Titel:
Rückforderung gewährter Integrationskursvergütung vom Kursträger im Einzelfall, (kein) Vertrauensschutz
Normenkette:
VwVfG § 48 Abs. 1, Abs. 2
Schlagworte:
Rückforderung gewährter Integrationskursvergütung vom Kursträger im Einzelfall, (kein) Vertrauensschutz
Fundstelle:
BeckRS 2021, 61070
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Aufhebung eines Bescheides, mit dem Abrechnungen zurückgenommen und mit anderen Forderungen verrechnet wurden.
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Der Kläger war an seinem Standort in … mit der Trägernummer … bis 1. Dezember 2017 und an seinem Standort in … vom 1. Juli 2012 bis 1. Dezember 2016 unter der Trägernummer … als Kursträger zugelassen. Für den Standort in … wurde sein Antrag auf Erteilung einer Folgezulassung mit Bescheid vom 30. Mai 2017 bestandskräftig abgelehnt; gegen diesen Bescheid gerichtete Rechtsbehelfe blieben erfolglos.
3
In die Kurse … (Kurs 67), Modul 9, … (Kurs 70), Modul 9, … (Kurs 75), Modul 7 und … (Kurs 82), Module 4, 6 und 7, nahm der Kläger nach dem 1. Dezember 2016 insgesamt fünf Teilnehmer auf, die an den Kursen am Standort … teilnahmen. Für die Anmeldung in dem InGe-System des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge nutzte der Kläger dabei nicht die Kursträgernummer …, sondern die Trägernummer seines Standortes in …, … Für diese fünf Teilnehmer mit den Personenkennziffern … (...), … (...), … (...), … (...) und … (...) wurden die oben genannten sechs Module zur Abrechnung gebracht, insgesamt 10.656,60 EUR, im Einzelnen: Für Kurs 67 (Modul 9): 780,- EUR; für Kurs 70 (Modul 9): 3.900,- EUR; für Kurs 75 (Modul 7): 39,90 EUR; für Kurs 82 (Modul 4): 39,90 EUR; für Kurs 82 (Modul 6): 5.358,60 EUR; für Kurs 82 (Modul 7): 538,20 EUR. Die Beklagte zahlte die genannten Beträge aufgrund der Abrechnungen vom 10. April 2017, 25. April 2017, 4. Mai 2017, 12. Juli 2017 und 17. August 2017 aus.
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Mit E-Mail vom 27. April 2017 fragte die Beklagte, vertreten durch die Regionalkoordinatorin …, bei dem Kläger an, warum bei einer Kursmeldung von Teilnehmern aus … die niedersächsische Trägernummer verwendet worden sei. Diese Anfrage wurde mit Schreiben vom 12. Mai 2017 wiederholt. Mit E-Mail vom selben Tag wurde der in … zuständige Regionalkoordinator informiert. Der Kläger nahm am 19. Mai 2017 per E-Mail Stellung und erklärte, es sei aus seiner Sicht nicht ausdrücklich untersagt, Teilnehmer an anderen Standorten anzumelden. Nach § 7 Abs. 1 IntV hätten zur Kursteilnahme berechtigte Personen das Recht, den Kursträger selbst auszuwählen. Mit Schreiben vom 23. Mai 2017 erwiderte die Beklagte: Alle unter der Trägernummer … aufgeführten Kursorte seien in …; in … habe der Kläger keinen aktiven Kursort mehr, an dem neue Teilnehmer angemeldet werden könnten. Die Vorgaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge aus den Nebenbestimmungen zu dem Zulassungsbescheid über die Fortführung von Kursen im Falle des Ablaufs der Trägerzulassung seien von dem Kläger bewusst umgangen worden. Mit E-Mail vom 7. Juni 2017 antwortete der Kläger: Es sei zutreffend, dass er lediglich in … aktive Kursorte habe. Es spreche aber nichts dagegen, Kursteilnehmer auch aus … über den Standort in … anzumelden. Es habe sich bei den fünf Teilnehmern um Kurswiederholer gehandelt, die ihre Kurswiederholung bei ihm hätten absolvieren wollen. Dass in … über die dortige Trägernummer keine Anmeldung möglich gewesen sei, habe er nur für einen vorübergehenden Zustand gehalten. Mit der Erteilung der beantragten Folgezulassung sei fest gerechnet worden. Mit E-Mail vom 19. Mai 2017 übersandte der Kläger eine Liste der Teilnehmer, die über … angemeldet worden waren und die in … an Kursen teilgenommen hatten, und ergänzte, man habe in … deshalb keine Zulassung gehabt, da der Antrag auf Erteilung einer Folgezulassung in Bearbeitung gewesen sei und die Beklagte keinerlei Angaben über die Dauer des Prüfverfahrens gemacht habe.
