Titel:
Haftung einer Patientin für Notabschaltung eines MRT-Geräts wegen metallischer Orthese
Normenkette:
BGB § 241 Abs. 2, § 254 Abs. 1, Abs. 2, § 630c Abs. 1
Leitsätze:
1. Den Patienten trifft die Obliegenheit, für die Behandlung bedeutsame Umstände zeitnah offenzulegen und dem Behandelnden auf diese Weise ein Bild von der Person und körperlichen Verfassung des Patienten zu vermitteln, sowie erforderliche Anordnungen im Rahmen der Behandlung zu befolgen. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Patient, der vor einer MRT-Untersuchung über die Gefahr beim Einbringen von metallischen Teilen in das Magnetfeld belehrt wurde, ist verpflichtet, den Behandelnden oder dessen Mitarbeiter rechtzeitig auf eine vom Patienten getragene metallische Orthese hinzuweisen. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
3. Wurde in einer solchen Lage eine Notabschaltung ("Quench") des MRT-Geräts vorgenommen, weil die metallische Orthese vom Gerät angezogen wurde und sich nicht mehr von diesem lösen ließ, kann sich ein Mitverschulden des Behandelnden (hier: 50 %) daraus ergeben, dass anstelle eines Quench auch ein Abnehmen der Orthese möglich gewesen wäre und dass die Mitarbeiter des Behandelnden den Patienten nicht über die Kosten einer Notabschaltung aufgeklärt haben. (Rn. 52) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Behandlungsvertrag, Mitwirkungspflicht, grobe Fahrlässigkeit, Mitverschulden, MRT-Gerät, MRT-Untersuchung, metallische Orthese, Notabschaltung, Quench, Warnobliegenheit
Rechtsmittelinstanz:
OLG Nürnberg, Endurteil vom 15.02.2023 – 4 U 20/22
Fundstelle:
BeckRS 2021, 61335
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 28.237,12 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 24.10.2020 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, weitere 673,90 € an Kosten für die außergerichtliche Rechtsdurchsetzung an den Kläger zu zahlen.
3. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Beklagte hat 45 % der Kosten des Rechtsstreits zu tragen, der Kläger 55 %.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Der Streitwert wird auf 63.099,23 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Der Kläger macht Schadensersatzforderungen aus einem Vorfall vom 17.06.2020 in seiner Praxis sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten geltend.
2
Der Kläger ist Facharzt für Radiologie und Inhaber der Praxis Radiologis in der A2. Straße 3 in ... O.. Die Beklagte war Patientin des Klägers.
3
Am 09.07.2016 erlitt die Beklagte einen Motorradunfall, bei dem ihr linkes Bein massiv geschädigt wurde. Seither kann sie dieses nicht mehr aktiv bewegen und nur mit einer von der Hüfte bis zum Knöchel abwärts reichenden Orthese kontrollieren. Zur Fortbewegung ist sie auf weitergehende Hilfsmittel wie beispielsweise Krücken angewiesen.
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Am 17.06.2020 hatte die Beklagte einen Untersuchungstermin in der Praxis des Klägers infolge dieses Unfalls zur Untersuchung des Nackenbereichs, während welchem eine Kerntspintomographie (MRT) durchgeführt werden sollte.
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Nach Eintreffen der Beklagten in der Praxis erhielt diese einen Anamnesebogen (Anlage K1) und wurde aufgefordert diesen durchzulesen und ausgefüllt und unterschrieben an die Mitarbeiter des Klägers zurück zu reichen.
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In diesem Anamnesebogen wird unter anderem auf folgendes hingewiesen:
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Die Kernspintomografie ist eine Technik zur Darstellung der inneren Organe und Gewebe mithilfe von Magnetfeldern und Radiowellen. Das MRT ist ein Verfahren, das nicht mit Röntgenstrahlen arbeitet.
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Vor der Untersuchung: da Metallteile im Magnetfeldunfälle herbeiführen können, sind vor dem Betreten des Untersuchungsraums bitte folgende metallischen Gegenstände abzulegen: Schmuck, Uhr, Brille, Zahnspange, Hörgeräte, Schlüssel, Münzen, Haarspangen etc., sowie Karten mit Magnetstreifen da die sonst gelöscht werden könnten.
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Weiterhin wird u.a. folgende Frage gestellt:
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Befinden sich in ihrem Körper andere Teile aus Metall? (Zum Beispiel Spirale, Prothesen, Granatsplitter, Gefäßclips, Metallstaub, Zahnprothesen).
