Titel:
Abberufung eines Mitglieds aus den Aufsichtsräten von GmbHs und dem Verwaltungsrat eines Kommunalunternehmens, Verwaltungsaktqualität, Verletzung eigener subjektiver Rechte, Ehrenamt, Wichtiger Grund
Normenketten:
GO Art. 19 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 S. 3
GO Art. 87 ff.
GO Art. 90 Abs. 3
GO Art. 93 Abs. 2
Schlagworte:
Abberufung eines Mitglieds aus den Aufsichtsräten von GmbHs und dem Verwaltungsrat eines Kommunalunternehmens, Verwaltungsaktqualität, Verletzung eigener subjektiver Rechte, Ehrenamt, Wichtiger Grund
Fundstelle:
BeckRS 2021, 61798
Tenor
1. Die jeweils mit Schreiben vom 28. September 2020 erklärte Abberufung des Klägers aus dem Aufsichtsrat der Stadtwerke ... GmbH, dem Aufsichtsrat der ... GmbH und dem Verwaltungsrat der Stadtwerke ... Kommunalunternehmen wird aufgehoben.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen seine Abberufung als Mitglied des Aufsichtsrats der Stadtwerke … GmbH, des Aufsichtsrats der … GmbH und des Verwaltungsrats der Stadtwerke … Kommunalunternehmen.
2
Der Kläger ist Mitarbeiter des Unternehmens … AG in … Er ist dort als Portfoliomanager Strom in der Abteilung „Beschaffung“ auf Sachbearbeiterebene tätig. Er ist für den Ein- und Verkauf von Strom, Gas, Handelsnachweisen und CO2-Zertifikaten zuständig und diesbezüglich handlungsberechtigt.
3
Ferner ist der Kläger seit 1. Mai 2020 Mitglied des Stadtrats der Beklagten. In der konstituierenden Sitzung des Stadtrats der Beklagten am 7. Mai 2020 wurde der Kläger vom Stadtrat auf Vorschlag seiner Fraktion (...) in den Aufsichtsrat der Stadtwerke … GmbH, der … GmbH und den Verwaltungsrat der Stadtwerke … Kommunalunternehmen berufen (vgl. Behördenakte, S. 25 ff.). Alle Anteile an der Stadtwerke … GmbH liegen in der Hand der Beklagten. Die Beklagte ist ferner mittelbar über die Stadtwerke … GmbH zu 75,1% an der … GmbH beteiligt (24,9% der Anteile hält die B. AG). Die Stadtwerke … Kommunalunternehmen ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts und zu 100% der Beklagten zugehörig.
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§ 1 Abs. 7 der Geschäftsordnung für den Stadtrat … lautet:
„Die Besetzung der Aufsichtsgremien der Beteiligungen mit Mitgliedern des Stadtrats erfolgt durch Stadtratsbeschluss.“
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Nach § 2 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags der Stadtwerke … GmbH hat das Unternehmen folgenden Unternehmensgegenstand:
„Gegenstand des Unternehmens sind alle mit der Erzeugung, dem Bezug, der Lieferung und der Verteilung von Energie und Wasser zusammenhängenden Tätigkeiten, insbesondere auch die Beratung von Endabnehmern hinsichtlich einer möglichst effizienten und umweltverträglichen Energieversorgung, die Erbringung von Contracting- und Facility Management-Dienstleistungen, die Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen, das Betreiben von Telekommunikationsnetzen und -einrichtungen sowie das Betreiben von Parkierungsanlagen.“
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Aus § 7 Abs. 4 Buchst. b des Gesellschaftsvertrags der Stadtwerke … GmbH (gleiche Regelung findet sich in § 1 Abs. 4 Buchst. b der Geschäftsordnung für den Aufsichtsrat der Stadtwerke … GmbH) ergibt sich:
„Die Amtszeit von Mitgliedern des Aufsichtsrats endet vorzeitig, wenn die Stadt … die Abberufung des Mitglieds aus wichtigem Grund schriftlich gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden erklärt.“
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Laut § 7 Abs. 5 Satz 1 des Gesellschaftsvertrags der Stadtwerke … GmbH sind die Mitglieder des Aufsichtsrats ehrenamtlich tätig. Nach § 8 Abs. 3 Satz 3 des Gesellschaftsvertrags der Stadtwerke … GmbH gilt für den Ausschluss eines Aufsichtsratsmitglieds bei der Beschlussfassung wegen persönlicher Beteiligung Art. 49 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (GO) entsprechend. § 9 des Gesellschaftsvertrags der Stadtwerke … GmbH enthält die Aufgaben des Aufsichtsrats.
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Nach § 2 Abs. 7 der Geschäftsordnung für den Aufsichtsrat der Stadtwerke … GmbH gilt § 52 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) entsprechend, soweit der Gesellschaftsvertrag nichts Abweichendes bestimmt.
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Gegenstand der … GmbH ist nach § 2 Nr. 1 des Gesellschaftsvertrags „der Bezug, die Verteilung und die Verwertung von Gas“.
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§ 8 Nr. 1 und Nr. 2 des Gesellschaftsvertrags der … GmbH lautet:
„1. Der Aufsichtsrat besteht aus acht Mitgliedern, von denen die Stadtwerke … GmbH sechs und die … AG zwei Mitglieder entsendet. Zu den von der Stadtwerke … GmbH entsandten Mitgliedern gehört der Oberbürgermeister der Stadt … kraft Amtes.
2. Die Gesellschafter entsenden die auf sie entfallende Anzahl von Mitgliedern auf unbestimmte Zeit in den Aufsichtsrat. Jedes Mitglied des Aufsichtsrats kann von dem entsendenden Gesellschafter jederzeit ohne Angabe von Gründen unter gleichzeitiger Benennung eines anderen Mitglieds abberufen werden; dies gilt nicht für den Oberbürgermeister der Stadt … als Mitglied kraft Amtes.
Gehört ein Aufsichtsratsmitglied zum Stadtrat oder zur Verwaltung der Stadt …, so endet sein Amt mit dem Ausscheiden aus dem Stadtrat oder der Verwaltung.
Für ein vom Stadtrat der Stadt … entsandtes Aufsichtsratsmitglied – ausgenommen der Oberbürgermeister als Mitglied kraft Amtes – endet die Amtsdauer ferner mit Ablauf der Wahlperiode des Stadtrats der Stadt …, der es entsandt hat.“
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Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 der Unternehmenssatzung für die Stadtwerke … Kommunalunternehmen ist Unternehmensgegenstand die Beseitigung des Abwassers im Stadtgebiet und für zwei Zweckverbände. Gemäß § 5 Abs. 2 der Unternehmenssatzung werden die Mitglieder des Verwaltungsrats (außer dem Vorsitzenden) für die Dauer von sechs Jahren vom Stadtrat bestellt. In § 5 Abs. 2 der Geschäftsordnung für den Verwaltungsrat der Stadtwerke … Kommunalunternehmen heißt es:
„1Ein Mitglied des Verwaltungsrats kann abberufen werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. ²Ein solcher Fall liegt insbesondere vor, wenn ein Mitglied des Verwaltungsrats seine Pflicht gröblich verletzt oder nicht mehr ordnungsgemäß ausüben kann. ³Die Abberufung obliegt dem Stadtrat.“
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Bei der ersten Sitzung des Aufsichtsrats der … GmbH am 30. Juni 2020 und der ersten Sitzung des Aufsichtsrats der Stadtwerke … GmbH wurde ein möglicher Interessenkonflikt wegen der Tätigkeit des Klägers bei der … AG gesehen. Der Kläger verließ die Sitzungen nach entsprechender Aufforderung hierzu.
13
Mit E-Mail vom 22. Juli 2020 (Behördenakte, S. 63 f.) teilte das Landratsamt … der Beklagten mit, dass hinsichtlich eines Ausschlusses des Klägers aus Sitzungen des Aufsichtsrats der Stadtwerke … GmbH – ohne den Inhalt einzeln zu fassender Beschlüsse zu kennen – grundsätzlich rechtliche Bedenken bestünden. Der Kläger habe keine Vertretungsmacht für die … AG und sei auch kein Vorstandsmitglied der Aktiengesellschaft, sodass er kein Vertreter des Unternehmens im Sinne des Art. 49 GO sei. Die Abberufungsmöglichkeit eines Aufsichtsratsmitglieds einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung durch den Stadtrat sei gesetzlich nicht normiert. Art. 86 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) könne nach Meinung der Rechtsaufsicht jedoch analog herangezogen werden. Eine Abberufung sei demnach aus wichtigem Grund, insbesondere bei Pflichtverstößen oder Interessenkonflikten möglich. Dies wäre sicher der Fall, wenn die Tätigkeit des Klägers bei seinem Arbeitgeber zu ständigen Interessenkonflikten führe, die in der absoluten Mehrzahl der zu fassenden Beschlüsse einen Ausschluss nach Art. 49 GO bedinge. Ein wichtiger Grund liege aus Sicht der Rechtsaufsichtsbehörde nicht vor, da der Kläger weder Aufsichtsratsmitglied noch vollumfänglich vertretungsbefugter Angestellter eines Konkurrenzunternehmens sei. Eine Abberufung des Klägers durch den Stadtrat sei daher nicht gerechtfertigt.
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Aus einer vorbereiteten Beschlussvorlage des Stadtrats der Stadt … für die Sitzung am 23. Juli 2020 (Behördenakte, S. 41 f.) ergibt sich, dass es insbesondere bei Sitzungen des Aufsichtsrats der Stadtwerke … GmbH regelmäßig um Entscheidungen zu konkreten Angeboten an wichtige gewerbliche Großkunden gehe. Der Wettbewerb finde hierbei vor allem über die Preisgestaltung statt. Zudem beschäftige sich der Aufsichtsrat mit Strategien, dem Wirtschaftsplan und dem Jahresabschluss. Der Kläger sei für die … AG tätig. Dem Stadtrat werde zur Entscheidung vorgelegt, ob er in Kenntnis der Beschäftigung des Klägers bei einem Konkurrenzunternehmen daran festhalten wolle, durch den Kläger in den Aufsichtsräten und im Verwaltungsrat vertreten zu werden. Aus der Sitzungsniederschrift des Stadtrats der Beklagten vom 23. Juli 2020 (Behördenakte S. 70 ff.) geht hervor, dass der Tagesordnungspunkt über die Abberufung des Klägers aus den Aufsichtsräten und dem Verwaltungsrat einstimmig zurückgenommen wurde.
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Das Rechtsamt der Beklagten äußerte sich in einer Aktennotiz vom 5. August 2020 (Behördenakte, S. 76 ff.) zu den Ausführungen des Landratsamts … dahingehend, dass eine vollumfängliche Vertretungsmacht für einen Ausschluss wegen persönlicher Beteiligung nicht notwendig sei, vielmehr genüge eine Handlungsvollmacht oder eine Vollmacht nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches. Das Landratsamt … lege zudem den Begriff des wichtigen Grunds nach Art. 86 BayVwVfG analog ohne die Angabe entsprechender Quellen streng aus. Diese Rechtsmeinung widerspreche den Erkenntnisquellen des Rechtsamts, wonach eine Abberufung bereits immer dann gerechtfertigt sei, wenn Tatsachen vorlägen, aufgrund derer es der berufenen Stelle unter Berücksichtigung aller Umstände und unter Abwägung der Interessen beider Seiten nicht zugemutet werden könne, den ehrenamtlich Tätigen in seinem Amt zu belassen. Ferner sei es fraglich, ob sich ein Aufsichtsratsmitglied überhaupt gegen die Abberufung wehren könne, da ihm eine wehrfähige Innenrechtsposition im Falle der vorzeitigen Abberufung nicht zustehe. Im vorliegenden Fall sei der Deutsche Corporate Governance Kodex, der für börsennotierte Aktiengesellschaften kraft Gesetzes rechtlich verbindlich sei, ein geeigneter Anhaltspunkt für die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffes des wichtigen Grunds in Art. 86 BayVwVfG. Der Kodex stelle klar, dass wesentliche und nicht nur vorübergehende Interessenkonflikte von Aufsichtsratsmitgliedern nur hingenommen werden dürften, wenn es dafür einen guten Grund gebe.
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Mit Schreiben vom 6. August 2020 (Behördenakte, S. 80 ff.) ersuchte das Rechtsamt der Beklagten die Regierung von Oberfranken im Rahmen der Rechtsaufsicht um die Klärung des Rechtsrahmens für die Entscheidung des Stadtrats über die Abberufung von Mitgliedern aus kommunalen Gesellschaften mit beschränkter Haftung.
17
Unter dem 31. August 2020 (Behördenakte, S. 83 ff.) führte die Regierung von Oberfranken aus, dass von einer Anwendbarkeit des Art. 86 BayVwVfG für die Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern ausgegangen werde. Von der Wertigkeit müsse ein wichtiger Grund mit den in der Norm genannten Regelbeispielen vergleichbar sein. In den Regelbeispielen würden „gröbliche“ Pflichtverletzungen, „unwürdiges“ Verhalten und eine „nicht mehr ordnungsgemäße Ausübung“ der Tätigkeit als wichtiger Grund genannt. Es handele sich hierbei nicht um leichte Pflichtverletzungen, sondern um schwerwiegende Vorwürfe, sodass der im Raum stehende Interessenkonflikt von einer solchen Schwere sein müsste, dass eine Abberufung des Klägers aus dem Aufsichtsrat zwingend erforderlich wäre. Zwar könne man zur Auslegung des „wichtigen Grunds“ Art. 49 Abs. 1 GO nicht unmittelbar heranziehen. Allerdings zeige die in den Geschäftsordnungen der Stadtwerke … GmbH und der … GmbH sowie der Stadtwerke … Kommunalunternehmens verfügte Anwendbarkeit des Art. 49 GO, dass einzelne Interessenkonflikte über den Art. 49 GO gelöst würden und nicht gleich zur Abberufung des Aufsichtsrats führen dürften. Man werde daher bei der Beurteilung des wichtigen Grunds von einer gewissen Dauerhaftigkeit des Interessenkonflikts ausgehen müssen. Ansonsten käme Art. 49 GO nicht zur Anwendung und der Verweis auf seine Anwendbarkeit würde ins Leere gehen. Ob ein wichtiger Grund vorliege, könne nicht beurteilt werden, da hierfür noch notwendige Informationen fehlen würden. Es werde daher vorgeschlagen, dass die Beklagte vom Kläger eine ausführliche Beschreibung seiner Tätigkeit einschließlich einer Beschreibung seiner Vertretungsbefugnis anfordere. Zudem müsse ein Katalog der üblicherweise in den Aufsichtsräten zu fassenden Beschlüsse zusammengestellt werden, um aufzuzeigen, in welchen Fällen, wie oft und wie ein Interessenkonflikt auftreten könnte.
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Mit E-Mail vom 7. September 2020 (Behördenakte, S. 88 f.) beantwortete der technische Geschäftsführer der Stadtwerke … GmbH Fragen zu möglichen Interessenkollisionen bei Aufsichtsratsbeschlüssen des Aufsichtsrats der Stadtwerke … GmbH und der … GmbH dahingehend, dass dem Aufsichtsrat in jeder Sitzung Bericht durch den Geschäftsführer erstattet werde. Hierbei werde über die Namen, Mengenentwicklungen und Laufzeiten von Strom- und Gaslieferverträgen von Großkunden sowie andere Dienstleistungen und Geschäftsbeziehungen gesprochen. Neue strategische Entscheidungen der Geschäftsführung bezüglich neuer Geschäftsfelder (Energiedienstleistungen, Elektromobilität, Photovoltaikanlagen, Trinkwasser-Betriebsführungen, Contractingprojekte oder Straßenbeleuchtungsdienstleistungen) würden dem Aufsichtsrat ausführlich vorgestellt und zur Entscheidung vorgelegt werden. Der Aufsichtsrat entscheide ferner über mögliche Beteiligungen an anderen Gesellschaften. Hierbei sei zu beachten, dass die Gesellschaften der Beklagten und die … AG zum einen als Mitgesellschafter, mit teils gegensätzlichen Interessen (z. B. Bioerdgas … GmbH) und zum anderen als „Wettbewerber“ (z. B. … AG, …eG oder …GmbH & Co. KG) auftreten würden. Durch die turnusmäßigen Quartalsberichte in jeder Sitzung und den Jahresabschluss seien zudem Rückschlüsse auf die Vitalität der Stadtwerke … GmbH und der … GmbH möglich. Im jährlichen Risikobericht seien die energiewirtschaftlichen Risiken des gesamten Unternehmens zusammengefasst und monetär bewertet. Darüber hinaus würden die technischen Assets bewertet werden. Gerade vor dem Hintergrund der immer wieder auslaufenden Konzessionsverträge sei dies ein sehr sensibler Punkt. Im jährlichen Bericht über die Strom- und Gaspreisentwicklung werde dezidiert über die Preisentwicklungen, das Marktgeschehen und die Einkaufskonditionen berichtet. Ebenso würden hier Entscheidungen zu Preisanpassungen in den Gesellschaften getroffen werden.
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Hierzu wurde vom technischen Geschäftsführer der Stadtwerke … GmbH mit einer weiteren E-Mail vom 11. September 2020 (Behördenakte, S. 100 f.) ergänzt, dass in den letzten zwei Jahren bei 39 von 47 Entscheidungen des Aufsichtsrats der … GmbH mit einem Interessenkonfliktpotential des Klägers zu rechnen gewesen wäre. Im Fall der Stadtwerke … GmbH hätte ein Interessenkonfliktpotential bei 79 von 95 Entscheidungen bestanden.
