Inhalt

LG München I, Endurteil v. 28.04.2021 – 8 HK O 6291/20
Titel:

Schadensersatz, Krankenversicherung, Leistungen, Pflegeversicherung, Zuschuss, Gesellschafterbeschluss, Gesellschaft, Streitwert, Zahlung, Freistellung, Mitverschulden, betrug, Anspruch, Anlage, unangemessene Benachteiligung, unwiderrufliche Freistellung, Art und Weise

Schlagworte:
Schadensersatz, Krankenversicherung, Leistungen, Pflegeversicherung, Zuschuss, Gesellschafterbeschluss, Gesellschaft, Streitwert, Zahlung, Freistellung, Mitverschulden, betrug, Anspruch, Anlage, unangemessene Benachteiligung, unwiderrufliche Freistellung, Art und Weise
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Endurteil vom 03.05.2023 – 7 U 2865/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 61763

Tenor

1. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin 153.572,86 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 130.087,72 € seit 01.04.2020 und aus weiteren 23.485,14 € seit 01.05.2020 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage gegen die Beklagte zu 1) abgewiesen.
2. Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin sowie der Beklagten zu 1) tragen die Klägerin zu 46 % und die Beklagte zu 1) zu 54 %. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 282.084,28 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Klägerin macht gegen die Beklagte zu 1), hilfsweise gegen die Beklagte zu 2) Zahlungsansprüche aus zwischenzeitlich beendeten Geschäftsführerdienstverträgen geltend. Streitgegenständlich sind Vergütungen für März und April 2020, Schadensersatz wegen Nichtüberlassung des Dienst-Pkws zur weiteren privaten Nutzung im März und April 2020 und variables Jahresgehalt für das Jahr 2019.
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Die Beklagten gehören zur unter der Konzerngesellschaft B. V. und sind im Bereich Personalüberlassung und -vermittlung tätig. Die Klägerin war zuletzt als Geschäftsführerin verantwortlich für das deutsche Geschäft der .
3
In diesem Zusammenhang wurde am 27.11.2012 der als Anlage K 13 vorgelegte Geschäftsführerdienstvertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 2) geschlossen, wegen dessen Wortlaut auf die genannte Anlage verwiesen wird.
4
Ferner schloss die Klägerin im Sommer 2013 den als Anlage K 1 vorgelegten Geschäftsführerdienstvertrag mit der Beklagten zu 1), in dem es u.a. heißt:
„3. Vergütung
3.1. Der Geschäftsführer erhält ein Jahresgrundgehalt von EUR 190.000 brutto, welches in zwölf gleichen Raten zum Ende eines jeden Monats ausgezahlt wird.
3.2. Darüber hinaus erhält der Geschäftsführer während der Dauer seiner Bestellung ein variables Jahresgehalt. Die Höhe des variablen Jahresgehalts ist abhängig von der Erreichung von Zielen, die von der Gesellschaft vor Beginn des Jahres, auf das sich das variable Jahresgehalt bezieht, in Abstimmung mit dem Geschäftsführer festgelegt werden. … …
3.4. Das Gehalt wird in angemessenen Zeitabständen überprüft. …
4. Sonstige Leistungen
4.1. Die Gesellschaft stellt dem Geschäftsführer einen angemessenen Dienstwagen zur Verfügung (z.b. Audi A6 durchschnittlicher Ausstattung), der auch für private Zwecke genutzt werden kann. … Bei einer Freistellung des Geschäftsführers oder seiner Abberufung ist der Dienstwagen am Sitz der Gesellschaft herauszugeben, ohne dass insoweit ein Anspruch auf finanziellen Ausgleich des in der Privatnutzung liegenden geldwerten Vorteil besteht. …“
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Wegen des übrigen Wortlauts des Vertrags wird auf die Anlage K 1 verwiesen.
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Zuletzt erhielt die Klägerin monatlich 22.270,00 € brutto als Grundgehalt zuzüglich eines seit 01.04.2011 durchgehend bezahlten Arbeitgeberanteils an vermögenswirksamen Leistungen in Höhe von 20,00 €, eines Zuschusses zur privaten Krankenversicherung in Höhe von 338,00 € und eines Zuschusses zur privaten Pflegeversicherung in Höhe von 28,14 €. Der geldwerte Vorteil der ihr in Ziffer 4.1 gewährten Nutzung des Dienstwagens für private Zwecke betrug 829,00 € monatlich.
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Am 19.08.2013 unterzeichneten die Klägerin und der damalige Interims-Geschäftsführer der Beklagten zu 1) – als Vertreter für beide Beklagten – die als Anlage B 1 vorgelegte Ergänzungsvereinbarung zum Dienstvertrag zwischen der Beklagten zu 1) und der Klägerin, in der es u.a. heißt:
„1. Trotz der grundsätzlichen Trennung zwischen Organstellung und Anstellungsverhältnis halten die Parteien klarstellend fest, dass sämtliche Vereinbarungen aus dem Dienstvertrag zwischen der Geschäftsführerin und der Unique auf die Organstellung der Geschäftsführerin als Geschäftsführerin der keinerlei Auswirkungen haben, sondern die diesbezügliche Organstellung unverändert fortbesteht.
