Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 11.03.2021 – AN 3 K 20.00970
Titel:

Erfolglose Klage auf Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB

Normenkette:
BauGB § 31 Abs. 2
Leitsatz:
Der Begriff der Grundzüge der Planung ist erfüllt, wenn der im Bebauungsplan zum Ausdruck gebrachte planerische Wille der Gemeinde auf eine bestimmte städtebauliche Ordnung gerichtet ist, die der Planung als Grundkonzept zugrunde liegt. Grundzüge der Planung sind berührt, wenn bezogen auf diesen planerischen Willen derart vom Planinhalt abgewichen wird, dass die angestrebte und im Plan zum Ausdruck gebrachte städtebauliche Ordnung in beachtlicher Weise beeinträchtigt wird. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Befreiung, Begrünung geschlossene Fassade, Nichtberührtheit der Grundzüge der Planung, unzumutbare Härte
Fundstelle:
BeckRS 2021, 6139

Tenor

1. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten der Verfahren.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Klägerin wendet sich mit ihren Klagen gegen den Bescheid der Beklagten vom 23. April 2020, wonach sie das in ihrem Eigentum stehende Parkhaus an der Nordfassade mit einer bebauungsplangemäßen Begrünung zu versehen hat, sowie gegen den Bescheid vom 20. Januar 2021, mit welchem die klägerseits begehrte Erteilung einer Befreiung von der textlichen Festsetzung zur Begrünung fensterloser Fassaden versagt wurde.
2
Die Klägerin ist Eigentümerin des im sogenannten Quartier „…“ auf den Grundstücken FlNrn. … sowie … der Gemarkung … gelegenen und mit einem Parkhaus bebauten Anwesens …Straße …, für welches in dem seit 20. Dezember 2012 rechtsverbindlichen Bebauungsplan Nr. …, 1. Deckblatt „…“ mit Grünordnungsplan der Beklagten unter anderem Gemeinschaftsgaragen (sog. „GGa 2“), Bauverbotszonen und Baulinien nach Westen sowie Baugrenzen nach Norden, Osten und Süden festgesetzt sind. Unmittelbar nördlich des klägerischen Anwesens sind ein Allgemeines Wohngebiet (sog. WA 10) und eine öffentliche Grünfläche mit Ballspielwiese/Kinderspielplatz sowie dahinterliegend weitere Allgemeine Wohngebiete festgesetzt. Südlich und Östlich sind mehrere Mischgebiete festgesetzt. Im Westen verläuft die Bundesautobahn … Der Grünordnungsplan zum Bebauungsplan enthält unter anderem folgende Festsetzung:
„7. Fassadenbegrünung
Fensterlose Fassadenabschnitte mit einer Breite ab 3,50 m, Fassaden von Garagen, Carports und Nebenlagen sowie Mauern und Zäune ab 1,50 m Höhe sind mit Kletterpflanzen flächig zu begrünen. Hierbei sind die vegetationstechnischen Erfordernisse zu berücksichtigten. Es ist mindestens eine Kletterpflanze pro 3,00 m Wandabwicklung zu pflanzen. Pflanzenwahl entsprechend Artenliste (siehe Begründung). […]“
3
Mit Bauantrag vom 7. Januar 2015 sowie geänderter Planung, eingereicht am 19. Oktober 2015, beantragte die Klägerin die Erteilung einer Baugenehmigung für den Neubau eines Parkhauses auf dem Anwesen …Straße … mit acht Vollgeschossen sowie einer Gebäudehöhe gemäß Art. 2 Abs. 3 Satz 2 BayBO von 21,48 m. Des Weiteren beantragte sie Befreiungen von der Geschossflächenzahl gemäß § 17 BauNVO sowie den östlichen und südlichen Baugrenzen sowie Abweichungen im Hinblick auf die südlichen und östlichen Abstandsflächen. Ausweislich der genehmigten Bauvorlage „…“ vom 7. Januar 2015 verfügt das Parkhaus über 17 Parkebenen. In dem genehmigten Freiflächengestaltungsplan vom 4. Februar 2015 sind vor der Nordfassade drei Bäume vorgesehen. In der genehmigten Bauvorlage „Ansicht Nord“ vom 7. Januar 2015 ist die Nordfassade mit einer Höhe von 21,77 m (mit Geländerbrüstung) sowie teilweise offen dargestellt. Zur Einhaltung der schallimmissionsschutzrechtlichen Anforderungen erarbeitete die Klägerin ausweislich der von ihr im Baugenehmigungsverfahren vorgelegten „Schallimmissionsschutztechnischen Untersuchung gemäß TA Lärm und den Festsetzungen zum Bebauungsplan“ der …GmbH & Co KG vom 10. Juni 2015 im Hinblick auf die Lärmschutzimmissionen des Parkhauses auf die Wohnbebauung im Norden des Quartiers „…“ sodann als Schallschutzmaßnahme eine komplett geschlossene Fassadengestaltung der Nordseite des Parkhauses.
