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OLG München, Hinweisbeschluss v. 26.07.2021 – 21 U 1887/21
Titel:

Keine Haftung von Audi für den entwickelten, hergestellten und eingebauten 3,0-Liter-Motor (hier: Audi Q7)

Normenketten:
BGB § 826
ZPO § 291, § 522 Abs. 2
VO (EG) 715/2007 Art. 5 Abs. 2
Leitsätze:
1. Vgl. zu 3,0 Liter-Motoren von Audi mit unterschiedlichen Ergebnissen auch: BGH BeckRS 2021, 37683; BeckRS 2021, 41003; BeckRS 2022, 21374; BeckRS 2022, 19714; OLG Bamberg BeckRS 2022, 33515; OLG Karlsruhe BeckRS 2021, 43408; OLG München BeckRS 2022, 18804; BeckRS 2022, 18875; BeckRS 2022, 28198; BeckRS 2022, 34469; BeckRS 2021, 52024; BeckRS 2022, 21228; BeckRS 2022, 23106; BeckRS 2022, 18807; BeckRS 2021, 54385; OLG Nürnberg BeckRS 2022, 21211; LG Bamberg BeckRS 2022, 29502; LG Kempten BeckRS 2022, 28679; LG Nürnberg-Fürth BeckRS 2022, 30355; OLG Bamberg BeckRS 2022, 28703 (mit weiteren Nachweisen in Ls. 1) sowie OLG Brandenburg BeckRS 2021, 52227 (mit weiteren Nachweisen in Ls. 1). (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Betroffenheit von einem freiwilligen Rückruf bietet keinen hinreichenden Anhaltspunkt für eine sittenwidrige Schädigung. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
3. Allein mit der unterstellt europarechtlichen Unzulässigkeit des Thermofensters lässt sich eine Haftung nach § 826 BGB nicht begründen. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
4. Funktioniert die Abgasreinigung zwischen 18 und 34° C zu 100%, ist das Thermofenster nicht so eng bedatet, dass dies einer Umschaltlogik gleichgestellt werden könnte. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Diesel-Abgasskandal, 3,0-Liter-Motor, EA 986 Gen2, Audi, unzulässige Abschalteinrichtung, Thermofenster, (kein) Rückruf, KBA, Umschaltlogik, freiwilliger Rückruf
Vorinstanz:
LG Ingolstadt, Endurteil vom 26.03.2021 – 31 O 2113/20
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Beschluss vom 13.09.2021 – 21 U 1887/21
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 23.05.2022 – VIa ZR 331/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 60942

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 26.03.2021, Az. 31 O 2113/20, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Klagepartei begehrt die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen …, 180 kW, den sie am 04.07.2017 als Gebrauchtwagen mit einem Kilometerstand von 180.000 km zu einem Kaufpreis von 31.000,00 € erworben hat.
2
Die Beklagte ist die Herstellerin des Fahrzeugs und des Motors. Das Fahrzeug ist mit einem 3.0 Liter 6-Zylinder Dieselmotor der Schadstoffklasse Euro 5 ausgestattet. Zwischen den Parteien ist streitig, ob es sich um einen Motor EA 897 (so der Kläger) oder 896 Gen2 (so die Beklagte) handelt. Die Abgasreinigung erfolgt im streitgegenständlichen Fahrzeug über die Abgasrückführung. Dabei wird ein Teil der Abgase wieder der Verbrennung im Motor zugeführt, was zu einer Verringerung der Stickoxidemissionen führt. Die Abgasrückführung wird innerhalb eines bestimmten Temperaturfensters reduziert („Thermofenster“). Das Fahrzeug verfügt nicht über einen SCR-Katalysator und verbraucht daher auch kein AdBlue. Der Monoturbo-Motor war bislang nicht von einer verpflichtenden Rückrufaktion betroffen. Es wird aber ein freiwilliges Software-Update angeboten.
3
Die Klagepartei trägt im Wesentlichen vor, das Fahrzeug sei mit manipulierter Software ausgestattet, ähnlich der des Motors EA 189. Messungen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) und des Umweltbundesamts hätten ergeben, dass im realen Straßenverkehr die Grenzwerte um ein Vielfaches überschritten würden. Rückrufe von 3.0 l Fahrzeugen der Beklagten belegten, dass das streitgegenständliche Fahrzeug ebenfalls betroffen sei. Das Fahrzeug verfüge über ein Thermofenster.