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Der Kläger ließ durch ein Mitglied seiner Fraktion per E-Mail vom 14. September 2020 (Behördenakte, S. 102 f.) ausführen, dass er als Portfoliomanager Strom arbeite. Er sei Teil eines Teams und im Wesentlichen mit dem Handel von Commodities (Strom, Gas, Herkunftsnachweise und CO2-Zertifakate) an den Terminmärkten des Energiegroßhandels betraut. Er sei operativ auf Sachbearbeiterebene tätig und übe weder eine leitende Position aus, noch sei er mit weiterführenden Entscheidungsbefugnissen ausgestattet oder habe eine Vertretungsvollmacht. Der Kläger achte auf mögliche Interessenkonflikte im Rahmen seiner Aufsichtsratstätigkeit und er sei sich seiner Treue- und Verschwiegenheitspflicht bewusst. Die … AG sei von seiner Aufsichtsratstätigkeit unterrichtet worden und habe diesbezüglich keinerlei Einwände. Bei der … AG sei zudem ein Compliance-Management installiert, welches auf die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen und interner Anweisungen abziele. Im Übrigen würden die arbeitsgesetzlich verankerten Pflichten (Verschwiegenheit, Geheimhaltung) gelten.
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Mit einer E-Mail vom 21. September 2021 (Behördenakte, S. 116) ergänzte der Kläger selbst, dass er als Händler handlungsberechtigt für den Commodity-Handel sei. Nur als solcher Händler sei er berechtigt, bilaterale Handelsgeschäfte im Auftrag der jeweiligen Unternehmen durchzuführen.
22
Die Beklagte ließ die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Abberufung des Klägers als Aufsichtsratsmitglied durch Rechtsanwälte der Kanzlei W. beurteilen. Aus deren Gutachten vom 21. September 2020 (Behördenakte, S. 117 ff.) ergibt sich in tatsächlicher Hinsicht, dass ein Geschäfts- und Wettbewerbsverhältnis zwischen der Stadtwerke … GmbH und der … AG bestehe. Im Bereich des Stromeinkaufs beziehe die Stadtwerke … GmbH ihren Strom mittelbar über die R. AG bei der … AG. Auf der Angebotsseite würden beide Unternehmen Strom und Gas an Gewerbe- und Endkunden anbieten. Die Tätigkeitsgebiete würden sich in räumlicher Hinsicht überschneiden. Im Ergebnis kommt das Gutachten dazu, dass Art. 49 GO analog für die Abberufung nicht anwendbar sei, da die Norm eine primär prozedurale Regelung enthalte. Ob die Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds einen wichtigen Grund erfordere, sei umstritten. Ziehe man Art. 19 Abs. 2 GO und Art. 86 BayVwVfG heran, müsse für die Abberufung jedoch ein wichtiger Grund bestehen. Die in den Normen genannten Fallgruppen seien nicht abschließend, jedoch müsse der wichtige Grund eine Schwere der in den Fallgruppen genannten Verstöße aufweisen. Eine Abberufung sei dann möglich, wenn Gründe vorlägen, die im Rahmen einer Gesamtabwägung eine Unzumutbarkeit der weiteren Tätigkeit des Stadtratsmitglieds als Aufsichtsrat ergäben. Der wichtige Grund könne aufgrund der Wertung in Art. 86 Abs. 2 Nr. 2 BayVwVfG auch rein tätigkeitsbezogen sein und müsse nicht an ein Fehlverhalten des Aufsichtsrats anknüpfen. Die reine Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen begründe entsprechend der zivilgerichtlichen Rechtsprechung zu § 103 Abs. 3 des Aktiengesetzes (AktG) wohl keinen wichtigen Grund für die Abberufung, obwohl dem Stadtrat hierbei ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt werde. Eine Unzumutbarkeit könne sich hingegen aus der dauerhaften Gefahr der Interessen- und Pflichtenkollision ergeben, insbesondere dann, wenn der Aufsichtsrat seine Aufgaben nicht mehr ordnungsgemäß wahrnehmen könne. Aufgrund der Analyse des technischen Geschäftsführers über die potentiell kritischen Tagesordnungspunkte auf Basis der Sitzungen des Aufsichtsrats der letzten beiden Jahre sei eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür gegeben, dass der Kläger sein Amt nicht ordnungsgemäß ausführen werden könne. Es bestehe immer die latente Gefahr der Interessen- und Pflichtenkollision, sodass dies die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung des Aufsichtsrats beeinträchtigen könne. Ferner sei im Endkundenbereich die große Gefahr von Kartellrechtsverstößen und deren Folgen gegeben, sollte die … AG über keine entsprechenden Sicherheitsmechanismen verfügen. Allein um den Anschein der Befangenheit zu vermeiden, sei eine Abberufung unter dem Aspekt der Prävention gegen kartellrechtliche Verstöße nach Meinung der Gutachter möglich.
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Die Beklagtenbevollmächtigten kommen in ihrer Stellungnahme vom 22. September 2020 (Behördenakte, S. 138 ff.) zu dem Ergebnis, dass die Abberufung des Klägers aus den Aufsichtsräten erforderlich sei. Die Abberufung aus dem Verwaltungsrat erscheine möglich, könne jedoch nicht rechtssicher beurteilt werden. Weder das Aktiengesetz noch das Gesetz für Gesellschaften mit beschränkter Haftung würden für eine Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds das Vorliegen eines wichtigen Grunds vorsehen. Im Außenverhältnis sei die Abberufung daher ohne wichtigen Grund möglich. Der Gesellschaftsvertrag der Stadtwerke … GmbH regele zwar als Voraussetzung für eine Abberufung einen wichtigen Grund; dieser gelte jedoch nur im Innenverhältnis. Sollte kein wichtiger Grund vorliegen, könne der Betroffene lediglich einen Schadensersatzanspruch geltend machen, der vorliegend jedoch ins Leere gehe, da der Kläger seinen Aufsichtsratsposten unentgeltlich als Ehrenamt ausübe. Unabhängig davon liege vorliegend ein wichtiger Grund für die Abberufung vor. Sowohl die Stadtwerke … GmbH als auch die … GmbH stünden im direkten Wettbewerbsverhältnis zur … AG. Dadurch, dass dem Kläger als Aufsichtsratsmitglied Beschaffungs- und Verkaufspreise bekannt würden, hätte dies – ob bewusst oder unbewusst – einen positiven Einfluss auf seine Tätigkeit im Rahmen des Einkaufs bei der … AG. Der … GmbH und der Stadtwerke … GmbH würde ein Wettbewerbsnachteil entstehen, da die … AG ihre Preise durch das Wissen des Klägers über Einkaufs- und Beschaffungspreise entsprechend anpassen und niedriger halten könnte. Ferner bestünde das Risiko von bußgeldbewehrten Kartellrechtsverstößen, da der Kläger über die Preise von direkten Konkurrenz- und Partnerunternehmen Kenntnis erlangen würde. Eine ordnungsgemäße Ausübung des Amtes sei für den Kläger auch dauerhaft nicht möglich. Eine Auswertung des Geschäftsführers der Stadtwerke … GmbH und der … GmbH, die exemplarisch überprüft worden sei, habe ergeben, dass wegen der Tätigkeit des Klägers in einem Großteil der Aufsichtsratssitzungen ein Ausschluss des Klägers wegen Befangenheit oder eine Schwärzung von Unterlagen, die Betriebsgeheimnisse enthielten, stattfinden müsste. Im Ergebnis könne der Kläger durch den Ausschluss bzw. die Schwärzungen seiner Kontrollfunktion nicht ordnungsgemäß nachkommen. Die Abwägung der Gesamtinteressen, insbesondere unter dem Aspekt der drohenden finanziellen Risiken durch Kartellrechtsverstöße und der Tatsache, dass der Kläger einem Ehrenamt nachgehe, komme zu dem Ergebnis, dass eine Abberufung der Kläger aus den Aufsichtsräten erforderlich sei. Hinsichtlich der Stadtwerke … Kommunalunternehmen bestehe derzeit keine Konkurrenzsituation zur … AG. Bezüglich der Wasserversorgung sei die Tätigkeit … AG auf ihr Netzgebiet beschränkt. Im Bereich Abwasserentsorgung sei die … AG gar nicht tätig. Jedoch könnten eine beabsichtigte Ausweitung des Netzbereichs sowie neue Betätigungsfelder der Stadtwerke … Kommunalunternehmen in Zukunft zu einer Konkurrenzsituation führen. Der Kläger habe wohl nach einer Abberufung aus den Aufsichtsräten der Stadtwerke … GmbH und der … GmbH kein gesteigertes Interesse mehr daran, sich produktiv im Verwaltungsrat einzubringen. Zudem dürften Spannungen im Verwaltungsrat zwischen dem Kläger und den Aufsichtsräten, die für seinen Ausschluss plädiert hätten und auch Mitglieder des Verwaltungsrats seien, entstehen. Eine besondere Zerrüttung des Vertrauens dürfte zu den Verwaltungsratsmitgliedern bestehen, die den Ausschluss des Klägers aus den Gremien aktiv betrieben hätten. Diese Frontenbildung könne zu einem schlechten Arbeitsklima und Misstrauen im Verwaltungsrat führen. Einzelheiten hierzu seien jedoch nicht bekannt. Auch hier gelte jedoch, dass der Kläger aufgrund der Unentgeltlichkeit der Tätigkeit und deren reinen Nebenamtscharakter wohl nur untergeordnete Interessen an der Position im Aufsichtsrat haben dürfte. Eine vertiefte Prüfung müsse jedoch noch vorgenommen werden.
24
In der Stadtratssitzung der Beklagten am 24. September 2020 waren 38 der 41 Mitglieder des Stadtrats anwesend. Unter dem TOP 8 wurde die Abberufung des Klägers aus den Aufsichtsräten der Stadtwerke … GmbH, der … GmbH und dem Verwaltungsrat der Stadtwerke … Kommunalunternehmen diskutiert. Entsprechend der Sitzungsniederschrift (Behördenakte, S. 190 ff.) stimmten 25 Mitglieder des Stadtrats für die Abberufung des Klägers aus den Aufsichtsräten der Stadtwerke … GmbH und der … GmbH und 13 dagegen (Beschluss Nr. 2 unter TOP 8). Für eine Abberufung des Klägers aus dem Verwaltungsrat der Stadtwerke … Kommunalunternehmen stimmten 21 Mitglieder des Stadtrats; 17 Mitglieder des Stadtrats waren dagegen (Beschluss Nr. 3 (neu) unter TOP 8).
25
Mit drei Schreiben der Beklagten vom 28. September 2020, jeweils von ihrem ersten Bürgermeister unterschrieben, wurde dem Kläger jeweils mitgeteilt, dass in der Stadtratssitzung am 24. September 2020 unter dem Tagesordnungspunkt 8 der mehrheitliche Beschluss gefasst worden sei, den Kläger aus wichtigem Grund aus den Aufsichtsräten der Stadtwerke …GmbH und der … GmbH bzw. dem Verwaltungsrat der Stadtwerke … Kommunalunternehmen abzuberufen.
26
Mit Schriftsatz vom 21. Oktober 2020, Eingang beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am 22. Oktober 2020, ließ der Kläger durch einen Rechtsanwalt, der ein Mitglied seiner Fraktion ist, Klage erheben und beantragen,
Es wird festgestellt, dass die Beschlüsse des Stadtrats der Beklagten vom 24. September 2020, in denen der Kläger aus den Aufsichtsräten der Stadtwerke … GmbH, der … GmbH und dem Verwaltungsrat der Stadtwerke … Kommunalunternehmen abberufen wurde, rechtswidrig sind.
27
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass für die Abberufung eines ehrenamtlichen Stadtrats aus dem Aufsichtsrat eines kommunalen Unternehmens ein wichtiger Grund erforderlich sei. Dies ergebe sich für die Stadtwerke … GmbH und die Stadtwerke … Kommunalunternehmen bereits direkt aus deren Gesellschaftsvertrag bzw. Geschäftsordnung. Darüber hinaus lasse sich die Voraussetzung eines wichtigen Grunds für eine Abberufung aus den allgemeinen Maßstäben für kommunales Handeln und vor allem zwingend aus der Gesetzeslage ableiten. Richtigerweise sei von allen bisher Beteiligten die Anwendbarkeit von Art. 86 BayVwVfG und Art. 19 Abs. 2 GO bejaht und der Rechtsgedanke des Art. 49 Abs. 2 GO für einschlägig erachtet worden. Dieser Rechtsauffassung folge auch der Kläger. Maßstäbe für die Schwere des wichtigen Grunds seien die in den genannten Rechtsvorschriften aufgelisteten Beispiele der groben Pflichtverletzung und der Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Ausübung der Tätigkeit. Ein wichtiger Grund könne daher nicht aus theoretischen Gefahren und Möglichkeiten wie einer Besorgnis der Befangenheit oder einem „bösen Schein“ konstruiert werden. Es müssten nachvollziehbare Tatsachen vorliegen, wonach es der Beklagten nicht zumutbar sei, den Kläger in den Gremien zu belassen. Als Maßstab zur Bestimmung, ob ein wichtiger Grund vorliege, könne man darüber hinaus auch an § 100 Abs. 2 AktG denken, der vorschreibe, welche Personen nicht als Aufsichtsratsmitglied geeignet seien; diese Ausschlussgründe seien in der Person des Klägers nicht erfüllt. Streitig sei letztlich, ob die Tätigkeit des Klägers als Einkäufer auf Sachbearbeiterebene bei der … AG einen ausreichenden wichtigen Grund für die Abberufung darstelle. Allein die Tatsache, dass der Kläger als Sachbearbeiter mit Handlungsvollmacht für den Strom- und Erdgashandel bei der … AG angestellt sei, stelle keinen wichtigen Grund dar. Hier verweise der Kläger auf die zutreffende Argumentation der Rechtsaufsicht, wonach ohne weitergehende Vertretungsmacht allein aus dem Anstellungsverhältnis kein Interessenkonflikt ersichtlich sei. Um einen wichtigen Grund für die Abberufung zu konstruieren, behaupte die Beklagte nun, dass sich aus der Tätigkeit des Klägers ein dauerhaft schwerwiegender Interessenkonflikt ergebe, der ihn an seiner Tätigkeit als Aufsichtsrat hindere. Hierbei werde auf die Aufstellung des Geschäftsführers der Stadtwerke … GmbH Bezug genommen, wonach es bei in den Gremien zu fassenden Beschlüssen zu einem Interessenkonflikt gekommen wäre. Hierzu sei der Klägerseite auf Nachfrage nicht ein einziger dieser angeblichen Interessenkonflikte konkret benannt oder beschrieben worden, geschweige denn eine nennenswerte Anzahl. Die angeblich überprüften Beschlüsse würden dem Kläger nicht vorliegen. Dem Kläger seien auch keine Tagesordnungen oder Beschlussvorlagen für die Sitzungen, bei denen er ausgeschlossen worden sei, ausgehändigt worden. Dem Unterzeichner erschließe sich nicht, wo ein Interessenkonflikt oder auch nur die Gefahr eines solchen liege. Die Tagesordnung der Aufsichtsratssitzung vom 2. Juli 2020, in deren Besitz der Unterzeichner gekommen sei, enthalte bei Aufsichtsratssitzungen übliche Punkte. Nachdem der Unterzeichner nunmehr für den Kläger in den Aufsichtsratsgremien sitze, könne er bestätigen, dass es sich bei den besprochenen Tagesordnungspunkten um die üblichen Themen wie Testat der Wirtschaftsprüfer, die Erneuerung und den Ausbau der Kläranlage und Kanalisation, das Aufsetzen eines neuen Risikobewertungssystems, den Ausbau erneuerbarer Energien und Stellenbesetzungen gehandelt habe, die mit der operativen Tätigkeit des Klägers bei der … AG nichts zu tun hätten. Es sei nicht ersichtlich, wie der Kläger aus den Aufsichtsratsthemen oder allgemein aus seiner Aufsichtsratsstellung Erkenntnisse für den sehr volatilen Strom- und Erdgasbezug bei der … AG beziehen und diese zum Nachteil der Beklagten oder der Stadtwerke nutzen könnte. Entsprechend sei auch die Gefahr von Interessenkonflikten, geschweige denn eine Vielzahl echter Interessenkonflikte nicht ersichtlich. Sollte im Übrigen doch der unwahrscheinliche Fall eines Interessenkonflikts auftreten, wäre der Rechtsgedanke aus Art. 49 Abs. 2 GO zu beachten, wonach der Kläger sich bei diesem konkreten Punkt zu enthalten hätte. Ein einzelner Interessenkonflikt könne jedoch nicht zur Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds führen. Insgesamt sei festzuhalten, dass das Auftreten von Interessenkonflikten, die die Aufsichtsratstätigkeit des Klägers oder gar die Arbeit des Aufsichtsrats an sich beeinträchtigen könne, nicht ersichtlich sei. Die angefertigten Rechtsgutachten würden zudem wettbewerbs- und kartellrechtliche Gefahren für die Beklagtenseite ausweisen. Das Wettbewerbsrecht solle das Ausnutzen von Marktmacht und Absprachen von Unternehmen zum Nachteil von Verbrauchern verhindern. Dass der Kläger irgendwie mit den Stadtwerken … GmbH und der … AG auf ein Oligopol oder gar Monopol hinarbeite, sei unwahrscheinlich. Der Kläger habe keine rechte Vorstellung davon, wie er mit wem welche Absprache treffen könnte, um sich, die Stadtwerke, den Aufsichtsrat oder die Beklagte bei der gegebenen Konstellation in wettbewerbsrechtliche Schwierigkeiten zu bringen. An der Sache vorbei gehe ferner der Hinweis der Beklagten im Rahmen der Sitzungsvorlage, dass es im Aufsichtsrat regelmäßig um (Preis-)Angebote für wichtige gewerbliche Kunden, sowie um Strategien, den Wirtschaftsplan und den Jahresabschluss gehe. Abgesehen davon, dass es im Aufsichtsrat der Stadtwerke … GmbH jedenfalls in den letzten 24 Jahren nie um konkrete Angebote für Gewerbekunden gegangen sei, habe der Kläger mit den genannten Themen bei der … AG allenfalls indirekt zu tun, sofern der beim Einkauf erzielte Preis für den Verkauf von Bedeutung sei. Die Preisbildung und Angebote an Gewerbekunden seien bei der … AG im Bereich Vertrieb angesiedelt und nicht im Tätigkeitsbereich des Klägers, sodass Preisabsprachen nicht möglich seien. Es werde verkannt, dass der Kläger einer beeideten Treue- und Verschwiegenheitspflicht unterliege, die er genau beachte. Anhaltspunkte, dass der Kläger hiergegen verstoßen würde, bestünden nicht. Alles in allem sei der Kläger in der Lage, geeignet und willens seine Aufsichtspflicht in den Aufsichtsgremien zu erfüllen. Es liege somit kein wichtiger Grund für die Abberufung des Klägers aus den Aufsichtsgremien vor. Für die Abberufung des Klägers aus dem Verwaltungsrat der Stadtwerke … Kommunalunternehmen liege kein Grund vor, da bereits theoretisch kein Interessenkonflikt bestehe.