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Die Beklagte kreuzte auf dem Fragebogen lediglich an, dass sie eine Zahnprothese trage. Weitere Angaben machte die Beklagte nicht.
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Nach dem Umkleiden in einer Umkleidekabine wurde die Beklagte von Mitarbeitern des Klägers in den MRT Raum geführt. Hierbei halfen die Mitarbeiterinnen des Klägers der Beklagten beim Gehen sowie beim Lagern ihres Beins auf der Untersuchungsliege.
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Beim Zentrieren der Beklagten im Kernspintomographen wurde die sich am linken Bein der Beklagten befindliche Orthese von diesem angezogen und hing sodann am oberen seitlichen Rand des Geräts fest. Ein Wegziehen oder Wegdrücken des Beins war nicht möglich.
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Da ein langsames Abschalten des MRT-Gerätesaus Sicht der Mitarbeiterinnen des Klägers aufgrund von Schmerzensäußerungen der Beklagten nicht in Frage kam, wurde nach Rücksprache mit dem Kundendienst des Herstellers (Siemens H. GmbH) ein sogenannter Quench durchgeführt. Hierbei handelt es sich um eine Notabschaltung, bei der das im Gerät als Kühlmittel eingesetzte Helium in wenigen Sekunden ins Freie abgeleitet wird, was das elektromagnetische Feld des Gerätes unmittelbar zusammenbrechen lässt. Dies führt stets zu einer sofortigen Funktionsuntauglichkeit des MRT-Gerätes, welches im Anschluss erst nach einer längeren Zeitdauer durch den Techniker wieder in einsatzbereiten Zustand versetzt werden kann.
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Die Namens und im Auftrag der Beklagten handelnde Haftpflichtversicherung wurde mit Fristsetzung zum 23.10.2020 zur Zahlung aufgefordert. Eine Zahlung erfolgte bis zum Schluss der letzten Hauptverhandlung nicht.
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Der Kläger behauptet, er habe den sofortigen Einsatz eines Servicetechnikers, welcher noch am selben Tag eintraf und die erforderlichen Arbeiten durchführte und Ersatzteile für den nächsten Morgen per Notbestellung anforderte, veranlasst. Am Folgetag, den 18.06.2020, sei ein erneuter Einsatz des Servicetechnikers von 9:30 bis 18:15 Uhr erfolgt, in welchem das Gerät inspiziert, die Befüllung mit Helium durchgeführt und Vorbereitungen für den Neustart am nächsten Tag durchgeführt wurden. Am 19.06.2020 sei ein letzter Einsatz des Servicetechnikers von 7:45 bis 13:30 Uhr erfolgt, der das MRT-Gerät auf eventuelle Lecks untersuchte, den Magneten wieder hochfuhr, dass Gerät in betriebsbereiten Zustand versetzte und testete. Durch den Einsatz des Servicetechnikers und das neue Befüllen des Magneten mit Helium seien ihm Kosten in Höhe von insgesamt 47.457,33 € netto zzgl. 9.016,90 € Mehrwertsteuer.
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Der Kläger behauptet, die Beklagte hätte zu ihrem Untersuchungstermin eine knöcheltiefe Hose getragen, unter welcher die Orthese nicht zu sehen gewesen sei.
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Der Kläger trägt vor, dass seine Mitarbeiter die Beklagte aufgefordert hätten, alles Metallische abzulegen. Dennoch habe die Beklagte als sie aus der Kabine kam ihren Schmuck noch getragen, so dass sie erneut habe aufgefordert werden müssen diesen abzulegen. Weiterhin hätten die Mitarbeiterinnen des Klägers die Beklagte aufgefordert ihre Krücken vor dem Raum zurückzulassen, da diese aus Metall bestehen würden. Auch hier habe man der Beklagten noch einmal erklärt, dass metallische Gegenstände das MRT “ kaputt machen„könnten.
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Der Kläger behauptet, dass bereits bei einem erstmaligen Zentrieren der Untersuchungsliege im MRT-Gerät ein Zwischenfall stattgefunden habe. Die Beklagte habe noch ihren Autoschlüssel in der Tasche gehabt, der vom MRT-Gerät angezogen worden sei. Im Anschluss daran hätten seine Mitarbeiterinnen den Autoschlüssel entnommen und die Beklagte noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen dass sie nichts Metallisches bei sich haben dürfe, da dies vom MRT-Gerät angezogen werde. Die Beklagte habe bestätigt, dass keine weiteren metallischen Objekte vorhanden seien.