4
Mit Bescheid vom 20. Oktober 2015 erteilte die Beklagte der Klägerin die beantragte Baugenehmigung. Zugleich wurden hinsichtlich der Geschossflächenzahl sowie der östlichen und südlichen Baugrenzen Befreiungen sowie bezüglich der südlichen und östlichen Abstandsflächen Abweichungen erteilt. Die Baugenehmigung wurde ferner wie folgt beauflagt:
1.1
5
Nach der zum Vorhaben vorgelegten „Schalltechnischen Untersuchung“ erhält das Vorhaben auf der Nordseite eine geschlossene Fassade, beantragt ist eine zum Teil geschlossene Fassade. Rechtzeitig vor Ausführung ist ein Plan der neuen Fassade zur Freigabe vorzulegen.
3.2.2
6
Es ist eine geschlossene Konstruktion mit einem bewerteten Schalldämmmaß von Rw,r mehr 25 dB vorzusehen. Jegliche Öffnungen und Spalten sind in der Wandfläche nicht zulässig. Alle Elemente der Fassadenkonstruktion müssen dicht aneinander anschließen.
7
Am 23. November 2015 begann die Klägerin mit der Bausauführung, ohne zuvor den beauflagten Plan zur Gestaltung der Nordfassade bei der Beklagten zur Freigabe vorzulegen.
8
Mit Schreiben vom 11. August 2016 beanstandete die Beklagte erstmals die nicht abgestimmte sowie nicht bebauungsplangemäß begrünte Ausführung der nördlichen Parkhausfassade. Mit Schreiben vom 29. Juli 2016 teilte die Klägerin der Beklagten zunächst mit, dass man die Bepflanzung wie vorgegeben anbringen werde.
9
Mit Bescheiden vom 30. Juli 2018 sowie vom 16. Oktober 2018 forderte die Beklagte die Klägerin schließlich unter Fristsetzung, zuletzt bis zum 16. November 2018, kostenpflichtig auf, Vorschläge für eine den bauleitplanerischen Festsetzungen entsprechende Fassadenbegrünung zur Abstimmung vorzulegen.
10
Mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 23. April 2020 forderte die Beklagte die Klägerin erneut auf, das Parkhaus an der Nordfassade mit einer bebauungsplangemäßen Begrünung zu versehen und Vorschläge hierzu (u.a. zu Art, Anzahl und Umfang der Rankhilfen/-gerüste und der Bepflanzung) bis zum 23. Juni 2020 zur Abstimmung vorzulegen.
11
Mit Schreiben des Klägervertreters vom 16. Juni 2020, eingegangen bei der Beklagten am 18. Juni 2020, beantragte die Klägerin sodann die Erteilung einer Befreiung von der textlichen Festsetzung Nr. ... zum Grünordnungsplan des Bebauungsplanes Nr. …, 1. Deckblatt. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass eine Fassadenbegrünung gleich welcher Art nicht realisierbar sei und entsprechend der Empfehlung des klägerischen Landschaftsarchitekten vor der Nordfassade drei säulenförmige Bäume gepflanzt worden seien. Die Erteilung einer Befreiung diene dem Allgemeinwohl und sei mit den nachbarlichen Interessen vereinbar.
12
Bei einer Ortsbesichtigung der Beklagten am 9. Juli 2020 wurde festgestellt, dass vor der Nordfassade keine derartige Bepflanzung erfolgt ist.
13
Mit Bescheid der Beklagten vom 20. Januar 2021 wurde die beantragte Befreiung abgelehnt. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die begehrte Befreiung städtebaulich nicht vertretbar sei. Entgegen dem Antragsschreiben seien auch die sonstigen tatbestandlichen Gründe nach § 31 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 BauGB nicht erfüllt. Weder würden die Gründe des Allgemeinwohls eine Abweichung von den verfahrensgegenständlichen Festsetzungen erfordern, noch lägen Anhaltspunkte für eine unbillige Härte vor. Die Klägerin habe es versäumt, entgegen der Auflage in dem Baugenehmigungsbescheid vom 20. Oktober 2015 bei der Beklagten einen Plan bezüglich der Gestaltung der Nordfassade zur Freigabe vorzulegen und stattdessen deren Verkleidung so gelöst, dass im Nachhinein eine Begrünung aus statischen Gründen nicht ohne Weiteres möglich erscheine. Die im Befreiungsantrag als Kompensation angebotene Alternativbepflanzung mit säulenartigen Bäumen sei keine Fassadenberankung im Sinne des inmitten stehenden Bebauungsplanes.
