Inhalt

LG München I, Endurteil v. 30.07.2021 – 31 O 3460/21
Titel:

Anspruch auf Maklerprovision

Normenketten:
ZPO § 139, § 254
BGB § 652, § 780, § 781
HGB § 6, § 343, § 344
GmbHG § 13
Leitsatz:
Keine Annahme eines Maklervertrages ist das bloße Ausnutzen eines bereits zuvor erhaltenen Nachweises, wenn der Makler erst im späteren Verlauf seine Provisionsforderung artikuliert und der Kunde keine weiteren Dienste des Maklers mehr anfordert. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Nachweis, Vermittlung, Maklerprovision, Leistung, Courtage, Sachvortrag, lückenhaft, Protokoll, Überraschungsentscheidung, Stufenklage, Anerkenntnis, Handelsgeschäft, Maklervertrag, Annahme
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Endurteil vom 22.02.2023 – 7 U 6026/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 60686

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar. -
Beschluss
I. Der Streitwert wird auf 43.630,16 € festgesetzt.
II. Das Protokoll vom 19.07.2021 wird um folgende Passage ergänzt: Der Klägervertreter weist darauf hin, dass die Hinweise des Gerichts zum Klägervortrag eines Hinweises nach § 139 ZPO bedurft hätten. 

Tatbestand

1
Der Kläger macht Ansprüche im Zusammenhang mit der Vermittlung bzw. dem Nachweis eines von der Beklagten eingestellten Geschäftsführers geltend.
2
Der Kläger lernte im Herbst 2018 Herrn … kennen, der ein neues Betätigungsfeld suchte. Der Kläger wurde Anfang 2019 durch einen Geschäftsfreund, Herrn M…, auf die Beklagte, ein Start-Up-Unternehmen, aufmerksam gemacht, die im Februar 2019 drei Gesellschafter, die Herren K… J… und Prof. Dr. …, hatte. Die Beklagte suchte einen neuen Geschäftsführer. Aufgrund des dem Kläger bekannten beruflichen Werdegangs des Herrn B… erschien dieser dem Kläger für die Aufgabe des Geschäftsführers bei der Beklagten als vielversprechend. Herr M… stellte einen Kontakt zwischen dem Kläger und der Beklagten her.
3
Am 06.03.2019 kam es zu einem Treffen in den Räumen der Münchener Anwaltskanzlei …. Es nahmen der Kläger sowie die Herren B…, K… und M… teil. In dieser Besprechung stellte der Kläger Herrn B… gegenüber Herrn Ka… vor. Herr B… erhielt die Möglichkeit, sich als Kandidat für die Position als Geschäftsführer bei der Beklagten zu bewerben. Herr B… begann am 01.11.2019 seine Tätigkeit als Geschäftsführer der Beklagten.
4
Der Kläger hat E-Mails vom 10.04.2019, 11:56 Uhr, und vom 14.04.2019, 17:44 Uhr und 20:50 Uhr (jeweils Anlage K1; K2), vom 15.04.2019, 09:18 Uhr und 09:47 Uhr (Anlage K4), vom 03.06.2019, 16:06 Uhr (Anlage K5) und 17:46 Uhr (Anlage K6), sowie vom 04.02.2020, 11:51 Uhr (Anlage K9), vorgelegt, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.