2. Der Dienstvertrag zwischen der Geschäftsführerin und vom 27.11.2012 wird einvernehmlich aufgehoben und vollumfänglich durch den dieser Ergänzungsvereinbarung zugrunde liegenden Dienstvertrag zwischen der Geschäftsführerin und ersetzt.“
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Wegen des übrigen Wortlauts des Vertrags wird auf die Anlage B 1 verwiesen.
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Am 23.07.2019 übermittelte die B. V. der Klägerin ein Schreiben, dem als Annex 1 die „Scorecard 2019“ mit performance targets für das variable Gehalt 2019 beilag. Im Falle einer 100%- igen Erreichung der dort angegebenen Ziele (Country Target 2019 € 12.074 million EBITA und 26.0% Conversion Ratio) war ein Betrag in Höhe von 106.870 € vorgesehen, für den Fall des dort näher bezeichneten Überschreitens der Ziele ein Maximalbetrag in Höhe von 235.114 €. Wegen des genauen Wortlauts des Schreibens sowie der Annexe 1 und 2 wird auf die Anlage K 16 Bezug genommen.
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In den Vorjahren wurde die Scorecard der Klägerin früher übermittelt, aber ebenfalls erst nach Beginn des Jahres, auf das sich das variable Jahresgehalt bezog.
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Am 06.08.2019 übergaben Frau (für das Top-Management zuständige Personalleiterin) und Herr der Klägerin das als Anlage K 3 vorgelegte Kündigungsschreiben, mit dem die Beklagte zu 1) den mit der Klägerin bestehenden Dienstvertrag ordentlich zum 29.02.2020 kündigte. Das Schreiben war unter dem 01.08.2019 unterschrieben vom Geschäftsführer der Beklagten zu 1) und unter dem 06.08.2019 von „, Prokurist“. Gleichzeitig wurde der Klägerin jedenfalls das als Anlage K 7 vorgelegte einseitige Schriftstück „Prokuraerteilung“ übergeben. Ob zusätzlich auch noch die als Anlage B 2, Seite 2 vorgelegte zweite Seite mit Unterschrift des Geschäftsführers und einer weiteren Unterschrift, die laut Behauptung der Beklagten von dem Prokuristen der Beklagten zu 1) stammen soll, übergeben wurde, ist zwischen den Parteien streitig.
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Die Klägerin und die Klägervertreterin wiesen die Kündigung jeweils mit Schreiben vom 12.08.2019 (Anlagen K 8 und K 9), am 12.08.2019 vorab per Fax an die Beklagte zu 1) übermittelt, wegen nicht ordnungsgemäßer Bevollmächtigung mangels Vollmachtsnachweises zurück. Ferner wurde die Arbeitskraft der Klägerin angeboten.
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Mit anwaltlichem Schreiben vom 16.08.2019 (Anlage K 10) übermittelte die Beklagtenseite einen ebenfalls von den Herren und unterschriebenen Gesellschafterbeschluss der Alleingesellschafterin der Beklagten zu 1) vom 14.08.2019 über die Abberufung der Klägerin als Geschäftsführerin und über ihre sofortige unwiderrufliche Freistellung von der Verpflichtung der Dienstleistung.
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Mit Schreiben vom 22.08.2019 (Anlage K 17) wies die Klägervertreterin auch insoweit die rechtsgeschäftlichen Erklärungen und den Beschluss mangels Vollmachtsvorlage zurück und bot erneut die Arbeitskraft der Klägerin an.
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Am 11.10.2019 wurde Herr als Prokurist der Beklagten zu 1) im Handelsregister eingetragen (Anlage B 4).
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Ende Oktober 2019 ging der Klägerin unter Hinweis auf diese zwischenzeitlich erfolgte Eintragung die als Anlage K 11 vorgelegte „Vorsorgliche Kündigung“ der Beklagten zu 1) zum 30.04.2020 zu, die die Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 01.11.2019 (Anlage K 12) wiederum mangels Vollmachtsvorlage zurückwies.
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Beiden Kündigungen war ein gesonderter Gesellschafterbeschluss über die Kündigung nicht beigefügt.
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Am 10.03.2020 gab die Klägerin ihren Dienstwagen zurück.
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Mit Schreiben vom 11.03.2020 (Anlage K 19) widerrief die Klägerin die Ergänzungsvereinbarung vom 19.08.2013 gemäß § 178 BGB mit der Begründung, der Unterzeichner sei für die Beklagte zu 2) nicht vertretungsberechtigt gewesen.
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Mit Schreiben vom 04.05.2020 (Anlage K 18) forderte die Klägervertreterin von der Beklagten zu 1) für die Monate März und April 2020 Zahlung von 46.970,28 € (monatlich 22.270,00 € brutto Grundgehalt, monatlich 829,00 € Schadensersatz wegen Entzugs der privaten Nutzung des Dienstwagens, monatlich 20,00 € vermögenswirksame Leistungen und Zuschüsse für private Krankenversicherung und private Pflegeversicherung von monatlich 338,00 € und 28,14 €). Außerdem machte sie für 2019 einen Bonusanspruch in Höhe von 235.114,00 € geltend.
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Wie für den Fall der Nichtzahlung bis zum 07.05.2020 angedroht, erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 08.05.2020 selbst die fristlose Kündigung.
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Die mit Schreiben vom 04.05.2020 geltend gemachten Forderungen sind Gegenstand der Klage gegen die Beklagte zu 1).
