Titel:
Grob fahrlässige Unkenntnis, Klagepartei, Sittenwidrigkeit, Anspruchsbegründender Umstand, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Elektronischer Rechtsverkehr, Elektronisches Dokument, Merkantiler Minderwert, Abschalteinrichtung, Grobe Fahrlässigkeit, Streitwert, Klageabweisung wegen Verjährung, Ungerechtfertigte Bereicherung, Einrede der Verjährung, Verjährungsbeginn, Verjährungsfrist, Wert des Beschwerdegegenstandes, Kostenentscheidung, Anderweitige Erledigung, Nutzungsentschädigung
Schlagworte:
Verjährung, Schadensersatzanspruch, Grob fahrlässige Unkenntnis, Mediale Berichterstattung, Person des Schuldners, Herausgabe des Erlangten
Rechtsmittelinstanzen:
OLG Nürnberg, Beschluss vom 12.09.2022 – 12 U 1123/21
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 06.03.2023 – VIa ZR 1428/22
Fundstelle:
BeckRS 2021, 61201
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 25.786,43 € festgesetzt.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadenersatz aufgrund deliktischer Produktmanipulation an einem Pkw.
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Der Kläger erwarb am … das im Antrag näher bezeichnete Fahrzeug … zu einem Kaufpreis von 31.700,00 Euro brutto bei einem Kilometerstand von 10 km. Ausweislich des Kaufvertrags (Anlage K 2) handelte es sich um einen Re-Import („EU-Importfahrzeug“).
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Zum Schluss der mündlichen Verhandlung betrug die Laufleistung 74.402 km.
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Die Beklagte ist die Muttergesellschaft des … … -Konzerns, sie hält 100 % der … a.s. Der Vorstand der Beklagten ist berechtigt, der Geschäftsführung der … a.s. vollumfängliche Weisungen zu erteilen, die Geschäftsführung der Skoda Auto a.s. ist verpflichtet, diese Weisungen zu befolgen. Grundlegende Entscheidungen werden jedoch von der Beklagten getroffen.
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Der Motor des Pkw wurde von der Beklagten hergestellt. Eingebaut ist ein Dieselmotor des Typs … Der Motor des Pkws war mit einer Software ausgestattet, die erkennt, wenn das Fahrzeug den Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) durchfährt, und dabei die Abgasrückführung so optimiert, dass sich der Stickoxidausstoß verringert. Nur aufgrund dieser Software, die erkennt, ob sich ein Fahrzeug einem Prüfstandtest unterzieht oder sich im realen Gebrauch auf der Straße befindet, war es dem Motor möglich, die gesetzlich für den NEFZ-Prüfstandsbetrieb vorgegebenen und im technischen Datenblatt niedergelegten Abgaswerte einzuhalten. Das Kraftfahrtbundesamt stellte mit Bescheid vom … fest, dass die streitgegenständliche Software im Sinne des Unionsrechts unzulässig war und ordnete den Rückruf der betroffenen Fahrzeuge, zu denen auch das klägerische Fahrzeug gehört, an.
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Die mit der streitgegenständlichen Software ausgestatteten Fahrzeuge werden auf Kosten der Beklagten entsprechend einem mit dem Kraftfahrtbundesamt abgestimmten Zeit- und Maßnahmenplan technisch überarbeitet.
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Der Klägervertreter hat die Beklagte mit Schreiben vom 17.11.2020 zur Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des PKW aufgefordert. Dem kam die Beklagte nicht nach.