14
Am 22. Mai 2020 ließ die Klägerin gegen den Bescheid der Beklagten vom 23. April 2020 Klage erheben (AN 3 K 20.00970). Mit Schriftsatz des Klägervertreters vom 27. Oktober 2020 wurde des Weiteren zur Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer Befreiung von der textlichen Festsetzung Nr. ... des Grünordnungsplanes zum Bebauungsplan Nr. …, 1. Deckblatt „Versagungsgegenklage“ erhoben (AN 3 K 20.02488). Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, dass die Klägerin „durch die Ablehnung des Verwaltungsakts (…) in ihren Rechten verletzt“ werde. Sie habe zur Einhaltung der schallimmissionsschutztechnischen Anforderungen ohne eine förmliche Auseinandersetzung auf ihre ursprüngliche Planung verzichtet und auf Wunsch der Beklagten sowie zum Schutze der nördlich gelegenen Wohnbebauung als Zugeständnis „auf dem kurzen Dienstweg“ die Nordfassade mit Lärmschutzpanelen versehen. In zahlreichen Gesprächen mit der Beklagten sowie in der ausführlichen Stellungnahme des klägerischen Landschaftsarchitekten vom 26. Juni 2018 sei ausgeführt worden, dass eine Fassadenbegrünung nach den bauleitplanerischen Vorgaben nicht realisierbar sei. Die Fassade eigne sich mangels Belastbarkeit weder für selbstklimmende Kletterpflanzen ohne Befestigungssystem noch für windende Schlingpflanzen mit Rankhilfen oder ein „Grüne Wand System“. Aufgrund der technischen Unmöglichkeit der Fassadenbegrünung sei sodann auf Vorschlag des klägerischen Landschaftsarchitekten eine „Vorpflanzung“ mit säulenartigen Bäumen erfolgt, um der natürlichen Ausgestaltung des Parkhauses sowie der „weicheren“ Wirkung der Parkhausfassade auf das umliegende Wohngebiet gerecht zu werden. Diese sei jedoch lediglich auf einer Länge von 2/3 der Nordfassade erfolgt, da eine Bepflanzung auf der gesamten Länge aufgrund des notwendigen Lebensraums für die einzelnen Bäume nicht möglich sei. Dies sei der Beklagten auch auf den Bescheid vom 21. Oktober 2018 hin mitgeteilt worden. Die Klage sei als Versagungsgegenklage zulässig und begründet, da die Versagung der Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes über die Gestaltung der Nordfassade des klägerischen Parkhauses rechtswidrig sei. Vorliegend sei von einer Ermessensreduzierung auf Null auszugehen. Bereits Gründe des Allgemeinwohls würden eine entsprechende Befreiung erfordern. Es bestehe ein durch die Änderungswünsche der Beklagten zum Ausdruck gebrachtes öffentliches Interesse dahingehend, das nördlich gelegene Wohngebiet vor Immissionen zu schützen. Als Ausfluss eines „e contrario“-Prinzips würden die Gründe des Allgemeinwohls die Befreiung der sodann geschlossenen Nordfassade von den Festsetzungen des Grünordnungsplanes erfordern. Vorliegend sei es im öffentlichen Interesse, das Vorhaben an der vorgesehenen Stelle zu verwirklichen und der Klägerin im Gegenzug insoweit entgegenzukommen, als dass auf eine technisch nicht durchführbare Bepflanzung zu verzichten sei. Des Weiteren habe die Beklagte bereits im Rahmen der Baugenehmigung vom 20. Oktober 2015 weitaus schwerwiegendere Befreiungen von den Festsetzungen des inmitten stehenden Bebauungsplanes erteilt. Die Befreiung hinsichtlich der bauleitplanerisch festgesetzten Begrünung führe indes zu keinerlei Nachteilen, da die Klägerin Alternativbegrünungen angeboten und letztlich auch durchgeführt habe. Des Weiteren sei die begehrte Befreiung auch städtebaulich vertretbar, da die hier angezeigte Abweichung ein nach § 1 BauGB zulässiger Inhalt eines Bebauungsplanes sein könnte. Im Übrigen sei die Erteilung der inmitten stehenden Befreiung bereits angezeigt, da ansonsten eine nicht beabsichtigte Härte vorläge. Eine bebauungsplankonforme Bepflanzung würde die Statik des Gebäudes derart beeinträchtigen, dass dieses nicht mehr nutzbar wäre. Ein Abriss des Parkhauses wäre wohl kaum dem Telos des Bebauungsplanes angemessen und dienlich. Im Übrigen sei auch eine Vereinbarkeit mit den nachbarlichen Interessen gegeben, da eine technisch unmögliche Bepflanzung, welche die Statik des Parkhauses gefährde, niemals im nachbarschaftlichen Interesse sein könne. Die Nordfassade sei indes zugunsten der Nachbarn geschlossen worden. Durch die Vorpflanzung mit hohen, säulenförmigen Bäumen sei zudem eine beruhigende Wirkung des Parkhauses auf das nachbarliche Wohngebiet erreicht worden. Die vorliegend genannten Umstände seien zu keinem Zeitpunkt von der Beklagten überprüft worden und ein Ermessensgebrauch insoweit nicht erfolgt. Hätte die Beklagte von ihrem Ermessen Gebrauch gemacht, hätte sie zwischen dem Entgegenkommen der Klägerin bezüglich der Schließung der Nordfassade zum Wohle der angrenzenden Wohnbebauung und der Notwendigkeit der Kletterpflanzenanbringung an dieser Fassadenseite eine Abwägung mit dem Ergebnis getroffen, dass das Festhalten an den Festsetzungen des Bebauungsplanes sowohl technisch unmöglich als auch unbillig wäre. Aufgrund einer Ermessensreduzierung auf Null wäre ohne einen vorherigen Antrag von Amts wegen eine Befreiung sowie zugleich eine Auflage entsprechend der klägerseits vorgeschlagenen und sodann umgesetzten Bepflanzung zu erteilen gewesen. Mithin sei auch der angegriffene Verwaltungsakt vom 23. April 2020 rechtswidrig.
