Titel:
Arbeitslosengeld, Bescheid, Widerspruchsbescheid, Arbeitsentgelt, Anwartschaftszeit, Arbeitslosigkeit, Gerichtsbescheid, Rahmenfrist, Anspruch, Aufhebung, Klage, Arbeit, Rechtsbehelf, Voraussetzungen, Anspruch auf Arbeitslosengeld, kein Anspruch
Schlagworte:
Arbeitslosengeld, Bescheid, Widerspruchsbescheid, Arbeitsentgelt, Anwartschaftszeit, Arbeitslosigkeit, Gerichtsbescheid, Rahmenfrist, Anspruch, Aufhebung, Klage, Arbeit, Rechtsbehelf, Voraussetzungen, Anspruch auf Arbeitslosengeld, kein Anspruch
Rechtsmittelinstanzen:
LSG München, Urteil vom 16.02.2023 – L 10 AL 124/21
BSG Kassel, Urteil vom 17.12.2024 – B 11 AL 10/23 R
Fundstelle:
BeckRS 2021, 60784
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreites sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
1
Streitig zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Arbeitslosengeld ab 01.11.2018.
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Der Kläger beantragte am 31.10.2018 bei der Beklagten die Gewährung von Arbeitslosengeld.
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Mit Bescheid vom 31.10.2018 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, dass kein Anspruch auf Arbeitslosengeld bestehe, da der Kläger in den letzten zwei Jahren vor dem 01.11.2018 weniger als 12 Monate versicherungspflichtig gewesen sei und die Anwartschaftszeit (§§ 142, 143 SGB III) nicht erfüllt habe.
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Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 14.11.2018 Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, dass er während seiner langjährigen Haftstrafe Arbeitsleistungen erbracht habe und Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entrichtet worden seien. Er habe die Zurückstellung der weiteren Vollstreckung der Haftstrafe erreichen können, indem er sich in der Zeit vom 05.04.2018 bis 30.10.2018 einer stationären Therapie unterzogen habe. Er habe am 05.04.2018 einen Antrag auf Arbeitslosengeld stellen wollen, welcher jedoch abgelehnt worden sei, da er der Arbeitsvermittlung aufgrund der stationären Therapie nicht zur Verfügung gestanden habe. Während der Therapie habe er SGB II-Leistungen bezogen. Seinen Antrag auf Arbeitslosengeld ab 01.11.2018 sei stattzugeben, da er ab dem 01.04.2018 einen Anspruch auf Arbeitslosengeld gehabt hätte, da er zu diesem Zeitpunkt die Rahmenfrist und die Anwartschaftszeit erfüllt habe. Aufgrund der notwendigen Therapie würden ihm nur einige Tage fehlen. Für derartige Fallkonstellationen müsse entweder eine Verschiebung der Rahmenfrist oder eine Verlängerung der Rahmenfrist erfolgen, da die Therapie sinnvoll und notwendig gewesen sei und nicht mittelbar dem Verlust des Arbeitslosengeldanspruches nach sich ziehen könne.
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Dem Rechtsbehelf wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.11.2018 zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass nach § 137 Abs. 1 SGB III Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit habe, wer unter anderem die Anwartschaftszeit erfüllt habe, dass Anwartschaftszeit erfülle, wer in der Rahmenfrist mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe (§ 142 Abs. 1 SBG III), dass ein Monat 30 Kalendertagen (§ 339 Satz 1 SGB III) entspreche, folglich dass 12 Monate 360 Kalendertagen entsprechen würden, dass die Rahmenfrist zwei Jahre betrage und mit dem Tage vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld (§ 143 Abs. 1 SGB III) beginne, dass der Kläger die sonstigen Anspruchsvoraussetzungen am 01.11.2018 erfülle und dass die Rahmenfrist daher die Zeit vom 01.11.2016 bis 31.10.2018 umfasse. Innerhalb dieser Rahmenfrist seien nur 188 Kalendertage zu berücksichtigen, in denen der Kläger versicherungspflichtig im Sinne der §§ 24, 26 und 28a SGB III gewesen sei. Da der Kläger am 05.04.2018 keinen Antrag auf Arbeitslosengeld gestellt habe, habe er daher die Anwartschaftszeit nicht erfüllt, weil er nicht mindestens 12 Kalendermonate (= 360 Kalendertage) in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe.
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Mit seiner am 30.11.2018 beim Sozialgericht Bayreuth eingegangenen Klage vom 29.11.2018 verfolgt der Kläger sein Begehr weiter. Zur Begründung führt er mit Schreiben vom 26.08.2019 aus, dass er vom 02.11.2016 für 25 Tage versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei und sich außerdem vom 20.03.2017 bis 16.03.2018 in einer zusammenhängenden beitragspflichtigen Beschäftigung befunden habe, dass die Beklagte zu Unrecht davon ausgehe, weil sich hierfür in § 26 Abs. 1 Nr. 4 SGB III keine Grundlage finde, dass Versicherungspflicht nur für die reinen Beschäftigungstage bestehe, dass Sinn und Zweck der Regelungen zur Versicherungspflicht von Gefangenen zum selben Ergebnis führe, da § 26 Abs. 1 Nr. 4 SGB II eine weitgehende Gleichstellung von Gefangenenarbeit mit Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bezwecke, dass auch bei den Arbeitsnehmern des allgemeinen Arbeitsmarktes das Herausrechnen einzelner arbeitsfreier Tage nicht zulässig sei, dass deshalb innerhalb der Rahmenfrist vom 01.11.2016 bis 31.10.2018 379 Tage zu berücksichtigen seien und dass die Beklagte ihm damit das Arbeitslosengeld hätte nicht versagen dürfen.