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In einer internen E-Mail vom 20. Juni 2017 wurde den Regionalkoordinatoren in … und … die Erstellung eines Rückforderungsbescheids angekündigt.
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Mit Bescheid vom 2. Mai 2018 wies die Beklagte den Kläger an, einen Betrag von 10.656,60 EUR zurückzuerstatten und nahm die oben genannten Abrechnungen zurück. Die sofortige Vollziehbarkeit dieser Rückerstattungsforderung wurde angeordnet und der Erstattungsbetrag mit bei dem Bundesamt noch vorliegenden Integrationskursabrechnungen (Kurs 84, Modul 8: 6.659,20 EUR; Kurs 81, Modul 8: 6.798,40 EUR) verrechnet.
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Zur Begründung wurde ausgeführt: Unter Umgehung des Bescheides vom 30. Mai 2017, mit dem die Folgezulassung für den Standort … verweigert worden war, habe der Kläger diverse Teilnehmer aus … über den Standort … (Trägernummer ...) angemeldet und abgerechnet. Zu Unrecht seien damit 10.656,60 EUR abgerechnet worden. Die betroffenen Abrechnungen würden gemäß § 48 Abs. 2 VwVfG zurückgenommen. Der sofortige Vollzug der Rücknahme liege im öffentlichen Interesse, da durch sich wiederholende falsche Angaben insgesamt ein überproportional hoher Schaden entstanden sei. Auch die sofortige Vollziehbarkeit der Rückzahlungsverpflichtung liege aufgrund der Höhe des zurückzuzahlenden Betrages und der aktuell bestehenden Möglichkeit der Verrechnung im öffentlichen Interesse.
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Mit Schreiben vom 25. Mai 2018, das per Telefax am selben Tag bei der Beklagten und per Post am 28. Mai 2018 einging, erhob der Kläger Widerspruch gegen diesen Bescheid. Die Widerspruchsschrift ist nur unvollständig in der Akte des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge enthalten. Mit Widerspruchsbescheid vom 26. September 2018, der dem Kläger laut Postzustellungsurkunde am 28. September 2018 zugestellt wurde, wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
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Mit Schreiben vom 24. Oktober 2018, das am selben Tag per Telefax bei Gericht einging, erklärte der Kläger, es
„wird Anfechtungsklage gegen die Bescheide des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 2. Mai 2018 und den Widerspruchsbescheid vom 26. September 2018 (eingegangen am 28. September 2018) erhoben.
Die Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten und sind daher aufzuheben.
Der mit offenen Forderungen des Klägers gegen die Beklagte verrechnete Betrag über 10.656,60 EUR nebst Zinsen ist von der Beklagten an den Kläger zu zahlen.“
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Der Kläger steht auf dem Standpunkt, die Rücknahme der von der Beklagten beanstandeten Abrechnungen sei rechtswidrig. Die Rücknahme sei bereits verfristet, da der Beklagten die maßgeblichen Tatsachen bereits länger als ein Jahr vor dem Erlass des streitgegenständlichen Bescheides bekannt gewesen seien. Die Rückforderung werde ausschließlich mit der Tatsache begründet, dass Teilnehmer in … nach Ablauf der Zulassung am 1. Dezember 2016 unter einer noch aktiven Trägernummer in Niedersachsen angemeldet worden seien. Diese Tatsache sei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bereits bei Einreichung der Abrechnungen bekannt gewesen. Dem Mitarbeiter, der die Abrechnungen bearbeite, sei aus dem System ohne Weiteres ersichtlich, dass eine andere Trägernummer als die des Standortes … verwendet worden sei und wann die Anmeldung erfolgt sei. Spätestens aber am 11. April 2017, als der damals zuständige Regionalkoordinator … diesbezüglich Auskunft verlangt habe, sei dies dem Bundesamt positiv bekannt gewesen. Am 21. April 2017 sei Stellung genommen