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Die Klagepartei trägt vor, durch Verwendung der illegalen Abschalteinrichtung auf dem Prüfstand hätten scheinbar zulässige Emissionswerte vorgespiegelt und die Typengenehmigung erlangt sowie in der Folge die unrichtigen Übereinstimmungserklärungen ausgestellt werden können. Dabei sei es der Beklagten darauf angekommen, dass der von ihr hergestellte Motor bzw. die damit versehenen Fahrzeuge auf dem freien Markt erworben würden. Die Beklagte habe von Beginn an gewusst, dass diese Fahrzeuge aufgrund der verbauten illegalen Abschalteinrichtung nicht zulassungsfähig seien. Er habe auf die Zusicherungen der Beklagten, ein besonders umweltfreundliches und „sauberes“ Fahrzeug zu erwerben, vertraut. Die Organe der Beklagten hätten Kenntnis von Entwicklung, Weiterentwicklung und Inverkehrbringen der illegalen Abschalteinrichtung und dem Einbau in die Fahrzeuge der Beklagten sowie ihrer … gehabt. Sie hätten in Kenntnis der gesundheitlichen und ökologischen Folgen der Stickoxidbelastung gehandelt. Das Inverkehrbringen der Fahrzeuge habe nur durch Betrug bei der Erlangung der Typengenehmigung bzw. Erstellung der Übereinstimmungsbescheinigung und durch Täuschung der Käufer erfolgen können. Die Klagepartei meint, dass die Beklagte sie vorsätzlich sittenwidrig geschädigt habe und ihr daher nach § 826 BGB zum Schadensersatz verpflichtet sei. Die Beklagte habe das streitgegenständliche Fahrzeug unter Verschweigen der gesetzeswidrigen Programmierung der Motorsteuerung zum Zwecke des Weiterverkaufs in den Verkehr gebracht und über die Manipulation des Prüfstandverfahrens getäuscht. Der Klagepartei sei auch ein Schaden entstanden, da sie ein Fahrzeug gekauft habe, das sie bei Kenntnis der Sachlage nicht erworben hätte. Aufgrund der illegalen Abschalteinrichtung sei das streitgegenständliche Fahrzeug von Beginn an nicht zulassungsfähig gewesen, so dass mit einer Betriebsuntersagung und Außerbetriebssetzung gerechnet werden musste. Der Vorstand, Repräsentanten wie Prokuristen und weitere Mitarbeiter der höheren Führungsebene hätten Kenntnis von den die Sittenwidrigkeit begründenden Umständen gehabt und auch hinsichtlich der Schädigung vorsätzlich gehandelt. Die Handlungen der Beklagten seien kausal für den Schaden gewesen. Zum ersatzfähigen Schaden gehörten Posten, die durch die sittenwidrige Täuschung verursacht worden seien. Alle geltend gemachten Schadensposten seien auf die sittenwidrige Täuschung zurückzuführen.
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Die Klage ist der Beklagten am … zugestellt worden.
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Mit Schriftsatz vom … hat die Klagepartei die Klage hinsichtlich eines Hilfsantrags erweitert.
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Der Kläger beantragt zuletzt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeuges … mit der Fahrgestellnummer … an die Klagepartei 31.700,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 02.12.2020 abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 5.913,58 Euro zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte seit dem 02.12.2020 mit der Rücknahme des in Klageantrag Ziffer 1 bezeichneten Fahrzeuges im Annahmeverzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten ihres Rechtsanwaltes … in Höhe von 1.825,14 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.
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Hilfsweise für den Fall der Klageabweisung wegen Verjährung wird beantragt:
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Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger dasjenige nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung herauszugeben, was sie im Zusammenhang mit dem Verkauf des … mit der Fahrgestellnummer … erlangt hat.
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Die Beklagte beantragt:
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Die Klage wird abgewiesen.
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Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung, da die Klage erst nach 2018 erhoben wurde. Hierzu trägt sie vor, dass in Bezug auf den Verjährungsbeginn auf das Bekanntwerden der Abgasthematik im Jahr 2015 abzustellen sei.