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Hilfsweise verlangt die Klägerin von der Beklagten zu 2) gestützt auf den Dienstvertrag vom 27.11.2012 Zahlung von insgesamt 263.377,62 €. Die reduzierte Höhe dieser Forderung resultiert daraus, dass die Klägerin gegen die Beklagte zu 2) lediglich einen Anspruch auf ein monatliches Grundgehalt in Höhe von 12.916,67 € geltend macht.
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Zum Hauptantrag führt die Klägerin aus, die Kündigung vom 06.08.2019 sei unwirksam, weil die Beklagte 1), die unstreitig nach der im Handelsregister eingetragenen allgemeinen Vertretungsregelung nur durch zwei Geschäftsführer oder einen Geschäftsführer gemeinsam mit einem Prokuristen vertreten werden konnte, bei der Kündigung nicht wirksam vertreten gewesen sei. Deshalb habe die Klägerin die Kündigung mangels Vollmachtsvorlage zurecht unverzüglich zurückgewiesen. Herr, der zu diesem Zeitpunkt unstreitig noch nicht im Handelsregister als Prokurist eingetragen war, sei auch anderweitig nicht wirksam zum Prokuristen bestellt oder sonstwie bevollmächtigt gewesen.
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Ferner habe vor Zugang der Kündigungserklärung kein wirksamer Gesellschafterbeschluss über die Kündigung vorgelegen. Eine solche Beschlussfassung und auch eine Bestellung des Herrn zum Prokuristen hätte nach Ansicht der Klägerin spätestens am 01.08.2020 – vor Unterzeichnung der Kündigung durch den Geschäftsführer – erfolgen müssen.
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Zum Schadensersatzanspruch wegen Entzugs der privaten Nutzung des Firmenwagens führt die Klägerin unter anderem aus, Ziffer 4.1 Satz 2 des Dienstvertrags, wonach bei einer Freistellung oder Abberufung der Dienstwagen ohne finanziellen Ausgleich des in der Privatnutzung liegenden geldwerten Vorteils herauszugeben sei, sei unwirksam wegen fehlender Festlegung eines wirksamen sachlichen Widerrufsgrunds und wegen fehlender Differenzierung zwischen widerruflicher und unwiderruflicher Freistellung sowie wegen Intransparenz.
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Das in Ziffer 3.2 ihres Dienstvertrags geregelte variable Jahresgehalt sei ein vertraglich zugesagter Vergütungsbestandteil. Die Beklagte zu 1) habe die vertragliche Pflicht, vor Beginn des Jahres, auf das sich das variable Jahresgehalt bezieht, eine Zielvereinbarung mit realistischen Zielen mit der Klägerin abzuschließen. Diese Pflicht habe die Beklagte zu 1) in mehrfacher Hinsicht verletzt, da sie der Klägerin erst im Juli 2019 eine einseitige Zielvorgabe mit völlig unrealistischen Zielen gemacht habe. Letzteres ergebe sich schon daraus, dass das vorgegebene EBITA, für dessen Erreichen die Klägerin als Geschäftsführerin verantwortlich gewesen sei, für das Jahr 2019 € 12.074 Mio betrug, tatsächlich im Jahr 2019 aber nur ein EBITA von 2,353 Mio erreicht worden sei. Außerdem habe die Beklagte zu 1) den Bedingungseintritt jedenfalls treuwidrig vereitelt.
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Nach der Rechtsprechung sei nunmehr davon auszugehen, dass die Ziele erreicht worden wären. Diese Vermutung habe die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Beklagte zu 1) nicht widerlegt. Damit könne die Klägerin, die in der Vergangenheit ihre Ziele in vollem Umfang erreicht oder sogar weit übertroffen habe, den Höchstbetrag von 235.114 € verlangen. Nur im Jahr 2018, das infolge der Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes für die gesamte Branche sehr schwierig gewesen sei, habe die Klägerin lediglich einen Bonus von 80% erhalten habe – Die Regelung in Ziffer 3.2 des Vertrags, dass der Geschäftsführer ein variables Gehalt nur während der Dauer seiner Bestellung erhalte, sei wegen Verstoßes gegen die grundgesetzlich geschützte Berufsfreiheit unwirksam. Zumindest bestehe ein zeitanteiliger Anspruch bis zum Widerruf der Bestellung.
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Die Regelung in der Scorecard, wonach im Fall einer Kündigung kein Bonusanspruch bestehe, sei irrelevant, da es auf den Inhalt des Dienstvertrags ankomme.
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Zum Hilfsantrag führt die Klägerin aus, der Vertrag mit der Beklagten zu 2) sei durch den Vertrag vom 19.08.2013 nicht wirksam aufgehoben worden. Dieser sei wegen fehlender Vertretungsmacht des Herrn für die Beklagte zu 2) zunächst schwebend unwirksam gewesen und am 11.03.2020 wirksam durch die Klägerin widerrufen worden. Eine nachträgliche Genehmigung durch einen später gefassten Gesellschafterbeschluss wie den vom 21./22.7.2020, den die Beklagtenseite als Anlage B 13 vorgelegt habe, sei nicht mehr möglich gewesen.
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Die Klägerin beantragt,
1. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin Euro 282.084,28 brutto nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von Euro 258.599,14 seit dem 01.04.2020 und aus weiteren Euro 23.485,14 seit dem 01.05.2020 zu zahlen.