worden. Die von der Beklagten aufgeführten Nachrichten vom 12. und 23. Mai 2017 seien entgegen der Behauptung der Beklagten für die Sachverhaltsermittlung nicht relevant gewesen. Eine E-Mail der Beklagten vom 11. April 2021 und eine Antwort vom 21. April 2017, beide Nachrichten haben den von dem Kläger geschilderten Inhalt, legte der Kläger zum Nachweis vor. Beide E-Mails sind in den Akten der Beklagten nicht enthalten. Weiter steht der Kläger auf dem Standpunkt, die Aufhebung der Abrechnungen sei rechtswidrig, da die fraglichen Abrechnungen nicht durch Angaben erwirkt worden seien, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gewesen seien. Der Kläger habe auch die Unrichtigkeit der Abrechnung weder gekannt noch sei er infolge grober Fahrlässigkeit in Unkenntnis gewesen. Für die Mitarbeiter des Bundesamtes, die die Abrechnungen bearbeitet hätten, sei klar und ersichtlich gewesen, dass mehrere Teilnehmer nicht mit der … Kennung angemeldet gewesen seien. Auch der Zeitpunkt der Anmeldung sei ersichtlich gewesen. Dennoch seien die Vorgänge zur Auszahlung gebracht worden, sogar noch, als bereits durch Stellungnahme des Klägers vom April 2017 bekannt gewesen sei, welche Teilnehmer unter der Trägernummer … angemeldet worden seien. Zudem geht der Kläger davon aus, dass sein Vorgehen nicht rechtswidrig gewesen sei. Die Beklagte habe weder in ihrem Rückforderungs- noch in ihrem Widerspruchsbescheid dargelegt, aufgrund welcher Rechtsvorschrift es dem Kläger verwehrt sei, systemische Eingaben für seinen Betrieb, allerdings für einen anderen Standort, zu machen. Es handle sich nur um eine systemische Eingabe der Anmeldungen von Teilnehmern, die das Bundesamt zu einem früheren Zeitpunkt selbst durchgeführt habe. Regelungen zu den Online-Eingaben der Teilnehmer gebe es nicht. Der Bescheid vom 30. Mai 2017 sei nicht umgangen worden, denn die Teilnehmer seien ja bereits zuvor, im Dezember 2016 und Januar 2017, angemeldet worden. Zu diesem Zeitpunkt habe es keine Anhaltspunkte, nicht einmal eine Ahnung gegeben, dass die beantragte Folgezulassung abgelehnt werden könnte. Der Kläger habe im vorangegangenen Jahr keine Ermahnung, Abmahnung oder andere Mängelrüge erhalten; man habe also eher davon ausgehen dürfen, dass eine Folgezulassung erteilt werden würde. Auf Grundlage der Nebenbestimmungen sei der Kläger berechtigt gewesen, Integrationskurse nach Ablauf der Zulassung weiterzuführen. Der Kläger habe alle hier relevanten Kurse vor Ablauf der Zulassung angemeldet und begonnen. Soweit Teilnehmer neu aufgenommen worden seien, sei dies auf Grundlage der Nebenbestimmungen nur unzulässig, wenn es sich um „neue“ Teilnehmer handle. Bei einem allgemeinen Verständnis dieses Begriffs müsse es sich bei neuen Teilnehmern um solche Teilnehmer handeln, die sich noch bei keinem Träger oder noch nicht bei dem betroffenen Träger angemeldet hätten. Teilnehmer, die bereits 600 oder 900 Unterrichtseinheiten absolviert hätten, könnten dann aber keine neuen Teilnehmer sein. Sollte das Bundesamt den Begriff des neuen Teilnehmers anders verstanden wissen wollen, so hätte dies kommuniziert werden müssen. Vorliegend handle es sich durchgehend um Kurswiederholer, also um Teilnehmer, die nicht neu, sondern gut bekannt seien. Die Beklagte habe nicht dargelegt, wann und in welchem Zusammenhang dem Kläger mitgeteilt worden sei, dass auch Kurswiederholer als neue Teilnehmer anzusehen seien. Der Kläger habe nach alledem die behauptete Rechtswidrigkeit der Abrechnungen nicht kennen können. Insofern sei das Vertrauen des Klägers in den Bestand der Abrechnungen schutzwürdig. Die Leistungen seien durch Honorarzahlungen und Mietzahlungen längst verbraucht. Soweit die Beklagte Fahrtkosten zurückfordere, seien diese bereits ausgezahlt worden.