28
Im Rahmen der Erstzustellung wurde die Klägerseite auf Art. 50 GO hingewiesen. Daraufhin legte der frühere Klägerbevollmächtigte das Mandat nieder (Schriftsatz vom 29. Oktober 2020) und der neue Klägerbevollmächtigte zeigte sich an (Schriftsatz vom 10. November 2020).
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Die Beklagtenseite beantragte mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 4. Dezember 2020:
Die Klage wird abgewiesen.
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Sie erwiderte, dass die Klage keine Aussicht auf Erfolg habe, da sie unzulässig, jedenfalls aber unbegründet sei.
31
Die erhobene Feststellungsklage sei unzulässig, da die begehrte Feststellung bereits kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis darstelle. Die Rechtswidrigkeit eines Beschlusses stelle eine abstrakte rechtliche Qualifikation einer Verwaltungsmaßnahme dar und sei kein Rechtsverhältnis, welches vom Anwendungsbereich des § 43 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) erfasst sei. Der Zulässigkeit der Feststellungsklage stehe auch entgegen, dass der Kläger kein qualifiziertes Feststellungsinteresse habe. Gegenstand des vorliegenden Falles sei ein bereits vergangenes Rechtsverhältnis, sodass qualifizierte Anforderungen an das Vorliegen eines Feststellungsinteresses zu stellen seien. Insbesondere eine hinreichend konkrete Wiederholungsgefahr sei vorliegend nicht gegeben.
32
Die Feststellungsklage sei ferner unzulässig, weil nach dem klägerischen Vortrag bereits ausgeschlossen sei, dass dieser durch den Beschluss des Stadtrats der Beklagten vom 24. September 2020 in eigenen wehrfähigen organschaftlichen Rechten verletzt sei. Sofern man den – unpräzisen – Antrag des Klägers dahingehend auslege, dass die Feststellung der Rechtswidrigkeit des zu Punkt 8 der Tagesordnung der Stadtratssitzung vom 24. September 2020 ergangenen Beschlusses insgesamt begehrt werde, sei die Möglichkeit des Klägers, hierdurch in eigenen Rechten verletzt zu sein, hinsichtlich der Beschlussziffern 1, 3 und 4 bereits offenkundig nicht gegeben. Im Übrigen könnten selbst die Beschlussziffern 2 und 3 (neu) keine Klagebefugnis begründen. Es sei auch insoweit ausgeschlossen, dass der Beschluss des Stadtrats wehrfähige Organrechte des Klägers verletze. Zunächst würden weder die Stellung des Klägers als Vertreter der Beklagten in den Aufsichtsräten bzw. im Verwaltungsrat eigene organschaftliche Rechte des Klägers begründen, noch ließen sich solche aus dem Gesellschaftsrecht ableiten. Ein Stadtratsbeschluss könne nur dann mit Erfolg angegriffen werden, wenn er gerade wegen der Verletzung organschaftlicher Rechte, die dem Stadtratsmitglied durch das kommunale Innenrecht eingeräumt seien, rechtswidrig sei. Aus der Rechtsstellung des Klägers im Innenverhältnis zum Stadtrat der Beklagten würden sich vorliegend jedoch keine solchen organschaftlichen Rechte ableiten lassen. Der Kläger habe als vom Stadtrat bestellter Vertreter seine Aufgaben in den Aufsichtsorganen im öffentlichen Interesse der Beklagten wahrgenommen. Er sei landesrechtlich an deren Interessen gebunden. Seine Rechtsstellung sei hinsichtlich ihrer Begründung, ihrer inhaltlichen Reichweite und ihrer Beendigung vollständig vom Stadtrat der Beklagten abhängig und vermittle ihm keine eigene wehrfähige Innenrechtsposition auf Verhinderung seiner Abberufung. Hiervon zu unterscheiden seien die dem Kläger als Mitglied der Aufsichtsorgane eingeräumten zivil- bzw. gesellschaftsrechtlichen Rechte und Befugnisse. Diese würden allein der Wahrnehmung der ihm zugewiesenen gesellschaftsrechtlichen Aufgaben dienen und seien nicht geeignet, eigene subjektive Rechte des Klägers zu begründen, die aus dessen Organstellung als Stadtratsmitglied resultieren würden und daher im Rahmen eines Kommunalverfassungsstreits gerügt werden könnten. Selbst, wenn man von einer wehrfähigen organschaftlichen Rechtsposition des Klägers ausgehen würde, sei ausgeschlossen, dass eine solche Rechtsposition bereits durch den streitgegenständlichen Beschluss beeinträchtigt werde. Dieser könne gegenüber dem Kläger keine Rechtswirkungen entfalten, da er hierfür zunächst umgesetzt werden müsste. Ein Stadtratsbeschluss sei rechtlich als gemeindeinterner Willensbildungsakt zu qualifizieren, der als solcher keine unmittelbare Außenwirkung entfalte. Dies ergebe sich auch daraus, dass ein Stadtratsbeschluss nach Art. 36 Satz 1 GO der Umsetzung bedarf. Beschließe der Stadtrat die Abberufung eines einzelnen Stadtratsmitglieds aus dem Aufsichtsrat einer kommunalen Gesellschaft, sei es mithin nicht der Stadtratsbeschluss als solcher, der etwaige organschaftliche Rechte des Abzuberufenden berühre, sondern erst die Umsetzung dieses Beschlusses. Dieser sei von der vorhergehenden Entscheidung des Stadtrats zu unterscheiden. Die Umsetzung des Stadtratsbeschlusses und damit der Wegfall der Stellung des Klägers in den jeweiligen Gremien sei erst durch die schriftliche Mitteilung des Beschlusses gegenüber dem Kläger eingetreten. Der Beschluss des Stadtrats als solcher sei hingegen offenkundig ungeeignet gewesen, die Rechtsstellung des Klägers zu berühren. Damit stehe der hiesigen Klage letztlich auch die Subsidiarität der hier erhobenen Feststellungsklage nach § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO entgegen.
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Die Klage sei darüber hinaus unbegründet. Der Beschluss zu Punkt 8 der Tagesordnung vom 24. September 2020 sei, insbesondere in den Beschlussziffern 2 und 3 (neu) rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in eigenen Rechten.
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Der Beschluss sei in formell rechtmäßiger Weise gefasst worden. Der Stadtrat sei zur Abberufung der von ihm – mittelbar – entsandten Aufsichts- bzw. Verwaltungsratsmitglieder kommunaler Gesellschaften und damit zur Abberufung des Klägers nach der Gemeindeordnung zuständig. Bestätigt werde dies durch § 1 Abs. 7 der Geschäftsordnung des Stadtrats der Beklagten, wonach die Besetzung der Aufsichtsratsgremien der Beteiligten mit Mitgliedern des Stadtrats durch den Stadtrat der Beklagten vorgenommen werden müsse, sodass als actus contrarius auch die Abberufung dem Stadtrat obliege. Die Abberufungsbeschlüsse seien jeweils mit einer Mehrheit von 25 zu 13 bzw. 21 zu 17 Stimmen gefasst worden.
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Der Beschluss sei auch materiell rechtmäßig. Ein wichtiger Grund für die Abberufung sei nicht für alle drei Gremien erforderlich. Dem Gesellschaftsrecht, welches jedenfalls bei der Abberufung des Klägers aus dem Aufsichtsrat der Stadtwerke … GmbH und der … GmbH als Maßstab heranzuziehen sei, sei eine solche Begrenzung der Abberufungsmöglichkeit vorliegend nicht zu entnehmen. Vielmehr sei eine Abberufung entsprechend des § 52 Abs. 1 GmbHG i.V. m. § 103 Abs. 2 Satz 1 AktG jederzeit und anlassunabhängig möglich. Diese Regelung gelte auch für eine kommunale Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Zwar verweise § 52 Abs. 1 GmbHG lediglich auf den § 103 Abs. 1 Satz 1 und 2 AktG; allerdings sei anerkannt, dass § 103 Abs. 2 Satz 1 AktG entgegen der Verweisungsregelung dann entsprechende Anwendung finde, wenn der Aufsichtsrat einer Gesellschaft – wie hier – ein nur fakultatives Gremium darstelle, in den die Mitglieder nicht gewählt, sondern vom Stadtrat entsandt würden. Ein wichtiger Grund für die Abberufung des Klägers sei aus gesellschaftsrechtlicher Hinsicht daher nicht erforderlich. Auch aus den Gesellschaftsverträgen oder Geschäftsordnungen der kommunalen Gesellschaften – mit Ausnahme der Stadtwerke … Kommunalunternehmen – sei ein solches Erfordernis nicht zu entnahmen. Während der Gesellschaftsvertrag der … GmbH gar keinen wichtigen Grund für die Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds vorsehe (§ 8 Nr. 2 Satz 2 des Gesellschaftsvertrags der … GmbH), verlange § 7 Abs. 4 Buchst. b des Gesellschaftsvertrags und § 1 Abs. 4 Buchst. b der Geschäftsordnung der Stadtwerke … GmbH einen wichtigen Grund. Diese Regelungen seien jedoch nicht geeignet, das nach § 103 Abs. 2 Satz 1 AktG – uneingeschränkte – Abberufungsrecht des entsendungsberechtigten Stadtrats zu begrenzen. In der (gesellschaftsrechtlich) herrschenden Meinung sei anerkannt, dass das Abberufungsrecht des Entsendungsberechtigten nicht durch Satzung entzogen, auf einen wichtigen Grund beschränkt oder durch einen Vertrag zwischen Gesellschaft und Entsendungsberechtigtem abbedungen werde könne. Eine solche Regelung sei allenfalls geeignet, im Innenverhältnis zum Abzuberufenden Wirkung zu entfalten und diesem gegenüber ggf. eine Schadensersatzpflicht zu begründen, lasse aber die Wirksamkeit der Abberufung ohne wichtigen Grund im Außenverhältnis unberührt. Eine Schadensersatzverpflichtung der Beklagten könne jedoch nicht entstehen, da der Kläger ehrenamtlich tätig sei. Vor diesem Hintergrund sei eine Abberufung des Klägers aus dem Aufsichtsrat der Stadtwerke … GmbH jederzeit und auch ohne wichtigen Grund möglich. Die Ansicht des Klägers, dass nach kommunalrechtlichen Maßstäben ein wichtiger Grund nötig sei, sei jedenfalls im Hinblick auf die Stadtwerke … GmbH und die … GmbH unzutreffend. In Bezug auf privatrechtlich organisierte Unternehmen einer Kommune sei bislang zum einen nicht abschließend geklärt, ob kommunalrechtlich ein solches Erfordernis bestehen könne, wenn es gesellschaftsrechtlich nicht vorgesehen sei. Zum anderen kenne das bayerische Kommunalrecht in Gestalt von Art. 19 Abs. 2 Satz 1 GO bzw. Art. 86 BayVwVfG und Art. 93 Abs. 2 Satz 1 GO gleich mehrere Regelungen, die als Maßstab für die Abberufung des Klägers aus den Aufsichtsräten in Betracht kommen, jedoch unterschiedliche Anforderungen hieran stellen würden. Während Art. 19 Abs. 2 Satz 1 GO einen wichtigen Grund fordere, sei eine Abberufung nach Art. 93 Abs. 2 Satz 1 GO, vorbehaltlich abweichender Regelungen im Gesellschaftsvertrag, jederzeit möglich. Jedenfalls hinsichtlich der … GmbH, deren Gesellschaftsvertrag gerade keinen wichtigen Grund voraussetze, stelle sich die Frage, welche der genannten Vorschriften als kommunalrechtlicher Maßstab heranzuziehen sei. Art. 93 Abs. 2 Satz 1 GO gehe als lex specialis den Regelungen des Art. 19 Abs. 2 Satz 1 GO bzw. Art. 86 BayVwVfG vor, sodass für die Abberufung des Klägers aus dem Aufsichtsrat der … GmbH kein wichtiger Grund erforderlich sei. Art. 49 Abs. 2 GO sei als Maßstab für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Abberufung des Klägers weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar. Diese Vorschrift spiele lediglich für den Ausschluss aus einzelnen Sitzungen des Aufsichtsorgans, jedoch nicht für seine Abberufung eine Rolle.
