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LG München II, Endurteil v. 27.05.2021 – 10 O 3814/20 Ver
Titel:

Rente, Unfall, Unfallversicherung, Versicherungsnehmer, Werbung, Versicherungsfall, Lehrer, Streitwert, Unfallrente, Vergleich, Berechnung, Klage, Anlage, Sicherheitsleistung, Kosten des Rechtsstreits, vertragliche Vereinbarung

Schlagworte:
Rente, Unfall, Unfallversicherung, Versicherungsnehmer, Werbung, Versicherungsfall, Lehrer, Streitwert, Unfallrente, Vergleich, Berechnung, Klage, Anlage, Sicherheitsleistung, Kosten des Rechtsstreits, vertragliche Vereinbarung
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Beschluss vom 21.02.2022 – 25 U 3648/21
OLG München, Hinweisbeschluss vom 24.01.2022 – 25 U 3648/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 60904

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 168.500,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Versicherungsleistungen aus einer privaten Unfallversicherung infolge eines Unfalls des Klägers.
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Der Kläger ist Berufsmusiker und seit 1986 Versicherungsnehmer bei der Beklagten als Versicherer und hielt dort eine Private Unfallversicherung mit erhöhter Gliedertaxe für Berufsmusiker (Anlage K1). Der Versicherung unterliegen die AB-Unfall ‘08, VB-Unfall Invalidität ‘08, VB-Unfall Rente’08 (Anlage K9) und … BB-Unfall ’08 (Anlage K7). Die Versicherungsleistung umfasste für den Fall einer Invalidität eine Versicherungssumme von 150.000,00 € und ab dem Invaliditätsgrad von 50% eine monatliche Rente von 1.000 €. Am 29.06.2019 erlitt der Kläger bei einem Unfall einen Riss und eine Fraktur am linken Mittelfinger. Dies wurde der Beklagten mit Schreiben vom 07.07.2019 angezeigt (Anlage BLD1). Am 10.07.2019 wurde der streitgegenständliche Finger operiert und bis zum 10.10.2019 mit Nägeln fixiert. Die Beklagte wies mit Schreiben vom 16.07.2019 auf die Invaliditätsfristen hin und erbrachte eine Übergangsleistung in Höhe von 4.112,50 € sowie einen Vorschuss in Höhe von 10.000 €. Am 26.01.2020 hat … einen Bericht über die Funktionsfähigkeit des Fingers vom Kläger erstellt und festgestellt, dass die Wiedererlangung der Greifqualität für die Tätigkeit als Geiger nicht mehr erreichbar ist (Anlage K3). Die Behandlungsmaßnahmen endeten im Februar 2020 (Anlage K4, K5). Im Juni 2020 wurde ein Sachverständigengutachten von … über die Funktionsfähigkeit eingeholt (Anlage K6). Dieser stellt fest, dass eine Funktionsbeeinträchtigung vorliegt und diese mit 5/20 Fingerwert zu bemessen ist. Daraufhin leistete die Beklagte weitere 39.837,50 €. Mit Schreiben vom 30.07.2020 verweigerte die Beklagte die Zahlung der restlichen Summe in Höhe von 112.500,00 € (Anlage K10).
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Der Kläger behauptet, dass der Unfall zu einer dauerhaften und hundertprozentigen Funktionsunfähigkeit des Fingers geführt habe. Er sei durch den Unfall nicht mehr in der Lage, Geige zu spielen oder Geigenunterricht zu erteilen.
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Der Kläger ist der Ansicht, dass aufgrund der erhöhten Gliedertaxe nach § 1 a … BB-Unfall `08 ein Invaliditätsgrad von 100% vorliegt und er daher Anspruch auf Zahlung der gesamten Versicherungssumme von 150.000,00 € sowie einer Rente in Höhe von 1000 € monatlich habe.
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Der Kläger beantragt
1. Die Beklagtenpartei wird verurteilt, an den Kläger die restliche Versicherungsleistung im Wert von 112.500,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit 31.07.2020 zu bezahlen.
2. Die Beklagtenpartei wird verurteilt, an den Kläger 14.000 € rückständige Unfall-Rente nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit 31.07.2020 zu bezahlen.
3. Die Beklagtenpartei wird verurteilt, an den Kläger einen monatliche Unfall-Rente von 1.000,00 € ab dem 01.09.2020 zum jeweils Monatsersten zu bezahlen,
4. Die Beklagtenpartei wird verurteilt, an die Klagepartei einen Betrag von 3.323,55 € Vergütung für die außergerichtliche Anwaltstätigkeit zu bezahlen.