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Weiterhin führt er aus, dass nach dem Vorfall im MRT-Gerät ein Abnehmen der Orthese mit der Gefahr verbunden gewesen wäre, dass Metallteile unkontrolliert von dem Gerät angezogen werden und zu erheblichen Verletzungen führen könnten. Ein normales Abschalten des Kernspintomographen sei darüber hinaus keine mögliche Alternative gewesen, da dies bis zum nächsten Tag gedauert hätte und die Beklagte nicht so lange in ihrer Position hätte ausharren können.
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Der Kläger trägt vor, dass ihm durch den notwendigen Serviceeinsatz Umsatzverlust in Höhe von 6.625,23 € entstanden seien, da bereits für die Tage 17.07.2020 bis 19.07.2020 gebuchte Untersuchungen nicht durchgeführt werden konnten.
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Der Kläger ist der Ansicht, dass die Beklagte aufgrund ausdrücklicher mehrfacher, mündlicher und schriftlicher Nachfrage ihre Pflicht zur Mitwirkung, sowie Informationspflichten aus § 630c Abs. 1 BGB und die allgemeine Verpflichtung zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Vertragspartners aus § 241 Abs. 2 BGB und damit erhebliche Nebenpflichten aus dem Behandlungsvertrag verletzt habe und somit zum Schadenersatz verpflichtet sei.
1. die Beklagte wird verurteilt 63.099,23 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.10.2020 an den Kläger zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, weitere 964,19 € an Kosten für die außergerichtliche Rechtsdurchsetzung an den Kläger zu zahlen
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Die Beklagte beantragt,
Die Klage wird abgewiesen.
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Die Beklagte behauptet, ihr sei die Unterscheidung zwischen einer Magnetresonanztherapie und einer Computertomographie nicht bewusst gewesen.
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Sie ist der Ansicht, sie habe als medizinischer Laie nicht wissen müssen, dass sie ihre Orthese als „anderen Gegenstand“ hätte angeben müssen, da im Fragebogen nicht explizit nach einer Orthese gefragt worden sei. Zudem sei die Orthese auch ohne weiteres für die Mitarbeiter des Klägers erkennbar gewesen, zumindest hätten sie diese aber aufgrund ihres Gangbildes und bei der Hilfeleistung zur Lagerung des Beines auf der Untersuchungsliege durch das erhöhte Gewicht des Beines und die optisch auftragenden Streben erkennen müssen.
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Die Beklagte meint, dass sie lediglich die Geschädigte des streitgegenständlichen Vorfalls sei, welcher monokausal auf eine gröbliche Verletzung der Sorgfaltspflichten der Mitarbeiter des Klägers im Rahmen einer mangelhaften Betriebsorganisation und -überwachung zurückzuführen sei. Zumindest trete ihr allenfalls leicht fahrlässige Verhalten vollständig gegenüber der Sorgfaltspflichtsverletzung des Klägers und dessen Mitarbeiter zurück.
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Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 29.04.2021, 05.08.2021 und vom 14.10.2021 verwiesen.
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Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat am 29.04.2021, 05.08.2021 und am 14.10.2021 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt und am 05.08.2021 die Zeuginnen W. und M3. sowie am 14.10.2021 den Zeugen S. vernommen. Auf die Protokolle zur jeweiligen mündlichen Verhandlung wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig aber nur teilweise unbegründet.
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Die Klage ist zulässig. Die sachliche Zuständigkeit folgt aus §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus §§ 12, 13 ZPO.
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Die Voraussetzungen einer objektiven Klagehäufung gemäß § 260 ZPO liegen vor. Die Klägerin macht mehrere Ansprüche gegen dieselbe Beklagte geltend. Das Landgericht Nürnberg-Fürth ist für alle Anträge zuständig.
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Die Klage ist jedoch nur zum Teil begründet.
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1. Die Beklagte hat am 17. Juni 2020 im Rahmen einer MRT Untersuchung in der Praxis des Klägers die von ihr getragene Orthese nicht angegeben. Aus diesem Grund wurde sie mit der Orthese von den Mitarbeiterinnen des Klägers in den Kernspintomographen geschoben. Dabei wurde ihr Bein aufgrund der Orthese vom MRT-Gerät angezogen und konnte von der Seitenwand nicht mehr selbstständig durch die Mitarbeiterinnen abgezogen werden. Um die über Schmerzen klagende Beklagte schnellstmöglich aus ihrer Lage zu befreien, lösten die Mitarbeiterinnen sodann eine Notabschaltung, einen sog. MRT-Quench, aus.