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Die Beklagte behauptet, das gegenständliche Fahrzeug sei technisch sicher und gebrauchstauglich und verfüge über eine wirksame EG-Typgenehmigung. Die Beklagte habe die Klagepartei nicht über das Vorliegen bzw. den drohenden Entzug der EG-Typgenehmigung getäuscht. Sie habe auch keine unzulässige Abschalteinrichtung oder Wertminderung des Pkws verschwiegen, da diese nicht vorgelegen haben. Es fehle bereits an einer sittenwidrigen Handlung der Beklagten, insbesondere habe diese die Klagepartei nicht getäuscht. Der Klagepartei sei auch kein Schaden entstanden. Jedenfalls fehle es an einem Schädigungsvorsatz der Beklagten. Durch die Verwendung der Software seien der Klagepartei auch keine wirtschaftlichen Nachteile entstanden, da das streitgegenständliche Fahrzeug keinen merkantilen Minderwert aufweise. Auch sei der Klagepartei der dem Rechtsstreit zugrunde liegende Sachverhalt seit dem Jahr 2015 bekannt gewesen. Die Beklagte ist daher der Ansicht, dass der Klagepartei kein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB gegen die Beklagte zustehe, weil bereits mit Ablauf des Jahres 2018 Verjährung eingetreten sei.
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Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom … Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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1. Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Ein Schadensersatzanspruch gemäß § 826 BGB wäre jedenfalls verjährt.
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Gemäß § 195 BGB beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist 3 Jahre. Nach § 199 Abs. 1 BGB beginnt sie mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste.
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a) Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch ist mit Erwerb des streitgegenständlichen Fahrzeuges imi … entstanden.
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b) Entscheidend ist daher – jedenfalls grundsätzlich –, zu welchem Zeitpunkt die Klagepartei von den oben genannten Aspekten Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste.
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aa) Zur Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände gehören bei dem streitgegenständlichen Schadensersatzanspruch die Pflichtverletzung, der Eintritt eines Schadens und die eigene Schadensbetroffenheit (vgl. Palandt-Ellenberger, BGB, § 199 BGB, Rn. 28). Grob fahrlässige Unkenntnis liegt in diesem Zusammenhang vor, wenn der Gläubiger ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt hat bzw. nicht beachtet hat, dass sich ihm mithin die den Anspruch begründenden Umstände förmlich aufgedrängt haben, er davor aber letztlich die Augen verschlossen hat (vgl. Nur BGH ZIP 2019, 22 Rn. 20; BGH WM 2018, 2271 Rn. 14; BGH ZIP 2008, 2164 Rn. 16; VersR 2010, 214 Rn. 13; BGHZ 186, 152 = ZIP 2010, 1548 Rn. 28 mwN; BGH ZIP 2010, 1760 Rn. 12; NJW-RR 2012, 111 Rn. 8; GRUR 2012, 1248; NJW 2015, 8 Rn. 40; 2015, 2956 Rn. 11; BeckRS 2015, 03384; NJW-RR 2015, 1321 Rn. 10; BeckRS 2016, 06152 Rn. 11; NJW-RR 2016, 1187 Rn. 34 = WM 2016, 780; NJW 2017, 2187 Rn. 8; OLG Schleswig BeckRS 2009, 15939; NZG 2016, 179; OLG Koblenz NJW 2018, 477 [478]). Es genügt dabei, dass die Klagepartei aufgrund der ihr bekannten oder erkennbaren Tatsachen eine hinreichend aussichtsreiche, wenn auch nicht risikolose Klage erheben kann (Palandt-Ellenberger, a.a.O.).
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bb) Dies war hier bereits seit Ende des Jahres 2015 der Fall. Eine Klageerhebung zum damaligen Zeitpunkt war auch nicht unzumutbar. Eine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen lag seit dem Jahre 2015 vor. Es kann hierbei nicht darauf abgestellt werden, ob und wann die Rechtslage in allen Einzelheiten geklärt scheint und der Klagepartei damit jedes Prozessrisiko abgenommen würde (vg. BGH 1985, 2022 [2023]; NJW 1994, 3092 [3093]; VersR 1995, 551 [552]; OLG Naumburg NJW-RR 2004, 613 [614]). Die Kenntnis – oder jedenfalls eine grob fahrlässige Unkenntnis – der Klagepartei von den anspruchsbegründenden Tatsachen ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts bereits aus der umfangreichen Berichterstattung zu diesem Thema.