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Die Beklagte beantragt:
Die Klage wird abgewiesen.
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Die Beklagte ist der Ansicht, dass nur eine 25%ige Invalidität bei dem Kläger vorliege, sodass dem Kläger nur 25% der Versicherungsnummer, insgesamt 37.500,00 €, und eine Übergangsleistung von in Höhe von 16.450,00 € zustehe, die aber bereits reguliert wurden, sodass kein weiterer Anspruch bestehe. Die 25%ige Invalidität ergäbe sich aus 5/20 Mittelfingerwert mal 100% Gliedertaxenwert. Gem. § 1 … BB-Unfall ’08 gelten als feste Invaliditätsgrade für Streicher unter Ausschluss des Nachweises einer höheren oder geringeren Invalidität bei Funktionsbeeinträchtigung eines anderen Fingers der entsprechende Teil des Prozentsatzes von 100.
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Die Beklagte ist weiterhin der Auffassung, dass die Invalidität nach der Gliedertaxe für Berufsmusiker abzurechnen sei, der bereits den verbesserten Gliedertaxenwert von 100% im Vergleich zum normalen Gliedertaxenwert von 5% zugrunde liege, da eine Berechnung ohne diesen verbesserten Gliedertaxenwert dazu geführt hätte, dass im konkreten Fall die Invalidität nur 1,25% betragen hätte. Selbst nach erhöhter Gliedertaxe für Berufsmusiker liege jedenfalls keine 100%ige Invalidität vor. Eine Unfallrente gem. § 1 Nr.1 VB-Unfall ’08 komme nur in Betracht, wenn ein Invaliditätsgrad von 50% vorliege, was im konkreten Fall nicht gegeben sei.
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Der Kläger wendet hiergegen ein, dass aufgrund der erhöhten Gliedertaxe für Streicher bei Verlust oder Funktionsunfähigkeit eines Fingers von hundertprozentiger Invalidität auszugehen sei und der Kläger daher einen Anspruch auf 100% der Invaliditätssumme habe.
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Die Funktionsbeeinträchtigung sei dabei konkret in Bezug auf die Gebrauchsfähigkeit für das Geigenspiel zu beurteilen. Dies ergäbe sich aus dem Vertrag, aus einer Zusage der Beklagten an den Kläger (vgl. Anlage K11) sowie aus der Werbung der Beklagten (vgl. Anlage K13).
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Selbst wenn eine solche Vereinbarung nicht bestehen würde, so müsse auf den objektiven Empfängerhorizont des Versicherungsnehmers abgestellt werden, der es so verstehen würde, dass bei Funktionsunfähigkeit bezüglich des konkreten, vom Versicherungsnehmer ausgeübten, Berufes die volle Invaliditätssumme zu zahlen sei.
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Das Verfahren wurde mit Beschluss des Landgerichts München vom 05.10.2020 an das Landgericht München II verwiesen. Mit Beweisbeschluss vom 30.11.2020 wurde ein Sachverständigengutachten zu der Behauptung des Kläger, dass er durch das Unfallereignis am 29.06.2019 Verletzungen erlitten hätte, welche zu einer dauerhaften hundertprozentigen Funktionsunfähigkeit des linken Fingers geführt hätten, durch … eingeholt (Bl.58/81 d. Akte). Der Kläger beantragte mit Schriftsatz vom 24.01.2021 ein Ergänzungsgutachten über die Frage, ob die Funktionsunfähigkeit des Klägers bezüglich seiner Tätigkeit als Geiger zur 100%igen Invalidität geführt hätte. Dies wurde mit Beschluss vom 16.03.2021 abgelehnt (Bl. 109/111 d. Akte). Eine Übertragung auf den hier entscheidenden Einzelrichter gem. § 358a ZPO erfolgte mit Beschluss vom 21.01.2021. Mit Einverständnis der Parteien wurde gemäß § 128 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung entschieden. Als Zeitpunkt, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht, wurde der 17.05.2021 bestimmt.
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Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die ausgetauschten Schriftsätze der Parteivertreter samt Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet, da der Kläger keinen Anspruch auf vollständige Invaliditätsleistungen (Invaliditätssumme und -rente) gem. § 1 … BB-Unfall ‘08 bzw. § 1 Nr.1 VB-Unfall Rente ‘08 hat.
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1. Die Klage ist zulässig, das Landgericht München II ist gem. §§ 23 Nr.1, 71 Abs. 1 GVG
i. V.m. § 1 ZPO sachlich zuständig, da der Streitwert über 5.000,00 € liegt und örtlich gem. § 215 VVG, da der Wohnort des Klägers als Versicherungsnehmer im Gerichtsbezirk des Landgerichts München II liegt.