2. Hilfsweise für den Fall, dass das Gericht feststellen sollte, dass das Anstellungsverhältnis der Klägerin bei der Beklagten zu 1) wirksam zum 28.02.2020 beendet wurde, wird beantragt,
Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an die Klägerin Euro 263.377,62 brutto nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von Euro 249.245,81 seit dem 01.04.2020 und aus weiteren Euro 14.131,81 seit dem 01.05.2020 zu zahlen.
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Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
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Gehaltsansprüche gegen die Beklagte zu 1) für März und April 2020 stünden der Klägerin nicht zu, denn der Dienstvertrag zwischen der Beklagten zu 1) und der Klägerin sei durch die am 06.08.2019 übergebene Kündigung wirksam zum Ende Februar 2020 beendet worden. § 174 BGB sei auf organschaftliche Vertretung nicht anwendbar. Ferner sei die Zurückweisung nach § 174 BGB durch die Klägerin nicht unverzüglich erfolgt und gehe überdies ins Leere. Die Beklagte zu 1) sei nämlich wirksam vertreten gewesen, denn zusammen mit der Kündigung sei die komplette – zweiseitige – Anlage B 2 an die Klägerin übergeben worden. Die Beifügung eines gesonderten Gesellschafterbeschlusses sei nicht nötig gewesen. Eine Protokollierung des Gesellschafterbeschlusses über die Kündigung sei durch Unterzeichnung des Kündigungsschreibens erfolgt. Dies sei ausreichend, da die Beklagte zu 1) nur eine Alleingesellschafterin habe. Die Beibringung eines gesonderten Gesellschafterbeschlusses über die Kündigung sei daher – trotz Bestehens einer Gesamtvertretungsmacht – nicht erforderlich gewesen. Jedenfalls habe die Gesellschafterversammlung die Kündigung durch Beschluss vom 31.07.2020 (Anlage B 6) genehmigt. Einen Anspruch auf die freiwillig und ohne entsprechende Vereinbarung im Dienstvertrag bezahlten vermögenswirksamen Leistungen habe die Klägerin ohnehin nicht.
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Schadensersatzansprüche bestünden weder in Bezug auf die Privatnutzung des Dienstwagens noch in Bezug auf den Bonus.
35
Im Zusammenhang mit der Pkw-Nutzung beruft die Beklagte sich auf Ziffer 4.1 des Dienstvertrags. Diese sei wirksam, insbesondere hinreichend klar. Eine Differenzierung zwischen widerruflicher und unwiderruflicher Freistellung sei nicht nötig, da die Dienstleistungspflicht in beiden Fällen entfalle. Zudem habe die Beklagte zu 1) der Klägerin eine ausreichend lange Frist zur Herausgabe gesetzt, nämlich 6 Monate ab Freistellung.
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Ein Anspruch auf Zahlung eines variablen Jahresgehalts für 2019 bestehe schon wegen Ziffer 9 der Scorecard 2019 nicht. Außerdem seien die Ziele nicht erreicht worden, denn tatsächlich seien für 2019 ein EBITA von 2,353 Mio € und eine Conversion Ratio in Höhe von 5,9% festgestellt worden. Die Beklagte zu 1) habe im Zusammenhang mit dem Bonus auch keine Pflichten verletzt, denn sie habe keine Zielvereinbarung treffen, sondern lediglich in Abstimmung mit der Klägerin Ziele festlegen müssen. Diese Zielvorgabe habe auch im Laufe des Geschäftsjahres nachgeholt werden können. Der Übermittlungszeitpunkt spiele schon deshalb keine Rolle, weil es sich dabei um unternehmensbezogene, gewinnbezogene Ziele und nicht um leistungsbezogene Ziele gehandelt habe. Außerdem sei das Zielfestlegungsverfahren seit Vertragsbeginn stets gleich abgelaufen und die Klägerin habe niemals eine Verhandlung über die Ziele gefordert oder mitgeteilt, dass sie mit den übermittelten Zielen nicht einverstanden sei. Die Klägerin habe auch die Ziele aus der streitgegenständlichen Scorecard konkludent akzeptiert. Wegen Ziffer 3.2 des Dienstvertrags bestünde ein etwaiger Bonusanspruch allenfalls anteilig für die Dauer der Bestellung. Keinesfalls könne die Klägerin den Maximalbetrag von 235.114 € verlangen, da ihr bei 100%-iger Zielerreichung nur 106.870 € zustünden.
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Zum Hilfsantrag führt die Beklagtenseite aus, der Vertrag mit der Beklagten zu 2) sei durch die Ergänzungsvereinbarung vom August 2013 (Anlage B 1) beendet. Es sei treuwidrig, wenn die Klägerin sich jetzt nach 7 Jahren darauf berufe, dass der Vertrag vom 19.08.2013 wegen fehlender Vollmacht des Herrn den Dienstvertrag mit der Beklagten zu 2) nicht wirksam beendet habe. Im Übrigen habe die Gesellschafterversammlung den Vertragsabschluss mit Beschluss vom 21./22.7.2020 (Anlage zu Bl. 82/90 d.A.) genehmigt.
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Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird zur Ergänzung des Tatbestands auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die gerichtlichen Beschlüsse und Verfügungen sowie das Sitzungsprotokoll vom 03.03.2021 (Bl. 113/116 d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

A.