15
Am 2. Februar 2021 ließ die Klägerin überdies gegen den Bescheid der Beklagten vom 20. Januar 2021 Klage erheben. Zur Begründung werden die Ausführungen aus dem Schriftsatz vom 27. Oktober 2020 wiederholt sowie des Weiteren im Wesentlichen vorgetragen, dass die Klägerin die gewohnte Verfahrensdauer der Verwaltungsgerichtsbarkeit genutzt und bei der Beklagten förmlich die offensichtlich zu erteilende Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes beantragt habe. Da sich die Bearbeitung seitens der Beklagten verzögert habe, habe die Klägerin gegenüber dem erkennenden Gericht mehrfach (erfolglos) die Aussetzung des Verfahrens beantragt. Die sodann erfolgte Versagung der klägerseits beantragten Befreiung sei ebenfalls ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig. Korrekt seien zwar die kurz gehaltenen Ausführungen der Beklagten in dem angegriffenen Ablehnungsbescheid, wonach die Klägerin in dem Baugenehmigungsbescheid vom 20. Oktober 2015 beauflagt worden sei, für die nunmehr geschlossene Nordfassade rechtzeitig vor deren Ausführung einen Plan zur Freigabe vorzulegen. Dies habe die Klägerin zwar offensichtlich versäumt, an der Rechtsfolge der zu erteilenden Befreiung könne dies jedoch nicht hinderlich sein. Die Beklagte habe letztlich von der ihr eingeräumten planerischen Gestaltungsfreiheit keinen Gebrauch gemacht. Eine Gemeinde habe zwei Planungsmöglichkeiten, nämlich einmal bei der Planaufstellung und sodann bei der begehrten Befreiung, bei welcher sie falsch erkannte abstrakt-generelle Planungsentscheidungen für konkrete Situationen korrigieren könne. Stattdessen habe die Beklagte die Klägerin dazu gedrängt, von der ursprünglichen Fassadengestaltung abzusehen und zum Wohle der Stadt eine geänderte Nordfassade zu errichten, was ihr nun zum Verhängnis geworden sei.
16
Im Verfahren AN 3 K 20.00970 beantragt die Klägerin:
Der Bescheid des Beklagten vom 23. April 2020 wird aufgehoben.
17
Im Verfahren AN 3 K 20.02488 beantragt die Klägerin:
Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin unter Befreiung der Festsetzung  Nr. ... der textlichen Festsetzungen zum Grünordnungsplan des Bebauungsplanes der Stadt … Nr. …, 1 Deckblatt, die Nordfassade des mit Baugenehmigung vom 20. Oktober 2015 genehmigten Parkhauses in der …Straße …, FlNrn. …sowie … der Gemarkung … zu genehmigen.
18
Im Verfahren AN 3 K 21.00202 beantragt die Klägerin:
1. Der Bescheid vom 20. Januar 2021 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin unter Befreiung der Festsetzung  Nr. ... der textlichen Festsetzungen zum Grünordnungsplan des Bebauungsplanes der Stadt … Nr. …, 1 Deckblatt, die Nordfassade des mit Baugenehmigung vom 20. Oktober 2015 genehmigten Parkhauses in der …Straße …, FlNrn. … sowie … der Gemarkung … zu genehmigen.
3. Die Beklagte wird hilfsweise verpflichtet, den Antrag der Klägerin nach Ziffer II unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu verbescheiden.
19
Die Beklagte beantragt,
die Klagen abzuweisen.
20
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klage hinsichtlich der begehrten Erteilung einer Befreiung im Verfahren AN 3 K 20.02488 bereits unzulässig sei, da die Klägerin zum Zeitpunkt der Klageerhebung bei der Beklagten noch keinen Antrag auf Erteilung einer Befreiung gestellt habe. Erst am 18. Juni 2020 habe die Klägerin sodann einen entsprechenden Antrag eingereicht, welcher mit dem streitgegenständlichen Bescheid der Beklagten vom 20. Januar 2021 abgelehnt wurde (AN 3 K 21.00202). Einer Ermessensentscheidung der Beklagten habe es nicht bedurft, da bereits die Grundzüge der Planung berührt seien, nachdem die inmitten stehende Festsetzung, von welcher eine Befreiung erteilt werden soll, das planerische Grundkonzept betreffe. In dem Grünordnungsplan werde zum Ausdruck gebracht, dass die Fassade aus Gründen des Stadtbildes in einen grünen Kontext zu bringen sei.