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Ungeachtet dessen würden aufgrund der Beschäftigung des Klägers bei der … AG ohnehin verschiedene wichtige Gründe vorliegen, die den Beschluss einer Abberufung aus den Aufsichtsräten bzw. den Verwaltungsrat in jedem Fall rechtfertige. Der Begriff des wichtigen Grunds sei ein auslegungsbedürftiger Rechtsbegriff. Ein wichtiger Grund liege im Ausgangspunkt dann vor, wenn Tatsachen gegeben seien, aufgrund derer es einer Kommune als Gesellschafterin im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände nicht mehr zugemutet werden könne, den Entsendeten in seinem Amt zu belassen. Es müsse sich jedenfalls um derartig erhebliche Umstände handeln, die vom Schweregrad der in Art. 19 Abs. 2 Satz 2 GO und Art. 86 Satz 2 Nr. 2 GO genannten Fälle gleichkomme, sodass das Vertrauen in die weitere ordnungsgemäße Amtsausübung deutlich erschüttert sei. Zur näheren Konkretisierung könne auf den Deutschen Corporate Governance Kodex (Satz 3 der Empfehlung E. 1) zurückgegriffen werden, wonach wesentliche und nicht nur vorübergehende Interessenkonflikte in der Person eines Aufsichtsratsmitglieds zur Beendigung des Mandats führen würden. Rechtliche Relevanz komme dem Kodex über § 161 AktG zu. Eine über diesen Maßstab hinausgehende Begrenzung der Abberufungsmöglichkeiten auf die in § 52 Abs. 1 GmbHG i.V. m. § 100 Abs. 2 AktG genannten Fällen sei nicht angezeigt. Für die Stadtwerke … Kommunalunternehmen ergebe sich dies bereits daraus, dass sie Anstalt des öffentlichen Rechts und keine privatrechtliche Gesellschaft sei, weswegen gesellschaftsrechtliche Vorschriften ohne Bedeutung seien. Hinsichtlich der Stadtwerke … GmbH und der … GmbH sei eine solche Begrenzung nicht mit Art. 93 Abs. 2 Satz 1 GO vereinbar, der der Kommune einen möglichst großen Einfluss auf die beherrschte Gesellschaft bewahren wolle. Ob im konkreten Einzelfall ein wichtiger Grund vorliege, sei durch eine umfassende Abwägung der beteiligten Interessen im Einzelfall zu bestimmen. Die gerichtliche Kontrolle könne hinsichtlich der Abwägungsentscheidung dabei nur zum Gegenstand haben, ob das von einer Gemeinde bzw. deren Organ getroffene Abwägungsergebnis evident falsch sei, da die Abberufung ein Teil der kommunalen Personalhoheit sei und aufgrund des verfassungsrechtlichen Schutzes (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) und Art. 11 Abs. 2 Satz 2 der Bayerischen Verfassung (BV)) nur eingeschränkt gerichtlich überprüft werden könne. Eine Unzumutbarkeit, den Kläger weiterhin in den Kontrollgremien zu belassen, ergebe sich aus seiner gleichzeitigen Tätigkeit bei der … AG und aus den mit kartellrechtlichen Verstößen verbundenen Gefahren. Aufgrund der Konkurrenzsituation der Stadtwerke … GmbH zur … AG und dem Beschäftigungsfeld und der Befugnisse des Klägers bestehe ein wichtiger Grund für eine Abberufung, da ein wesentlicher und nicht nur vorübergehender Interessenkonflikt bestehe. Es bestehe die konkrete Gefahr erheblicher Wettbewerbsnachteile bzw. erheblicher wirtschaftlicher Nachteile für die Stadtwerke … GmbH. Diese seien darin begründet, dass zu befürchten sei, dass der … AG Geschäftsgeheimnisse der Stadtwerke … GmbH durch den Kläger offengelegt würden, bzw. dieser die Informationen, die er im Rahmen seiner Aufsichtsratstätigkeit erlange, bewusst oder unbewusst im Rahmen seines Beschäftigungsverhältnisses verwende. Sowohl die … AG als auch die Stadtwerke … GmbH hätten ihren Tätigkeitsschwerpunkt in der Energieversorgung Nordbayerns. Sie würden aufgrund ihrer regionalen Verwurzelung eine ähnliche Bekanntheit genießen und daher in gesteigerter Weise um potentielle (Groß-)Endkunden konkurrieren. Maßgebliches Verkaufsargument auf dem lokalen Markt sei der Verkaufspreis. Daher seien Informationen zur Preisbildung einer Gesellschaft in besonderem Maße geheimhaltungsbedürftig um etwaige Wettbewerbsnachteile zu vermeiden. Eine solche Geheimhaltung könne bei einer Tätigkeit des Klägers für den Aufsichtsrat der Stadtwerke … GmbH nicht gewährleistet werden. Ihm würden im Rahmen dieser Tätigkeit Details zur Belieferung von Großkunden erläutert werden, er wäre über konkrete Preisangebote der Stadtwerke … GmbH informiert und könnte dieses Wissen als Stromhändler für die … AG nutzen. Auch in den Bereichen Elektromobilität, Photovoltaik-Anlagen und dem Ausbau des Netzbetriebs würde er Kläger im Rahmen einer Aufsichtsratstätigkeit für die Stadtwerke … GmbH Informationen hoher Detailtiefe erhalten, was zu einem spürbaren Wettbewerbsnachteil gegenüber der … AG führen würde. Trotz der Verschwiegenheitspflicht des Klägers bestehe die Gefahr, dass er Informationen bewusst oder unbewusst im Rahmen seiner operativen Tätigkeit zugunsten der … AG einfließen lasse. Diese Gefahr bestehe nur dann nicht, wenn der Kläger bei der … AG keiner operativen Tätigkeit nachgehen würde, was nicht der Fall sei. Vielmehr sei der Kläger aufgrund seiner Handlungsberechtigung mit einem leitenden Angestellten oder Vorstand zu vergleichen. Ferner müsse berücksichtigt werden, dass die … AG an verschiedenen Stellen – mittelbar – Vertragspartner der Stadtwerke … GmbH sei. Die Stadtwerke … GmbH beziehe ihren Strom über ein Unternehmen, welches einen erheblichen Teil des Strombedarfs über die … AG abdecke. Würde die Beschaffungsstrategien und Wettbewerbsangebote gegenüber Dritten etc. über die Aufsichtsratstätigkeit dem Kläger bekannt, könnte die … AG diese Informationen für eine eigene Preisgestaltung verwenden. Darüber hinaus sei eine ordnungsgemäße Amtsführung des Klägers nicht gewährleistet, was nach Art. 86 Satz 2 Nr. 2 BayVwVfG einen wichtigen Grund für die Abberufung darstelle. Aufgrund der beschriebenen Konkurrenzsituation müsse der Kläger aus etlichen Aufsichtsratssitzungen ausgeschlossen oder ihm dürften nur geschwärzte Dokumente zur Verfügung gestellt werden. Auf Dauer wäre es ihm daher unmöglich, die Tätigkeit der Geschäftsführung ausreichend zu beurteilen und zu überwachen. Die Geschäftsführung habe ausgewertet, dass bei insgesamt 95 Aufsichtsratsbeschlüssen der Stadtwerke … GmbH und der … GmbH eine Interessenkollision des Klägers in 79 Fällen bestanden hätte. Der Kläger könne daher seiner Beratungs- und Kontrollfunktion als Aufsichtsorgan nicht ordnungsgemäß nachkommen. Schließlich seien kartellrechtliche Verstöße zu erwarten, die zu erheblichen Bußgeldern für die Stadtwerke … GmbH führen könnten. Für einen kartellrechtlichen Verstoß genüge es bereits, wenn dem Kläger im Aufsichtsrat der Stadtwerke … GmbH strategische Informationen der Gesellschaft offengelegt würden und er diese akzeptiere, obwohl er diese Informationen durch seine operative Tätigkeit bei einem Wettbewerber (. AG) in wettbewerbsschädigender Weise einsetzen könnte. Auch insoweit sei zu berücksichtigen, dass der Kläger im Aufsichtsrat der Stadtwerke … GmbH über Preise, Mengen, Abnahmeverhalten und Angebote, d. h. über wettbewerbssensible Daten informiert würde. Das Risiko von Kartellrechtsverstößen sowie die damit zusammenhängenden finanziellen Konsequenzen würden eine Abberufung des Klägers aus wichtigem Grund rechtfertigen. Es müsse hierfür nicht bereits ein tatsächlicher Kartellrechtsverstoß bestehen, allein die theoretische Gefahr genüge (Wertung aus Art. 20 f. BayVwVfG). Wegen der konkreten Gefahr von Kartellrechtsverstößen müsste der Kläger ferner bei etlichen Aufsichtsratssitzungen ausgeschlossen werden, was wiederum seine Beratungs- und Kontrollaufgabe beeinträchtige. Die genannten Gründe würden im Rahmen einer Interessenabwägung für ein Überwiegen der Interessen an der Abberufung sprechen. Mildere Mittel wie die Schwärzung von Unterlagen widersprächen der Kontrollfunktion des Aufsichtsrats. Gegenläufige Interessen des Klägers seien geringer zu gewichten, da er lediglich nebenamtlich tätig sei und keine monetären Vorteile, sondern nur geringfügige Aufwandsentschädigungen erhalte. Durch die Abberufung würden auch keine schutzwürdigen Interessen der Fraktion … beeinträchtigt, da das Ersatz-Aufsichtsratsmitglied aus derselben Fraktion stamme. Da wie dargestellt überwiegende wichtige Gründe für eine Abberufung (Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit und Rentabilität der Stadtwerke … GmbH, öffentliches Interesse hieran, Schutz vor wirtschaftlichen Schäden und Wettbewerbsnachteilen, drohende Kartellrechtsverstöße) vorgelegen hätten, sei der Stadtrat sogar verpflichtet gewesen, den Kläger abzuberufen (wird näher ausgeführt). Auch das Interesse der Allgemeinheit an einem regel- und gesetzeskonform besetzten Aufsichtsrat und dessen konkret gefährdeter Funktionsfähigkeit spreche für die Rechtmäßigkeit der erfolgten Abberufung.
37
Da die … GmbH ebenfalls im Gashandel eine direkte Konkurrentin der … AG sei, gälten die obigen Ausführungen auch für die Abberufung des Klägers aus dem Aufsichtsrat der … GmbH. Hinzu komme, dass ein wichtiger Grund für eine Abberufung als Aufsichtsratsmitglied dieses Unternehmens überhaupt nicht notwendig sei, sodass ein Verbleibinteresse des Klägers sehr gering sei. Ferner sei zu berücksichtigen, dass Mitgesellschafter der … GmbH die B. AG sei, sodass ein erhöhtes Haftungsrisiko gegenüber diesem Mitgesellschafter bestehe.
38
Schließlich habe der Stadtrat der Beklagten auch die Abberufung des Klägers aus dem Verwaltungsrat der Stadtwerke … Kommunalunternehmen in abwägungsfreier Weise beschlossen. Dem Stadtrat stehe dabei ein weiter Beurteilungsspielraum zu. Auch hier sei zu berücksichtigen, dass der Kläger im Verwaltungsrat eine ehrenamtliche und unentgeltliche Tätigkeit ausübe. Demgegenüber stehe die begründete Befürchtung, dass der Kläger den mit seinem Amt als Verwaltungsrat verbundenen Verpflichtungen künftig nicht mehr ordnungsgemäß nachkommen werde. Nach einer Abberufung aus den entsprechenden Aufsichtsräten bestehe kein gesteigertes Interesse des Klägers, sich produktiv im Verwaltungsrat einzubringen und mit denjenigen Personen, die an seiner Abberufung mitgewirkt hätten, gut zusammenzuarbeiten.
39
Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass dem Beschluss des Stadtrats eine rechtsfehlerfreie Ermessensausübung der einzelnen Stadträte zugrunde liege. Es sei über die Abberufung des Klägers intensiv diskutiert worden. Nach Abwägung sämtlicher Interessen aller Beteiligten sei der Stadtrat mit großer Mehrheit zu der Entscheidung gekommen, den Kläger abzuberufen und durch eine andere Person seiner Fraktion zu ersetzen.
40
Abschließend werde die Meinung vertreten, dass die Frage um die Rechtmäßigkeit der Abberufung des Klägers nicht vor dem Verwaltungsgericht, sondern allenfalls vor dem Zivilgericht zu klären sei.
41
Hierzu replizierte der Klägerbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 5. Januar 2021, dass eine kommunalverfassungsrechtliche Streitigkeit mehrere Klagearten kenne; die Rechtsprechung lasse sowohl Gestaltungsklagen als auch Feststellungsklagen zu. Für Streitigkeiten vorliegender Art sei die subsidiäre Feststellungsklage statthaft; eine kassatorische Leistungsklage sei nicht angezeigt. Es gehe vorliegend nicht um die Frage, wie weisungsgebunden der Kläger in der Wahrnehmung seiner Aufgaben als Aufsichtsrat sei. Selbst eine weite Fassung der Weisungsgebundenheit würde im Verhältnis des Stadtrats zur Stadt nicht zur völligen Rechtslosigkeit des einzelnen Stadtrats in seiner Eigenschaft als Aufsichtsrat führen, der ansonsten, so lege es die Ausführung der Beklagten nahe, jeder beliebigen Entscheidung der Beklagten weitestgehend schutzlos ausgeliefert wäre. Dies sei jedoch weder mit der Stellung des Klägers als Organ der Beklagten noch mit den Grundsätzen des öffentlichen Rechts vereinbar. Letztlich richte sich die Klage gegen die vom Stadtrat der Beklagten am 24. September 2020 gefassten Abberufungsbeschlüsse, wie sie in der Niederschrift über die Stadtratssitzung auf den Seiten 13 und 14 unter Tagesordnungspunkt 8 in den Ziffern 2 und 3 (neu) protokolliert seien. Diese Beschlüsse hätten unmittelbar die Abberufung des Klägers aus den Aufsichtsräten herbeigeführt. Es sei nicht ersichtlich, was sonst diese Wirkung gehabt haben könnte. Verdeutlicht werde dies auch dadurch, dass unmittelbar im Anschluss an die Abberufung des Klägers vom Stadtrat ein neuer Aufsichtsrat berufen worden sei. Der Kläger sei durch die Abberufungsbeschlüsse beschwert.
42
Für eine Abberufung des Klägers sei ein wichtiger Grund notwendig, andernfalls wären willkürliche und allein im Belieben der Beklagten stehende Handlungen gegen den Kläger möglich. Das Erfordernis des wichtigen Grunds ergebe sich aus Art. 19 Abs. 2 GO und Art. 86 BayVwVfG sowie für die Stadtwerke … GmbH aus deren Gesellschaftsvertrag. Bislang habe die gesellschaftsrechtliche Rechtsprechung einen solchen wichtigen Grund nur dann angenommen, wenn der weitere Verbleib im Aufsichtsrat schlechthin als untragbar anzusehen sei oder eine grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Amtsführung vorliege. Nach diesen Maßstäben liege kein wichtiger Grund für eine Abberufung vor. Es sei nochmals festzuhalten, dass der Kläger bei der … AG Sachbearbeiter sei und lediglich die Vollmacht habe, Strom und Erdgas zu handeln. In tatsächlicher Hinsicht werde darauf verwiesen, dass die Unternehmen der Beklagten fast die Hälfte ihres Strom- und Gasbedarfs über die … AG beziehen würden, während der Kläger überwiegend an den Terminmärkten tätig sei. Außerdem würden die Unternehmen der Beklagten ihre Strom- und Gasmengen über Einkaufsgemeinschaften beziehen, um so größere Mengen handeln zu können und einen größeren Marktzugang zu erhalten. Die … AG ermögliche zudem eine Beschaffung am Terminmarkt, bisweilen auch durch Vermittlung des Klägers bzw. über Plattformen, die von ihm mitbedient würden. Am Terminmarkt werde zu live-Preisen gehandelt, die die Anbieter auf Basis des aktuellen Marktpreises festsetzen würden. Diese Preise würden sich in der Regel lediglich um wenige Cent/Mwh unterscheiden. Der Käufer kaufe dann beim billigsten Anbieter. Wenn der Kläger Preise über dem Marktpreis nenne, kaufe der Käufer bei einem anderen Marktanbieter ein, wenn er Preise unter dem Marktpreis nenne, füge er seinem Arbeitgeber einen Schaden zu, da die Mengen dann nur teurer gehandelt werden könne. Diese konkrete Aufgabenstellung des Klägers wie auch die beschriebenen Marktmechanismen seien der Geschäftsführung der Unternehmen der Beklagten bekannt. Zu hinterfragen sei deshalb, wie die Beklagte auf die Vielzahl der behaupteten Interessenkonflikte komme, die den Kläger an seiner Aufsichtsratstätigkeit hindern sollte. Zur Bestimmung der Anzahl an Interessenkonflikten habe die Beklagte „Cluster“ gebildet. Die Auflistung der Beklagten (Anlage B3) nenne lediglich die Oberthemen jedes Clusters und die Anzahl der entsprechenden Tagesordnungspunkte. Tatsächlich sei aus keinem der Themen ersichtlich, woraus sich aus der Tätigkeit des Klägers bzw. der Tätigkeit als Aufsichtsrat ein Konflikt oder ein Wettbewerbsproblem ergeben könnte. Selbst Berichte über die Entwicklung von Strom- oder Erdgaspreisen hätten mit der beruflichen Tätigkeit des Klägers nichts zu tun. Es sei nicht so, dass in den fraglichen Sitzungen der Aufsichtsräte das operative Geschäft Gegenstand oder gar Schwerpunkt der Erörterung sei. Es sei nicht ersichtlich, in welcher Weise der Kläger beispielweise bei der Billigung der Jahresabschlüsse und der Entlastung der Geschäftsführung durch seine berufliche Tätigkeit gehindert wäre. Diese unzulässige Gleichsetzung von Tagesordnungspunkten und Interessenkonflikten ziehe sich durch sämtliche Cluster und insgesamt durch das Vorbringen der Beklagten. Ein mögliches kartellrechtliches Problem entstehe nur bei einer irgendwie gearteten Verständigung bzw. einem Bezwecken in Richtung einer Marktbeeinflussung. Bei keinem der in den Aufsichtsräten behandelten Themen sei irgendwie ersichtlich, welchen Einfluss sie auf den täglichen Energiehandel des Klägers haben sollten und wo hier auch nur der Verdacht eines Zusammenwirkens mit den Unternehmen der Beklagten aufkommen könnte. Die Beklagte könne nicht nachvollziehbar belegen, wie die Kenntnis von Jahres- oder Quartalsberichten, Entlastung des Geschäftsführers, Berichten zu Corona, Gesellschaftsstrukturen und Personalplänen Einfluss darauf haben könnte, welche Energiemengen der Kläger zu welchem Preis in welchem Moment zu tagesaktuellen Konditionen ordere und umgekehrt. Aus den Tagesordnungen vom 10. Dezember 2020 und vom 14. Dezember 2020 der Aufsichtsratssitzungen der Stadtwerke … GmbH ließen sich allenfalls aus den Tagesordnungspunkten Preisentwicklung und Beschaffungsstrategie Interessenkonflikte vermuten. Tatsächlich seien die mündlichen Ausführungen hierzu sehr allgemein gehalten gewesen, sodass Überschneidungen oder Konflikte mit der Tätigkeit des Klägers nicht ersichtlich seien; zumal die Stadtwerke … GmbH ohnehin fast die Hälfte ihres Strom- und Gasbedarfs über die … AG beziehe, während der Kläger überwiegend an den Terminmärkten tätig sei. Man müsste dem Kläger daher gezieltes treuwidriges Verhalten unterstellen oder sich fernliegende Konstellationen ausdenken, um die Gefahr von Interessenkonflikten oder Wettbewerbsverstößen heraufzubeschwören.
43
Unter dem 3. September 2021 ergänzte der Beklagtenbevollmächtigte, dass auch nach dem nunmehrigen klägerischen Vortrag offen bleibe, welche eigenen organschaftlichen Rechte des Klägers durch seine Eigenschaft als Vertreter der Beklagten in den Aufsichtsräten bzw. im Verwaltungsrat begründet würden. Der Kläger sei auch nicht rechtlos gestellt, da er unmittelbar gegen seine Abberufung hätte vorgehen können. Aufgrund des vom Kläger beschriebenen Tätigkeitsfeldes im Rahmen der Beschaffung bestünde die Gefahr des Interessenkonflikts und wettbewerbsrechtlicher Nachteile für die Stadtwerke … GmbH. Unschlüssig in diesem Zusammenhang sei der klägerische Vortrag, die Entwicklung von Strom- und Erdgaspreisen, wie sie unter anderem Gegenstand der jeweiligen Sitzungen der hier inmitten stehenden Aufsichtsorgane sei, habe mit seiner beruflichen Tätigkeit nichts zu tun, unstreitig handele der Kläger doch nach eigener Darstellung mit Strom und Erdgas.