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2. Die Klage ist unbegründet, da der Kläger keinen Anspruch auf vollständige Invaliditätsleistungen (Invaliditätssumme und -rente) gem. § 1 … BB-Unfall ‘08 bzw. § 1 Nr.1 VB-Unfall Rente ‘08 hat.
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2.1. Unbetrittenerweise liegt zwar ein Versicherungsfall in Form eines Unfalls vor, jedoch führt dieser nicht zu einer Funktionsunfähigkeit von 100% und der damit einhergehenden Invalidität des Mittelfingers der linken Hand, da – entgegen der Auffassung des Klägers – die Funktionsfähigkeit nicht auf den Beruf des Klägers als Geigenspieler bzw. Lehrer für Geigenspiel bezogen, sondern allgemein-medizinisch zu beurteilen ist.
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Nach der Auffassung des Klägers bezieht sich die vertragliche Invalidität bezüglich der Funktionsfähigkeit des Fingers auf seinen konkreten Beruf als Geigenspieler bzw. Lehrer für Geigenspiel. Der Kläger sieht deshalb aufgrund der vereinbarten Gliedertaxe eine Invalidität von 100%.
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2.1.1. Dieser Auffassung widerspricht die vertragliche Vereinbarung der Parteien. Es besteht zwar eine erhöhte Gliedertaxe für den Beruf des Klägers gem. § 1 Nr. … BB-Unfall ‘08, jedoch ist nicht vereinbart, dass sich die Funktionsfähigkeit auf den konkreten Beruf bezieht. Dies ergibt sich aus einer Gesamtschau der vertraglichen Vereinbarungen.
- Nach § 1 (I) … BB-Unfall ‘08 besteht eine erhöhte Gliedertaxe für Berufsmusiker (konkret unter (I) für Streicher), die für den Fall des Verlustes oder der Funktionsunfähigkeit eines Fingers eine 100% Gliedertaxe regelt. Dies stellt im Vergleich zu den Gliedertaxen aus § 3 Nr.1 VB-Unfall Invalidität ’08, wonach bei Funktionsunfähigkeit eines Fingers nur eine Invalidität von 5% bestehen würde, eine Erhöhung dar. Hierdurch wird aber nicht geregelt, dass sich die Funktionsfähigkeit anhand der Auswirkungen auf den vom Kläger ausgeübten Beruf bestimmt. Die Definition der Funktionsfähigkeit gem. § 1 VB-Unfall Invalidität ’08 (Anlage K9) wird durch die Vereinbarung aus § 1 … BB-Unfall ‘08 nicht berührt.
- Weiterhin ist nicht vereinbart, dass jede Einschränkung bzw. Funktionsbeeinträchtigung zu einer Funktionsunfähigkeit und somit zu 100 %iger Invalidität führt. Dies ergibt sich auch aus § 1 Nr. 1 a.E. … BB-Unfall ‘08, wonach bei Teilverlust oder Funktionsbeeinträchtigung eines der in § 1 Nr. 1 … BB-Unfall ‘08 genannten Körperteile, der entsprechende Teil des Prozentsatzes gilt.
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2.1.2. Diesem Ergebnis entspricht auch die Eigenart der Unfallversicherung gem. §§ 178, 180 VVG. Durch die Unfallversicherung soll die Invalidität, die durch einen Unfall entstanden ist, kompensiert werden. Würde man jedoch die Invalidität auf einen konkreten Beruf und nicht mehr auf einen generell medizinischen Maßstab beziehen, würde dies dazu führen, dass Berufsunfähigkeit- und Unfallversicherung vermischt werden würden.
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Auch der BGH hat in seinem Urteil vom 10. Oktober 1966, welches nicht revidiert wurde, bestätigt, dass im Rahmen der sog. Gliedertaxen auch für Bewertungen von Teilschädigungen ein genereller Maßstab gilt und es somit für die Frage, in welchem Grad die Gebrauchsfähigkeit eines Körperteils oder Sinnesorgans durch einen Unfall tangiert ist, nicht auf den konkreten Beruf des Versicherungsnehmers ankommt. (BGH, Urteil vom 10. Oktober 1966 – II ZR 252/64 –, juris). Insgesamt ist festzuhalten, dass auch bei besonderen Gliedertaxen ein abstrakter Maßstab für die Frage der Invalidität maßgeblich ist (so auch Grimm/Kloth, 6. Aufl. 2021, AUB 2014 Abs. 2 Ziffer 2. Rn. 76)
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Im konkreten Fall wollten und haben die Parteien unstreitig eine Unfallversicherung vereinbart. Durch die erhöhte Gliedertaxe wurde lediglich die Höhe der Leistungen gem. § 180 VVG für die Berufsgruppe des Klägers geändert, jedoch nicht die Kriterien zur Beurteilung der Funktionsfähigkeit. Die Invalidität bezieht sich daher nicht auf den konkreten Beruf des Klägers.