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(1) Durch die unstreitige mediale Aufarbeitung im Jahr 2015 und die eigenen Mitteilungen der Beklagten gegenüber der Öffentlichkeit mussten sich die den Anspruch begründenden Umstände der Klagepartei förmlich aufdrängen. Die Beklagte hat im Jahr 2015 unstreitig selbst die mediale Berichterstattung unterstützt. Insbesondere hat die Beklagte im Oktober 2015 eine Internetseite freigeschaltet, auf der Halter mittels Eingabe der FIN die individuelle Betroffenheit ihres Fahrzeugs prüfen konnten. Es war daher für die Klagepartei spätestens ab diesem Zeitpunkt erkennbar gewesen, dass es sich bei dem Einbau der Prüfstandserkennungssoftware um eine unerlaubte Handlung gehandelt hat und durch den Erwerb des Fahrzeugs für sie. ein Schaden – die eigene Rechtsansicht der Klagepartei zugrunde gelegt – entstanden wäre.
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(2) Das Gericht geht davon aus, dass der Kläger 2015 die gängigen Medien wie Fernsehen, Radio oder Internetangebote nutzte. Besondere Umstände, die es möglich erscheinen ließen, dass der Kläger ausnahmsweise keine Informationsmedien nutzte, die über den Dieselskandal berichteten, wurden weder vorgetragen, noch sind sie aus sonstigen Umständen naheliegend. Zur Überzeugung des Gerichts steht deshalb fest, dass der Kläger allein aufgrund der gerichtsbekannten Nachrichtenblöcke und Meldungen Kenntnis in den Medien von dem VW-Dieselskandal noch im Jahr 2015 hätte erlangen können und müssen.
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Sollte die Klagepartei dennoch keine positive Kenntnis von diesen Umständen erlangt haben, wäre dies jedenfalls im Rechtssinne als grob fahrlässige Unkenntnis auszulegen. Die Dieselthematik beherrschte ab Ende September 2015 sämtliche deutsche regionale und überregionale, sowie auch internationale Medien. Alleine im September 2015 veröffentlichten deutsche Printmedien, die teilweise eine Reichweite von mehreren Millionen Lesern haben, über 1.000 Artikel. Ab dem 22. September 2015 zeigten auch zahlreiche Fernsehsender umfassende Beiträge in ihren Nachrichtensendungen. „Das Erste“ berichte an diesem Tag unter anderem in der Sendung „Tagesschau“, einer sich anschließenden Sondersendung „Brennpunkt“ und den Spätnachrichten „Tagesthemen“ über die Umschaltlogik und die Betroffenheit von 11 Millionen Fahrzeugen weltweit (weitere Beispiele: Artikel Focus online – „Bis zu 11 Millionen Fahrzeuge mit Schummel-Software“ vom 22. September 2015; ARD Brennpunkt „Manipulationsskandal bei … – Winterkorn unter Druck“, vom 22. September 2015; Artikel Spiegel online -„Abgasmanipulation – … Management soll früh von Skandal gewusst haben“, 19. November 2015). Der sogenannte Abgasskandal war ab dem 22. September 2015 in den Medien derart präsent, dass ihn jede durchschnittlich informierte und verständige Person zumindest im Erwachsenenalter bemerken musste. Erst recht gilt dies für Kunden der Beklagten und der mit ihr verbundenen Unternehmen mit Dieselfahrzeugen, da angenommen werden kann, dass diese Kunden die Berichterstattungen aufgrund potentieller Auswirkungen auf sich selbst besonders wahrnehmen. Bereits in den ersten Tagen nach Bekanntwerden der Softwaremanipulation wurden betroffene Fahrzeugmodelle genannt und Details zu den manipulierten Motoren (Antriebsart, Hubraum, Schadstoffklasse, Baujahr) bekannt gegeben. Auch über die Betroffenheit anderer Konzernmarken wie Audi, Skoda und Seat wurde von Anfang an berichtet. Für die Klagepartei lagen daher noch im Herbst 2015 konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass ihr Fahrzeug von der Manipulation betroffen sein könnte. Ab Oktober 2015 bestand mit der FIN-Abfrage auf der Homepage der Beklagten für alle Kunden eine einfache und kostenfreie Möglichkeit, ihre Fahrzeuge auf eine Betroffenheit von der Softwaremanipulation hin zu überprüfen. Um Gewissheit zu bekommen, musste daher nicht eine Vertragswerkstatt aufgesucht oder in direkten (schriftlichen oder telefonischen) Kontakt mit der Beklagten getreten werden. Über diese niederschwellige Abfragemöglichkeit im Internet wurde in den Medien auch berichtet.