4
Die Beklagte ist dem entgegen getreten. Sie bestreitet, dass der streitgegenständliche Motor von der Dieselthematik betroffen ist. Er verfüge nicht über die bei Motoren des Typs EA 189 enthaltene Umschaltautomatik und unterfalle nicht den vom KBA angeordneten Rückrufen. Der Vortrag der Klagepartei zu den behaupteten Abschalteinrichtungen sei unsubstantiiert. Ein Thermofenster stelle keine unzulässige Abschalteinrichtung dar. Die von der Klägerin behauptete Abschalteinrichtung, die die Leistung des Motors auf dem Prüfstand reduziere, gebe es nicht. Im Übrigen bestreitet sie eine Täuschung, eine etwaige Kausalität und einen Schaden des Klägers.
5
Mit Urteil vom 26.03.2021 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Das freiwillige Software-Update sei für sich genommen kein hinreichender Anhaltspunkt. Der Vortrag hinsichtlich der behaupteten Abschalteinrichtungen sei nicht hinreichend substantiiert. Zum Thermofenster fehle es an Vortrag zur Sittenwidrigkeit. Hinsichtlich der Urteilsgründe im Einzelnen wird auf das Urteil verwiesen. Auch hinsichtlich der festgestellten Tatsachen wird auf das Urteil Bezug genommen, § 540 ZPO.
6
Die Klagepartei hat Berufung gegen das Urteil eingelegt. Das Landgericht verkenne die sekundäre Darlegungslast der Beklagten zugunsten der Klägerin. Die Klagepartei habe die Abschalteinrichtungen hinreichend genau beschrieben. Ein Rückruf des KBA sei für eine Haftung der Beklagten nicht erforderlich. Es seien unter dem Rückrufcode 23X6 Rückrufe für baugleiche 3.0 l Motoren der Beklagten angeordnet worden. Auch zu einem Anhörungsverfahren des KBA sei konkret vorgetragen worden.
7
Der EuGH und der BGH hätten zwischenzeitlich die Unzulässigkeit des Thermofensters festgestellt. Es sei ausgeschlossen, dass die Beklagte, die einem strengen Qualitätsmanagement unterliege, nicht etliche interne Sitzungen und Abstimmungen hinsichtlich einer möglichen Unzulässigkeit der Abschalteinrichtungen abhielt und diese dokumentierte. Die Beklagte habe dem Kraftfahrtbundesamt die Abschalteinrichtung in ihrer konkreten Bedatung nicht offengelegt. Hätte sie diese als zulässig erachtet, hätte sie diese offengelegt.
8
Das Fahrzeug verfüge über ein 8-stufiges tiptronic Getriebe (AL 551) und erkenne den Prüfstand durch Lenkwinkeleinschlag, was zu niedrigeren Nox-Emissionen führe. Dies sei dem KBA nicht offen gelegt worden.
9
Messergebnisse des BMVI und der DUH zeigten deutliche Überschreitungen der Grenzwerte und belegten unzulässige Abschalteinrichtungen. Der Kläger beantragt unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Ingolstadt, Az. 31 O 2113/20, verkündet am 26.03.2021 und zugestellt am 29.03.2021 zu erkennen:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerpartei EUR 31.000,00 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2020 abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von EUR 6.237,38 Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs … mit der Fahrgestellnummer … zu zahlen.
2. Es wird festgestellt dass sich die Beklagte seit dem 01.08.2020 mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1. bezeichneten Gegenstands in Annahmeverzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von EUR 1.899,24 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2020 zu zahlen.
Hilfsweise:
4. Das Urteil des Landgerichts Ingolstadt, Az 31 O 2113/20, verkündet am 26.03.2021 und zugestellt am 29.03.2021, wird aufgehoben und zur erneuten Verhandlung an das Landgericht zurückverwiesen.
Hilfsweise:
5. Die Revision wird zugelassen.
II.
10
Der Senat beabsichtigt, sein eingeschränktes Ermessen (“soll“) dahingehend auszuüben, dass er die Berufung des Klägers durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückweist.
11
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung, die auch nicht geboten ist, § 522 Abs. 2 Nr. 4 ZPO.
12
Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung des Landgerichts beruht nicht auf einer Rechtsverletzung, § 546 ZPO und die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen keine andere Entscheidung, § 513 ZPO.
13
Das Urteil des Landgerichts Ingolstadt hält den Berufungsangriffen der Klagepartei in deren Schriftsatz vom 28.05.2021, Bl 268 ff.d.A., stand. Der Vortrag der Klägerin zu den Haftungsvoraussetzungen ist nicht substantiiert genug, als dass eine Beweisaufnahme veranlasst wäre. Hinsichtlich des Thermofensters fehlt es an den Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit.
