Inhalt

AG Nürnberg, Verfügung v. 11.06.2021 – 240 C 1328/21
Titel:

Schadensersatz, Reparaturkosten, Arbeitsleistung, Anspruch, Schaden, Beweislast, Darlegungslast, Ersatz, Zahlungsanspruch, Betrieb, Rechnung, Herstellung, Werkstatt, Ausnahme, juristische Person, juristische Personen, wirtschaftliche Betrachtung

Schlagworte:
Schadensersatz, Reparaturkosten, Arbeitsleistung, Anspruch, Schaden, Beweislast, Darlegungslast, Ersatz, Zahlungsanspruch, Betrieb, Rechnung, Herstellung, Werkstatt, Ausnahme, juristische Person, juristische Personen, wirtschaftliche Betrachtung
Rechtsmittelinstanz:
AG Nürnberg, Endurteil vom 16.07.2021 – 240 C 1328/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 61811

Tenor

I.
1. Gemäß § 139 ZPO wird auf Folgendes hingewiesen:
Der Schaden der Höhe nach bestimmt sich nach §§ 249 ff BGB. Gemäß § 249 Abs. 1, 2 gilt, dass derjenige der zum Schadensersatz verpflichtet ist, den Umstand herzustellen hat, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Wenn – wie vorliegend – eine Sache beschädigt ist, kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Betrag verlangen.
Die Höhe deserforderlichenGeldbetrages richtet sich nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung danach, wie sich ein verständiger, wirtschaftlich denkender Eigentümer in der Lage des Geschädigten verhalten hätte (Wirtschaftlichkeitsgebot). Die Grenzen des Wirtschaftlichkeitsgebot sind die Zumutbarkeit für den Geschädigten und die Berücksichtigung seiner individuellen Lage. Es ist insbesondere Rücksicht zu nehmen auf seine individuellen Erkenntnisse und Einflussmöglichkeiten sowie auf ggfs. gerade für ihn bestehende Besonderheiten (subjektbezogene Schadensbetrachtung). Dies kann sich zugunsten des Geschädigten als auch zugunsten des Schädigers auswirken. Verfügt der Schädiger z.B. über eine besondere Expertise, erhöhte Einflussmöglichkeiten oder sonstige Vorteile oder Erleichterung, so ist darauf zugunsten des Schädigers Rücksicht zu nehmen. Es kann daher für den Geschädigten wirtschaftlich objektiv unvernünftig sein, im Rahmen der Schadensbehebung eine vorteilhafte Möglichkeit ungenutzt zu lassen, die er im Rahmen seines eigenen Gewerbes typischerweise ohne weiteres nutzen würde. Dies gilt so für die konkrete wie auch die fiktive Schadensabrechnung.
Mangels Bezahlung der Rechnung kommt ihr keine besondere Indizwirkung zu.
Auch bestimmt sich die Erforderlichkeit der Reparaturkosten nicht aufgrund des Werkstattrisikos. Insofern hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass den Erkenntnis- und Einwirkungsmöglichkeiten des Geschädigten Grenzen gesetzt sind, sobald er den Reparaturauftrag erteilt hat und das Fahrzeug in Hände von Fachleuten übergeben hat, sodass die ohne Schuld des Geschädigten unwirtschaftlich oder unsachgemäße Maßnahmen der beauftragten Werkstatt entstandenen Kosten dem Schädiger zur Last fallen (BGH, Urteil vom 29.10.1974, Az: VI ZR 42/73). Darauf beruft sich die Beklagte jedoch vorliegend nicht. Die Beklagte beruft sich vielmehr maßgeblich darauf, dass der Klägerin Rabatte eingeräumt worden sein, die in der Rechnung nicht berücksichtigt worden seien. Solche Rabatte müsste die Klägerin jedoch kennen, sodass sie sich nicht auf ein Werkstattrisiko berufen könnte.
Nach den dargelegten Grundsätzen hat der Geschädigte grundsätzlich Anspruch auf Ersatz der in einer markengebundenen Werkstatt anfallenden Reparaturkosten. Dieser Betrag ist sodann jedoch zu korrigieren, wenn sich die konkrete Situation des Geschädigten in dem Betrag nicht widerspiegelt. Sind dem Geschädigten z.B. von markengebundenen Fachwerkstätten auf dem allgemeinen regionalen Markt Großkundenrabatte eingeräumt worden, die er ohne weiteres hätte in Anspruch nehmen können, so ist dies im Rahmen der subjektbezogenen Schadensbetrachtung grundsätzlich zu berücksichtigen. (zu alledem BGH, Urteil vom 29.10.2019, Az: VI ZR 45/19, Juris Randnr. 9 ff)