44
In der mündlichen Verhandlung am 9. September 2021 beantragte der Klägerbevollmächtigte zuletzt:
45
1. Die jeweils mit Schreiben vom 28. September 2020 erklärte Abberufung des Klägers aus dem Aufsichtsrat der Stadtwerke … GmbH, dem Aufsichtsrat der … GmbH und dem Verwaltungsrat des Kommunalunternehmens Stadtwerke … aufzuheben.
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2. Hilfsweise festzustellen, dass die Beschlüsse des Stadtrats der Beklagten vom 24. September 2020, in denen der Kläger aus den Aufsichtsräten der Stadtwerke … GmbH, der … GmbH und dem Verwaltungsrat der Stadtwerke … Kommunalunternehmen abberufen wurde, rechtswidrig sind.
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Der Beklagtenbevollmächtigte erklärte, der dadurch vorgenommenen Klageerweiterung nicht zuzustimmen. Hinsichtlich des weiteren Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf das Sitzungsprotokoll vom 9. September 2021 verwiesen.
48
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die Behördenakten ergänzend Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).
Entscheidungsgründe
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Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet. Die Klagen gegen die Abberufungsentscheidungen vom 28. September 2020 sind zulässig und haben in der Sache Erfolg.
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A. Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet. Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nicht verfassungsrechtlicher Art gegeben. Ob eine Streitigkeit öffentlich-rechtlich oder bürgerlich-rechtlich ist, richtet sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der geltend gemachte Anspruch hergeleitet wird (vgl. OVG Bremen, B.v. 12.9.2018 – 2 B 227/18 – juris Rn. 8). Vorliegend streiten sich die Beteiligten darum, ob die Abberufung des Klägers als Mitglied des Aufsichtsrats der Stadtwerke … GmbH, des Aufsichtsrats der … GmbH und des Verwaltungsrats der Stadtwerke … Kommunalunternehmen durch die Beklagte in rechtmäßiger Weise erfolgte. Die Bestellung und damit die Abberufung aus den Aufsichtsgremien dieser Unternehmen richtet sich nach Art. 90 Abs. 3 Satz 3 GO, Art. 89 Abs. 3 Satz 1 GO, Art. 93 Abs. 2 Satz 1 GO sowie den hierzu einschlägigen Normen in den Gesellschaftsverträgen und der Unternehmenssatzung der benannten Unternehmen. Die Bestellung und damit auch die Abberufung des Klägers aus den Aufsichtsgremien hat somit öffentlich-rechtlichen Charakter und betrifft nicht die dem Zivilrecht zuzurechnenden gesellschaftsrechtlichen Vorgänge (vgl. BayVGH, B.v. 6.10.1987 – 4 CE 87.02294 – BayVBl 1988, 85).
51
B. Die in der mündlichen Verhandlung vorgenommene Klageänderung ist zulässig.
52
Eine Klageänderung im Sinne von § 91 VwGO liegt vor, wenn nach Rechtshängigkeit der Klage der Streitgegenstand geändert wird. Der Streitgegenstand wird dabei durch den prozessualen Anspruch (Klagebegehren) sowie den zugrunde liegenden Sachverhalt (Klagegrund) bestimmt (vgl. BVerwG, U.v. 24.10.2006 – 6 B 47/06 – juris 11, 13 m.w.N.). Primär beantragte der Kläger mit Schriftsatz seines damaligen Bevollmächtigten vom 21. Oktober 2020 die Feststellung, dass die Beschlüsse des Stadtrats der Beklagten vom 24. September 2020, mit denen der Kläger aus den Aufsichtsräten der Stadtwerke … GmbH, der … GmbH und dem Verwaltungsrat der Stadtwerke … Kommunalunternehmen abberufen wurde, rechtswidrig sind. In der mündlichen Verhandlung beantragte die Klägerseite hingegen im Hauptantrag die Aufhebung der Schreiben vom 28. September 2020, mit denen dem Kläger die Abberufung aus den Aufsichtsgremien erklärt wurde und hielt den ursprünglichen Klageantrag nur noch hilfsweise aufrecht. Durch diese Umstellung des prozessualen Antrags liegt eine Klageänderung vor.
53
Nach § 91 Abs. 1 VwGO ist eine Änderung der Klage zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich erachtet. Zwar hat der Bevollmächtigte der Beklagten sich in der mündlichen Verhandlung explizit gegen die vorgenommene Klageänderung ausgesprochen, jedoch ist diese sachdienlich im Sinne des § 91 Abs. 1 Var. 2 VwGO. Die Entscheidung, ob eine Klageänderung sachdienlich ist, liegt im Ermessen des erkennenden Gerichts. Eine Klageänderung ist in der Regel als sachdienlich anzusehen, wenn sie der endgültigen Beilegung des sachlichen Streits zwischen den Beteiligten im laufenden Verfahren dient und der Streitstoff im Wesentlichen derselbe bleibt (vgl. BVerwG, U.v. 25.6.2009 – 9 B 20/09 – juris Rn. 6 m.w.N.). Die erfolgte Umstellung der Klage dient der endgültigen Beilegung des Rechtsstreits, da andernfalls eine weitere Klage in Form der zuletzt beantragten Anfechtungsklage erhoben worden wäre. Der Streitstoff ist im Wesentlichen derselbe geblieben, da die Schwerpunktfragen, ob dem Kläger eine wehrfähige Rechtposition gegen seine Abberufung aus den verschiedenen Aufsichtsgremien zusteht, ob ein wichtiger Grund für die Abberufungen überhaupt notwendig ist und, ob ein solcher Grund jeweils vorlag, auch in der Anfechtungssituation zu klären sind. Die bis zur Änderung der Klage gewonnenen Prozesserkenntnisse können daher unverändert verwertet werden.
54
C. Die erhobenen Anfechtungsklagen sind zulässig.
55
I. Die Klage gegen das Schreiben der Beklagten vom 28. September 2020, mit welchem dem Kläger die Abberufung aus dem Aufsichtsrat der Stadtwerke … GmbH erklärt wurde, ist zulässig.
56
1. Die Anfechtungsklage ist statthafte Klageart. Beim Schreiben der Beklagten vom 28. September 2020 handelt es sich um einen Verwaltungsakt im Sinne des Art. 35 Satz 1 BayVwVfG, welcher mit einer Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Var. 1 VwGO angreifbar ist. Ein Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist.
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a. Das Schreiben vom 28. September 2020 entfaltet, anders als der Beschluss des Stadtrats Nr. 2 unter TOP 8 vom 24. September 2020, Außenwirkung. Ein Stadtratsbeschluss an sich stellt eine rein verwaltungsinterne Handlung ohne Außenwirkung dar, die nach § 44a VwGO nur gleichzeitig mit dem gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelf angegriffen werden kann. Erst der Vollzug des Beschlusses durch den ersten Bürgermeister gemäß Art. 36 Satz 1 GO entfaltet eine entsprechende Wirkung nach außen.
58
Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass der Kläger gleichzeitig ein Mitglied des Stadtrats der Beklagten ist. Es handelt sich nämlich vorliegend nicht um eine Interorganstreitigkeit des Klägers als Mitglied des Stadtrats der Beklagten gegen die Beklagte wegen einer Beeinträchtigung seiner organschaftlichen Rechte. Dem Kläger wird durch die Abberufungsentscheidung eine Position entzogen, die eine eigene Rechtsposition darstellt und deshalb unabhängig von seinem Stadtratsmandat zu betrachten ist. Dies ergibt sich aus der Auslegung des Art. 93 Abs. 2 und 3 GO. Hiernach soll die Gemeinde bei der Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrags oder der Satzung eines Unternehmens in Privatrechtsform, an dem sie beteiligt ist, darauf hinwirken, dass ihr das Recht eingeräumt wird, Mitglieder in einen Aufsichtsrat oder ein entsprechendes Gremium zu entsenden. In Art. 93 Abs. 2 und 3 GO wird von diesen zu entsendenden Mitgliedern des Aufsichtsrats jeweils als „die Person“ gesprochen. Dieser offene Wortlaut verdeutlicht, dass die von der Gemeinde entsandten Personen nicht im ehrenamtlichen oder berufsmäßigen Dienst der Gemeinde stehen oder gestanden haben müssen (vgl. Glaser in Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, 31. EL Februar 2021, Art. 93 Rn. 9; Bauer/Böhler/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze – Kommentar, 107. EL Juni 2020, Art. 93 GO Rn. 17). Hierfür spricht darüber hinaus die Gesetzeshistorie. Art. 93 Abs. 3 GO in der Fassung vom 6. Januar 1993 enthielt die Regelung, dass die Mitgliedschaft gemeindlicher Vertreter in Organen eines Unternehmens, an dem die Gemeinde beteiligt ist, mit ihrem Ausscheiden aus dem berufsmäßigen oder ehrenamtlichen Dienst der Gemeinde erlischt. Diese Vorschrift implizierte, dass die Mitglieder des Aufsichtsrats, die von der Gemeinde entsandt werden, ein Gemeinderatsmandat oder eine Beschäftigung bei der Gemeinde innehaben mussten. Durch die Änderung des Gesetzeswortlauts hat der Gesetzgeber den Willen zum Ausdruck gebracht, dass die Vertretung der Gemeinde in Aufsichtsgremien nicht an ein kommunales Amt gebunden ist. Da nach der gesetzlichen Regelung jeder Dritte von der Gemeinde in ein Aufsichtsgremium eines Unternehmens in Privatrechtsform, an dem die Gemeinde beteiligt ist, entsendet werden könnte, muss zwangsläufig durch die Entsendung in einen Aufsichtsrat eine entsprechende selbständige Rechtsposition für diese entsandte Person begründet werden. Dies bedeutet für jemanden, der gleichzeitig ein Gemeinderatsmitglied ist, dass auch für ihn eine zusätzliche Rechtsposition durch die Entsendung entsteht, die unabhängig vom eigentlichen Gemeinderatsmandat zu betrachten ist. Andernfalls würde die Entsendung eines Gemeinderatsmitglieds in ein Aufsichtsgremium anders behandelt werden als die eines beliebigen Dritten. Für eine Ungleichbehandlung beider Fälle ist jedoch aufgrund der Gesetzesänderung des Art. 93 GO kein Raum. Da hier die Abberufung des Klägers als Aufsichtsratsmitglied streitig ist, geht es um eine vom Status des Klägers als Stadtratsmitglied der Beklagten unabhängige Entziehung einer Rechtsposition und damit nicht um einen Streit über ein organschaftliches Recht des Klägers als Stadtratsmitglied.
59
Dem steht die Geschäftsordnung des Stadtrats der Beklagten und der Gesellschaftsvertrag der Stadtwerke … GmbH nicht entgegen. Dass die Mitglieder des Aufsichtsrats der Unternehmen in Privatrechtsform, an denen die Beklagte beteiligt ist, keine Stadtratsmitglieder sein müssen, zeigt § 1 Abs. 8 der Geschäftsordnung des Stadtrats der Beklagten, welcher die Entsendung von externen Fachleuten, die nicht dem Stadtrat angehören, regelt. Zudem lässt § 7 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags der Stadtwerke … GmbH offen, ob die Mitglieder des Aufsichtsrats gleichzeitig auch Stadtratsmitglieder sein müssen, sodass die Entsendung Dritter hiernach zulässig wäre.
60
Soweit der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 6. Oktober 1987 (4 CE 87.02294 – BayVBl 1988, 83) wohl davon ausgeht, dass ein Innenrechtsstreit zwischen der Gemeinde und einem Gemeinderatsmitglied bei der Frage, ob dessen Abberufung als Aufsichtsratsmitglied eines Unternehmens gerechtfertigt war, vorliegt, so basiert diese Entscheidung auf der oben dargestellten früheren Gesetzeslage und ist nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar. Das erkennende Gericht schließt sich auch nicht der Ansicht des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg in dessen Urteil vom 13. Mai 2019 (RN 3 K 14.2156 – juris Rn. 22) an, wonach der Ausschluss eines Mitglieds aus einer Lenkungsgruppe, die sowohl mit Gemeinderatsmitgliedern als auch mit Nicht-Gemeinderatsmitgliedern besetzt ist, mangels Außenwirkung keine Verwaltungsaktsqualität aufweist. Das Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg hat in seiner Entscheidung nicht hinreichend differenziert dargestellt, weswegen der Fall des Ausschlusses eines Mitglieds, welches zusätzlich Gemeinderatsmitglied ist, anders behandelt werden müsste, als der eines Nicht-Gemeinderatsmitglieds.
61
b. Dem Schreiben vom 28. September 2020, mit welchem dem Kläger die Abberufung als Mitglied des Aufsichtsrats mitgeteilt wurde, kommt eine unmittelbare Regelungswirkung in der Form zu, dass dem Kläger hierdurch das Recht genommen wird, die Beklagte im Aufsichtsrat der Stadtwerke … GmbH zu vertreten. Die Abberufungsentscheidung der Beklagten bedarf auch keines weiteren Zwischenakts. Zwar sieht § 7 Abs. 4 Buchst. b des Gesellschaftsvertrags der Stadtwerke … GmbH vor, dass die Amtszeit eines Mitglieds des Aufsichtsrats vorzeitig endet, wenn die Stadt … die Abberufung des Mitglieds aus wichtigem Grund schriftlich gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden erklärt. Bei dieser schriftlichen Erklärung handelt es sich jedoch lediglich um die Informationsweitergabe an den Aufsichtsratsvorsitzenden, dass ein Aufsichtsratsmitglied abberufen wurde. Die Regelung besagt hingegen nicht, dass die Stadtwerke … GmbH über die Abberufung noch einmal selbst entscheiden muss.
62
2. Der Kläger ist klagebefugt. Nach § 42 Abs. 2 VwGO ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Hierbei genügt die bloße Möglichkeit der Rechtsverletzung.
63
Entgegen der Ansicht der Beklagtenbevollmächtigten steht dem Kläger als Aufsichtsratsmitglied der Stadtwerke … GmbH ein subjektives Recht zu, welches möglicherweise durch die Abberufungsentscheidung der Beklagten vom 28. September 2021 verletzt worden ist. Wie bereits dargestellt, eröffnet Art. 93 Abs. 2 und 3 GO den Gemeinden die Möglichkeit sowohl Gemeinderatsmitglieder als auch Dritte in den Aufsichtsrat eines Unternehmens, an welchem die Gemeinde beteiligt ist, zu entsenden. Da deshalb kein Unterschied zwischen einem Gemeinderatsmitglied und einem Nicht-Gemeinderatsmitglied gemacht werden kann, begründet die Entsendung durch die Gemeinde grundsätzlich für das jeweilige Aufsichtsratsmitglied eine zusätzliche Rechtsposition in Form eines (weiteren) Ehrenamts, welches der entsandten Person das Recht gewährt, die Gemeinde im Aufsichtsgremium zu vertreten. Dass dem Entsandten reflexartig mit der Entsendung ein Ehrenamt erteilt wird, ist zudem in § 7 Abs. 5 Satz 1 des Gesellschaftsvertrags der Stadtwerke … GmbH geregelt. Die Entsendung eines Aufsichtsratsmitglieds durch die Gemeinde begründet für den Betroffenen daher ein subjektives Recht, welches durch die Abberufung wieder entzogen wird.