21
Hinsichtlich der begehrten Aufhebung des Bescheides vom 23. April 2020 (AN 3 K 20.00970) sei die Klage zwar zulässig, jedoch unbegründet. Die Vorgabe der Begrünung der als geschlossene Konstruktion ausgeführten Nordfassade des klägerischen Parkhauses ergebe sich bereits aus der textlichen Festsetzung Nr. ... des Grünordnungsplanes zum Bebauungsplan Nr. …, 1. Deckblatt, welche Grundlage für die Erteilung der Baugenehmigung gewesen sei. Die Beklagte habe der Klägerin indes mehrfach die Möglichkeit einer Ersatzpflanzung in Aussicht gestellt. Trotz intensiver Bemühungen seitens der Beklagten habe eine Einigung jedoch nicht erzielt werden können. Die von der Klägerin in den genehmigten Bauvorlagen vorgesehene Pflanzung von drei säulenförmigen Bäumen an der Nordfassade sei indes bereits Bestandteil der genehmigten Freiflächenplanung, so dass diese schon begrifflich keine Ersatzpflanzung darstellen und keinesfalls als Kompensation für die fehlende Fassadenbegrünung dienen könne.
22
Sofern sich die Klägerin auf die aus technischen Gründen fehlende Realisierbarkeit der bebauungsplangemäßen Begrünung berufe, sei ihr entgegenzuhalten, dass sie von Beginn an gewusst habe, dass nach dem Grünordnungsplan eine Fassadenbegründung erforderlich ist. Um dem Telos des Bebauungsplanes gerecht zu werden und die Fassade in einen grünen Kontext zu bringen, sei jedenfalls eine weitergehende Bepflanzung erforderlich. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass bis heute eine Bepflanzung und damit auch die in dem klägerischen Freiflächengestaltungsplan vorgesehenen drei Bäume nicht realisiert worden seien.
23
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die beigezogenen Behörden- und Gerichtsakten sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 11. März 2021.

Entscheidungsgründe

24
Ob die von dem Klägervertreter als „Versagungsgegenklage“ bezeichnete Klage vom 27. Oktober 2020 eine zulässige Untätigkeitsklage gemäß § 75 VwGO darstellt, welche sodann nach der negativen Entscheidung der Beklagten vom 20. Januar 2021 als Versagungsgegenklage hätte fortgeführt werden können, kann dahingestellt bleiben. Die inmitten stehenden Klagen sind jedenfalls unbegründet, nachdem die Klägerin keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB hat.
I.
25
Die textliche Festsetzung Nr. ... zum Grünordnungsplan des Bebauungsplanes Nr. …, 1. Deckblatt begegnet keinen Bedenken. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 81 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 1 BayBO i.V.m. § 9 Abs. 4 BauGB, wonach die Gemeinden im eigenen Wirkungskreis örtliche Bauvorschriften, auch im Bebauungsplan, über besondere Anforderungen an die äußere Gestaltung baulicher Anlagen zur Erhaltung und Gestaltung von Ortsbildern, insbesondere die Begrünung von Gebäuden, erlassen können. Die Gemeinden sind dabei nicht auf die Abwehr verunstaltender Anlagen beschränkt, sondern haben darüber hinaus die Möglichkeit, positive Gestaltungspflege zu betreiben. Hierbei kommt ihnen ein beträchtlicher gestalterischer Spielraum zu, so dass sie im Rahmen der positiven Pflege der Baukultur auch einen strengen ästhetischen Maßstab anlegen dürfen (BayVGH, U.v. 11.9.2014 - 1 B 14.170 - juris m.w.N.). Dies gilt insbesondere in Neubaugebieten wie dem vorliegenden (vgl. hierzu BayVGH, U.v. 12.5.2005 - 26 B 03.2454 - juris). Vorliegend ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Beklagte mit der inmitten stehenden, dem Bestimmtheitsgebot genügenden Festsetzung diesen gestalterischen Spielraum überschritten hat.
II.
26
Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB liegen nicht vor. Danach kann von den Festsetzungen eines Bebauungsplanes befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung erfordern oder die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder die Durchführung des Bebauungsplanes zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
1.
27
Die begehrte Befreiung von der textlichen Festsetzung Nr. … zum Grünordnungsplan des Bebauungsplanes Nr. …, 1. Deckblatt bezüglich des Entfalls der Begrünung an der Nordfassade des klägerischen Parkhauses berührt die Grundzüge der Planung.