39
Die zulässige Klage gegen die Beklagte zu 1) erweist sich zum Teil als begründet. Über den hilfsweise gegen die Beklagte zu 2) gestellten Antrag war mangels Bedingungseintritts nicht zu entscheiden.
40
I. Die Klage gegen die Beklagte zu 1) ist nur zum Teil begründet. Die Klägerin kann von der Beklagten zu 1) für März und April 2020 aufgrund des zu dieser Zeit noch laufenden Dienstvertrags monatlich jeweils Zahlung von 22.270,00 € Grundgehalt, 338,00 € Zuschuss zur privaten Krankenversicherung, 28,14 € Zuschuss zur privaten Pflegeversicherung, 20,00 € vermögenswirksame Leistungen (insgesamt 45.312,28 €) verlangen. Ferner steht ihr als Schadensersatz wegen Nichtüberlassung des Dienstwagens zu privaten Nutzung in der Zeit vom 10.03. bis 30.04.2020 ein Betrag von insgesamt 1.390,58 € (561,58 € für März und 829,00 € für April) sowie als Schadensersatz wegen Pflichtverletzung im Zusammenhang mit Ziffer 3.2 des Dienstvertrags in Bezug auf das Jahr 2019 ein Betrag von 106.870,00 € zu. Dies ergibt insgesamt den zugesprochenen Betrag von 153.572,86 €. Soweit die Klägerin in Bezug auf den Dienstwagen für März 2020 und in Bezug auf Ziffer 3.2 des Geschäftsführerdienstvertrags höhere Schadensersatzbeträge verlangt, war die Klage als unbegründet abzuweisen. Im Einzelnen:
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1. Die Klägerin hat auch für März und April 2020 gegen die Beklagte zu 1) Zahlungsansprüche in Höhe von insgesamt 45.312,28 € aus dem mit ihr geschlossenen Geschäftsführerdienstvertrag.
42
a. Der unstreitig mit der Beklagten zu 1) geschlossene Geschäftsführerdienstvertrag wurde nicht wirksam zum 29.02.2020 gekündigt, sondern lief jedenfalls noch bis einschließlich April 2020. Die der Klägerin am 06.08.2019 übergebene Kündigung ist gemäß § 174 BGB unwirksam. Nach dieser Vorschrift ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
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aa. Die Kündigung vom 06.08.2019 ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, das für die Beklagte zu 1) von Bevollmächtigten gegenüber der Klägerin vorgenommen wurde.
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bb. § 174 BGB ist auf den vorliegenden Fall anwendbar. Zwar ist er weder auf gesetzliche Vertreter noch – wegen der Verlautbarung in den gerichtlichen Registern – auf organschaftliche Vertreter anwendbar (Palandt, BGB, 80. Auflage, 2021, § 174 BGB, Rn. 4). Hier wurde die Beklagte zu 1) aber nicht allein durch einen im Handelsregister eingetragenen Geschäftsführer vertreten. Der im Handelsregister als Geschäftsführer eingetragene konnte die Beklagte zu 1) nämlich unstreitig nicht allein vertreten, sondern hatte nur Gesamtvertretungsmacht zusammen mit einem weiteren Geschäftsführer oder einem Prokuristen. Da der weitere Unterzeichner der Kündigung, Herr, zum Zeitpunkt der Kündigung unstreitig weder Organ der Beklagten zu 1) noch als Prokurist im Handelsregister eingetragen war, steht der Anwendbarkeit des § 174 BGB nach Ansicht der Kammer nichts entgegen.
45
cc. Mit der Kündigung wurde eine den Anforderungen des § 174 BGB genügende Vollmachtsurkunde für Herrn nicht vorgelegt. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Klägerin – wie von der Beklagtenseite behauptet – zusammen mit der Kündigung das als Anlage B 2 vorgelegte zweiseitige Dokument „Prokuraerteilung“ oder lediglich – wie von der Klägerin behauptet – das als Anlage K 7 vorgelegte einseitige Dokument übergeben wurde. Selbst das zweiseitige Dokument (Anlage B 2) würde nämlich die Voraussetzungen einer Vollmachtsurkunde im Sinne des § 174 BGB nicht erfüllen.
46
Nach der Rechtsprechung muss die Vollmachtsurkunde die Befugnis zur Vornahme des Rechtsgeschäfts eindeutig ergeben, wobei bei einer Untervertretung auch die Vertretungsmacht des Hauptvertreters durch Vollmachtsvorlage nachgewiesen werden muss (Palandt, BGB, 80. Auflage, 2021, § 174 BGB, Rn. 5 m.w.N.). An dieser geforderten Eindeutigkeit fehlt es hier schon deshalb, weil nicht ausreichend klar ist, wer Aussteller der als Anlage B 2 vorgelegten Vollmachtsurkunde ist. Zwar ist im Text davon die Rede, dass Herrn P. für die erteilt wird. Von wem diese Prokura erteilt wird, lässt sich der Urkunde jedoch nicht entnehmen, insbesondere ergibt sich dies weder aus dem übrigen Text der Urkunde, der dazu nichts weiter enthält, noch aus dem Briefkopf noch aus den Unterschriften auf Seite 2. Ausweislich des Briefkopfs ist Aussteller der Urkunde „“. Dies kann sowohl die sein als auch die als auch die . Auch der Unterzeichner „, Geschäftsführer“ kann der Beklagten zu 1) nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit zugeordnet werden, da er unstreitig Geschäftsführer sowohl der als auch der als auch der war und ist. Wer die Urkunde außerdem noch als Prokurist unterzeichnet hat, ist ebenfalls nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit feststellbar, da der Name des Unterzeichners weder angegeben noch lesbar ist.