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1.1 Die Beklagte ist daher verpflichtet, von den Reparaturkosten gemäß Rechnung der Firma Siemens H. GmbH vom 27. Juli 2020 (Anlagekonvolut K2 und K3) in Höhe von 56.474,23 EUR brutto einen Betrag in Höhe von 28.237,12 EUR zu tragen.
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1.1.1. Durch das Verschweigen der von ihr getragenen Orthese hat die Beklagte ihre Nebenpflicht aus dem mit dem Kläger abgeschlossenen „Arztvertrag“, das Eigentum des sie behandelnden Klägers nicht zu beschädigen sowie ihre Mitwirkungspflicht verletzt und ist deshalb gemäß §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 630 a, 630 c BGB dem Kläger zum Schadensersatz in obiger Höhe verpflichtet.
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1.1.1.1 Der zwischen einem Arzt und einem Patienten abgeschlossene Behandlungsvertrag ist dem Typus nach ein Dienstvertrag, weil mit diesem Vertragstyp die charakteristische Erfolgsbezogenheit des Werkvertrags nicht in Einklang zu bringen ist. Der Gesetzgeber hat den Behandlungsvertrag daher mit Wirkung zum 26.2.2013 als eigenen Vertragstypus in den Titel 8 des BGB (Dienstvertrag und ähnliche Verträge) geregelt (§§ 630a-630h).
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1.1.1.2 Indem die Beklagte verschwieg, dass sie an ihrem linken Bein eine Orthese trug hat sie ihre Pflicht zur Mitwirkung gem. § 630 c Abs. 1 BGB bzw. ihre allgemeine Nebenpflicht zur Rücksichtsnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Vertragspartners gem. § 241 Abs. 2 BGB verletzt. Die Beklagte als Patientin des Klägers traf die Obliegenheit, für die Behandlung bedeutsame Umstände zeitnah offenzulegen und dem Behandelnden auf diese Weise ein Bild von ihrer Person und körperlichen Verfassung zu vermitteln, sowie erforderliche Anordnungen im Rahmen der Behandlung zu befolgen. Weiterhin haben sich Gläubiger und Schuldner eines Schuldverhältnis bei dessen Abwicklung so zu verhalten, dass die Person, das Eigentum und sonstige Rechtsgüter des jeweils anderen Teils nicht verletzt werden (Grüneberg in Palandt, 79. Auflage 2020, § 242 BGB Rn 35.). Da es sich bei der Anwendung einer MRT (Magnetresonanztomographie) – auch als Kernspintomographie bezeichnet – um ein diagnostisches Verfahren zur Erzeugung von Schnittbildern des menschlichen Körpers handelt, dass im Unterschied zur Computertomographie (CT) ohne Einsatz von Röntgenstrahlung sondern in einem Magneten mit hoher Feldstärke erfolgt, besteht die Gefahr von Verletzungen der Behandelnden aber auch der Beklagten bzw. der Beschädigung des Kernspintomographen selbst, wenn Metallteile in das Magnetfeld eingeführt werden. Die Beklagte war daher verpflichtete den Beklagten und dessen Mitarbeiter auf ihre metallische Orthese hinzuweisen. Dies hat sie unstreitig unterlassen.
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1.1.1.3 Die Beklagte hat diese Pflichtverletzung auch zu vertreten. Eine Exkulpation gem. § 280 Abs. 1 S. 2 BGB bzw. § 630 h BGB gelingt der Beklagten nicht.