28
Mit dem Begriff der Grundzüge der Planung bezeichnet das Gesetz die durch die Hauptziele der Planung bestimmte Grundkonzeption eines Bauleitplanes. Was zum planerischen Grundkonzept zählt, beurteilt sich jeweils nach dem im Bebauungsplan zum Ausdruck kommenden Planungswillen der Gemeinde. Unter welchen Voraussetzungen die Grundzüge der Planung berührt werden, lässt sich dabei nicht allgemeingültig formulieren; maßgeblich ist die jeweilige Planungssituation (vgl. u.a. BVerwG, B.v. 19.5.2004 - 4 B 35.04 - juris). Entscheidend ist, ob die Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwider läuft. Dabei kommt es darauf an, ob die fragliche Festsetzung Bestandteil eines Planungskonzepts ist, das das gesamte Plangebiet oder maßgebliche Teile hiervon gleichsam quasi wie ein roter Faden durchzieht, so dass eine Abweichung zu weit reichenden Folgen führt, oder ob die einzelne Festsetzung entweder gewissermaßen „zufällig“ erfolgt ist oder aber - wird von ihr abgewichen - der damit verbundene Eingriff in das Planungsgefüge eingegrenzt, also quasi „isoliert“ werden kann (BayVGH, U.v. 19.10.1998 - 15 B 97.337 - juris). Je tiefer die Befreiung in den mit der Planung gefundenen Interessenausgleich eingreift, desto eher liegt es nahe, dass das Planungskonzept in einem Maße berührt wird, das eine (Um-)Planung erforderlich macht (vgl. BVerwG, B.v. 5.3.1999 - 4 B 5.99 - juris; B.v. 19.5.2004 - 4 B 35.04 - juris; U.v. 18.11.2010 - 4 C 10/09 - juris). Mithin scheiden im Allgemeinen Abweichungen von Festsetzungen aus, die diese Grundkonzeption des Bebauungsplanes berühren. Aber auch Festsetzungen, die nicht für die Grundkonzeption maßgeblich sind, können die Grundzüge der Planung bestimmen, wenn ihnen nämlich ein spezifisches planerisches Konzept zugrunde liegt. Dies gilt auch für einzelne Festsetzungen. Denn auch sie können „die Planung tragende Festsetzungen“ sein (BVerwG, B.v. 5.3.1999 - 4 B 5.99 - juris). Entscheidend ist, dass der im Bebauungsplan zum Ausdruck gebrachte planerische Wille der Gemeinde auf eine bestimmte städtebauliche Ordnung gerichtet ist, die der Planung als Grundkonzept zugrunde liegt. Ist dies der Fall, handelt es sich um Grundzüge der Planung. Diese sind berührt, wenn bezogen auf diesen planerischen Willen derart vom Planinhalt abgewichen wird, dass die angestrebte und im Plan zum Ausdruck gebrachte städtebauliche Ordnung in beachtlicher Weise beeinträchtigt wird. Mit anderen Worten muss eine Abweichung - soll sie mit den Grundzügen der Planung vereinbar sein - durch das planerische Wollen noch gedeckt sein; es muss angenommen werden können, die Abweichung liege noch im Bereich dessen, was der Plangeber gewollt hat oder gewollt hätte, wenn er die weitere Entwicklung einschließlich des Grundes für die Abweichung gekannt hätte (vgl. etwa BayVGH, U.v. 3.11.2010 - 15 B 08.2426 - juris). Von Bedeutung für die Beurteilung, ob die Zulassung eines Vorhabens im Wege der Befreiung die Grundzüge der Planung berührt, können auch Auswirkungen des Vorhabens im Hinblick auf mögliche Vorbild- und Folgewirkungen für die Umgebung sein. Eine Befreiung ist ausgeschlossen, wenn das Vorhaben in seine Umgebung Spannungen hineinträgt oder erhöht, die nur durch eine Planung zu bewältigen sind (vgl. etwa BayVGH, B.v. 17.11.2016 - 15 ZB 15.468 - juris).
29
Gemessen an diesen Grundsätzen ist nach den Umständen des Einzelfalles vorliegend von einem planerischen Grundkonzept auszugehen, welches durch die beantragte Befreiung berührt wird.