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dd. Die Klägerin hat die ihr am 06.08.2019 übergebene Kündigung am 12.08.2019 und damit unverzüglich wegen nicht ordnungsgemäßer Vollmachtsvorlage zurückgewiesen. Unverzüglich heißt nach der in § 121 BGB enthaltenen Legaldefinition ohne schuldhaftes Zögern. Dies bedeutet nicht sofort, sondern innerhalb einer nach den Umständen des Einzelfalls zu bemessenden Prüfungs- und Überlegungsfrist (Palandt, a.a.O., § 121 BGB, Rn. 3), wobei von der Rechtsprechung eine Zurückweisung nach 3 Wochen oder 17 Tagen als nicht mehr unverzüglich angesehen wurde. Die der Klägerin zuzubilligende Prüfungs- und Überlegungsfrist ist hier gewahrt.
48
ee. Aufgrund der Zurückweisung wurde die Kündigung endgültig unwirksam und konnte nachträglich nicht mehr genehmigt werden (Palandt, a.a.O., § 174 BGB, Rn. 6).
49
ff. Auf die Frage, ob zusätzlich ein wirksamer Gesellschafterbeschluss über die Kündigung gefasst werden musste, kam es nicht mehr an.
50
b. Aufgrund des Geschäftsführeranstellungsvertrags kann die Klägerin monatlich Zahlung von 22.656,14 € und damit für März und April 2020 insgesamt 45.312,28 € verlangen. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus dem unstreitig zuletzt gemäß Ziffer 3.1 in Verbindung mit Ziffer 3.4 gezahlten Grundgehalt von monatlich 22.270,00 € zuzüglich der Zuschüsse zur privaten Krankenversicherung von monatlich 338,00 € und zur privaten Pflegeversicherung von monatlich 28,14 €. Ferner stehen der Klägerin monatlich 20,00 € vermögenswirksame Leistungen zu, da diese wegen der unstreitig erfolgten durchgehenden Zahlung seit April 2011 zumindest konkludent als vereinbart anzusehen sind.
51
2. Für die Zeit vom 10.03. bis 30.04.2020, in der die Klägerin trotz des noch laufenden Vertrags unstreitig keinen Dienstwagen mehr hatte und diesen somit entgegen Ziffer 4.1 Satz 1 des Geschäftsführerdienstvertrags auch für private Zwecke nicht mehr nutzen konnte, kann die Klägerin von der Beklagten zu 1) Schadensersatz wegen Entzugs der privaten Nutzung des Dienstwagens in Höhe von insgesamt 1.390,58 € verlangen.
52
a. Die Überlassung eines Dienstwagens ist Teil der Vergütung und damit so lange geschuldet, so lange die sonstige Vergütung zu zahlen ist (BAG, NZA 2012, 616).
53
b. Zwar ist gemäß Ziffer 4.1. Satz 3 des Geschäftsführervertrags bei einer Freistellung oder Abberufung des Geschäftsführers der Dienstwagen herauszugeben, ohne dass insoweit ein Anspruch auf finanziellen Ausgleich des in der Privatnutzung liegenden geldwerten Vorteils besteht. Ob diese von der Beklagten zu 1) verwendete allgemeine Geschäftsbedingung wirksam ist, kann hier dahinstehen, da der Klägerin selbst dann ein Anspruch auf finanziellen Ausgleich zuzusprechen ist, wenn man die Klausel als wirksam ansähe. Die Klägerin war nämlich im März und April 2020 weder wirksam freigestellt noch wirksam abberufen.
54
Sowohl eine wirksame Freistellung als auch eine wirksame Abberufung setzen eine wirksame Kundgabe gegenüber der Klägerin voraus (vgl. zur Abberufung Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Auflage, 2017, § 38 GmbHG, Rn. 43). Die Kundgabe wiederum ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung bzw. geschäftsähnliche Handlung, auf die § 174 BGB anzuwenden ist (Palandt, a.a.O., § 174 BGB, Rn. 2). Die Kundgabe-Erklärungen wurden unter dem 14.08.2019 ebenfalls durch den Geschäftsführer und durch „, Prokurist“ ohne Vorlage einer Vollmachtsurkunde gegenüber der Klägerin abgegeben (Anlage K 10). Da die Klägerin diese ihr am 15.08.2019 bzw. erneut mit Schreiben vom 16.08.2019 übermittelten Erklärungen wiederum unverzüglich mit Schreiben vom 22.08.2019 (Anlage K 17) mangels Vollmachtsvorlage zurückgewiesen hat und im Zuge der vorsorglichen weiteren Kündigung vom Oktober 2019 weder eine Abberufung noch eine Freistellung gegenüber der Klägerin erklärt wurde, liegt weder eine wirksame Freistellung noch eine wirksame Abberufung vor, sodass die Klausel in Ziffer 4.1 des Vertrags schon deshalb einem Zahlungsanspruch wegen Entzugs der privaten Nutzung des Dienstwagens nicht entgegensteht.