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Die Beklagte handelte hier grob fahrlässig. Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße außer Acht lässt und unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Die Beklagte hat trotz mehrfacher Hinweise und Aufforderungen sich allem Metallischen zu entledigen, durch die Mitarbeiterinnen des Klägers und in der Praxis angebrachte Hinweisschilder, die von ihr am linken Bein getragene metallische Orthese nicht abgelegt bzw. zumindest die Mitarbeiterinnen des Klägers auf diese hingewiesen. Dies steht zur Überzeugung des Gerichts aufgrund der Aussagen der Zeuginnen M3. und W. fest. Diese haben in der Verhandlung vom 05.08.2021 übereinstimmend geschildert, dass die Beklagte in ihrem ausgefüllten Frage/Anamnesebogen die von ihr getragene Orthese nicht angegeben hat und auch im Nachgang zu keinem Zeitpunkt auf diese hingewiesen hat. Zwar erwähnt der Fragebogen, wie die Beklagte zutreffend anführt, nicht ausdrücklich eine Orthese bei den abzulegenden Metallteilen oder den abgefragte Metallteilen im Körper. Allerdings führt der Fragebogen, welcher mit den Parteien auch als Anlage K 1 in Augenschein genommen wurde, folgendes aus:
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Die Kernspintomografie ist eine Technik zur Darstellung der inneren Organe und Gewebe mithilfe von Magnetfeldern und Radiowellen. Das MRT ist ein Verfahren, das nicht mit Röntgenstrahlen arbeitet.
42
Vor der Untersuchung: da Metallteile im Magnetfeldunfälle herbeiführen können, sind vor dem Betreten des Untersuchungsraums bitte folgende metallischen Gegenstände abzulegen: Schmuck, Uhr, Brille, Zahnspange, Hörgeräte, Schlüssel, Münzen, Haarspangen etc., sowie Karten mit Magnetstreifen da die sonst gelöscht werden könnten.
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Dies stellt einen deutlichen Hinweis auf die Gefahr des Einbringens von metallischen Teilen in das Magnetfeld dar, welche nur durch eine beispielhafte Auflistung untermauert wird. Dass diese nicht abschließend ist, zeigt sich auch bereits aus der Verwendung der Abkürzung „etc.“ am Schluss der Aufzählung, welche auf deren Beispielcharakter hinweist. Hier eine vollständige Auflistung aller möglichen Gegenstände durch den Kläger zu fordern, wäre praktisch nicht umsetzbar.
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Auch dass die Orthese bei der Abfrage der Metallteile im Körper nicht aufgeführt ist, ist unschädlich, da sie unstreitig nicht im sondern am Körper getragen wird. Zwar muss der Kläger sich hierbei die Kritik gefallen lassen, dass gerade häufiger vorkommende Unterstützungssystheme am Körper wie gerade Orthesen etc. vom Fragebogen nicht explizit abgefragt werden. Allerdings darf er, aufgrund des im Fragebogen ausdrückliche enthaltenen Hinweises auf die Funktionsweise des MRT eine solche Transferleistung von seinen Patienten erwarten.
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Selbst wenn man, wie nicht, die ausdrückliche Abfrage von Orthesen im Fragebogen als unzureichende Aufklärung ansehen wollen würde, so hätte der Beklagten, spätestens als sie noch einmal ausdrücklich zum Ablegen ihres Schmuckes aufgefordert wurde, welchen Sie trotz des Hinweises im Fragebogen und auf den an den Türen der Umkleidekabine angebrachten Hinweisschildern auf dem Weg zum Kernspintomographen noch trug, auffallen müssen, dass auch wie ihr bekannt war, ihre Orthese aus Metall gefertigt ist und offensichtlich von den Mitarbeiterinnen des Klägers aufgrund der von ihr getragenen Hose bisher noch nicht bemerkt worden war. Spätestens auf die hier erfolgte explizite Nachfrage der Mitarbeiterinnen, hätte die Beklagte somit auf die Orthese hinweisen müssen. Gleiches gilt für den ausdrücklichen Hinweis hinsichtlich der Aufforderung ihre mettallischen Krücken vor der Türe zu lassen. Das Vorhandensein der Hinweisschilder und die wiederholten Hinweise der Mitarbeiterinnen an die Beklagte stehen zur Überzeugung des Gerichts fest, aufgrund des übereinstimmenden Vortrags der Zeuginnen W. und M3.. Hierbei schildern Sie jeweils übereinstimmend, dass die Beklagte noch Schmuck getragen hat als sie aus der Umkleidekabine trat und dass sowohl an der Tür der Umkleidekabine als auch an der Tür zum Behandlungsraum ein Hinweisschild entsprechend Anlage K5, welche mit den Parteien und den Zeuginnen in Augenschein genommen wurde, angebracht ist. Die Zeugin W. schilderte darüber hinaus detailreich, wie sie der Beklagten geholfen hat die Schmuckstücke abzulegen und sie noch einmal nach vorhandenen Metallteilen befragt hat. Dies habe die Beklagte verneint. Zudem habe sie die Beklagte vor dem Behandlungraum aufgefordert, ihre Krücken dort zurückzulassen und explizit darauf hingewiesen, dass dies notwendig sei, da sie aus Metall gefertigt sind.
