswerte, Immobilien oder sonstige Werte an den Käufer übergehen. Diese Werte sind jedenfalls aufgrund des Umstands, dass der Widerkläger sein Geschäft nicht veräußerte, bei ihm verblieben. Insgesamt ist deshalb die Klage nicht hinreichend substantiiert, es handelt sich um bloße Behauptungen. Auch wenn ein Käufer bereit gewesen wäre das Geschäft zu kaufen, gehört es zu den Mindestanforderungen entsprechen vorzutragen, wie oben aufgezeigt. Die geltend gemachten außergerichtlichen Kosten stehen aus diesem Grund dem Widerkläger deshalb ebenfalls nicht zu.
11
3. Die Kosten des Verfahrens beruhen auf §§ 91, 92, 100 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.