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2.1.3. Auch aus Sicht eines objektiven und verständigen Versicherungsnehmers ergibt sich keine andere Wertung. Ein durchschnittlich verständiger Versicherungsnehmer musste § 1 Nr. 1 … BB-Unfall so verstehen, dass zwar die Gliedertaxe (§ 3 Nr.1 VB- Unfall Invalidität ’08) für Berufsmusiker erhöht wird, jedoch die Definition der Funktionsfähigkeit nicht verändert wird. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass § 1 Nr. 1 … BB-Unfall sich gar nicht auf die vertragliche Definition der Invalidität gem. § 1 Nr.1 VB-Unfall Invalidität ’08 bezieht. Hätte der Versicherungsnehmer einen beruflichen Bezug einer möglichen Funktionsbeeinträchtigung versichern wollen, hätte er dies durch eine Berufsunfähigkeitsversicherung machen müssen Hieraus ergeben sich auch keine Unklarheiten im Sinne von § 305c BGB.
- Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der E-Mail vom 04.03.2020 (Anlage K11). Hierin wird lediglich der Vertragsinhalt wiederholt, wonach bei Verlust oder Funktionsunfähigkeit eines Fingers die erhöhte Gliedertaxe in Höhe von insgesamt 100% greift. Jedoch wird weder dargelegt, dass sich die Funktionsfähigkeit auf den konkret ausgeübten Beruf bezieht, noch dass eine Funktionsbeeinträchtigung einer Funktionsunfähigkeit gleichkommt.
- Auch aus der vom Kläger durch Anlage K13 vorgelegten „Werbung“ ergibt sich nichts anderes, da auch in dem dort genannten Beispiel von dem vollständigen Verlust bzw. der Funktionsunfähigkeit des kleinen Fingers ausgegangen wird, der zu einer 100% Invalidität nach Gliedertaxe und somit zu einem Anspruch auf 100% der Versicherungssumme führt. Zwar gibt es auch Rechtsprechung, dass eine besonderen Zusicherung in Werbeschreiben für bestimmte Berufe zu einer versicherungsrechtlichen Vertrauenshaftung führen kann (vgl. OLG Hamm Urt. v. 13.6.1984 – 20 U 83/83, BeckRS 2008, 16577), vorliegend wird jedoch im Gegensatz zu diesen Fällen durch das Werbeschreiben der Beklagten nicht der Eindruck erweckt, dass sich die Invalidität individuell auf den Beruf des Versicherungsnehmers bezieht. Es wird lediglich und für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich dargelegt, dass bei Verlust eines Fingers die Beklagte die volle Summe leistet, während andere Versicherungen nur 5% der Summe zahlen würden. Die Beklagte hat dieses „Werbeversprechen“ durch die Zahlung der anteiligen Summe multipliziert mit der Gliedertaxe eingehalten.
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2.2. Eine vollständige 100% Funktionsunfähigkeit des Fingers nach allgemeinmedizinischen Maßstäben konnte auch nicht durch das Sachverständigengutachten des … bewiesen werden.
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2.2.1. Der Sachverständige konnte keine Funktionsunfähigkeit des streitgegenständlichen Fingers feststellen. Aus Seite 16 des Gutachtens (Bl. 73 d. Akte) legt dieser glaubhaft und zur Überzeugung des Gerichts Folgendes dar:
„Dennoch sind grundsätzlich Mittelfingerend- und Grundgelenk unverletzt und haben einen normalen Bewegungsumfang in Bezug auf Extension- und Flexionsbewegung. Ebenso ist die Sensibilität an der Fingerbeere uneingeschränkt. Insgesamt besteht daher nach den allgemeinen Gesichtspunkten der Begutachtung kein vollständiger Funktionsverlust, der mit einer Amputation des betroffenen Fingers gleichzusetzen wäre. Eine dauerhafte 100% Funktionsunfähigkeit des linken Fingers kann daher aus rein medizinischer Sicht wie sie etwa bei einer Amputationsverletzung, einer vollständigen Einsteifung aller drei Gelenke eines Fingers (Grund-, Mittel- und Endgelenk) oder einem Sensibilitätsverlust eintritt nicht gesehen werden“
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Aus den von den Parteien nicht angegriffenen, überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen ergibt sich für das Gericht glaubhaft, dass eine vom Kläger behauptete 100%ige Funktionsbeeinträchtigung nicht vorliegt. Dem Kläger ist trotz Unfall zum einen weiterhin ein normaler Bewegungsumfang möglich, zum anderen ist auch die Sensibilität an der Fingerbeere uneingeschränkt, so dass jedenfalls aus allgemein-medizinischer Sichtweise keinevollständige Funktionsunfähigkeit vorliegt.