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Die Beklagte, vertreten durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, beantragte,
die Klage kostenpflichtig abzuweisen.
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Die Beklagte steht auf dem Standpunkt, der Kläger habe unter Umgehung der Nebenbestimmungen des (abgelaufenen) Zulassungsbescheides mehrere Teilnehmer abgerechnet. Die Rücknahme der Abrechnungen und die Rückforderung der abgerechneten Beträge seien rechtmäßig. Die Rücknahme sei nicht nach § 48 Abs. 4 VwVfG verfristet. Die Beklagte habe nicht bereits mit Einreichung der Abrechnung erkennen können, dass eine Anmeldung unter einer falschen Trägernummer erfolgt sei. Im Rahmen der Abrechnung werde automatisiert überprüft, ob überhaupt eine rechtzeitige Anmeldung registriert sei. Es werde gerade nicht überprüft, welcher Träger die Anmeldung vorgenommen habe. Aufgrund einer technischen Sperre, die es verhindere, dass bei Ablauf der Zulassung Neuanmeldungen vorgenommen werden könnten, bestehe für eine solche Prüfung auch kein Bedarf. Die Jahresfrist beginne erst mit der positiven und vollständigen Kenntnis aller Tatsachen, die für die Entscheidung über die Rücknahme relevant sein könnten. Noch im Mai 2017 sei der Regionalkoordinatorin in … allenfalls klar gewesen, dass bestimmte Teilnehmer zu Unrecht angemeldet worden seien. Die Auswirkungen auf bereits erfolgte Abrechnungen und die Notwendigkeit von Rückforderungen habe erst noch überprüft werden müssen. Zu den relevanten Tatsachen gehöre im Übrigen auch die Rechtswidrigkeit möglicher Abrechnungen. Darüber hinaus sei die Frist des § 48 Abs. 4 VwVfG vorliegend nicht anzuwenden. Angesichts der bewussten Umgehung der für die Trägernummer … bestehenden technischen Sperre und des eindeutigen systemseitigen Hinweises zur Unzulässigkeit der Anmeldung könne die Anmeldung über eine andere Trägernummer durchaus als arglistige Täuschung gewertet werden. Die Beklagte steht außerdem auf dem Standpunkt, dass die aufgehobenen Abrechnungen rechtswidrig gewesen seien. Grundlage der Rechtswidrigkeit des Handelns des Klägers sei Ziffer 1. Sätze 2 und 3 der Nebenbestimmungen zu dem Trägerzulassungsbescheid. Danach sei es zulässig, laufende Kurse bei Ablauf der Trägerzulassung zu Ende zu bringen. Neue Teilnehmer dürften in die Kurse nicht aufgenommen werden. Der Kläger hätte nachfragen müssen, was unter dem Begriff des „neuen“ Teilnehmers zu verstehen sei. Es hätte ihm aufgrund der technischen Sperre klar sein müssen, dass es sich wohl um neue Teilnehmer gehandelt habe. Es sei außerdem allen Kursträgern bekannt, dass bei Inanspruchnahme von Wiederholerstunden ein neuer Antrag des Teilnehmers und eine neue Teilnahmeberechtigung unter Erstellung einer neuen Personenkennziffer erforderlich seien. Die Aussage, man habe nicht gewusst, dass es sich nicht um neue Teilnehmer handle, sei daher nicht glaubhaft. Nach dem Verständnis des Bundesamtes sei ein neuer Teilnehmer ein Teilnehmer, der sich nach dem Ende des Zulassungszeitraumes des Trägers völlig neu für den Besuch eines Integrationskurses bei einem Träger anmelde und somit erstmals als potentieller Teilnehmer in Erscheinung trete.
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Mit Abhilfebescheid vom 6. April 2020 reduzierte die Beklagte die im Bescheid vom 2. Mai 2018 geforderte Summe um 39,90 EUR, da eine Überprüfung ergeben habe, dass dieser Betrag nicht an den Kläger ausgezahlt worden sei (Fahrtkosten für den Teilnehmer …, (...).