Vorliegend hat die Vernehmung des Zeugen K. aus Sicht des Gerichts ergeben, dass im Haftpflichtbereich keine Großkundenrabatte bestehen. Zwar ist der Beklagtenpartei insofern Recht zu geben, dass der Zeuge K… im Unternehmen nicht die Entscheidung trifft, welche Rabatte ausgehandelt werden. Er hat jedoch glaubhaft angegeben, dass die Verhandlung von Rabatten im Haftpflichtbereich ebenfalls „über seinen Tisch laufen“ würde. Des Weiteren hat er glaubhaft angegeben, dass ihm aus den Verhandlungen mit den Werkstätten für Kaskoschäden bekannt ist, dass diese für Haftpflichtschäden keine Rabatte gewähren.
Gleiches gilt nach den glaubhaften Angaben des Zeugen auch für die Teilerabatte, bei denen die Klägerin ausgenommen ist.
In Betracht käme daher allenfalls ein Verstoß gegen § 254 Abs. 2 S. 1 BGB insofern, als die Klägerin oder andere Konzernmitglieder es unterlassen haben, entsprechende Rabatte für die Klägerin auszuhandeln oder (hinsichtlich der Teile) auf sie zu erstrecken. Abzustellen ist hinsichtlich der Schadensminderungspflicht auf einen sorgfältigen und verständigen Menschen (Münchner Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2019, § 254 Randnr. 68). Die Grenze stellt jedoch die Zumutbarkeit dar (Palandt, BGB, 79. Auflage, 2020, § 254 Randnr. 43). Würde der Klägerin oder weiterer Konzernmitglieder jedoch auferlegt werden, Rabatte auch für Konzernmitglieder auszuhandeln, würde ihr ein Kontrahierungszwang zugemutet werden. Dies überschreitet aus Sicht des Gerichts die Grenzen des Zumutbaren. Die Klägerin bzw. weitere Konzernmitglieder wären gezwungen, ihre Marktstellung und Personal für den Schädiger einzusetzen bzw. im Hinblick auf den Umfang der zu vereinbarenden Verträge weiteres Personal einzustellen.
Andererseits ist vorliegend zu berücksichtigen, dass die Klägerin wohl über Konzernstrukturen mit der XX AG verbunden ist. Hinsichtlich der Ersatzteile ist insofern zu berücksichtigen, dass Original-Ersatzteile eingebaut wurden. Der Bundesgerichtshof hat wiederholt entschieden, dass ein Gewerbetreibender, der die Kapazitäten seines Betriebes grundsätzlich gewinnbringend nutzt, grundsätzlich Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten einschließlich des Gewinnes hat. Eine Ausnahme gilt jedoch dann, wenn der Betrieb nicht ausgelastet ist und deshalb ansonsten ungenutzte Kapazitäten genutzt werden konnten (BGH, Urteil vom 19.11.2013, Az: VI ZR 363/12). Diese für die Arbeitsleistung entstandene Entscheidung muss genauso Anwendung finden für die Ersatzteile. Soweit mithin Ersatzteile gewinnbringend weiterverkauft werden, so steht einem Geschädigten grundsätzlich bei Verwendung eigener Ersatzteile ein Zahlungsanspruch inklusive des Gewinnes zu. Etwas anderes gilt eben dann, wenn der Betrieb nicht ausgelastet war und die Ersatzteile ansonsten nicht genutzt worden wären. Dafür ist grundsätzlich die Beklagte beweisbelastet, der Klägerin obliegt jedoch eine sekundäre Darlegungslast, weil die Beklagte keinen Einblick in die betriebliche Auslastungssituation hat (BGH, a.O.). Voraussetzung der Anwendbarkeit der Rechtsprechung des BGH ist jedoch, dass die Klägerin in die Firmenstruktur/Konzernstruktur der XX AG eingebunden ist. Insofern obliegt ebenfalls der Beklagten grundsätzlich die Beweislast, ggfs. besteht eine sekundäre Darlegungslast der Klägerin. Die Klägerin kann sich aus Sicht des Gerichts auch nicht darauf berufen, dass es sich jeweils rechtlich um getrennte juristische Personen handelt. Insofern ist eine wirtschaftliche Betrachtung notwendig. Andernfalls obläge es einem Geschädigten sich durch entsprechende Gestaltung seiner Firmenstrukturen der Rechtsprechung zu entziehen. Etwas anderes gilt auch nicht deshalb, weil die die Teile verbauende Werkstatt eine getrennte juristische Person ist, die wohl nur über Verträge mit der XX AG gebunden ist. Insofern kommt in Betracht, dass – sollten die Ersatzteile sonst nicht genutzt worden sein – neben dem Einkaufspreis der XX AG zwar kein Gewinn der XX AG zu berücksichtigen ist, jedoch der Gewinn, der durch den Weiterverkauf der Teile entstehen würde.
Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem Hinweis binnen einer Frist vor 3 Wochen.