14
1. Nach allgemeinen Grundsätzen trägt derjenige, der einen Anspruch aus § 826 BGB geltend macht, die volle Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen. In bestimmten Fällen ist es aber Sache der Gegenpartei, sich im Rahmen der ihr nach § 138 Abs. 2 ZPO obliegenden Erklärungspflicht zu den Behauptungen der beweispflichtigen Partei substantiiert zu äußern. Dabei hängen die Anforderungen an die Substantiierungslast des Bestreitenden zunächst davon ab, wie substantiiert der darlegungspflichtige Gegner – hier die Klagepartei – vorgetragen hat. In der Regel genügt gegenüber einer Tatsachenbehauptung des darlegungspflichtigen Klägers das einfache Bestreiten des Beklagten. Ob und inwieweit die nicht darlegungsbelastete Partei ihren Sachvortrag substantiieren muss, lässt sich nur aus dem Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag bestimmen, wobei die Ergänzung und Aufgliederung des Sachvortrags bei hinreichendem Gegenvortrag immer zunächst Sache der darlegungs- und beweispflichtigen Partei ist. Eine sekundäre Darlegungslast trifft den Prozessgegner der primär darlegungsbelasteten Partei, wenn diese keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung hat, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm unschwer möglich und zumutbar ist, nähere Angaben zu machen (BGH, Urteil vom 25.05.2020, Az.: VI ZR 252/19, Rdnr. 35 ff. m.w.N., zitiert nach Juris).
15
Voraussetzung ist stets ein schlüssiger und erheblicher Sachvortrag der zunächst darlegungs- und beweisbelasteten Klagepartei. Ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist bereits dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind. Das gilt insbesondere dann, wenn die Partei keine unmittelbare Kenntnis von den Vorgängen hat. Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen. Sind diese Anforderungen erfüllt, ist es Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten. Weiter ist es einer Partei grundsätzlich nicht verwehrt, eine tatsächliche Aufklärung auch hinsichtlich solcher Umstände zu verlangen, über die sie selbst kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann, die sie aber nach Lage der Verhältnisse für wahrscheinlich oder möglich hält. Dies gilt insbesondere dann, wenn sie sich – wie hier die Klagepartei – nur auf vermutete Tatsachen stützen kann, weil sie mangels Sachkunde und Einblick in die Produktion des von der Gegenseite hergestellten und verwendeten Fahrzeugmotors einschließlich des Systems der Abgasrückführung oder -nachbehandlung keine sichere Kenntnis von Einzeltatsachen haben kann. Eine Behauptung ist aber dann unbeachtlich, wenn sie ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufgestellt worden ist. Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist Zurückhaltung geboten. Entscheidend ist damit, ob die Klagepartei ausreichend greifbare Anhaltspunkte zur Begründung ihres Vorwurfs, in dem streitgegenständlichen Fahrzeug komme unzulässige Abschalttechnik zum Einsatz, vorbringt (BGH, Beschluss vom 28.01.2020, Az.: VIII ZR 57/19, Rdnr. 7 ff. m.w.N., zitiert nach Juris). Daran fehlt es hier:
16
a. Ein verpflichtender Rückruf liegt bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug nicht vor (vgl auch die vom Kraftfahrtbundesamt veröffentlichte, erst kürzlich am 28.06.2021 aktualisierte, über dessen Homepage allgemein zugängliche Übersicht zu Rückrufen unter https://www.kba.de/DE/ Marktueberwachung/Abgasthematik/ uebersicht2.pdf? blob=publicationFile& v=7, die der Senat als offenkundig im Sinne von § 291 ZPO bewertet).
17
Die Betroffenheit von einem freiwilligen Rückruf bietet keinen hinreichenden Anhaltspunkt für eine sittenwidrige Schädigung. Der „Kodex zur Durchführung von Rückrufaktionen“, Stand: September 2019, des Kraftfahrtbundesamtes differenziert nach „freiwilligen Rückrufen“, „überwachten Rückrufen“ und „angeordneten Rückrufen“. Danach sieht das Kraftfahrtbundesamt bei „freiwilligen Rückrufen“ im Regelfall die Maßnahmen des verantwortlichen Herstellers als ausreichend an. Im Übrigen führt das Kraftfahrtbundesamt auf seiner Homepage unter der Rubrik „Fragen und Antworten – Marktüberwachung Diesel-Abgasthematik“, und damit offenkundig i.S.v. § 291 ZPO – wörtlich aus: „Freiwillige Maßnahmen der Hersteller dienen der Luftverbesserung und liefern einen wirksamen Beitrag zu einer raschen und nachhaltigen Reduktion der NOx-Emissionen, was zum Gesundheits- und Verbraucherschutz der Bürgerinnen und Bürger beiträgt. Freiwillige Maßnahmen werden nur bei Fahrzeugen durchgeführt, bei deren amtlicher Untersuchung keine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt wurde. Im Rahmen von freiwilligen Maßnahmen droht keine Betriebsuntersagung.“
18
Die Berufung auf ein zur Verfügung stehendes freiwilliges Softwareupdate lässt auch keinen Rückschluss zu auf das maßgebliche Vorstellungsbild der Mitarbeiter der Beklagten zum Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs (vgl. BGH, Beschluss vom 19.01.2021, Az.: VI ZR 433/19, Rdnr. 21, zitiert nach Juris).