5
Der Kläger trägt – von der Beklagten bestritten (Bl. 30-31 d.A.) – vor, Herr K… habe den Kläger um Zurverfügungstellung eines Vertrages gebeten, der insbesondere die wirtschaftlichen Konditionen für seine Vermittlungsdienstleistungen enthalten sollte (Bl. 4 d.A.).
6
Der Kläger ist der Ansicht, ein Maklervertrag sei stillschweigend, jedenfalls nachträglich, geschlossen worden, weshalb dem Kläger gemäß § 653 Abs. 2 BGB eine ortsübliche Vergütung zustehe. Jedenfalls hätten sowohl Herr K… als auch Herr B… den Honoraranspruch schriftlich anerkannt.
7
Der Kläger beantragt,
1.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft über die Höhe der monatlichen Bruttobezüge inklusive aller Nebenleistungen wie Dienstwagen, Tantieme etc., die ihr Geschäftsführer, Herrn … am 01.02.2020 erhielt, zu erteilen.
2.
Die Beklagte wird erforderlichenfalls verurteilt, durch ihren Geschäftsführer die Richtigkeit und Vollständigkeit der nach Ziff. 1 zu erteilenden Auskünften eidesstattlich zu versichern.
3.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger eine Courtage aus der Vermittlung eines Geschäftsführeranstellungsverhältnisses in Höhe von 4 Brutto-Monatsgehältern, deren Höhe sich aus der erfolgten Auskunft nach Ziff. 1 nebst 19% Umsatzsteuer sowie Zinsen in Höhe von 9%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 19. September 2020 hieraus zu bezahlen.
4.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe einer 1,3 Geschäftsgebühr nach Ziff. 2300 VV RVG aus dem Gegenstandswert, der sich nach erteilter Auskunft in Höhe der aus Ziff. 3 der Klageanträge ergibt, nebst einer Gebühr nach Ziff. 7002 VV RVG sowie 19% MWSt. nebst Zinsen aus der Gesamtsumme in Höhe von 9%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 19. September 2020 hieraus zu bezahlen.
8
Die Beklagte beantragt
Klageabweisung.
9
Die Beklagte trägt vor, der Kläger habe zu keinem Zeitpunkt – auch nicht auf die Anfrage des Herrn B… in der E-Mail vom 15.04.2019, 09:47 Uhr (Anlage K4), hin – von sich aus eine Provisionsvereinbarung thematisiert (Bl. 32 d.A.).
10
Die Beklagte ist der Ansicht, ein Anspruch des Klägers komme nicht in Betracht, insbesondere fehle es schon an einem „Versprechen“ der Beklagten i.S.d. § 652 Abs. 1 S. 1 BGB (Bl. 43 d.A.). Auch habe die Beklagte einen Provisionsanspruch nicht anerkannt (Bl. 43 ff. d.A.). Die Beklagte meint, das Vorgehen des Klägers habe gegen Standesrecht verstoßen (Bl. 45 ff. d.A.).
11
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 19.07.2021 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