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Das Gericht folgt nicht der Rechtsauffassung, dass etwaige Unklarheiten und Beschwichtigungen in der eigenen Kommunikation der Beklagten einer grob fahrlässigen Unkenntnis entgegenstünden (vgl. zur Gegenansicht u.a. LG Ellwangen Urt. v. 20.12.2019 – 2 O 178/19). Bei Beachtung des erforderlichen Sorgfaltsmaßstabs in eigenen Angelegenheiten wäre von der Klagepartei jedenfalls zu erwarten gewesen, sich nicht von etwaigen Beschwichtigungen „blenden“ zu lassen. Denn vorliegend konnte ein verständiger Käufer aufgrund der umfangreichen Berichterstattung der unabhängigen Presse- und Medienlandschaft nicht davon ausgehen, dass etwaigen beschwichtigenden Worten der Beklagten mehr Glauben geschenkt werden kann als der unabhängigen medialen Berichterstattung. Durch die plakative Verwendung von Begriffen wie „Manipulationsskandal, Schummel-Software, etc.“ (siehe oben) in den Medien mussten sich einem verständigen Käufer die Schwere der Vorwürfe und deren mögliche Auswirkungen geradezu aufdrängen.
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cc) Die Klagepartei hatte vor diesem Hintergrund auch eine hinreichende Kenntnisnahmemöglichkeit von der Person des Schuldners. Schon nach allgemeiner Lebenserfahrung ist davon auszugehen, dass die Verantwortlichkeit im Bereich des Vorstandes zu suchen ist. Dies ergibt sich daraus, dass der Vorstand auch aus Sicht eines Laien entweder von den Vorgängen wissen musste, oder falls nicht, jedenfalls seiner Überwachungs- und Organisationspflicht nicht in hinreichendem Maße nachgekommen ist. Ein etwaiges Leugnen der Verantwortlichkeit oder Beschwichtigungen durch die Beklagtenseite ist einem Rechtsstreit zumeist immanent und ändert mithin nichts an der Zumutbarkeit einer Klage. Damit hatte die Klagepartei auch hinreichende Kenntnis bzw. eine ausreichende Kenntnisnahmemöglichkeit von der Person des Schuldners im Jahr 2015.
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c) Der Anspruch ist mithin gemäß der regelmäßigen Verjährungsfrist von 3 Jahren mit Ablauf des Jahres 2018 verjährt.
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2. Die Klage hat auch keinen Erfolg, soweit sie die Herausgabe des Erlangten nach § 852 BGB begehrt.
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Im hier vorliegenden Fall eines Re-Importes hat die Klägerseite ein bereits auf dem Markt befindliches Fahrzeug im Ausland erworben. Das Absatzrisiko lag in diesem Fall nicht mehr bei der Beklagten; es hatte ihren Zugriffsbereich bereits verlassen, und es ist nicht nachvollziehbar, was die Beklagte durch den Verkauf an die Klägerseite noch erlangt hätte.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 S. 1, 2 ZPO.