19
b) Soweit sich die Klagepartei auf verpflichtende Rückrufe bezüglich anderer Fahrzeuge beruft, gilt, dass sich auch hieraus keine hinreichenden Anhaltspunkte für das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung im streitgegenständlichen Fahrzeug ergeben. Genauso wenig wie das Bestehen eines Rückrufes des Kraftfahrtbundesamts für ein konkretes Fahrzeug zwingende Voraussetzung für einen für § 826 BGB maßgeblichen Sachvortrag ist, ist das Bestehen von Rückrufen gegenüber einem bestimmten Automobilhersteller stets als hinreichend „greifbarer Anhaltspunkt“ im Sinne der vorstehend erläuterten Rechtsprechung zu sehen. Vielmehr ist auch hier immer auf den konkreten Einzelfall abzustellen.
20
Aus dem Rückrufcode 23X6 können keine Rückschlüsse auf eine Manipulation des hier streitgegenständlichen Fahrzeugs gezogen werden. Aus der – nach § 291 ZPO offenkundigen – Liste der betroffenen Fahrzeugvarianten auf der Internetseite des Kraftfahrt-Bundesamtes (im Folgenden KBA) ergibt sich, dass sämtliche vom Rückruf betroffenen …-Modelle diesen Rückrufcode tragen, den Beanstandungen aber unterschiedliche Sachverhalte zugrunde liegen.
21
Nach der Übersicht des Kraftfahrtbundesamts besteht zu Fahrzeugen nach der Schadstoffklasse Euro 5 der Beklagten überhaupt nur ein einziger Eintrag, und zwar aus dem Oktober 2019. Alle anderen betreffen Fahrzeuge der wesentlich strengeren Schadstoffklasse Euro 6. Die zurückgerufenen Fahrzeuge der Schadstoffklasse Euro 5 verfügen über eine Leistung von 230 kW, das streitgegenständliche dagegen (nur) über eine Leistung von 180 kW. Hierin liegt ein maßgebliches Differenzierungsmerkmal, da mit steigender Leistung auch der Schadstoffausstoß steigt, was die Einhaltung der Grenzwerte erschwert. Außerdem hat die Beklagte ausführlich vorgetragen, dass die von einem Rückruf betroffenen EU-5-Fahrzeuge, auch gemäß dem Rückruf Nr. 9387 – eben zur Erzielung der höheren Leistungsstärke – anders konstruiert sind, nämlich mit einem Bi-Turbo-Motor und nicht bloß mit einem Mono-Turbo-Motor wie das streitgegenständliche Fahrzeug. Dem ist die Klagepartei erstinstanzlich und auch in der Berufung nicht entgegengetreten. Es fehlt damit insgesamt an Vortrag dazu, dass die „Abgasnachbehandlungstechnologie eindeutig mit den vom Kraftfahrtbundesamt verpflichtend zurückgerufenen Fahrzeugen vergleichbar“ sei (vgl. die insoweit von der Klagepartei zitierte oberlandesgerichtliche Rechtsprechung, OLG Stuttgart und Brandenburgisches OLG).
22
Bezüglich des von der Klagepartei behaupteten Anhörungsverfahrens hat die Beklagte erstinstanzlich ausgeführt, dass dieses Motoren mit einer Leistung von 150 kW betraf, während das streitgegenständliche Fahrzeug eine Leistung von 180 kW aufweist. Ohnehin bildet ein Anhörungsverfahren per se kein hinreichendes Indiz. Wenn zu einer Zeit, in der unzulässige Abschalteinrichtungen in aller Munde sind, eine Überprüfung des Fahrzeugs in einem Anhörungsverfahren nicht zu einem Rückruf führt, dann bedarf es schon konkreten Vortrags, warum dann dennoch eine unzulässige Abschalteinrichtung, deren Verwendung auch noch sittenwidrig sein muss, vorliegen soll. Das von der Klagepartei als Anlage BB2 vorgelegte Schreiben des KBA betrifft im Übrigen ein Fahrzeug mit einem anderen Motorkennbuchstaben als das streitgegenständliche, nämlich CDYA statt CJMA.