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Für das Gericht bestehen bezüglich der Person des Sachverständigen ebenfalls keine Zweifel an dessen Glaubwürdigkeit, da das Gericht davon ausgeht, dass dieser in seiner Position als Direktor der Abteilung für Handchirurgie, Plastische Chirurgie und Ästhetischen Chirurgie an der … ausreichend sach- und fachkundig ist.
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2.2.2. Dieses Ergebnis wurde bereits durch das von der Beklagten eingeholte Privatgutachten von … vom 22.06.2020 festgestellt (Anlage K6). Dieser stellte eine Funktionsbeeinträchtigung in Form einer Bewegungseinschränkung fest und bezifferte dies nach Erfahrungswerten mit 5/20 Fingerwert. Der Kläger hat dieses Gutachten insoweit angegriffen, dass … nicht beurteilen könne, ob der betreffende Finger aufgrund der Fehlstellung beim Geigenspiel einzusetzen sei. Wie bereits dargestellt, kommt es jedoch nicht auf den Beruf bzw. die Tätigkeit des Klägers an, sodass bereits … eine Funktionsunfähigkeit des Fingers im Sinne der Versicherungsbedingungen ausschließen konnte.
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Dieses Ergebnis und das Ergebnis des Sachverständigen … konnte auch nicht durch die fachärztliche Bescheinigung bzw. den Bericht des … (Anlage K3 und K4) entkräftet werden, da sich dessen Feststellungen lediglich auf eine Funktionsunfähigkeit für den konkreten Beruf des Klägers bezogen. Dieser Maßstab entspricht aber nicht der Funktionsunfähigkeit im Sinne der Invalidität nach den vertraglichen Vereinbarungen gem. § 1 Nr. 1 VB-Unfall Invalidität ’08.
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2.2.3. Ein Ergänzungsgutachten bezüglich der Frage, ob eine Funktionsunfähigkeit bezogen auf den konkreten Beruf des Klägers besteht, wurde vom Gericht abgelehnt, da diese Frage außerhalb des Beweisthemas liegt. Wie dargelegt ist für die Frage, ob ein Anspruch auf die Versicherungssumme besteht, die allgemein medizinische Bewertung der Funktionsfähigkeit und nicht die berufsbezogene Bewertung relevant.
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3. Ein Anspruch auf Zahlung der bisherigen und künftigen Rente (Ziff. 2 und 3 der Klage) besteht nicht, da es gem. §§ 2 Nr. 1 b), 1 Nr. 1 VB-Unfall Rente ’08 für die Rentenzahlung eines Invaliditätsgrades von mindestens 50% bedarf. Eine, wie vom Kläger geltend gemachte, 100%ige Invalidität liegt nicht vor (siehe b.). Andere Invaliditätsgrade, die die Grenze von 50% erreichen, wurden vom Kläger nicht vorgetragen, so dass es bei dem vom Beklagten festgestellten Invaliditätsgrad von 25% verbleibt, der sich aus einem 5/20 Mittelfingerwert mal 100% Gliedertaxenwert ergibt.
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4. Mangels Anspruchs auf Zahlung der vollständigen Invaliditätssumme bzw. -rente besteht auch kein Anspruch auf Verzugsschaden in Form der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten und Zinsen gem. §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 bzw. 291 BGB. Die Beklagte durfte zu Recht die Zahlung der restlichen Summe verweigern, da kein Anspruch hierauf besteht.
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II. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S.1 und S.2 ZPO.
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III. Der Streitwert ergibt sich gem. § 48 Abs. 1 S.1, 39 GKG i.V.m. §§ 4, 9 ZPO aus der Summe der Forderungen in Ziffer 1, 2 und dem 3,5 fachen Jahresbetrag der Forderung aus Ziffer 3 der Klage, da dies eine wiederkehrende Leistung in Form einer Rente darstellt.