12
Die zulässige Klage ist unbegründet.
13
I. Der Rechtsstreit ist entscheidungsreif.
14
1. Entgegen der Ansicht des Klägers im Schriftsatz vom 25.07.2021 liegt kein Verstoß gegen § 139 ZPO vor.
15
Der Einzelrichter hat es nicht unterlassen, den Kläger gemäß § 139 Abs. 1 S. 2 ZPO auf mögliche Lücken im Sachvortrag aufmerksam zu machen. Es war bereits nicht von einer Lückenhaftigkeit des Vortrags auszugehen. Im Schriftsatz vom 25.07.2021 wird auf Seite 3 (Bl. 57 d.A.) gerade ausgeführt, dass der Kläger in der Klageschrift den Geschehensablauf genau beschrieben hat.
16
Der protokollierte Hinweis (Bl. 53 d.A.) zu den Voraussetzungen des Makleranspruchs war nicht geeignet, eine Überraschungsentscheidung herbeizuführen. Die Beklagte hatte schriftsätzlich auf das Fehlen der Voraussetzungen aufmerksam gemacht und der Kläger hierauf schriftsätzlich erwidert, so dass bereits kein i.S.d. § 139 Abs. 2 S. 1 ZPO übersehener oder für unerheblich gehaltener Gesichtspunkt in Rede steht.
17
Deshalb war auch nicht ersichtlich, dass dem Kläger eine sofortige Erklärung i.S.d. § 139 Abs. 5 ZPO nicht möglich gewesen wäre.
18
2. Soweit der Kläger zugleich rügt, es liege ein Verstoß gegen § 162 ZPO vor, ist dieser Einwand nicht begründet. Ein Fall des § 162 Abs. 1 S. 1 ZPO, in dem das Protokoll vorzulesen und zu genehmigen gewesen wäre, ist nicht einschlägig.
19
II. Die Klage ist zulässig.
20
1. Das Landgericht München I ist gemäß §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG sachlich und gemäß §§ 12, 17 Abs. 1 ZPO örtlich zuständig.
21
2. Die Voraussetzungen des § 254 ZPO für die Erhebung einer Stufenklage liegen vor.
22
III. Die Klage ist nicht begründet. Mangels Bestehens eines Zahlungsanspruchs ist die Klage hinsichtlich der Antragsziffern 1 bis 3 vollständig abzuweisen (vgl. BeckOK-ZPO/Bacher, 41. Ed. – Stand: 01.07.2021, § 254 ZPO Rn. 19; BGH, Urteil vom 28.11.2001 – VIII ZR 37/01, NJW 2002, 1042, 1044 unter Ziffer II.4.).
23
1. Die Voraussetzungen des § 652 Abs. 1 BGB für einen Anspruch des Klägers auf Leistung eines Maklerlohns liegen nicht vor. Es fehlt am „Versprechen“ der Beklagten.
24
Keine Annahme ist das bloße Ausnutzen eines bereits zuvor erhaltenen Nachweises, wenn der Makler erst im späteren Verlauf seine Provisionsforderung artikuliert und der Kunde keine weiteren Dienste des Maklers mehr anfordert. Der Makler hat es selbst in der Hand, seine Kenntnisse so lange zurückzuhalten, bis er durch eine vertragliche Abrede gesichert ist. Unterlässt er dies, kann er nicht nachträglich seine Vergütung für eine außerhalb der Vertragsbeziehung erbrachte Leistung fordern (BeckOGK/Meier, Stand: 01.05.2021, § 652 BGB Rn. 126 mit Nachweisen zur Rspr.). So liegt die Sache hier.
25
Maßgeblich für den Provisionsanspruch sind allein die Absprachen zwischen dem Kläger und den bei der Beklagten – vor Einstellung des Herrn B… bei der Beklagten – vertretungsberechtigten Personen bzw. den Repräsentanten der Beklagten.
26
Soweit der Kläger vorträgt, Herr K… habe den Kläger um Zurverfügungstellung eines Vertrages gebeten, der insbesondere die wirtschaftlichen Konditionen für seine Vermittlungsdienstleistungen enthalten sollte, war der zum Beweis dieser Tatsache benannte Zeuge M… nicht zu vernehmen. Der Kläger hat einen entsprechenden Vertrag nicht zur Verfügung gestellt. Unterstellt man die Behauptung als wahr, geht daraus hervor, dass die Beklagte, vertreten durch Herrn K… zwar geneigt war, einen entsprechenden Vertrag zu schließen, allerdings unter der Voraussetzung einer schriftlichen Niederlegung der essentialia negotii. Eine Konstruktion einer vertraglichen Einigung ohne Abrede über die Höhe der Vergütung und deren Ersetzung durch § 653 Abs. 2 BGB scheidet daher aus.
27