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Der Kläger replizierte auf die Klageerwiderung: Der Aufklärungsbedarf der Regionalkoordinatorin in … sei nicht relevant, da es sich um einen Abrechnungsvorgang in … handle. Die Regionalkoordinatorin habe ihre Prüfung auch nicht auf eine Rückforderung angelegt, sondern geprüft, ob es zu Verstößen in ihrem Zuständigkeitsbereich gekommen sei. Es bestehe kein Zusammenhang zu der in … vorgenommenen Prüfung einer Rückzahlung. Selbst wenn man davon ausgehe, dass der Kläger rechtswidrig gehandelt habe, so sei sein Vertrauen schutzwürdig. Die von dem Bundesamt vorgebrachte Definition des neuen Teilnehmers passe nicht auf Kurswiederholer, da diese bereits 900 Stunden absolviert hätten und keine neue Einstufung durchlaufen müssten. Der zuständige Regionalkoordinator hätte die Rechtsauffassung des Bundesamtes klarstellen müssen. Der Kläger hätte sich, wäre ihm dies bekannt gewesen, anders verhalten. Die Beklagte habe noch nach dem Zeitpunkt der Stellungnahme des Klägers in vollem Bewusstsein aller Umstände die fraglichen Teilnehmer abgerechnet. Von einer Täuschung könne keine Rede sein.
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Die Beklagte antwortete hierauf abschließend, für die Sache seien beide Regionalkoordinatoren (... und ...) zuständig gewesen, da eine Trägerzulassung aus Niedersachsen betroffen gewesen sei. Somit sei das Ersuchen der Regionalkoordinatorin vom Mai 2017 sehr wohl relevant für die Sachverhaltsaufklärung. Bei den Ausführungen des Klägers zu seinem Vertrauensschutz handle es sich um widersprüchliche Schutzbehauptungen.
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Wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf die Niederschrift in der Gerichtsakte verwiesen.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Akten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge verwiesen.
Entscheidungsgründe
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I. Gemäß § 102 Abs. 2 VwGO konnte auch in Abwesenheit des Klägers verhandelt und entschieden werden, da in der Ladung zum Termin mündlicher Verhandlung hierauf hingewiesen worden war.
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II. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), sodass auch der von dem Kläger geltend gemachte Zahlungsanspruch nicht mehr besteht, sondern wegen Aufrechnung erloschen ist.
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1. Der Bescheid der Beklagten vom 2. Mai 2018 ist rechtmäßig. Insbesondere ist die Rücknahme der Abrechnungen vom 10. April 2017, 25. April 2017, 4. Mai 2017, 12. Juli 2017 und 17. August 2017 rechtmäßig.
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a) Sie stützt sich auf § 48 Abs. 1, 2 VwVfG und ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden.
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b) Die Voraussetzungen der Rücknahme sind gegeben. Die hier fraglichen Abrechnungen waren in dem von der Beklagten geltend gemachten Umfang rechtswidrig. Nach dem Ablauf der Kursträgerzulassung für den Standort des Klägers in … war er nicht mehr berechtigt, neue Teilnehmer in diese Kurse aufzunehmen. Dies ergibt sich aus Ziff. 8 der Nebenbestimmungen zu dem abgelaufenen Zulassungsbescheid. Er nahm jedoch neue Teilnehmer auf. Bei den fünf Kurswiederholern handelt es sich um neue Teilnehmer; zwar sind diese dem Kursträger nicht unbekannt, um den Kurs aber wiederholen zu können, bedürfen sie einer neuen Zulassung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und erhalten in diesem neuen Zulassungsverfahren jeweils eine neue Personenkennziffer. Da die Berechtigung zur Kurswiederholung erneut ausgesprochen wird und der Anspruch auf weiteren, geförderten Unterricht erst geprüft werden muss, handelt es sich also um neue Teilnehmer im Sinne der Nebenbestimmungen zu dem Zulassungsbescheid. Der Kläger hätte diese Teilnehmer also nicht in … in seine Kurse aufnehmen und dort unterrichten dürfen; ihm stand dementsprechend auch kein Anspruch auf Vergütung zu.
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c) Der Kläger kann sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Nach § 48 Abs. 2 Satz 1 VwVfG darf ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Davon ist insbesondere dann auszugehen, wenn der Begünstigte die gewährte Leistung verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (§ 48 Abs. 2 Satz 2 VwVfG).