64
Soweit die Beklagtenseite unter anderem auf den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 21. Mai 2002 (15 B 238/02 – juris Rn. 13 ff.) und die darin geäußerte Ansicht, dass dem Aufsichtsratsmitglied gegen seine Abberufung durch die Gemeinde keine wehrfähige Rechtsposition zur Verfügung steht, verweist, schließt sich das erkennende Gericht dieser Auffassung nicht an. Argumentativ wird die in diesem Urteil vertretene Meinung damit begründet, dass das Aufsichtsratsmitglied die öffentlichen Interessen der Gemeinde wahrnimmt und landesrechtlich an deren Interessen gebunden ist. Seine Rechtsstellung ist daher hinsichtlich ihrer Begründung, ihrer inhaltlichen Reichweite und ihrer Beendigung vollständig vom Gemeinderat abhängig, sodass § 113 Abs. 1 Satz 3 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW) keine wehrfähige Rechtsposition begründet. Diese Rechtsprechung zu § 113 Abs. 1 Satz 3 GO NRW kann hingegen nicht auf Art. 93 Abs. 2 GO übertragen werden. § 113 Abs. 1 Satz 1 und 3 GO NRW normieren ausdrücklich, dass Vertreter der Gemeinde in Aufsichtsräten die Interessen der Gemeinde zu verfolgen haben und an deren Beschlüsse gebunden sind. Sie haben ihr Amt auf Beschluss des Gemeinderats jederzeit niederzulegen. Die GO NRW sieht daher einen größtmöglichen Einfluss der Gemeinde auf ihre Vertreter in den Aufsichtsräten in Form eines vollumfänglichen Weisungsrechts vor, sodass die Aufsichtsräte zum reinen „Sprachrohr“ der Gemeinde werden. In Art. 93 GO ist eine derartig starke Bindung an den gemeindlichen Willen hingegen nicht vorgesehen. Art. 93 Abs. 2 Satz 2 GO normiert nur, dass der Vertreter die Gemeinde über alle wichtigen Angelegenheit frühzeitig zu unterrichten und auf ihr Verlangen hin Auskunft zu erteilen hat. Art. 93 Abs. 2 Satz 3 GO ermöglicht der Gemeinde darüber hinaus, sich im Gesellschaftsvertrag oder der Satzung ein Weisungsrecht vorzubehalten. Die inhaltlichen Entscheidungen eines von der Gemeinde entsandten Aufsichtsrats sind daher nicht in jedem Fall vom Willen der Gemeinde abhängig. Vielmehr steht dem Aufsichtsrat gesetzlich, anders als nach der GO NRW, ein weiter Handlungs- und Entscheidungsspielraum zu. Der Aufsichtsrat ist daher entsprechend der GO nicht bloß als „Sprachrohr“ der Gemeinde ohne eigenen Handlungsspielraum zu betrachten, sondern als ehrenamtlicher Vertreter der Gemeinde mit eigenen kommunalrechtlichen Rechten. Dies wird im Vorliegenden auch dadurch bestätigt, dass sich die Beklagte im Gesellschaftsvertrag der Stadtwerke … GmbH kein Weisungsrecht gegenüber ihren Aufsichtsräten vorbehalten hat. Daher begründet die Entsendung eines Aufsichtsratsmitglieds durch die Gemeinde den Status eines Ehrenamts mit dem damit verbundenen Recht, die Gemeinde im Aufsichtsgremium zu vertreten.
65
Durch die Abberufung des Klägers als Aufsichtsratsmitglied der Stadtwerke … GmbH durch die Beklagte besteht somit zumindest die Möglichkeit, dass der Kläger in seinen subjektiven Rechten verletzt ist.
66
3. Da das Schreiben vom 28. September 2020 keine Rechtsbehelfsbelehrungenthält, gilt nicht die einmonatige Klagefrist nach § 74 Abs. 2 i.V. m. Abs. 1 Satz 1 VwGO, sondern die in § 58 Abs. 2 GO normierte Jahresfrist, die zum Zeitpunkt der Klageänderung in der mündlichen Verhandlung am 9. September 2021 offensichtlich noch nicht abgelaufen war.
67
II. Die Klage gegen das Schreiben der Beklagten vom 28. September 2020, mit welchem dem Kläger die Abberufung aus dem Aufsichtsrat der … GmbH erklärt wurde, ist ebenfalls zulässig.
68
Dass die Position des Klägers als Mitglied des Aufsichtsrats der … GmbH ebenfalls als Ehrenamt ausgestaltet wäre, ist nicht der Fall, da die Beklagte nur mittelbar über die Stadtwerke … GmbH an der … GmbH beteiligt ist und der Aufsichtsrat der … GmbH auch mit Personen besetzt ist, die von der Gesellschafterin … AG entsandt wurden (vgl. § 8 Nr. 2 Satz 1 des Gesellschaftsvertrags der … GmbH). Zudem erhalten die Aufsichtsratsmitglieder der … GmbH keine Aufwandsentschädigung entsprechend einem ehrenamtlich Tätigen, sondern nach § 9 Nr. 8 des Gesellschaftsvertrags der … GmbH eine angemessene Vergütung. Unabhängig davon erließ die Beklagte jedoch mit Schreiben vom 28. September 2020 gegenüber dem Kläger einen belastenden Verwaltungsakt. Ihm wurde in dem Schreiben die Abberufung aus dem Aufsichtsrat der … GmbH und damit die Aufhebung seiner Rechtsposition als Aufsichtsratsmitglied erklärt. Dies wurde von allen beteiligten Unternehmen entsprechend hingenommen, ohne unternehmensinterne Abberufungsentscheidungen zu beschließen oder gegen den Kläger weitere Maßnahmen zu ergreifen. Daher erließ die Beklagte mit Schreiben vom 28. September 2020 aus ihrer Sicht und der Sicht des Klägers, als Adressat des Schreibens, eine Regelung (Abberufung) die unmittelbar auf die Entziehung seiner Rechtsposition als Aufsichtsratsmitglied der … GmbH gerichtet war. Für den Kläger besteht als Adressat dieses Verwaltungsaktes deshalb zumindest die Möglichkeit, in seinen Rechten verletzt zu sein.
69
Die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO ist zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung offensichtlich noch nicht abgelaufen.
70
III. Auch die Klage gegen das Schreiben der Beklagten vom 28. September 2020, mit welchem dem Kläger die Abberufung aus dem Verwaltungsrat der Stadtwerke … Kommunalunternehmen erklärt wurde, ist zulässig.
71
1. Die erhobene Anfechtungsklage ist statthaft, da das Schreiben der Beklagten vom 28. September 2020, mit welchem dem Kläger die Abberufung aus dem Verwaltungsrat der Stadtwerke … Kommunalunternehmen erklärt wurde, einen Verwaltungsakt darstellt. Das Schreiben der Beklagten vom 28. September 2020 ist unmittelbar auf die Aufhebung des Verwaltungsratsmandats des Klägers gerichtet. Es entfaltet eine entsprechende Außenwirkung. Hierzu können die unter C. I. 1. b. gemachten Ausführungen analog herangezogen werden, da die Abbestellungsentscheidung den Kläger ebenfalls keine organschaftlichen Rechte entzieht, sondern hiervon getrennt zu betrachtende subjektive Rechte. Der Gesetzgeber eröffnet den Gemeinden in Art. 90 Abs. 3 Satz 1 und 2 GO die Möglichkeit, die Mitglieder des Verwaltungsrats zu bestellen. Da auch hierbei keine Einschränkung dahingehend besteht, dass es sich um Gemeinderatsmitglieder handeln muss, kann jeder Dritte zum Verwaltungsratsmitglied bestellt werden. Dies wird deutlich in Art. 90 Abs. 3 Satz 4 GO dargestellt, der regelt, dass die Amtszeit von Mitgliedern des Verwaltungsrats, die dem Gemeinderat angehören, mit dem Ausscheiden aus den Gemeinderat endet. Diese Formulierung impliziert, dass es Mitglieder des Verwaltungsrats geben kann, die gerade nicht dem Gemeinderat angehören. Dem steht auch der Wortlaut des § 5 Abs. 2 der Unternehmenssatzung nicht entgegen, wonach nicht ausgeschlossen ist, dass Nicht-Gemeinderatsmitglieder in den Verwaltungsrat bestellt werden können. Somit entsteht im Falle der Verwaltungsratsbesetzung für die Verwaltungsratsmitglieder ebenfalls gleichzeitig mit ihrer Bestellung ein (zusätzliches) Ehrenamt. Dass es sich bei dem begründeten Recht um ein (weiteres) Ehrenamt handelt, wird darüber hinaus in § 5 Abs. 5 der Unternehmenssatzung verdeutlicht, wonach die Verwaltungsratsmitglieder für Sitzungen eine Entschädigung entsprechend der in der Geschäftsordnung des Stadtrats getroffenen Regelung für Stadträte enthält. Diese Entschädigung ist in § 2 der Satzung über die Entschädigung der ehrenamtlich tätigen Personen der Stadt … – Entschädigungssatzung – vom 8. Mai 2002 für ehrenamtlich tätige Stadträte geregelt. Die finanzielle Gleichstellung mit ehrenamtlichen Stadträten veranschaulicht, dass die Bestellung in den Verwaltungsrat ein Ehrenamt mit dem Recht, die Beklagte im Verwaltungsrat zu vertreten, begründet, welches im Fall des Klägers neben seinem Stadtratsmandat entstanden ist. Ein Streit über den Entzug dieses Rechts ist daher keine Interorganstreitigkeit.
72
2. Eine Klagebefugnis des Klägers nach § 42 Abs. 2 VwGO ist gegeben. Es besteht zumindest die Möglichkeit, dass der Kläger durch die Abberufungsentscheidung der Beklagten in seinen subjektiven Rechten verletzt wird. Die in Frage stehende Rechtsposition ist das Ehrenamt des Klägers, durch welches dieser die Beklagte im Verwaltungsrat der Stadtwerke … Kommunalunternehmen vertreten darf. Auch diesbezüglich ist das Verwaltungsratsmitglied – wie ein Aufsichtsratsmitglied – nicht nur als bloßes „Sprachrohr“ der Gemeinde anzusehen. Die Ausführungen unter C. I. 1. b. können entsprechend herangezogen werden, da Art. 90 Abs. 2 Satz 4 GO nur ein gesetzliches Weisungsrecht des Gemeinderats gegenüber Mitgliedern des Verwaltungsrats im Falle des Erlasses von Satzungen und Verordnungen nach Art. 89 Abs. 2 Satz 3 GO vorsieht. Im Übrigen wird es der Gemeinde nach Art. 90 Abs. 2 Satz 5 GO anheimgestellt, sich ein Weisungsrecht in der Unternehmenssatzung vorzubehalten. Daher haben die Verwaltungsratsmitglieder bereits kraft Gesetzes einen Handlungsspielraum bei der Erfüllung ihrer Tätigkeit und sind nicht per se an die Entscheidungen des Gemeinderats gebunden. Die Unternehmenssatzung der Stadtwerke … Kommunalunternehmen enthält ebenfalls kein über die gesetzliche Regelung hinausgehendes Weisungsrecht der Beklagten. Dem Kläger steht somit eine wehrfähige Rechtsposition zu, die möglicherweise durch die Abberufungsentscheidung beeinträchtigt wurde.
73
3. Da das Schreiben vom 28. September 2020 keine Rechtsbehelfsbelehrungenthält, gilt nicht die einmonatige Klagefrist nach § 74 Abs. 2 i.V. m. Abs. 1 Satz 1 VwGO, sondern die in § 58 Abs. 2 GO normierte Jahresfrist, die zum Zeitpunkt der Klageänderung in der mündlichen Verhandlung am 9. September 2021 offensichtlich noch nicht abgelaufen war.
74
D. Die Klagen sind begründet. Die mit jeweiligen Schreiben der Beklagten vom 28. September 2020 verfügten Abberufungen des Klägers aus den Aufsichtsräten der Stadtwerke … GmbH und der … GmbH sowie dem Verwaltungsrat der Stadtwerke … Kommunalunternehmen erfolgten rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
75
I. Die Abberufung des Klägers aus dem Aufsichtsrat der Stadtwerke … GmbH vom 28. September 2020 ist materiell rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinem Recht, die Beklagte als Ehrenamtlicher im Aufsichtsrat zu vertreten.
76
1. An der formellen Rechtmäßigkeit der Abberufungsentscheidung wurden von den Beteiligten keine Bedenken geäußert. Insbesondere ist die Beklagte nach § 7 Abs. 4 Buchst. b des Gesellschaftsvertrags der Stadtwerke … GmbH und Art. 93 Abs. 2 Satz 1 GO für die Entsendung von Mitgliedern in den Aufsichtsratsrat und damit auch für die Abberufung als actus contrarius hierzu zuständig. Der Stadtrat der Beklagten hat als Entscheidungsorgan am 24. September 2020 die Abberufung des Klägers aus dem Aufsichtsrat der Stadtwerke … GmbH beschlossen. Diesen Beschluss hat der erste Bürgermeister nach Art. 36 Satz 1 GO mit Schreiben vom 28. September 2020 entsprechend umgesetzt.
77
2. Die Abberufungsentscheidung ist materiell rechtswidrig, da kein wichtiger Grund für die Abberufung zum Zeitpunkt des Erlasses der belastenden Entscheidung vorlag.
78
a. Die Abberufungsentscheidung beruht auf Art. 19 Abs. 2 i.V. m. Abs. 1 Satz 3 GO sowie Art. 93 Abs. 2 Satz 1 GO i.V. m. § 7 Abs. 4 Buchst. b des Gesellschaftsvertrags der Stadtwerke … GmbH. Aus der Zusammenschau dieser Normen endet die Amtszeit von Mitgliedern des Aufsichtsrats vorzeitig, wenn die Beklagte die Abberufung aus wichtigem Grund erklärt.
79
Entgegen der Ansicht der Beklagtenseite ist das Erfordernis eines wichtigen Grunds für die Abberufung des Klägers aus dem Aufsichtsrat der Stadtwerke … GmbH notwendig. Dass es weder im AktG noch im GmbHG das Erfordernis des wichtigen Grunds für die Abberufung eines fakultativen Aufsichtsratsmitglieds gibt, ändert hieran nichts. Vorliegend hat das Gericht nicht die gesellschaftsrechtlichen Vorgänge innerhalb eines Unternehmens zu beurteilen, sondern, ob die Beklagte als Behörde die Grenzen ihrer ihr durch den Gesetzgeber eingeräumten Handlungsmöglichkeiten überschritten hat. Die gesellschaftsrechtlichen Normen, die das Verhältnis zwischen gleichrangigen Rechtssubjekten regeln, können bei der Überprüfung von Handlungen der Gemeinde als juristische Person des öffentlichen Rechts gegen die von ihr entsandten Aufsichtsratsmitglieder nicht herangezogen werden. Die Entsendung von ehrenamtlich tätigen Aufsichtsratsmitgliedern dient der Gemeinde dazu, ihren Einfluss und ihre Kontrolle auf ein Unternehmen in Privatrechtsform, dem sie öffentliche Aufgaben oder Verpflichtungen übertragen hat (Art. 87 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO), auszuüben. Durch die Entsendung wird für die entsandte Person ein Ehrenamt begründet, um so ein Handeln für die Gemeinde zu ermöglichen. Das Rechtsverhältnis zwischen der Gemeinde und ihren Aufsichtsräten ist deshalb rein öffentlich-rechtlich im Sinne eines Über-Unterordnungsverhältnisses geprägt. In diesem Rechtsverhältnis darf das Gesellschaftsrecht nicht die öffentlich-rechtlichen Vorschriften überlagern.
80
Das Kommunalrecht sieht in Art. 19 Abs. 2 i.V. m. Abs. 1 Satz 3 GO vor, dass eine ehrenamtlich tätige Person von der Stelle, die sie berufen hat, abberufen werden kann, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Ein solcher liegt insbesondere dann vor, wenn die ehrenamtlich tätige Person ihre Pflichten gröblich verletzt oder sich als unwürdig erwiesen hat (Art. 19 Abs. 2 Satz 1 GO) oder, wenn der Verpflichtete seine Tätigkeit nicht ordnungsgemäß ausüben kann (Art. 19 Abs. 1 Satz 3 GO). Wie bereits oben dargestellt, ist die Entsendung einer Person in ein Aufsichtsgremium nach Art. 93 Abs. 2 Satz 1 GO mit der Begründung eines (weiteren) Ehrenamts verbunden. Da die Abberufung und deren Voraussetzungen in Art. 93 Abs. 2 Satz 1 GO nicht explizit geregelt sind, kann Art. 19 Abs. 2 Satz 1 GO als Maßstab für den Entzug des einst begründeten Ehrenamts herangezogen werden. Entgegen der Ansicht der Beklagtenbevollmächtigten schließt Art. 93 Abs. 2 Satz 1 GO die Anwendung des Art. 19 Abs. 2 i.V. m. Abs. 1 Satz 3 GO als lex speciales nicht aus. Zwar wird in Art. 93 Abs. 2 Satz 1 GO nur die Entsendung, für die keine besonderen Voraussetzungen zu beachten sind, normiert. Eine jederzeit mögliche Abberufung, wie von Beklagtenseite angenommen, ergibt sich hieraus jedoch nicht, da der Gesetzgeber zur Abberufung per se schweigt. Da die Abberufung ein Eingriff in die dem Aufsichtsratsmitglied bei der Entsendung zugesprochenen Rechte darstellt, kann sie nicht grundlos erfolgen. Mangels einer expliziten Regelung zur Abberufung in den Vorschriften der Gemeindeordnung zu gemeindlichen Unternehmen (Art. 86 ff. GO) ist daher die allgemeine Regelung in Art. 19 Abs. 2 i.V. m. Abs. 1 Satz 3 GO als Maßstab anzuwenden.
81
Dass ein wichtiger Grund für die Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds aus dem Aufsichtsrat der Stadtwerke … GmbH vorliegen muss, wird auch in § 7 Abs. 4 Buchst. b des Gesellschaftsvertrags der Stadtwerke … GmbH normiert. Diese Vorschrift ist keine reine Innenrechtsvorschrift, deren Verletzung einen Schadensersatzanspruch für den Betroffenen begründet, sondern sie regelt das Verhältnis der Beklagten zu den von ihr entsandten Aufsichtsratsmitgliedern. Die Regelung beruht auf Art. 93 Abs. 2 Satz 1 GO, wonach sich Gemeinden ein Entsendungsrecht und damit im Umkehrschluss ein Abberufungsrecht im Gesellschaftsvertrag privatrechtrechtlicher Unternehmen vorbehalten sollen. Art. 93 Abs. 2 Satz 1 GO i.V. m. § 7 Abs. 4 Buchst. b des Gesellschaftsvertrags der Stadtwerke … GmbH betrifft deshalb die Rechtsbeziehung zwischen der Gemeinde und einer von ihr entsandten Person und damit das Verhältnis zwischen der Gemeinde und einem Dritten. Da dieses Rechtsverhältnis und nicht nur die interne Beziehung zwischen dem Aufsichtsratsmitglied und dem Unternehmen an sich betroffen sind, ist das Erfordernis des wichtigen Grunds eine Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Abberufung und damit den Entzug eines (weiteren) Ehrenamts.