23
Auch aus den sonstigen von der Klagepartei angeführten Rückrufen des KBA gegenüber der Beklagten wegen von dieser hergestellter 3.0 Liter Diesel-Motoren ergeben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte für das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung im streitgegenständlichen Fahrzeug. Genauso wenig wie das Bestehen eines Rückrufes des Kraftfahrtbundesamts für ein konkretes Fahrzeug zwingende Voraussetzung für einen für § 826 BGB maßgeblichen Sachvortrag ist, ist das Bestehen von Rückrufen gegenüber einem bestimmten Automobilhersteller stets als hinreichend „greifbarer Anhaltspunkt“ im Sinne der vorstehend erläuterten Rechtsprechung zu sehen. Vielmehr ist auch hier immer auf den konkreten Einzelfall abzustellen.
24
Hinsichtlich der Rückrufe zu Fahrzeugen der Schadstoffklasse Euro 6 gilt ohnehin, dass es sich um andere Fahrzeuge mit anderen technischen Anforderungen handelt. Nach der Euro-6-Norm gelten nochmals deutlich strengere Grenzwerte als nach der Euro-5-Norm, nämlich nur noch 80 mg/km NOx statt der bis dahin geltenden 180 mg/km NOx (Anhang I Tabellen 1 und 2 zur Verordnung 715/2007/EG). Mithin sind auch die Voraussetzungen für einen Rückruf völlig andere.
25
c) Zutreffend stellt die Klagepartei darauf ab, dass das Bestehen eines Rückrufes wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung nicht Voraussetzung einer Haftung nach § 826 BGB ist. Aber genauso wenig wie das Bestehen eines Rückrufes des Kraftfahrtbundesamts für ein konkretes Fahrzeug zwingende Voraussetzung für einen für § 826 BGB maßgeblichen Sachvortrag ist, ist das Bestehen von Rückrufen gegenüber einem bestimmten Automobilhersteller stets als hinreichend „greifbarer Anhaltspunkt“ im Sinne der vorstehend erläuterten Rechtsprechung zu sehen. Maßgeblich ist, ob der Vortrag der Klagepartei einen Sachverhalt nahelegt, nach dem die Beklagte eine unzulässige Abschalteinrichtung eingesetzt hat, die darüber hinaus bereits aufgrund ihrer Ausführung von vornherein das Merkmal der Arglist in sich trägt bzw. bezüglich derer aufgrund anderer Umstände ein täuschungsgleiches Verhalten der Mitarbeiter der Beklagten festgestellt werden kann, so dass der Vorwurf der objektiven Sittenwidrigkeit i.S.v. § 826 BGB im Raum steht. Es ist dabei immer auf den konkreten Einzelfall abzustellen.
26
Nichts anderes ergibt sich aus der von der Klagepartei zitierten Entscheidung des BGH mit Beschluss vom 28.01.2020, Az.: VIII ZR 57/19. Denn in dem dort entschiedenen Sachverhalt lagen eben konkrete Anhaltspunkte vor: Die dortige Klagepartei hat konkret auf den Motorkennbuchstaben des dort streitgegenständlichen Fahrzeugs abgestellt, nämlich „OM 651“. Der BGH bewertete den Umstand, aus der Übersicht des Kraftfahrtbundesamtes ergebe sich, dass bereits mehrere Rückrufe erfolgt waren in Bezug auf Fahrzeuge mit diesem Motorkennbuchstaben, sowie den klägerischen Vortrag, das dort streitgegenständliche Fahrzeug verfüge über einen Motor des Typs „OM 651“ und die Staatsanwaltschaft Stuttgart habe hinsichtlich dieses Motorentyps im März 2017 ein Ermittlungsverfahren wegen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung eingeleitet, als „greifbare Anhaltspunkte“ zur Begründung der Behauptung, das dort streitgegenständliche Fahrzeug sei mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgerüstet (BGH, Beschluss vom 28.01.2020, Az.: VIII ZR 57/19, Rdnr. 12, zitiert nach Juris).