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Auf richterliche Anforderung vom 14.05.2020 hin übersandte die JVA A. unter anderem zwei Arbeitsbescheinigungen des Klägers für die Zeit vom 05.10.2015 bis 26.11.2016 und vom 20.03.2017 bis 16.03.2018, aus denen sich 321 Tage der Beschäftigung ergeben.
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Der Bevollmächtigte des Klägers beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 31.10.2018 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 19.11.2018 zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit ab 01.11.2018 Arbeitslosengeld gemäß den gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen.
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Die Beklagte beantragt,
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Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten ergänzend auf den Inhalt der beigezogenen Beklagtenakten, der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und dem Hinweis des Gerichtes vom 04.01.2021 Bezug genommen.
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Die Beteiligten wurden mit gerichtlichem Schreiben vom 05.05.2021 unter Setzung einer Äußerungsfrist bis 31.05.2021 zu einer Entscheidung gemäß § 105 SGG mittels Gerichtsbescheid durch den Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung gehört.
Entscheidungsgründe
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Die gemäß §§ 51, 78, 87, 90, 92 SGG form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig.
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In der Sache ist sie aber unbegründet, weil der Kläger wegen Nichterfüllung der Anwartschaftszeit keinen Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosengeld ab 01.11.2018 hat.
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Nach § 136 Abs. 1 SGB III haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitsnehmer Anspruch auf Arbeitslosengeld
1. bei Arbeitslosigkeit oder
2. bei beruflicher Weiterbildung.
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Nach § 137 Abs. 1 SGB III hat Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit, wer
2. sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und
3. die Anwartschaftszeit erfüllt hat.
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Nach § 142 Abs. 1 SGB III hat die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist (§ 143) mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Nach § 143 Abs. 1 SGB III in der bis 31.12.2019 geltenden Fassung beträgt die Rahmenfrist zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen auf Arbeitslosengeld.
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Nach § 339 Satz 2 SGB III entspricht bei der Anwendung der Vorschriften über die Erfüllung der für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erforderlichen Anwartschaftszeit ein Monat 30 Kalendertagen.
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Nach § 26 Abs. 1 Nr. 4 SGB III sind versicherungspflichtig Gefangene, die Arbeitsentgelt erhalten, wobei das Versicherungsverhältnis während arbeitsfreier Sonnabende, Sonntage und gesetzlicher Feiertage als fortbestehend gilt, wenn diese Tage innerhalb eines zusammenhängenden Arbeits- oder Ausbildungsabschnittes liegen.
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Vorliegend hat der Kläger unstreitig am 01.10.2018 die oben genannten Voraussetzungen des § 137 Abs. 1 Nr. 3 SGB III (= arbeitslos) und § 137 Abs. 1 Nr. 2 SGB III (= bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet) erfüllt.
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Die zweijährige Rahmenfrist des § 143 Abs. 1 SGB III in der bis 31.12.2019 geltenden Fassung beginnt damit am 01.11.2016 und endet am 31.10.2018.
21
In dieser Rahmenfrist hat der Kläger, da er als Gefangener Arbeitsentgelt erhalten hat, 321 Tage an Versicherungspflicht zurückgelegt.
22
Zu diesen Tagen sind entgegen der Auffassung der Beklagten nach dem insofern eindeutigen Wortlaut des § 26 Abs. 1 Nr. 4 SGB III folgende Tage hinzuzuaddieren:
01.11.2016 Feiertag Allerheiligen
27.05.2017, 28.05.2017 Samstag und Sonntag
17.06.2017, 18.06.2017 Samstag und Sonntag
05.08.2017, 06.08.2017 Samstag und Sonntag
12.08.2017, 13.08.2017 Samstag und Sonntag
15.08.2017 Feiertag Maria Himmelfahrt
30.09.2017, 01.10.2017 Samstag und Sonntag
03.10.2017 Feiertag Tag der deutschen Einheit
14.10.2017, 15.10.2017 Samstag und Sonntag
21.10.2017, 22.10.2017 Samstag und Sonntag
28.10.2017, 29.10.2017 Samstag und Sonntag
31.10.2017, 01.11.2017 Feiertage Reformationstag und Allerheiligen
23.12.2017, 24.12.2017 Samstag und Sonntag
25.12.2017, 26.12.2017 Feiertag 1. Und 2. Weihnachtsfeiertag
30.12.2017, 31.12.2017 Samstag und Sonntag
01.01.2018 Feiertag Neujahr
13.01.2018, 14.01.2018 Samstag und Sonntag
20.01.2018, 21.01.2018 Samstag und Sonntag
03.03.2018, 04.03.2018 Samstag und Sonntag
23
Weil es sich bei diesen Tagen, wie bereits ausgeführt, um arbeitsfreie Sonnabende, Sonntage und gesetzliche Feiertage, die innerhalb des vom 20.10.2016 bis 26.11.2016 und 20.03.2017 bis 16.03.2018 zusammenhängenden Arbeitsabschnittes liegen, handelt.
24
Da der Kläger somit statt der erforderlichen 360 lediglich 354 Tage in der Rahmenfrist vom 01.11.2016 bis 31.10.2018 in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat, hat er die Anwartschaftszeit für die Gewährung von Arbeitslosengeld ab 01.11.2018 nicht erfüllt.
25
Der Bescheid vom 31.10.2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2018 ist daher im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Klage war somit vollumfänglich abzuweisen.
26
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
27
Das Gericht konnte durch Gerichtsbescheid gem. § 105 SGG entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art aufweist, der Sachverhalt geklärt ist und die Beteiligten vorher von Seiten des Gerichtes unter Setzung einer Äußerungsfrist gehört wurden.