30
Die Festsetzung über die Fassadenbegrünung stellt einen Grundzug der Planung dar. In den zeichnerischen und textlichen Festsetzungen des Grünordnungsplanes zum Bebauungsplan Nr. … der Beklagten ist ein planerisches Grundkonzept deutlich zu erkennen. Die Beklagte legt großen Wert auf eine grüne Gestaltung des streitgegenständlichen Bebauungsplangebietes, wie die umfangreichen Regelungen des Grünordnungsplanes zeigen. Die von der Beklagten festgesetzte Grünplanung einschließlich der inmitten stehenden Fassadenbegrünung stellt ein zentrales Gestaltungselement dar und durchzieht das vorliegende, bereits auf den ersten Blick erkennbar sehr grün gestaltete Plangebiet, welches durch den im Zentrum befindlichen sogenannten … sowie die großzügige öffentliche Grünfläche charakterisiert wird, wie ein roter Faden. Ausweislich der Begründung zum Bebauungsplan sollen die vorgesehenen Pflanzmaßnahmen das Quartier durchgrünen sowie strukturieren. Dies gilt insbesondere für den Übergang der festgesetzten Allgemeinen Wohngebiete im Norden über den im Zentrum des Gebietes gelegenen … und die gliedernde öffentliche Grünfläche, den sogenannten …, zu den festgesetzten Mischgebieten und Garagenflächen weiter südlich. Von einer „zufälligen“ Aufnahme der inmitten stehenden Festsetzung in den Bebauungsplan kann damit gerade nicht ausgegangen werden. Es ist nicht anzunehmen, dass der Plangeber die streitgegenständliche Abweichung gewollt hätte, wenn er die weitere Entwicklung einschließlich des Grundes für die Abweichung gekannt hätte. Vielmehr würde diese das mit der Planung verfolgte Ziel der Beklagten, nämlich die Schaffung eines attraktiven, grünen Quartiers zunichtemachen; würde von der festgesetzten Fassadenbegrünung eine Befreiung erteilt werden, würde dies der planerischen Entscheidung vollkommen zuwiderlaufen und in erheblichem Maße einen Eingriff in das von der Beklagten verfolgte Konzept für die einheitliche „grüne“ Gestaltung des Bebauungsplangebietes und dessen Fassaden darstellen. Beachtlich ist hierbei vor allem auch, dass die über 20 m hohe geschlossene Nordfassade des klägerischen Parkhauses, wie die in den Gerichts- und Behördenakten enthaltenen Lichtbildaufnahmen offenbaren, in dem grün gehaltenen Quartier, insbesondere aufgrund des unmittelbaren Angrenzens an die öffentliche Grünfläche sowie das Allgemeinen Wohngebiet im Norden, wie ein Fremdkörper wirkt und in dem „grün“ gestalteten Bebauungsplangebiet nach außen hin besonders auffällig und weithin sichtbar in Erscheinung tritt. Die inmitten stehende Befreiung hätte indes eine weitreichende Vorbildwirkung für ebenfalls geschlossen ausgeführte Fassaden im gesamten Baugebiet.
31
Nicht durchzudringen vermag die Klägerin auch mit dem Einwand, dass anstelle der vorgesehenen Berankung drei säulenartige Bäume angepflanzt worden seien. Ausweislich der vorgelegten Lichtbildaufnahmen wurde eine derartige Bepflanzung, welche im Übrigen bereits in dem genehmigten Freiflächengestaltungsplan der Klägerin vorgesehen war, zum einen bislang nicht vorgenommen. Zum anderen ist im Hinblick auf den nur begrenzt vorhandenen Platz vor der Nordfassade des Parkhauses eine Bepflanzung mit Bäumen in einer die Fassade weitgehend verdeckenden Anzahl/Breite und Höhe erkennbar nicht möglich und insoweit eine etwaige Kompensation mangels Umsetzbarkeit bereits von vornherein ausgeschlossen.
2.
32
Im Übrigen fehlt es an den tatbestandlichen Befreiungsvoraussetzungen auch deshalb, weil kein Befreiungsgrund gemäß § 31 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 BauGB vorliegt.
a)
33
Es ist ganz eindeutig nicht erkennbar, dass Gründe des Allgemeinwohls die begehrte Befreiung von der festgesetzten Begrünung der geschlossen ausgeführten und über 20 m hohen Nordfassade des klägerischen Parkhauses erfordern.
34
Dies ergibt sich entgegen dem klägerischen Vorbringen auch nicht aus einem Umkehrschlussprinzip; dass die Nordfassade des klägerischen Parkhauses zur Einhaltung der inmitten stehenden Immissionswerte entsprechend der Ausführungen in der klägerischen schallimmissionsschutztechnischen Untersuchung sowie der „Auflagen“ in dem Baugenehmigungsbescheid vom 20. Oktober 2015 verschlossen ausgeführt wurde, führt nicht dazu, dass von den für geschlossene Fassaden geltenden Festsetzungen des Grünordnungsplanes eine Befreiung aufgrund eines Allgemeinwohlerfordernisses zu erteilen ist.
b)
35
Die streitgegenständliche Befreiung ist auch nicht städtebaulich vertretbar.
36
Städtebaulich vertretbar sind im Regelfall alle Vorhaben, die im Sinne der Anforderungen des § 1 Abs. 6 und Abs. 7 BauGB mit der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung i.S.d. § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB vereinbar und damit abwägungsfehlerfrei planbar sind. Je differenzierter die bauleitplanerischen Festsetzungen sind, umso stärker sind die Vorgaben des Bebauungsplanes als die städtebauliche Vertretbarkeit im Sinne des § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB bestimmendes, einschränkendes Moment zu beachten (EZBK/Söfker, 131. EL Oktober 2018, BauGB § 31 Rn. 47).