55
c. Da der geldwerte Vorteil der in Ziffer 4.1 gewährten privaten Nutzung des Dienstwagens monatlich unstreitig 829,00 € beträgt und die Klägerin den Dienstwagen unstreitig noch bis zum 10.03.2020 in ihrem Besitz hatte, steht ihr für März ein anteiliger Anspruch in Höhe von 561,58 € und für April ein Anspruch in Höhe von 829,00 €, insgesamt also ein Anspruch in Höhe von 1.390,58 € zu.
56
3. Die Klägerin hat außerdem aufgrund von §§ 280 I, III, 283, 249, 252 BGB i.V.m. § 287 ZPO für 2019 einen Zahlungsanspruch in Höhe von 106.870,00 € gegen die Beklagte zu 1), weil diese ihre Pflichten aus Ziffer 3.2 des Dienstvertrags in Bezug auf das variable Jahresgehalt 2019 verletzt und dadurch der Klägerin ein Schaden in dieser Höhe entstanden ist.
57
a. Gemäß Ziffer 3.2 Satz 2 des Dienstvertrags hängt die Höhe des dem Geschäftsführer in Ziffer 3.2. Satz 1 zugesagten variablen Jahresgehalts von der Erreichung von Zielen ab, die von der Gesellschaft vor Beginn des Jahres, auf das sich das variable Jahresgehalt bezieht, in Abstimmung mit dem Geschäftsführer festgelegt werden.
58
Dieser vertraglichen Regelung lässt sich nicht eindeutig entnehmen, ob die Beklagte zu 1) der Klägerin die Ziele einseitig vorgeben oder ob sie mit ihr gemeinsam eine Zielvereinbarung treffen sollte. Zwar spricht der Begriff „festlegen“ für eine Zielvorgabe, aus der Formulierung „in Abstimmung mit dem Geschäftsführer“ ist jedoch zu entnehmen, dass nach dem Willen der Parteien die Ziele gerade nicht allein durch die Beklagte zu 1) bestimmt werden sollten. Damit war nach der von der Kammer vorgenommenen Auslegung nicht eine einseitige Zielvorgabe, sondern eine Zielvereinbarung gewollt. Jedenfalls aber gehen gemäß § 305 c II BGB Zweifel zu Lasten des Verwenders und damit zu Lasten der Beklagten zu 1). Ferner ist die Regelung – gegebenenfalls auch insoweit unter Rückgriff auf die Unklarheitenregelung des § 305 c II BGB – dahingehend auszulegen, dass es wegen der Formulierung „in Abstimmung mit dem Geschäftsführer“ allein der Beklagten zu 1) oblag, insoweit die Initiative zu ergreifen.
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b. Die vertraglich vereinbarte Pflicht der Beklagten zu 1) wurde in der Folgezeit nicht einvernehmlich dahingehend modifiziert, dass die Ziele noch bis Ende Juli des Jahres, auf das sich das variable Jahresgehalt bezieht, von der Beklagten zu 1) einseitig festgelegt werden können. Es kann dahinstehen, ob dies trotz der in Ziffer 15.2 des Vertrags enthaltenen doppelten Schriftformklausel überhaupt möglich wäre. Jedenfalls fehlt es an ausreichendem Vortrag dafür, dass beide Vertragsparteien einvernehmlich eine dahingehende Vertragsänderung gewollt haben. Auch wenn die Klägerin in den Vorjahren keine Einwände gegen eine erst nach Ablauf des jeweiligen Vorjahres erfolgte Zielfestlegung durch die Beklagte zu 1) erhoben hat, so bedeutet dies keine Zustimmung zu einer dementsprechenden Vertragsänderung in Bezug auf nachfolgende Jahre. Außerdem hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung unstreitig gestellt, dass die Übermittlung der Scorecard noch niemals so spät im laufenden Jahr erfolgt ist.
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c. Ihre Pflicht aus Ziffer 3.2 Satz 2 des Vertrags hat die Beklagte zu 1) verletzt, da der Klägerin unstreitig erstmals Ende Juli 2019 eine Scorecard für das Jahr 2019 übermittelt wurde und darüber hinaus in der Folgezeit eine Abstimmung der darin angegebenen Ziele mit der Klägerin nicht mehr erfolgt ist. Irgendwelche tatsächlichen Anhaltspunkte, dass die Klägerin sich mit den angegebenen Zielen konkludent einverstanden erklärt hätte, wurden nicht vorgetragen. Dies ist überdies schon wegen der kurz nach Übermittlung der Scorecard ausgesprochenen Kündigung fernliegend.
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d. Verschulden der Beklagten zu 1) wird vermutet, § 280 I 2 BGB. Ausreichender Vortrag zur Widerlegung dieser gesetzlichen Verschuldensvermutung liegt nicht vor.
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e. Die gemeinsame Abstimmung von Zielen für 2019 ist jedenfalls mit Ablauf des Jahres 2019 unmöglich geworden, sodass die Klägerin nach § 280 I und III BGB i.V. mit § 283 S. 1 BGB statt der Vereinbarung von Zielen Schadensersatz fordern kann.