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Weiterhin schilderten beide Zeuginnen widerspruchsfrei, dass selbst im Behandlungsraum, nachdem die Beklagte auf der Liege platziert worden war, diese in ihrer Hosentasche für die Mitarbeiterinnen nicht sichtbar noch einen Autoschlüssel bei sich trug, der sodann vom Kernspintomographen angezogen wurde. Auch als dieser sodann von der Zeugin W. entfernt worden war, wurde die Beklagte ein weiteres Mal nach metallischen Gegenständen befragt, was diese wiederum verneinte. Auch dies steht zur Überzeugung des Gerichts fest aufgrund der übereinstimmenden und schlüssigen Aussagen der Zeuginnen W. und M3..
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Das Gericht hat keinerlei Anlass am Wahrheitsgehalt dieser Angaben zu zweifeln. Es verkennt nicht, dass der Zeuginnen als Angestellte des Klägers ein Eigeninteresse am Ausgang des Prozesses haben könnten. Die Angaben wurden jedoch ruhig und sachlich sowie detailreich gemacht. Sie sind in sich stimmig und schlüssig.
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Auch ein Behandlungsfehler des Klägers gem. § 630 h BGB, kann im fehlenden Entdecken der Orthese nicht gesehen werden.
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Der Kläger ist durch seine Mitarbeiter der Aufklärungs- und Hinweispflicht wie bereits ausgeführt ausreichend nachgekommen. Die Orthese der Beklagten war durch die Mitarbeiterinnen auch nicht ohne weiteres erkennbar. Es steht zur Überzeugung des Gerichts aufgrund der Aussagen der Zeuginnen M3. und W. fest, dass die Orthese von den Mitarbeitern des Klägers nicht bemerkt wurde und auch nicht ohne weiteres hätte bemerkt werden können. Diese sagten aus, dass die Orthese mit bloßen Auge nicht erkennbar war. Allein vom Gangbild der Beklagten konnten sie auch nicht darauf schließen, dass die Beklagte eine solche Orthese trug. Das Gericht hat sich hiervon auch durch in Augenscheinnahme der Beklagten in der Hose die sie auch bei dem fraglichen Vorfall trug in der Verhandlung vom 29.04.2021 überzeugt. Es handelt sich hierbei um eine hellblaue Jeanshose, welche an der linken Seite einen Reißverschluss aufweist. Diese Hose ist auch in dem vom Kläger vorgelegten Handyvideo vom Tag des Vorfalles zu sehen. Auf den ersten Blick ist die Orthese nicht zu erkennen, da sie sich nicht durch den Jeansstoff durchdrückt bzw. offensichtliche aufträgt. Lediglich wenn die Hose nach oben rutscht, wird der untere Teil der Orthese etwa in Knöchelhöhe sichtbar. In der Verhandlung vom 29.04.2021 war die Hose in Höhe des Oberschenkels an der Orthese hängen geblieben. Ob die Hose bei der damaligen Behandlung jedoch ebenfalls auf diese Art hochgerutscht war, konnte von der Beklagten nicht ausreichend überzeugend dargelegt werden. Weiterhin gab die Zeugin M3. glaubhaft an, dass sie die Beklagte bei der Lagerung auf der Untersuchungsliege nur an deren Schuh angefasst habe und die Hose bis zum Schuh „hinunter gegangen“ sei und sie daher Orthese nicht bemerkt habe. Diese Angaben konnten von der Beklagten nicht widerlegt werden. Eine weitere über die bereits ausgeführte Aufklärungspflicht des Klägers ins Blaue hinein bzw. eine Pflicht zur weitergehenden körperlichen Untersuchung der Beklagten auf nicht angegebene Metallteile, oblag dem Kläger nicht.