82
b. Ein wichtiger Grund liegt nach allgemeinen Grundsätzen vor, wenn das Vertrauensverhältnis zum Entsandten so gestört ist, dass ein Zuwarten bis zum Ablauf des Entsendungszeitraums der Gemeinde nicht zumutbar ist (vgl. zu Art. 90 GO: Lück in Dietlein/Suerbaum, BeckOK Kommunalrecht Bayern, Stand: 1.5.2021, Art. 90 GO Rn. 7; Schulz in PdK Bayern – Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern, Art. 90 GO, 2.1. Allgemeine Rechtsstellung; Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze – Kommentar, 107 EL Juni 2020, Art. 90 GO Rn. 5a m.w.N.). Da die Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds mit dem Entzug eines zuvor begründeten (weiteren) Ehrenamts und der sich daraus ergebenden Rechte verbunden ist, liegt ein wichtiger Grund für die Abberufung nach Art. 19 GO unter anderem vor, wenn die ehrenamtlich tätige Person ihre Pflichten gröblich verletzt oder sich als unwürdig erwiesen hat (Art. 19 Abs. 2 Satz 1 GO) oder, wenn der Verpflichtete seine Tätigkeit nicht ordnungsgemäß ausüben kann (Art. 19 Abs. 1 Satz 3 GO).
83
Aufgrund des Umstands, dass mit der Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds eine Rechtsbeeinträchtigung bzw. ein Rechtsentzug beim Betroffenen einhergeht, unterliegt die Überprüfung, ob ein wichtiger Grund vorliegt und damit die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine rechtmäßige Abberufung vorliegen, trotz der Personalhoheit der Gemeinde als Ausfluss ihrer kommunalen Selbstverwaltungsgarantie (Art. Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV), der vollen gerichtlichen Kontrolle.
84
b. Gemessen an den dargestellten Maßstäben liegt ein wichtiger Grund für die Abberufung des Klägers als Mitglied des Aufsichtsrats der Stadtwerke … GmbH nicht vor. Unstreitig hat der Kläger keine ihm obliegende Pflicht verletzt. Unter Berücksichtigung aller weiteren Umstände und unter Abwägung der Interessen der Beteiligten ist die Fortsetzung der Entsendung des Klägers in den Aufsichtsrat der Stadtwerke … GmbH für die Beklagte zumutbar.
85
aa. Soweit sich die Beklagte darauf beruft, dass eine weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger im Aufsichtsrat der Stadtwerke … GmbH aufgrund möglicher Kartellrechtsverstöße und den damit verbundenen Risiken von Bußgeldern nicht mehr möglich sei, ist es zwar richtig, dass die Stadtwerke … GmbH und der Arbeitgeber des Klägers, die … AG, im Strom- und Gasbereich sowohl sachlich als auch örtlich in direkter Konkurrenz zueinander stehen. Hieraus ergeben sich jedoch nach Überzeugung des Gerichts keine kartellrechtlichen Gefahren für die Stadtwerke … GmbH. Nach § 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) sind Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, verboten. Bei einem Verstoß hiergegen drohen entsprechende Bußgelder (§ 81 GWB). Wie von Beklagtenseite richtigerweise ausgeführt, ist in Literatur und Rechtsprechung nicht eindeutig geklärt, ob eine Vereinbarung im Sinne des § 1 GWB eine vertragsartige Absprache sein muss oder, ob bereits einseitige Maßnahmen genügen (vgl. Zimmer in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Auflage 2020, § 1 GWB Rn. 32 m.w.N.). Jedoch muss zum Vorliegen eines Kartellrechtsverstoßes, der zu einem Bußgeld führt, neben einem Abstimmungsvorgang eine tatsächliche Verhaltensweise im Sinne einer praktischen Zusammenarbeit auf dem Markt, das heißt ein konkretes Marktverhalten in Umsetzung der Abstimmung bestehen (vgl. BGH, B.v. 13.7.2020 – KRB 99/19 – juris LS 1). Allein das Wissen des Klägers über die Einkaufs- und Verkaufspreise der Stadtwerke … GmbH genügt daher nicht, um einen bußgeldbewehrten Kartellrechtsverstoß zu begehen. Vielmehr müsste der Kläger dieses Wissen gemeinsam mit der … AG oder der Stadtwerke … GmbH umsetzen. Dazu fehlt dem Kläger zum einen die Möglichkeit, zum anderen müsste man ihm hierfür pflichtwidriges Verhalten unterstellen. Der Kläger führte in der mündlichen Verhandlung zu seiner Tätigkeit unter anderem aus, dass er als Portfolio-Manager im Bereich Strom und Gas handele. Im Rahmen dieser Tätigkeit sei er zum Abschluss von Geschäften mit Handelspartnern im Auftrag seines Arbeitgebers berechtigt. Er sei größtenteils im Bereich der Beschaffung tätig. Hierbei schließe er Handelsverträge zur Strombeschaffung zum Marktpreis (mangels Börsenzugang der … AG) ab. Dieser Marktpreis sei für ihn nicht verhandelbar, da er als Sachbearbeiter angewiesen werde, eine bestimmte zuvor nach einer Teambesprechung vom Teamleiter festgelegte Menge eines Produkts zu einem bestimmten Zeitpunkt einzukaufen. Spekulationsgeschäfte seien daher nicht möglich. Die Preisgestaltung der Verkaufspreise und der Abnehmerkreis würden hingegen in der Abteilung Vertrieb bestimmt werden, der der Kläger nicht angehöre. Seine Kollegen im Vertrieb würden den Endabnehmern Festpreise oder variable Preismodelle anbieten. Er teile dem Vertrieb lediglich die Einkaufspreise mit. Er selbst sei nur dann im Bereich des Verkaufs von Strom und Gas tätig, wenn er über ein sogenanntes Handelstelefon Anfragen von Kunden, deren Identität anhand der Telefonnummer vom System identifiziert werde, bediene. Dabei würden die Kunden für ein bestimmtes Produkt und eine bestimmte Menge anfragen und er gebe die entsprechenden aktuellen Preise durch. Hierbei habe er aufgrund der kurzfristigen Preisschwankungen keinen Handlungsspielraum. Da der Kläger bei der Beschaffung von Strom und Gas an die Mengen und Zeitvorgaben seiner Vorgesetzten gebunden ist und zum jeweiligen Marktpreis einkaufen muss, könnte ihn ein über die Stadtwerke … GmbH vermitteltes Wissen zu deren Einkaufskonditionen bei seiner Tätigkeit für die … AG keinen Vorteil verschaffen und hätte auch indirekt keinen Einfluss auf sein Einkaufsverhalten. Allein der Umstand, dass er Handelsverträge abschließen darf und hierdurch operativ tätig ist, führt nicht dazu, dass er nicht an Vorgaben seiner Vorgesetzten gebunden ist. Wie der Kläger nachvollziehbar in der mündlichen Verhandlung darstellte, ist es ihm weder möglich noch erlaubt, Spekulationsgeschäfte durchzuführen, bei denen er gegebenenfalls unterschwellig sein durch seine Aufsichtsratstätigkeit erlangtes Wissen umsetzen könnte. Auf die Preisgestaltung der … AG hat der Kläger durch seine Tätigkeit im Bereich Beschaffung ebenfalls keinerlei Einfluss, sodass er auch hier keine Möglichkeit hat, ein etwaiges Sonderwissen – auch unbewusst – zu verwenden. Er teilt dem Vertrieb lediglich die Einkaufspreise mit. Der Vertrieb selbst ist dann für die Preisgestaltung verantwortlich. Soweit der Kläger selbst über das Handelstelefon Strom und Gas verkauft, ist er auch hierbei an den Marktpreis gebunden. Aufgrund der kurzfristigen Preisschwankungen und des Umstands, dass diese Geschäfte am Telefon unmittelbar abgeschlossen werden, bleibt dem Kläger hierbei kein signifikanter Handlungsspielraum, in dem ihm sein Sonderwissen durch die Aufsichtsratstätigkeit unbewusst von Nutzen sein und wodurch er den Markt beeinflussen könnte. Der Kläger könnte sein als Aufsichtsratsmitglied erlangtes Wissen allenfalls dahingehend kartellrechtswidrig einsetzten, indem er gegenüber dem Vertrieb oder seinen Vorgesetzten sein als Aufsichtsrat erlangtes Wissen über Einkaufs- und Verkaufspreise sowie Konditionen aktiv weitergibt. Dies würde jedoch bedeuten, dass er entgegen seiner Verschwiegenheitspflicht gegenüber der Stadtwerke … GmbH handelt und sich pflichtwidrig verhält. Für ein solches pflichtwidriges Verhalten bestehen jedoch vorliegend keine Anhaltspunkte, solche wurden auch von Beklagtenseite nicht dargelegt.
86
Umgekehrt würde ein Kartellrechtsverstoß wohl vorliegen, wenn der Kläger sein durch die Tätigkeit bei der … AG erlangtes Wissen im Rahmen seiner Aufsichtsratstätigkeit einsetzt und so auf die Preisgestaltung der Stadtwerke … GmbH Einfluss nimmt. Der Kläger erlangt durch seine Tätigkeit bei der … AG aber nur Kenntnis über die Einkaufsmengen der … AG zu den jeweiligen Marktpreisen. Wie schriftsätzlich dargestellt wurde, können Marktpreisentwicklungen jedoch für jeden Interessierten im Internet und in Handelsblättern abgerufen werden, sodass kein explizites Sonderwissen des Klägers besteht. Eine bewusste Weitergabe von Informationen über die … AG an die Stadtwerke … GmbH durch den Kläger würde wiederum die Verletzung von arbeitsvertraglichen Verschwiegenheitspflichten darstellen, welche dem Kläger mangels diesbezüglicher Anhaltspunkte nicht vorgeworfen werden kann.
87
Darüber hinaus müsste entweder die Stadtwerke … GmbH oder die … AG das durch den Kläger erlangte Wissen in marktschädigender Weise in die Preisgestaltung einfließen lassen oder gegenüber ihren jeweiligen Handelspartnern verwenden. Da beide Unternehmen darauf bedacht sind, rechtmäßig zu handeln und Kartellrechtsverstöße zu vermeiden, wird dies prognostisch ebenfalls nicht der Fall sein. Dass die … AG wettbewerbswidriges Verhalten verhindern will, zeigen zudem die nach Angaben des Klägers bestehenden präventiven Maßnahmen seines Arbeitsgebers in Form von Schulungen zur Sensibilisierung und die etablierten Compliance Mechanismen.
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Nach Überzeugung des Gerichts sind bußgeldbewehrte kartellrechtliche Verstöße im Falle der Beibehaltung des Klägers im Aufsichtsrat der Stadtwerke … GmbH daher nicht zu erwarten. Sollte es im Einzelfall dennoch zu kritischen Fällen kommen, besteht für den Aufsichtsrat der Stadtwerke … GmbH die Möglichkeit, den Einzelfall mit dem Kläger zu erörtern und anschließend einen Ausschluss nach § 8 Abs. 3 Satz 3 des Gesellschaftsvertrags der Stadtwerke … GmbH i.V. m. Art. 49 GO zu erwirken.
89
bb. Entsprechend den obigen Ausführungen bestehen keine Bedenken dahingehend, dass der Kläger bewusst oder unbewusst auf die Preisgestaltung der Stadtwerke … GmbH oder der … AG durch sein jeweiliges Sonderwissen einwirken könnte, um so für eines der Unternehmen einen Wettbewerbsnachteil oder -vorteil zu erzielen. Wie bereits dargestellt, ist dies bei der konkreten Tätigkeit des Klägers nicht möglich und es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass er sein Wissen pflichtwidrig weitergeben würde. Darüber hinaus müsste auch das jeweilige Unternehmen durch den Kläger erlangte Informationen zunächst entsprechend umsetzen.
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Soweit die Beklagtenseite darauf verweist, dass dem Kläger Unternehmensstrategien, Geschäftsgeheimnisse, Geschäftsbeziehungen und Unternehmenskennzahlen sowie Unternehmensbewertungen bekannt werden würden, was zu einem Wettbewerbsnachteil führen könnte, so ist auch hiervon aufgrund der konkreten Tätigkeit des Klägers bei der … AG nicht auszugehen. Der Kläger ist lediglich für den Einkauf von ihm vorgegebenen Mengen an Handelsgütern zu einem bestimmten Zeitpunkt zum dann geltenden Marktpreis sowie zum Verkauf an Kunden auf den Terminmärkten berechtigt. Er mag hierbei zwar operativ tätig sein, hat jedoch innerhalb der … AG als Sachbearbeiter keine herausgehobene Stellung, durch die er auf die Unternehmenspolitik, die Auswahl der Geschäftspartner und die künftigen Strategien seines Arbeitgebers irgendeinen Einfluss hätte. Ihm müsste wiederum unterstellt werden, vertrauliche Informationen, die er im Rahmen seiner Aufsichtsratstätigkeit erhält, weiterzugeben. Hierfür bestehen aber keine Anhaltspunkte. Umgekehrt wird der Kläger in seiner Position als einfacher Angestellter der … AG keine Geschäftsgeheimnisse oder vertrauliche Kundenbeziehungen sowie Unternehmensstrategien in Erfahrung bringen können, die er zum Nachteil seines Arbeitgebers bei seiner Aufsichtsratstätigkeit nutzen könnte.
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Es ist daher für das erkennende Gericht nicht ersichtlich, inwieweit die Tätigkeit des Klägers bei der … AG zu etwaigen Wettbewerbsnachteilen oder -vorteilen für die Stadtwerke … GmbH führen sollte.
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cc. Der Tätigkeit des Klägers als Aufsichtsratsmitglied steht nicht entgegen, dass der Kläger im Einzelfall nach § 8 Abs. 3 Satz 3 des Gesellschaftsvertrags der Stadtwerke … GmbH i.V. m. Art. 49 GO von Beratungen und Abstimmungen des Aufsichtsrats der Stadtwerke … GmbH aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit ausgeschlossen werden müsste. Anders als die Beklagte darstellt, wird dies nach den obigen Ausführungen aller Voraussicht nach nicht in der Mehrzahl der Fälle notwendig sein, sodass der Kläger trotz möglicher Einzelausschlüsse seiner Funktion als Aufsichtsrat grundsätzlich gerecht werden kann.
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Die von Beklagtenseite insoweit angeführte Auswertung von Tagesordnungen des Aufsichtsrats der Stadtwerke … GmbH steht dem nicht entgegen. Der technische Geschäftsführer der Stadtwerke … GmbH übermittelte der Beklagten mit E-Mail vom 11. September 2020 eine Aufstellung, wonach eine Auswertung der Tagesordnungspunkte des Aufsichtsrats der Stadtwerke … GmbH der letzten Jahre ergeben habe, dass unter Zugrundelegung der Tätigkeit des Klägers ein Interessenkonfliktpotential bei 79 von 95 Entscheidungen im Aufsichtsrat der Stadtwerke … GmbH bestanden hätte. Aus diesen Zahlen leitete die Beklagte die Zukunftsprognose ab, dass der Kläger auch künftig in derartig vielen Fällen auszuschließen wäre, wodurch ihm eine ordnungsgemäße Ausübung seiner Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied nicht möglich wäre. An dieser Einschätzung bestehen jedoch erhebliche Zweifel. In der Darstellung wird ein sogenanntes Interessenkonfliktpotential aufgezeigt, wobei nicht hinreichend genau bestimmt wird, was unter diesem Begriff zu verstehen ist und welchen Maßstab der technische Geschäftsführer für seine Einschätzung angewandt hat. Die verwendete Bezeichnung Interessenkonfliktpotential deutet darauf hin, dass nicht überprüft wurde, ob das Bestehen eines Interessenkonfliktpotentials wirklich zu einem Ausschluss des Klägers nach den strengen Anforderungen nach § 8 Abs. 3 Satz 3 des Gesellschaftsvertrags der Stadtwerke … GmbH i.V. m. Art. 49 GO geführt hätte. Dies wird dadurch bestätigt, dass ein Abgleich mit der konkreten beruflichen Tätigkeit des Klägers durch den technischen Geschäftsführer bei Aufstellung der Liste überhaupt nicht vorgenommen werden konnte, da die Aufstellung der Beklagten bereits mit E-Mail vom 11. September 2020 übermittelt wurde, wohingegen sich der Kläger erst mit E-Mail vom 14. September 2020 zu seiner konkreten Tätigkeit äußerte. Aus den vorgelegten Unterlagen ergibt sich auch nicht, dass die Aufstellung nach der Äußerung des Klägers nochmals angepasst worden wäre. Das aufgelistete Interessenkonfliktpotential stellt daher keine hinreichende Tatsache dar, auf deren Basis die Zukunftsprognose erstellt werden konnte, dass der Kläger in einer Mehrzahl der Fälle tatsächlich auszuschließen gewesen wäre.