27
Schließlich ersetzt die von der Klagepartei vorgetragene Behauptung, die Bewertungen durch das Kraftfahrtbundesamt – zumal dann, wenn sie nicht im Sinne der Klagepartei lauten – seien (aus verschiedenen Gründen) falsch, keinen Vortrag, der ein objektiv sittenwidriges Verhalten der Beklagten nahelegen würde. Die Klagepartei ist primär darlegungs- und beweisbelastet; erst in einem zweiten Schritt käme es gegebenenfalls auf den von der Klagepartei vorgebrachten Einwand der Beklagten an, das Nichtbestehen eines Rückrufs belege das Nichtbestehen einer unzulässigen Abschalteinrichtung, die eine Haftung nach § 826 BGB begründen könnte.
28
2. Es kann zugunsten der Klagepartei in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unterstellt werden, dass es sich bei dem hier verbauten Thermofenster um eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung 715/2007/EG handelt (vgl. zu Art. 5 der Verordnung 715/2007/EG nunmehr EuGH, Urteil vom 17. Dezember 2020 – C-693/18). Denn allein mit der unterstellt europarechtlichen Unzulässigkeit des Thermofensters lässt sich eine Haftung nach § 826 BGB nicht begründen. Bei dem Thermofenster handelt es sich gerade nicht um eine – evident unzulässige, von vornherein durch Arglist geprägte – Abschalteinrichtung wie sie in Form der sogenannten „Umschaltlogik“ beim Motor EA 189 der Volkswagen AG zum Einsatz kam, weshalb die hierzu ergangene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 25.05.2020, Az.: VI ZR 252/19) nicht ohne weiteres übertragbar ist. Anders als die „Umschaltlogik“ unterscheidet die im streitgegenständlichen Fahrzeug eingesetzte temperaturbeeinflusste Steuerung der Abgasrückführung nicht danach, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand oder im normalen Fahrbetrieb befindet. Sie weist keine Funktion auf, die bei erkanntem Prüfstandsbetrieb eine verstärkte Abgasrückführung aktiviert und den Stickoxidausstoß gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduziert, sondern arbeitet in beiden Fahrsituationen im Grundsatz in gleicher Weise, ohne dass es sich bei den durch das Temperaturfenster gezogenen Rahmenbedingungen um eine solch eng definierte Ausnahmesituation handelt, dass diese tatsächlich nahezu ausschließlich auf dem Prüfstand eintreten kann (siehe BGH, Beschluss vom 19.01.2021, Az.: VI ZR 433/19, Rdnr. 16 ff., und vom 09.03.2021, Az.: VI ZR 889/20, Rdnr. 27, zitiert nach Juris).
29
Unter diesen Umständen wäre der Vorwurf der Sittenwidrigkeit gegenüber der Beklagten aber nur gerechtfertigt, wenn zu dem – hier unterstellten – Verstoß gegen die Verordnung 715/2007/EG weitere Umstände hinzuträten, die das Verhalten der für sie handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen ließen. Die Annahme von Sittenwidrigkeit setzt jedenfalls voraus, dass diese für die Beklagte handelnden Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen. Fehlt es hieran, ist bereits der objektive Tatbestand:der Sittenwidrigkeit nicht erfüllt. Dabei trägt die Klagepartei, wie dargelegt, die Darlegungs- und Beweislast für diese Voraussetzung nach allgemeinen Grundsätzen. Entscheidend ist das Vorstellungsbild der Beklagten zum maßgeblichen Zeitpunkt der Tatbestandsverwirklichung – spätestens dem Eintritt des behaupteten Schadens in Form des Vertragsschlusses (BGH, Beschluss vom 19.01.2021, Az.: VI ZR 433/19, Rdnr. 19 ff., zitiert nach Juris).
30
Konkrete Anhaltspunkte, die dafür sprechen, dass die Beklagte zum Zeitpunkt des Kaufvertrags in Bezug auf das Thermofenster in dem Bewusstsein der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung handelte, hat die Klagepartei indes nicht dargetan und sind auch sonst nicht ersichtlich.