37
Vorliegend könnte ein Verzicht auf die Begrünung der geschlossen ausgeführten, über 20 m hohen Nordfassade des klägerischen Parkhauses insbesondere unter Berücksichtigung der Abwägungsgrundsätze des § 1 Abs. 7 BauGB nicht durch entsprechende bauleitplanerische Festsetzungen ermöglicht werden.
c)
38
Auch eine unbeabsichtigte Härte liegt hier nicht vor.
39
Zunächst wurde klägerseits - auch mit der vorgelegten Stellungnahme des Landschaftsarchitekten vom 26. Juni 2018 - bereits nicht in substantiierter Weise nachvollziehbar dargelegt, dass eine Begrünung der Nordfassade unter keinen Umständen möglich ist bzw. welche Kosten damit verbundenen wären.
40
Für die Frage, ob eine Härte beabsichtigt ist oder nicht, kommt es indes auf die Perspektive und Willensrichtung des Plangebers und nicht auf diejenige des Planbetroffenen an, so dass durch ein in dessen Risikosphäre liegendes Verhalten eine nicht beabsichtigte Härte nicht hervorgebracht werden kann. In die Sphäre des Grundstückseigentümers einzuordnende und eine Befreiung nicht rechtfertigende Schwierigkeiten sind solche, die - wie hier - auf ihn selbst zurückgehen bzw. von diesem selbst verursacht wurden. Dies ist etwa der Fall, wenn ein Bauvorhaben im Widerspruch zum Bebauungsplan durchgeführt wurde und im Rahmen einer Beseitigungs- oder Anpassungsanordnung die Möglichkeiten einer Befreiung zu prüfen sind. Die sich daraus unter Umständen ergebenden Belastungen sind keine Härte im Sinne des § 31 Abs. 2 Nr. 3 BauGB (BVerwG, B.v. 27.11.1978 - 4 B 120.78 - juris).
41
Vorliegend hätte eine bebauungsplangemäße Begrünung der Nordfassade des klägerischen Parkhauses ohne Weiteres verwirklicht werden können. Dass dies nunmehr erschwert oder gegebenenfalls unmöglich sein soll, beruht nicht auf dem Bebauungsplan, sondern auf der klägerischen, zuvor nicht mit der Beklagten abgestimmten Bauausführung.
3.
42
Im Übrigen wäre die begehrte Befreiung auch nicht unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar. Die Nachbarn des direkt im Norden an das streitbefangene Parkhaus angrenzenden Allgemeinen Wohngebietes haben erkennbar ein Interesse an der Einhaltung der inmitten stehenden Festsetzung zur Fassadenbegrünung. Es ist davon auszugehen, dass insbesondere die Nachbarn in dem direkt gegenüber liegenden Wohngebäude im Norden eine über 20 m hohe, geschlossene Fassade mit Begrünung dem derzeitigen, unbegrünten Zustand vorziehen.
43
Da die inmitten stehende Befreiung die Grundzüge der Planung berühren würde, durch keinen Befreiungsgrund i.S.v. § 31 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 BauGB gerechtfertigt sowie unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen unvereinbar ist und damit in jedem Fall die Tatbestandsvoraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB nicht erfüllt sind, kommt es auf die Frage der Ermessensentscheidung nicht mehr an. Es bleibt insoweit lediglich darauf hinzuweisen, dass ein Anspruch auf Erteilung einer Befreiung eine Reduzierung des Befreiungsermessens voraussetzt, wofür jedoch ebenfalls nichts ersichtlich ist.
44
Nachdem der Klägerin ein Antrag auf Erteilung der begehrten Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB nicht zusteht, war ihr Verpflichtungsbegehren abzuweisen.
4.
45
Des Weiteren war auch die Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 23. April 2020 abzuweisen. Die dort getroffene Anordnung gemäß Art. 54 Abs. 2 Satz 2 BayBO, wonach Vorschläge für eine bebauungsplangemäße Begrünung der Nordfassade des Parkhauses, deren Planung entgegen dem Baugenehmigungsbescheid vom 20. Oktober 2015 - insoweit sei dahingestellt, ob es bei der „Auflage 1.1“ tatsächlich um eine Nebenbestimmung im Sinne des Art. 36 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG oder nicht vielmehr um eine sogenannte modifizierende Auflage handelt - von der Klägerin vor der Ausführung nicht zur Freigabe bei der Beklagten vorgelegt wurde, bis zum 23. Juni 2020 zur Abstimmung vorzulegen sind, ist nicht zu beanstanden. Insbesondere sind keine Ermessensfehler gemäß § 114 Satz 1 VwGO ersichtlich.
5.
46
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 Abs. 2, 173 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.