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1.1.1.2 Durch die aufgrund des Vorfalls unstreitig durchgeführten Notabschaltung des Kernspintomographen (einem sog. Quench) ist dem Kläger ein Schaden in Höhe von 56.474,23 € brutto entstanden. Diese setzen sich zusammen aus den Kosten für das Befüllen mit flüssigem Helium in Höhe von 36.679,50 €, sowie der Kosten für den Technikereinsatz der Firma Siemens H. GmbH in Höhe von 10.777,83 € sowie 9.016,90 € Mehrwertsteuer. Die Höhe der Kosten steht zur Überzeugung des Gerichtes fest aufgrund der Angaben des Zeugen S. sowie der als Anlagenkonvolut K2 und K3 vom Kläger vorgelegten Rechnungen und Servicereports der Firma Siemens H. GmbH. Diese weisen den entsprechenden Rechnungsbetrag aus. Weiterhin hat der Zeuge S. überzeugend dargelegt, dass er für das Vorgehen nach einer Notabschaltung, der sog. „PostQuench-Procedure“, die abgerechneten Arbeitsstunden und die Unterstützung eines weiteren Technikers benötigt hat. Er schilderte detailreich und ohne Widersprüche, dass die abgerechnete Arbeitszeit über 3 Arbeitstage notwendig und angemessen gewesen sei. Er erklärt die abgerechneten Arbeitszeiten von 18:75 h für ihn und 8,5 h für unterstützende Mitarbeiter nachvollziehbar und überzeugend dadurch, dass er bei der „Postquenchprocedure“, welche nur durch einen Techniker unter Einsatz besonderer technischer Hilfsmittel durchgeführt werden kann, zum einen die Sollbruchstellen, an denen das Helium im Fall eines Quench entweicht auf Dichtigkeit prüfen und eventuell abdichten muss. Hierfür befinden sich im Gerät zwei sogenannte Burst-Discs, diese können im Falle eines Quenchs brechen. Im streitgegenständlichen Fall seien beide gebrochen gewesen. Weiterhin habe das entwichene Helium wieder aufgefüllt, der Heliumport enteist sowie das Gerät geprüft, neu gestartet und getestet werden müssen. Sowohl die Beschaffung einer Burst-Disc, als auch des Heliums seien jedoch nur über Nacht möglich gewesen. Darüber hinaus erläuterte der Zeuge S., dass man für die Überprüfung der Burst-Discs einen großen Kamin anschließen muss und dies nur unter zu Hilfenahme eines zweiten Kollegen durchführbar war, welcher auch bei den weiteren Arbeiten aufgrund der gefahrgeneigten Arbeit mit flüssigem Helium notwendig war. Dieser wurde in der Rechnung vom 27.07.2020 unter den Positionen Arbeitszeit und Reisezeit Schuerrle, Karl, bzw. Rosskamp, David abgerechnet. Helium sei in einer Menge von ca. fünf Kannen à 250 l flüssiges Helium benötigt worden. Die Rechnung vom 27.07.2020 weist dem entsprechend eine Heliummenge von 1.287 l für 28,50 € pro Liter auf. Für das Befüllen mit Helium alleine habe er ca. 20 -45 Minuten pro Kanne benötigt. Nach dem Befüllen sei eine Wartezeit von ca. 2 Stunden zwingend notwendig, da sonst die Gefahr eines erneuten Quenchs beim Hochfahren des Systems zu hoch wäre. Weiterhin sei nach einem erneuten Start des Geräts eine Testung unter Normalbedingungen notwendig. Die Beklagte kann sich nach diesen detaillierten Angaben auch nicht mehr auf ein rein pauschales Bestreiten der angefallenen Arbeiten zurückziehen, sondern müsste konkret vortragen, welcher Posten der Rechnung unzutreffend und nicht kausal aufgrund des durchgeführten Quenchs angefallen sein soll. Sie hat ihr Bestreiten jedoch bis zum Abschluss des Verfahrens nicht näher konkretisiert.
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1.1.1.3 Dennoch war der Klage auf Ersatz des entstandenen Schadens nicht vollumfänglich stattzugeben. Es liegt ein Mitverschulden des Klägers durch seine ihm gem. § 278 BGB zuzurechnenden Mitarbeiter gem. § 254 BGB vor. Die Rechtsfolge eines Mitverschuldens des Geschädigten besteht darin, dass sich die Frage, ob überhaupt und bejahendenfalls in welcher Höhe Ersatz zu leisten ist, nach den Umständen des Einzelfalls beantwortet. Der Schaden ist zwischen dem Schädiger und dem Geschädigten zu teilen. Im streitgegenständlichen Fall ist das Mitverschulden mit einer Quote von 50% anzusetzen.