31
Zudem war die Gesetzeslage zum Thermofenster gerade nicht unzweifelhaft und eindeutig, was die bekannte kontrovers geführte Diskussion über Inhalt und Reichweite der Ausnahmevorschrift in Art. 5 Abs. 2 der Verordnung 715/2007/EG belegt. Denn noch im Jahr 2016 – also zu einem Zeitpunkt, in dem der Volkswagenkonzern bereits massiv in der Kritik stand wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen – wurde in dem in Bezug genommenen Bericht der vom Bundesinnenministerium eingesetzten „Untersuchungskommission Volkswagen“, Stand April 2016, S. 18, 114 123, ausgeführt, dass die Berufung auf den Motorschutz auch im Hinblick auf das sog. „Ausrampen“ im Rahmen von Thermofenstern die Verwendung von Abschalteinrichtungen rechtfertigen kann, wenn von Seiten der Hersteller nachvollziehbar dargestellt wird, dass ohne die Verwendung einer solchen Einrichtung dem Motor Schaden droht, sei dieser auch noch so gering. Die Interpretation der Beklagten und anderer Automobilhersteller zur Zulässigkeit von Thermofenstern unter dem Aspekt des Motorschutzes wurde damit von offizieller Seite gebilligt und war damit zu jener Zeit jedenfalls nicht unvertretbar. Nach der Entscheidung des europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache C-693/18 mag dies anders sein. Geklärt wäre damit indes allein die europarechtliche Auslegung des Art. 5 der VO EG 715/2007 und frühestens ab dem Zeitpunkt der Entscheidung am 17.12.2020 in die Zukunft.
32
Die Klagepartei hat behauptet, das Thermofenster sei in der konkreten Ausgestaltung dem Kraftfahrtbundesamt bei Beantragung der Typengenehmigung nicht offen gelegt worden. Dies bildet aber, auch unter Berücksichtigung der Zertifizierung der Beklagten nach der ISO 9001, jedenfalls kein Indiz dafür, dass die für die Beklagte handelnden Personen im Bewusstsein der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung handelten. Denn nach der Behauptung der Beklagten handelte es sich gerade um eine zulässige Technologie, weshalb aus ihrer – damals jedenfalls vertretbaren – Sicht kein Anlass zur Offenlegung bestanden hätte. Anders wäre dies ggfls. zu beurteilen, wenn die Beklagte Angaben gemacht hätte, diese aber unzutreffend gewesen wären (vgl. BGH, Beschluss vom 19.01.2021, Az.: VI ZR 433/19, Rdnr. 19 ff., zitiert nach Juris).
33
Dies gilt umso mehr als der Einsatz von Thermofenstern in Dieselfahrzeugen der Europäischen Kommission schon im Jahr 2008 bekannt war; Dieselfahrzeuge waren dementsprechend explizit von der Prüfung Typ 6 zur Messung von Emissionen bei niedrigen Temperaturen (bei denen der Einsatz von Thermofenstern zu einer geringeren Stickoxidverringerung führt) ausgenommen (Art. 3 Abs. 9 der Verordnung (EG) Nr. 692/2008 der Kommission vom 18. Juli 2008 zur Durchführung und Änderung der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge, ABl. L 199 vom 28.07.2008, S. 1 ff., nachfolgend: Verordnung 692/2008/EG, vgl. Mitteilung der Kommission über die Anwendung und die künftige Entwicklung der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften über Emissionen von Fahrzeugen für den Leichtverkehr und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen – Euro 5 und Euro 6 – vom 19.07.2008, Ziffer 8, ABl. C 182 vom 19.07.2008, S. 17 ff.). Eine Pflicht zur genauen Beschreibung der Emissionsstrategien wurde ohnehin erst mit der Verordnung (EU) 2016/646 der Kommission vom 20.04.2016 (ABl. L vom 26.04.2016, 1 ff.) eingeführt.
34
Das Thermofenster ist auch nicht so eng bedatet, dass dies eine Umschaltlogik gleichgestellt werden könnte. Die Abgasreinigung funktioniert zwischen 18 und 34° C zu 100% (S. 16 der Berufungsbegründung), also nicht nur auf dem Prüfstand, sondern auch nicht nur punktuell im normalen Fahrbetrieb.
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3. Zum Vortrag einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung i.S.v. § 826 BGB wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung mittels einer Lenkwinkelerkennung im Rahmen eines „Warmlaufmodus“ gilt Folgendes: Der bloße Umstand, dass das Fahrzeug aufgrund von bestimmten Parametern in der Lage ist, einen Prüfstandslauf zur (De-)Aktivierung von technischen Funktionen zu erkennen, genügt nicht zur Annahme einer – evident unzulässigen, von vornherein von Arglist geprägten – Abschalteinrichtung zur prüfstandsbezogenen Manipulation der NOx-Emissionen zur Erschleichung der Typengenehmigung. Denn auch andere technische Einrichtungen wie das elektronische Stabilitätsprogramm oder die adaptive Fahrwerksregelung werden im Prüfstand nicht aktiviert zur Vermeidung von Messverfälschungen oder Sicherheitsrisiken. Zur Begründung einer Haftung nach § 826 BGB sind solche Einrichtungen nur dann geeignet, wenn damit Emissionen in grenzwertrelevanter Weise auf dem Prüfstand gezielt manipuliert werden. Dies hat die Klagepartei zwar behauptet, doch die von ihr insoweit zum Beleg vorgelegten Unterlagen bestätigen dies gerade nicht: Aus den Ausführungen gemäß Bl. 292 d.A. ergibt sich, die NOx-Grenzwerte (Diesel) würden eingehalten, und gemäß der auf Bl. 297 d.A. wiedergegebenen Seite der Anlage wird ausgeführt, dass die Unterschiede im Hinblick auf die NOx-Emissionen zumeist gering seien und dass nach den bisherigen Tests an gebrauchten Fahrzeugen auch nach Ausbedatung bei Dieselfahrzeugen die NOx-Grenzwerte im NEFZ zumeist eingehalten würden. Dies trägt schon den Vorwurf des objektiv sittenwidrigen Verhaltens im Sinne von § 826 BGB nicht.