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Hierauf kann sich der Kläger aber nicht berufen, da er die Bewilligung der nunmehr zurückgeforderten Vergütung durch arglistige Täuschung erwirkt hat (§ 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 Alt. 1 VwVfG). Eine arglistige Täuschung liegt vor, wenn durch ein Verhalten, an dem der Begünstigte beteiligt ist, ein Irrtum der Behörde hervorgerufen oder unterhalten wird und der Begünstigte weiß und will, dass die Behörde hierdurch zu dem Erlass eines Verwaltungsaktes veranlasst wird (vgl. Schoch, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsverfahrensgesetz: VwVfG, Stand Juli 2020, § 48 VwVfG, Rn. 160; vgl. Suerbaum, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, Verwaltungsverfahrensgesetz, 2. Auflage 2019, § 48 VwVfG, Rn. 133).
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Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Kläger bei der Beklagten bewusst einen Irrtum hervorrief, um eine Vergütung zu erlangen, auf die er bei korrektem Vorgehen keinen Anspruch gehabt hätte. Sein Vorbringen, er habe nicht gewusst, dass es sich bei den Kurswiederholern um neue Teilnehmer im Sinne der Nebenbestimmungen zu seinem abgelaufenen Zulassungsbescheid gehandelt habe, dass ihm das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dies erst später mitgeteilt habe und dass er davon ausgegangen sei, er sei dazu berechtigt, die Teilnehmer als „alte“ Teilnehmer in … zu unterrichten, wertet das Gericht als bloß vorgeschobene Schutzbehauptungen. Wäre der Kläger tatsächlich davon ausgegangen, dass es sich nicht um neue Teilnehmer handelte, so hätte er, als ihm auffiel, dass eine Anmeldung in der Integrationsgeschäftsdatei über seinen Standort in … nicht möglich war, mit der Beklagten Rücksprache gehalten und die Teilnehmer nicht ohne weitere Rücksprache über seinen Standort in … zur Anmeldung und Abrechnung gebracht. Sein Verhalten zeigt, dass er sich bewusst war, die Teilnehmer nicht anmelden und abrechnen zu dürfen, und dass er sich bewusst war, mit einer Anmeldung über seinen Standort in … diese Regelung umgehen zu können, weil er davon ausging, dass die Beklagte die Aufnahme der Teilnehmer in Kurse in … nicht erkennen würde und die Teilnahme in der Folge vergüten würde. Unter Umgehung der Bestimmungen des Bundesamtes und bestehender technischer Sperren und unter Vorspiegelung falscher Tatsachen wollte der Kläger also in den Genuss der hier zurückgeforderten Vergütung kommen. Er kann sich daher nicht auf Vertrauensschutz berufen, wobei diesbezüglich rein hilfsweise anzumerken ist, dass, glaubte man ihm, dass er in Unkenntnis der Rechtslage gewesen sei (was zu glauben hier aber abwegig ist) jedenfalls grob fahrlässige Unkenntnis vorgelegen hätte.
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d) Da der Kläger arglistig handelte, findet die Fristenbestimmung des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG keine Anwendung. Hilfsweise ist anzumerken, dass diese Frist, wäre sie anzuwenden, eingehalten wäre, da alle zuständigen Regionalkoordinatoren erst Anfang Juni 2017 von allen Tatsachen Kenntnis hatten; erst an diesem Tag erläuterte der Kläger nämlich seinen Standpunkt abschließend. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beginnt die Frist aber erst dann zu laufen, wenn der Begünstigte zur Frage der Rücknahme angehört wurde (vgl. Suerbaum, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, Verwaltungsverfahrensgesetz, 2. Auflage 2019, § 48 VwVfG, Rn. 198). Dies liegt darin begründet, dass es sich bei der Jahresfrist um eine Entscheidungsfrist handelt, nicht um eine Frist, innerhalb derer alle notwendigen Ermittlungen geführt und abgeschlossen werden müssen.
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e) Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Im Falle des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 VwVfG ist der rechtswidrige Verwaltungsakt in der Regel zurückzunehmen; nur in Ausnahmefällen kann die Behörde davon absehen (intendiertes Ermessen). Jedenfalls im vorliegenden Fall genügen die (kurzen) Ausführungen der Beklagten darüber, warum die Rücknahme im öffentlichen Interesse liegt; ein Ermessensausfall liegt demnach nicht vor.
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2. Da der streitgegenständliche Bescheid nicht aufzuheben war, besteht auch der geltend gemachte Zahlungsanspruch nicht. Die Vergütungsansprüche, die der Kläger hier geltend macht, sind durch Aufrechnung, die in dem Bescheid vom 2. Mai 2018 ausgesprochen wurde, erloschen.
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III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 161 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708, 711 ZPO.