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Anhand der Aufstellung ist es dem erkennenden Gericht auch nicht möglich, selbst zu bestimmen, ob ein Ausschluss des Klägers aus Aufsichtsratssitzungen in der genannten Anzahl an Fällen nötig gewesen wäre. Hierfür ist die Clusterbildung zu ungenau, da die konkret überprüften Tagesordnungspunkte und die darunter besprochenen Themen nicht in überprüfbarer Weise aufgelistet wurden. Die Beklagtenseite vermochte es in der mündlichen Verhandlung zudem nicht, konkrete Einzelfälle zu nennen, bei denen wegen der beruflichen Tätigkeit des Klägers ein Ausschluss notwendig gewesen wäre. Die Beklagtenseite verwies in der mündlichen Verhandlung nur darauf, dass Tagesordnungspunkte der vergangenen Jahre dahingehend betrachtet worden seien, ob Interessenkonflikte vorliegen hätten können. Maßgeblich sei dabei gewesen, ob die Weitergabe der unter den Tagesordnungspunkten besprochen Geschäftsinterna eine Gefahr für die jeweilige Gesellschaft hätte darstellen können. Dass die ermittelten Interessenkonfliktpotentialfälle tatsächlich in einen Ausschluss des Klägers aus den Sitzungen gemündet hätten, wurde hingegen wiederum nicht aufgezeigt; hiervon geht das Gericht auch nicht aus. Wie dargestellt wurde, sind Kartellrechts- und Wettbewerbsverstöße durch die konkrete Tätigkeit des Klägers nicht zu erwarten. Für die Annahme, dass der Kläger Geschäftsinterna nach außen tragen und dadurch seine Verschwiegenheitspflichten verletzen würde, bestehen keinerlei Anhaltspunkte. Es sind daher keine hinreichenden Tatsachen vorhanden, die die Einschätzung des technischen Geschäftsführers und der Beklagten rechtfertigen würden, dass der Kläger in einem Großteil der vergangenen Sitzungen des Aufsichtsrats der Stadtwerke … GmbH auszuschließen gewesen wäre und daher auch in Zukunft zu erwarten wäre, dass er an einer Vielzahl der Aufsichtsratssitzungen nicht teilnehmen dürfte.
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Entgegen der Ansicht der Beklagten reicht der reine Anschein oder aber die latente Gefahr des Bestehens von Interessenskonflikten bzw. von Pflichtverstößen nicht aus, um die Zukunftsprognose zu treffen, dass der Kläger seiner Aufsichtsratstätigkeit nicht hinreichend nachkommen können wird. Würde man bereits den Anschein oder die latente Gefahr als Maßstab ausreichen lassen, würde der Begriff des wichtigen Grunds entwertet werden. De facto müsste jedem Menschen unterstellt werden, dass er unter bestimmten Umständen Informationen entgegen seiner Pflichten weitergeben könnte. Die Abberufung eines Ausschlussmitglieds wäre dann ohne konkrete und überprüfbare Anhaltspunkte jederzeit möglich, sodass willkürlichem Handeln Tür und Tor geöffnet wäre.
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dd. Insgesamt lässt sich somit feststellen, dass der Kläger zwar nur in ehrenamtlicher Funktion von der Beklagten in den Aufsichtsrat der Stadtwerke … GmbH entsandt wurde und daher kein gesteigertes wirtschaftliches Interesse an dieser Tätigkeit hat. Jedoch sind die Bedenken der Beklagtenseite wegen der gleichzeitigen Tätigkeit des Klägers für die … AG nicht begründet. Wie ausgeführt wurde, hat der Kläger im Rahmen seiner Beschäftigung bei der … AG fast keine eigenen Handlungsspielräume, sodass ein Einfluss von Kenntnissen des Klägers weder auf seine berufliche noch auf seine aufsichtsratliche Tätigkeit besteht. Auch wenn der Kläger im Einzelfall von Sitzungen ausgeschlossen werden könnte, bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass dies in derartigen vielen Fällen vorkommen wird, dass er seine Funktion als Aufsichtsratsmitglied nicht mehr ordnungsgemäß ausüben können wird. Unter Abwägung all dieser Aspekte ist es der Beklagten nach Überzeugung des Gerichts zuzumuten, den Kläger weiterhin als Aufsichtsratsmitglied im Aufsichtsrat der Stadtwerke … GmbH zu belassen. Ein wichtiger Grund für die Abberufung liegt deshalb nicht vor.
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3. Da die Abberufungsentscheidung der Beklagten mangels wichtigen Grunds für die Abberufung rechtswidrig erfolgte, wird der Kläger in seinen Rechten verletzt.
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II. Die Abberufung des Klägers aus dem Aufsichtsrat der … GmbH vom 28. September 2020 ist ebenfalls rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
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1. Für die durch die Beklagte erklärte Abberufung des Klägers als Aufsichtsratsmitglied der … GmbH ist die Beklagte unzuständig, sodass der Verwaltungsakt vom 28. September 2020 formell rechtswidrig ist.
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Zwar regelt § 1 Abs. 7 der Geschäftsordnung des Stadtrats der Beklagten, dass die Besetzung der Aufsichtsgremien mit Mitgliedern des Stadtrats durch Stadtratsbeschluss erfolgt. Im Umkehrschluss müsste der Stadtrat als Entscheidungsorgan der Beklagten auch über die entsprechende Abberufung des entsandten Mitglieds aus einem Aufsichtsgremium entscheiden. Diese Kompetenzregelung kann jedoch nur greifen, wenn sich die Gemeinde nach Art. 93 Abs. 2 Satz 1 GO bei der Ausgestaltung eines Gesellschaftsvertrags ein entsprechendes Recht zur Entsendung und damit zur Abberufung vorbehalten hat. Ein solches Recht ist im Gesellschaftsvertrag der … GmbH jedoch nicht geregelt. Nach § 8 Nr. 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Gesellschaftsvertrags der … GmbH ist sowohl für die Entsendung eines Aufsichtsratsmitglieds als auch für dessen Abberufung der jeweilige Gesellschafter (die Stadtwerke … GmbH oder die … AG, § 8 Nr. 1 Satz 1 des Gesellschaftsvertrags der … GmbH) zuständig. Die hierzu widersprüchliche Regelung in § 8 Nr. 2 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrags der … GmbH, dass für ein vom Stadtrat der Beklagten entsandtes Aufsichtsratsmitglied die Amtsdauer mit dem Ablauf der Wahlperiode des Stadtrats der Stadt …, der es entsandt hat, endet, ändert nichts daran, dass der Stadtwerke … GmbH vorliegend das Entsendungs- und Abberufungsrecht zusteht. Die Beklagte ist nämlich nur mittelbar über die Stadtwerke … GmbH an der … GmbH beteiligt und hat deshalb keinen direkten Einfluss auf die … GmbH, sodass eine Entsendung oder Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern durch die Beklagte rechtlich nicht möglich ist. Es besteht lediglich eine indirekte Möglichkeit der Einflussnahme der Beklagten auf die Entsendungs- und Abberufungsentscheidung der Stadtwerke … GmbH dadurch, dass die Stadtwerke … GmbH nach § 10 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags der Stadtwerke … GmbH bei zu fassenden Beschlüssen in der Gesellschafterversammlung die Willensbildung des Stadtrats der Beklagten zu beachten hat. Aus dieser Einflussmöglichkeit auf Entscheidungen der Gesellschaftsversammlung der Stadtwerke … GmbH ergibt sich aber kein Recht der Beklagten, selbst die Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds aus dem Aufsichtsrat der … GmbH zu erklären. Über die Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds aus dem Aufsichtsrat der … GmbH kann folglich nur die Gesellschafterversammlung der Stadtwerke … GmbH durch Beschluss, welcher dann von deren Geschäftsführer vollzogen werden muss (§ 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG), entscheiden. Die Beklagte war somit für die unmittelbare Abberufung des Klägers aus dem Aufsichtsrat der … GmbH nicht zuständig.
101
Anders als von Beklagtenseite vorgetragen, kann in dem Schreiben der Beklagten vom 28. September 2020 auch nicht die Erklärung der Stadtwerke … GmbH, deren alleinige Gesellschafterin die Beklagte ist, gesehen werden. Zum einen ist der Geschäftsführer nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GmbH für die Vertretung der GmbH nach außen zuständig und nicht der erste Bürgermeister der Beklagten, der zugleich Vorsitzender des Aufsichtsrats der Stadtwerke … GmbH ist. Zum anderen ergibt sich aus der vorgelegten Behördenakte und dem Vorbringen der Beteiligten nicht, dass eine Gesellschafterversammlung der Stadtwerke … GmbH zur Frage der Abberufung des Klägers aus dem Aufsichtsrat der … GmbH abgehalten wurde, bei der der Geschäftsführer des Unternehmens anwesend war (§ 6 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrags der Stadtwerke … GmbH) und in der ein Beschluss zur Abberufung des Klägers gefasst wurde, über den nach § 10 Abs. 5 des Gesellschaftsvertrags der Stadtwerke … GmbH eine Niederschrift angefertigt wurde.
102
Im Übrigen befindet sich in der Behördenakte auch nur ein Schreiben der Beklagten vom 28. September 2020, unterzeichnet von ihrem ersten Bürgermeister, in dem die Beklagte gegenüber der … GmbH die Abberufung des Klägers als Aufsichtsratsmitglied des Aufsichtsrats der … GmbH erklärte, jedoch kein Schreiben, in dem dies durch den Geschäftsführer der Stadtwerke … GmbH geschah.
103
Der erlassene Verwaltungsakt vom 28. September 2020, der auf die unmittelbare Abberufung des Klägers aus dem Aufsichtsrat der … GmbH gerichtet ist, ist daher formell rechtswidrig. 2. Unabhängig davon, wäre die Abberufungsentscheidung der Beklagten materiell rechtswidrig, weil kein wichtiger Grund für die Abberufung vorgelegen hat.
104
Dass § 8 Nr. 2 Abs. 1 Satz 2 des Gesellschaftsvertrags der … GmbH für die Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds keinen wichtigen Grund vorsieht, ist dem Umstand geschuldet, dass diese Regelung die Stadtwerke … GmbH als Gesellschafterin der … GmbH betrifft. Die Stadtwerke … GmbH ist bei der Entscheidung über die Abberufung hingegen nach § 10 Abs. 1 ihres Gesellschaftsvertrags an die Entscheidungen des Stadtrats der Beklagten gebunden, sodass das zusätzliche Erfordernis eines wichtigen Grunds im Verhältnis zur … GmbH keine Anwendung findet, da ansonsten die Stadtwerke … GmbH Entscheidungen des Stadtrats der Beklagten nochmals inhaltlich kontrollieren müsste. Dass § 8 Nr. 2 Abs. 1 Satz 2 des Gesellschaftsvertrags der … GmbH kein Erfordernis eines wichtigen Grunds für eine Abberufung vorsieht, entbindet die Beklagte als juristische Person des öffentlichen Rechts hingegen nicht, bei ihrer Weisung an die Stadtwerke … GmbH die gesetzlichen Vorgaben zu beachten. Zwar gilt Art. 19 Abs. 2 GO nicht unmittelbar für das Verhältnis einer Gemeinde zu der von ihr entsandten Person in ein Aufsichtsgremium bei einer nur mittelbaren Mehrheitsbeteiligung an einem privatrechtlichen Unternehmen, da aufgrund der mittelbaren Beziehung kein Ehrenamt begründet wird. Jedoch kann deshalb ein Aufsichtsratsmitglied, welches mittelbar durch die Gemeinde über ihre Einflussmöglichkeiten in ein Aufsichtsgremium entsandt wurde, nicht rechtlich schlechter gestellt werden, als eine unmittelbar von ihr entsandte Person. Darüber hinaus wird dem mittelbar entsandten Aufsichtsrat ebenfalls eine Rechtsposition entzogen, welche er faktisch nur auf Ebene der Weisung erfolgreich angreifen könnte. Aus diesen Gründen sind die Voraussetzungen des Art. 19 Abs. 2 i.V. m. Abs. 1 Satz 3 GO entsprechend auf die Konstellationen anwendbar, bei denen die Gemeinde mittelbar über ihr Weisungsrecht die Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds verursacht. Die Gemeinde kann deshalb eine entsprechende Weisung, die letztlich zur Abberufung eines Mitglieds aus einem Aufsichtsgremium führt, nur in rechtmäßiger Weise anordnen, wenn ein wichtiger Grund für die Abberufung besteht.
105
Ein solcher wichtiger Grund liegt hier nicht vor. Wie bereits im Hinblick auf die Abberufung des Klägers als Aufsichtsratsmitglieds des Aufsichtsrats der Stadtwerke … GmbH ausgeführt, hat der Kläger in seiner Position bei der … AG keinen Einfluss auf die Preisgestaltung – auch im Bereich des Erdgashandels –, sodass ihm, um kartellrechtwidrig zu handeln oder Wettbewerbsnachteile zu verursachen, treuwidriges Verhalten unterstellt werden müsste, wofür es keine Anhaltpunkte gibt. Dass hinsichtlich der … GmbH ein Interessenkonfliktpotential in 39 von 47 Entscheidungen bestanden hätte, führt ebenfalls zu keinem wichtigen Grund für die Abberufung. Diesbezüglich wird auf die obigen Ausführungen zum Interessenkonfliktpotential verwiesen.
106
3. Der Kläger wird durch die in rechtswidriger Weise erfolgte Abberufung durch die Gemeinde aus dem Aufsichtsrat der … GmbH in seinen Rechten verletzt.
107
III. Die Abberufung des Klägers aus dem Verwaltungsrat der Stadtwerke … Kommunalunternehmen vom 28. September 2020 ist ebenfalls rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
108
Die Abberufung des Klägers als Mitglied des Verwaltungsrats der Stadtwerke … Kommunalunternehmen beruht auf Art. 19 Abs. 2 i.V. m. Abs. 1 Satz 3 GO sowie Art. 89 Abs. 3 Satz 1 GO i.V. m. § 5 Abs. 7 der Unternehmenssatzung i.V. m. § 5 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Verwaltungsrats der Stadtwerke … Kommunalunternehmen. Aus der Zusammenschau der genannten Normen endet die Amtszeit von Mitgliedern des Verwaltungsrats vorzeitig, wenn die Beklagte die Abberufung aus wichtigem Grund erklärt. Bezüglich des gesetzlichen Erfordernisses eines wichtigen Grunds als tatbestandliche Voraussetzung für die Abberufung wird auf die obigen Ausführungen zur Abberufung eines Mitglieds aus dem Verwaltungsrat eines privatrechtlichen Unternehmens, an dem eine Gemeinde beteiligt ist, verwiesen, die auf die Abberufung von Verwaltungsratsmitglieder übertragbar ist.
109
Ein wichtiger Grund, der es der Beklagten unzumutbar macht, den Kläger bis zum Ende des gewöhnlichen Bestellungszeitraums (sechs Jahre nach § 5 Abs. 2 der Unternehmenssatzung) im Verwaltungsrat der Stadtwerke … Kommunalunternehmen zu belassen, liegt nicht vor. Unbestritten besteht zwischen der Stadtwerke … Kommunalunternehmen und der … AG keinerlei Konkurrenz- oder Partnerschaftsverhältnis. Die … AG ist in keiner Weise mit der Beseitigung von Abwasser im Stadtgebiet der Beklagten sowie der Zweckverbände K-W. und P. betraut und eine Ausdehnung des Tätigkeitsfelds der Stadtwerke … Kommunalunternehmen oder der … AG ist bislang nicht abzusehen. Einzige Anknüpfungspunkte für das Vorliegen eines wichtigen Grunds für die Abberufung des Klägers aus dem Verwaltungsrat der Stadtwerke … Kommunalunternehmen sind deshalb das von Beklagtenseite vorgetragene, angeblich erschütterte Vertrauensverhältnis zwischen den Verwaltungsratsmitgliedern und dem Kläger wegen seiner Abberufung aus den weiteren Aufsichtsgremien, was eine Zusammenarbeit in Zukunft nicht möglich erscheinen lasse sowie das dem Kläger unterstellte fehlende Interesse, sich nach der Abberufung aus den anderen Aufsichtsgremien weiterhin sachdienlich in den Verwaltungsrat der Stadtwerke … Kommunalunternehmen einzubringen. Diese pauschalen Vorwürfe sind indes nicht geeignet, einen wichtigen Grund für eine Abberufung des Klägers aus dem Verwaltungsrat zu begründen. Konkrete Tatsachen dafür, dass ein gedeihliches Miteinander der Verwaltungsratsmitglieder nicht mehr möglich wäre, bestehen nicht. Der Kläger führte zu Recht aus, dass er auch im Rahmen seines Stadtratsmandats weiterhin mit den Verwaltungsratsmitgliedern, die Stadtratsmitglieder sind, zusammenarbeitet und hierbei keine Probleme bestehen. Es bestehen keine hinreichenden Indizien dafür, dass der Kläger seinen Aufgaben im Verwaltungsrat der Stadtwerke … Kommunalunternehmen nicht hinreichend nachkommen würde, sodass ein wichtiger Grund für die Abberufung hieraus fehlt.
110
Durch die rechtswidrige Abberufung aus dem Verwaltungsrat der Stadtwerke … Kommunalunternehmen ist der Kläger in seinem Ehrenamt, durch welches er die Beklagte im Verwaltungsrat der Stadtwerke … Kommunalunternehmen vertreten darf, verletzt.
111
E. Die Klage ist daher insgesamt mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung basiert auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V. m. § 709 der Zivilprozessordnung (ZPO).