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4. Darüber hinaus beruft sich die Klagepartei darauf, Messungen hätten ergeben, dass die zulässigen Grenzwerte bei anderen Prüfungen als solchen im Rahmen des Prüfzyklus 1 (NEFZ) vielfach höhere Abgaswerte zeigen. Auch insoweit genügt der Vortrag indes nicht den Anforderungen als „greifbare Anhaltspunkte“ im Sinne der vorstehend zitierten Rechtsprechung.
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Unabhängig von der Frage der Geltung der Grenzwerte auch im realen Fahrbetrieb bezieht sich die Prüfung Typ I – der NEFZ – allein auf die „Prüfung der durchschnittlichen Abgasemissionen nach einem Kaltstart“ gemäß der genauen Testvorgaben nach Anhang III Nr. 2 der Verordnung (EG) Nr. 692/2008 vom 18.07.2008, ABl. L vom 28.07.2008, 1 ff. i.V.m. Nr. 5.3 der UN/ECE-Regelung Nr. 83. Es muss daher bei Prüfungen in anderen Messumgebungen als dem genormten NEFZ zwangsläufig zu abweichenden Messergebnissen kommen, und dies war dem europäischen Gesetzgeber ausweislich der Rechtsetzungsverfahren zur Änderung der für die Typengenehmigung erforderlichen Prüfverfahren auch bekannt (umfassend erläuternd insoweit: EuG, Urteil vom 13.12.2018, Az.: T-339/16, T-352/16 und T-391/16). Ausweislich der von der Klagepartei in Bezug genommenen Leitlinien der Kommission vom 26.01.2017 (C[2017] 352 final, dort u.a. S. 11) sollen daher Informationen über die Emissionen von Fahrzeugen im tatsächlichen Betrieb für Fahrzeuge, die vor den RDE-Verordnungen typengenehmigt wurden, nicht zur Grundlage dienen, um das Vorhandensein einer Abschalteinrichtung zu bestätigen. Besonders hohen Abweichungen könnte jedoch ggfls. in Verbindung mit weiteren Umständen Indizcharakter zukommen. Dabei ist indes zu berücksichtigen, dass jedenfalls allein schon aufgrund des Einsatzes eines Thermofensters deutliche Abweichungen verursacht werden. Dann ist ein Schluss aus besonders hohen Grenzwertüberschreitungen auf das Vorliegen von anderen Abschalteinrichtungen neben einem Thermofenster nicht ohne Weiteres gerechtfertigt (vgl. Bericht der „Untersuchungskommission Volkswagen“, S. 18 und Beispiel S. 72).
38
5. Schließlich bilden die von der Klagepartei vorgetragenen Aspekte auch in ihrer Gesamtschau keine hinreichenden Anhaltspunkte im Sinne der vorstehend zitierten Rechtsprechung. Nur ergänzend sei angemerkt, dass das Fahrzeug bereits zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung eine Laufleistung von rund 250.000 km aufwies, sich also ohnehin die Frage stellt, ob sich ein etwaiger – nach Auffassung des Senats nicht substantiiert dargelegter – Schadensersatzanspruch nicht bereits aufgezehrt hat.
III.
39
Zur Vermeidung weiterer Kosten wird der Klagepartei daher die Rücknahme der offensichtlich aussichtslosen Berufung empfohlen – eine Rücknahme der Berufung würde zu einer Kostenersparnis in Höhe von zwei Gerichtsgebühren führen, Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses.
40
Gelegenheit zur Stellungnahme besteht binnen obiger Frist.
München, 26.07.2021
Verfügung
1. Beschluss vom 26.07.2021 hinausgeben an:
2. Wiedervorlage mit Fristablauf