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f. Der Umfang des zu ersetzenden Schadens richtet sich nach den §§ 249 ff BGB. Gemäß § 252 umfasst der zu ersetzende Schaden auch den entgangenen Gewinn, wozu auch das entgangene variable Jahresgehalt gehört. Als entgangen gilt gemäß § 252 S. 2 BGB der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte, wobei insoweit § 287 ZPO anwendbar ist. Da Zielvereinbarungen ihren Motivationszweck verfehlen und ihrer Anreizfunktion nicht gerecht werden, wenn die Ziele von vornherein nicht erreicht werden können, ist im Rahmen der Schadensermittlung grundsätzlich davon auszugehen, dass die Klägerin die vereinbarten Ziele erreicht hätte, wenn nicht besondere Umstände diese Annahme ausschließen (BAG NZA 2008, 409). Derartige besondere Umstände liegen hier schon deshalb nicht vor, weil die Klägerin unstreitig in den Vorjahren die Ziele erreicht hatte mit Ausnahme des Jahres 2018, in dem das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz geändert wurde und die Klägerin wegen nicht 100%- iger Zielerreichung lediglich 80% der variablen Vergütung erhielt. Ferner ist hierbei nach dem Rechtsgedanken des § 162 BGB zu berücksichtigen, dass der Klägerin ab August 2019 durch die Beklagte zu 1) die Möglichkeit zur Förderung der Zielerreichung, die sie zuvor als aktiv tätige Geschäftsführerin und Verantwortliche für das Deutschlandgeschäft hatte, genommen wurde. Die Kammer geht daher gemäß § 287 I ZPO unter Würdigung aller Umstände davon aus, dass die Klägerin vereinbarte Ziele zu 100% erreicht und damit ein variables Jahresgehalt in Höhe von 106.870,00 € erzielt hätte. Ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge vereinbarte Ziele derart übertroffen hätte, dass sie ein maximales Jahresgehalt von 235.114,00 € erzielt hätte, sieht die Kammer jedoch nicht.
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g. Der Umfang des Schadensersatzanspruchs der Klägerin reduziert sich nicht gemäß § 254 BGB wegen Mitverschuldens, insbesondere stellt es kein Mitverschulden der Klägerin dar, dass sie die Beklagte zu 1) nicht zu Verhandlungen über den Abschluss einer Zielvereinbarung aufgefordert oder in sonstiger Art und Weise das Zielfestlegungsverfahren angestoßen hat. Da der Beklagten zu 1) insoweit die alleinige Initiativpflicht oblag und zudem im Vertrag eine Zeit nach dem Kalender bestimmt war (siehe dazu bereits die Ausführungen in Ziffer A. I. 3. a), kommt ein Mitverschulden der Klägerin nicht in Betracht (BAG NZA 2008, 409).
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h. Der Anspruch der Klägerin ist nicht durch Annex 2 des Schreibens vom 23.07.2019 (Anlage K 16) ausgeschlossen, insbesondere nicht durch dessen Ziffer 9, wonach der Anspruch auf variable Vergütung im Falle einer Kündigung erlischt. Dies folgt bereits daraus, dass durch ein einseitiges Schreiben der Beklagtenseite der Klägerin ein ihr zustehender Anspruch nicht genommen werden kann.
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j. Schließlich reduziert sich der Anspruch der Klägerin auch nicht aufgrund von Ziffer 3.2 des Dienstvertrags, wonach der Geschäftsführer ein variables Gehalt nur während der Dauer seiner Bestellung erhält.
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Diese Regelung ist nach Ansicht der Kammer gemäß § 307 BGB unwirksam, weil sie den Geschäftsführer, dem im Dienstvertrag ein Anspruch auf variable Vergütung zugesagt wurde, unangemessen benachteiligt. Nach der gesetzlichen Regelung des § 615 Satz 1 BGB ist die vertraglich vereinbarte Vergütung, wozu auch das variable Gehalt gehört, auch im Falle einer Abberufung bis zur Beendigung des Dienstvertrags zu zahlen. Zwar ist § 615 Satz 1 BGB anerkanntermaßen abdingbar. In einem Fall wie hier, bei dem die variable Vergütung einen derart beträchtlichen Anteil an der Gesamtvergütung hat, kann eine Abbedingung nach Auffassung der Kammer jedoch nicht wirksam durch eine allgemeine Geschäftsbedingung erfolgen. Dies stellt vielmehr unter Abwägung der Umstände des Einzelfalles eine unangemessene Benachteiligung des Geschäftsführers dar (vergleiche hierzu auch Münchener Kommentar, GmbHG, 3. Auflage, 2019, § 35 GmbHG, Rn. 329 und Fußnote 792).
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Letztlich kommt es darauf aber nicht an, da die Beklagte zu 1) die Voraussetzungen einer wirksamen Abberufung der Klägerin im Jahr 2019 nicht dargetan hat. Auf die Ausführungen unter A. I. 2. b. wird verwiesen.
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4. Die zugesprochenen Zinsen resultieren aus §§ 286 I, II Nr. 1, 288 I BGB.
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II. Da das Anstellungsverhältnis der Klägerin bei der Beklagten zu 1) nicht wirksam zum 28.02.2020 beendet wurde, ist die prozessuale Bedingung für den gegen die Beklagte zu 2) gestellten Hilfsantrag nicht eingetreten. Damit war hierüber nicht zu entscheiden.
B.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92, 100 ZPO und der Baumbach'schen Formel. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.