52
Der Quench war zwar ein mögliches, aber nicht das einzig mögliche Mittel die vom Magnetfeld des Kernspintomographen angezogene Orthese zu lösen. Unstreitig stellte dieser zwar das schnellste Mittel dar, um das Magnetfeld abzuschalten. Allerdings wären auch, entgegen der Ansicht des Klägers, ein Abnehmen der Orthese durch öffnen der Schrauben ohne erhebliche Gefahr für die Beklagte und die Mitarbeiter möglich gewesen. Dies steht zur Überzeugung des Gerichts fest aufgrund der Angaben des Zeugen S. in der Verhandlung vom 14.10.2021. Er schilderte detailreich und nachvollziehbar, dass in das MRT-Gerät eingebrachte metallische Gegenstände zunächst von der nächstliegenden Wand angezogen werden und anschließend in die Mitte des Magnetfeldes in der Mitte des Gerätes am Boden gezogen werden. Kleine Gegenstände mit geringem Metallanteil könne man in einem solchen Fall aus dem MRT-Gerät einfach wieder herausnehmen. Das Gericht hat keinerlei Anlass am Wahrheitsgehalt dieser Angaben zu zweifeln. Eine Gefahr durch unvorhersehbar herumfliegende Kleinteile bei einem Lösen der Schrauben der Orthese war damit, entgegen der Ansicht des Klägers, nicht zu befürchten. Hierfür wäre zwar wohl spezielles metallfreies Werkzeug notwendig gewesen. Wenn man nicht schon davon ausgeht, dass in einer radiologischen Praxis zumindest ein metallfreier Schraubenzieher bereits vorgehalten werden muss, so wäre ein solcher jedoch zumindest schnell verfügbar gewesen. Dennoch wäre auch in diesem Fall ein kostenintensiver Technikereinsatz notwendig gewesen, um ein Abschalten des Kernspintomographen und anschließendes Entfernen der großen Metallteile Orthese zu ermöglichen. Da die Mitarbeiter des Klägers die Beklagte auch nicht gem § 254 Abs. 2 BGB darüber aufgeklärt haben, welche hohen Kosten eine Notabschaltung hervorrufen kann, ist auch nicht ermittelbar, ob sie eine entsprechende Zeitdauer, nach Angaben des Zeugen S. ca. vier Stunden und somit nicht wie vom Kläger vorgetragen bis zum nächsten Tag, bis zum Abschalten des MRT-Gerätes auf normalem Weg, in ihrer Position ausgehalten hätte. Somit ist nach Abwägung der widerstreitenden Interessen der Parteien eine hälftige Aufteilung des Schadens aus Sicht des Gerichts angemessen.
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1.1.2. Auch aus § 823 BGB ergibt sich keine weitergehender deliktischer Anspruch des Klägers. Auch hier findet der Mitverschuldenstatbestand des § 254 BGB Anwendung, so dass es zu keinem anderen Ergebnis als bei der vertraglichen Haftung kommen kann.
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1.1.3. Hinsichtlich des durch den Kläger geltend gemachten entgangenen Gewinn in Höhe von 6.625,23 € war die Klage abzuweisen. Der Kläger konnte die als Schaden geltend gemachten Kosten trotz Hinweis des Gerichtes vom 29.04.2021 nicht substantiiert nachweisen. Die als Anlage K4 vorgelegten Ausfälle zeigen nach eigener Überschrift lediglich geschätzte Ausfälle an. Konkret vereinbarte Behandlungen und angefallene Kosten wurden trotz des Bestreitens durch die Beklagtenseite nicht dargelegt.
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2. Der Klägerin hat auch Anspruch auf Ersatz von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus einem objektiven Gegenstandswert von 28.237,12 € und somit in Höhe von 673,90 € (1.121,90 € – Anrechnung 560, 95 € +20 € Pauschale und 16% MWSt). Dem Anspruch des Geschädigten auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten ist grundsätzlich der Gegenstandswert zugrunde zu legen, der der berechtigten Forderung entspricht (vgl. BGH in NJW 2017, 3588, BGH, Urteil vom 5.12.2017 – VI ZR 24/17 in NJW 2018, 935).
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3. Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288 Abs. 1, § 286 Abs. 1 BGB. Die namens und im Auftrag der Beklagten handelnde Haftpflichtversicherung wurde unstreitig mit Fristsetzung zum 23.10.2020 zur Zahlung aufgefordert, so dass sich die Beklagte ab dem 24.10.2020 mit der Zahlung in Verzug befand.
57
III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 91, 92 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO, bzw. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.