Nach dem Termin vom 06.03.2019 erfolgten keine weiteren einschlägigen Tätigkeiten des Klägers mehr.
28
Der Kläger machte gegenüber der Beklagten erstmals mit E-Mail vom 03.06.2019, 16:06 Uhr (Anlage K5) an Herrn K… einen Zahlungsanspruch geltend. Dort schrieb er unter anderem: „Sollten Sie den von mir vermittelten Herrn B… als GF anstellen (…) beanspruche ich natürlich eine Courtage – das wären (marktüblich) vier (4) Bruttomonatsgehälter des Festgehaltes“.
29
Angesichts dieser Chronologie folgt der Einzelrichter der Ansicht des Klägers, der Kläger und die Beklagte hätten einen Maklervertrag geschlossen, nicht. Zum Argument eines nachträglich – d.h. nach Leistung des Klägers – erfolgten Abschlusses des Vertrags wird auf die Ausführungen unter Abschnitt III.3.b. verwiesen. Die dortige Begründung zum fehlenden Rechtsbindungswillen der Beklagten gilt hier entsprechend.
30
Der Einwand des Klägers zur oben genannte Fundstelle, hierbei handele es sich um eine durch keinerlei Rechtsprechung belegte Privatmeinung des Autors, überzeugt angesichts der Substanz der Fußnoten nicht. Ebenso wenig der Einwand, der Kläger habe keine ihm zufällig bekannt gewordene Situation ausgenutzt; von einer solchen Ausnutzung ist in der zitierten Fundstelle nicht die Rede.
31
2. Dieses Ergebnis korrespondiert auch mit der Rechtsprechung zur Geschäftsführung ohne Auftrag, wonach durch deren Regelungen Aufwendungen, die erbracht wurden, um einen tatsächlich nicht geschlossenen Vertrag anzubahnen, nicht ersatzfähig sind (BeckOGK/Meier, aao mit Verweis auf BGH, Beschluss vom 23.02.2006 – III ZR 209/05, NJW-RR 2006, 656, Rz. 5). Soweit der Kläger sich also auf S. 4 des Schriftsatzes vom 25.07.2021 (Bl. 58 d.A.) auf eine Geschäftsbesorgung beruft, begründet dies einen Anspruch ebenfalls nicht. Andernfalls würden die Voraussetzungen des § 652 BGB gerade unterlaufen.
32
3. Auch liegt insofern kein den Anspruch begründendes Anerkenntnis vor.
33
a. Zwar gelten gemäß § 350 HGB die Formvorschriften der §§ 780, 781 BGB nicht, da insoweit gemäß §§ 343, 344 Abs. 1, 6 Abs. 1 HGB i.V.m. § 13 Abs. 3 GmbHG vom Vorliegen eines Handelsgeschäfts der Beklagten auszugehen wäre. Ein Formmangel hinsichtlich der in den EMails enthaltenen Erklärungen wäre daher zu verneinen.
34
b. Allerdings sind die streitgegenständlichen Erklärungen, auf die sich der Kläger stützt, nicht geeignet, um eine Subsumtion als anspruchsbegründendes Anerkenntnis zu tragen.
35
Weder die Formulierung „würdest Du denn nicht für meine Vermittlung eine Provision bekommen?“ in der E-Mail des Herrn B… vom 15.04.2019, 09:47 Uhr (Anlage K4), noch die Formulierung „eine Honorierung ihrer Bemühungen Herrn … uns vorzustellen würden wir selbstverständlich nachkommen“ in der E-Mail des Herrn … vom 03.06.2019, 17:46 Uhr (Anlage K6) lassen auf einen hinreichend gefestigten Rechtsbindungswillen schließen. Hinsichtlich der E-Mail des Herrn … gilt dies gerade deshalb, weil er unter anderem darauf verweist, dass „hinsichtlich einer etwaigen Vermittlungsprovision (…) nichts vereinbart“ wurde.
36
Auch die Formulierung „Die Firma N… ist grundsätzlich bereit, eine angemessene Provision für Deine Vermittlungsleistung zu zahlen“ in der E-Mail des Herrn B… vom 04.02.2020, 11:51 (Anlage K9) enthält einen entsprechenden Rechtsbindungswillen nicht. Dies gilt angesichts der drei unmittelbar folgenden Sätze in dem Absatz der E-Mail, auf die verwiesen wird.
37
4. Mangels Hauptanspruchs ist auch der mit Ziffer 4 geltend gemachte Anspruch auf Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten zu verneinen.
38
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1, S. 2 ZPO. Der Streitwert wurde gemäß § 3 ZPO unter Berücksichtigung der vom Kläger angesetzten Höhe festgesetzt.