Titel:
Kaufvertrag, Berufung, Leistungen, Marke, Revision, Zeitpunkt, Schriftsatz, Anlage, Warnfunktion, Umfang, Form, Beurkundung, Verpflichtung, Vertrag, notariellen Beurkundung
Schlagworte:
Kaufvertrag, Berufung, Leistungen, Marke, Revision, Zeitpunkt, Schriftsatz, Anlage, Warnfunktion, Umfang, Form, Beurkundung, Verpflichtung, Vertrag, notariellen Beurkundung
Vorinstanz:
LG München I, Endurteil vom 05.03.2020 – 25 O 6212/19
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 26.01.2023 – III ZR 69/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 60625
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin vom 06.04.2020 wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 05.03.2020, Az.: 25 O 6212/19, aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 83.300,00 € nebst Zinsen in Höhe von 9%- Punkten über dem Basiszinssatz jeweils aus 2.975,00 € seit dem 08.11.2016,
08.12.2016, 08.01.2017, 08.02.2017, 08.03.2017, 08.04.2017, 08.05.2017, 08.06.2017,
08.07.2017, 08.08.2017, 08.09.2017, 08.10.2017, 08.11.2017, 08.12.2017, 08.01.2018,
08.02.2018, 08.03.2018, 08.04.2018, 08.05.2018, 08.06.2018, 08.07.2018, 08.08.2018,
08.09.2018, 08.10.2018, 08.11.2018, 08.12.2018, 08.01.2019 sowie 08.02.2019 zu bezahlen sowie 941,70 € vorgerichtliche Kosten.
III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 83.300,00 € festgesetzt.
Entscheidungsgründe
1
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Bezahlung restlicher Vergütung aus einem zwischen den Parteien geschlossenen Beratungsvertrag.
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Hinsichtlich der weiteren Feststellungen wird Bezug genommen auf den Tatbestand des angefochtenen Endurteils des Landgerichts München I vom 05.03.2020, Az.: 25 O 6212/19, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
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Mit Endurteil vom genannten Tag wies das Erstgericht die Klage ab. Tragend stellte es dabei darauf ab, dass die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum keinerlei Beratungsleistungen erbracht habe. Da die Klägerin ihre Leistungen zudem nicht wörtlich angeboten habe, sei die Beklagte auch nicht in Annahmeverzug geraten. Sollte das Beratungshonorar tatsächlich Teil des Kaufpreises gewesen sein, wäre die Vereinbarung nichtig gemäß § 311 Abs. 3 BGB.
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Gegen dieses dem anwaltlichen Vertreter der Klägerin unter dem 09.03.2020 zugestellte Endurteil legte derselbe mit Schriftsatz vom 06.04.2020, beim Oberlandesgericht München eingegangen am gleichen Tag, Berufung ein (Bl. 66/67 d.A.), die er mit Schriftsatz vom 04.06.2020, beim Oberlandesgericht München eingegangen am gleichen Tag, begründete (Bl. 80/87 d.A.).
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Die Klägerin argumentiert, sie habe vor Oktober 2016 Beratungsleistungen erbracht, anschließend seien ihre Leistungen nicht mehr abgerufen worden. § 311 b BGB sei nicht anwendbar, da die Vermögensgegenstände einzeln aufgelistet seien.
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Die Klägerin beantragt, das Urteil des Landgerichts München I (Az.: 25 O 6212/19) aufzuheben,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 83.300,00 € nebst Zinsen in Höhe von 9%-Punkten über dem Basiszinssatz jeweils aus 2.975,00 € seit dem 08.11.2016, 08.12.2016, 08.01.2017,
08.02.2017, 08.03.2017, 08.04.2017, 08.05.2017, 08.06.2017, 08.07.2017, 08.08.2017,
08.09.2017, 08.10.2017, 08.11.2017, 08.12.2017, 08.01.2018, 08.02.2018, 08.03.2018,
08.04.2018, 08.05.2018, 08.06.2018, 08.07.2018, 08.08.2018, 08.09.2018, 08.10.2018, 08.11.2018, 08.12.2018, 08.01.2019 sowie 08.02.2019 und 941,70 € vorgerichtliche Kosten zu bezahlen.
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Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
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Der Senat hat zur Sache mündlich verhandelt unter dem 03.04.2021 (Protokoll Bl. 143/145 d.A.).
10
Im Übrigen wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
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Die zulässige Berufung der Klägerin ist in vollem Umfang begründet.
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Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Bezahlung des Beraterhonorars aus dem Beratervertrag vom 07.02.2016 für die Monate Oktober 2016 bis Januar 2019 in Höhe von insgesamt 83.300,00 € zu.
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Mit Beratervertrag vom 17.02.2016 (Anlage K 1) verpflichtete sich die Klägerin, die zum gleichen Zeitpunkt mit Kaufvertrag vom 17.02.2016 (Anlage B 3) verschiedene Wirtschaftsgüter und Marken an die Beklagte übertragen hatte, zu einem Wissenstransfer bezüglich der von der Beklagten erworbenen Wirtschaftsgüter. Hierzu gehört unter anderem die Information über die wesentlichen Geschäftskontakte zu Großhändlern, Apotheken, Ärzten, insbesondere Dialysezentren, Endkunden, Dienstleistern und Herstellern sowie der Transfer relevanter Marketing- und Vertriebskonzepte der M. GmbH P. Gemäß § 1 Abs. 2 des Beratervertrages werden die einzelnen Aufgaben im Einzelfall konkretisiert.
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Diese Vereinbarung ist wirksam, insbesondere formwirksam. Sie bedurfte nicht der notariellen Beurkundung.
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Richtig wendet zwar die Beklagte ein, dass ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, sein gegenwärtiges Vermögen oder einen Bruchteil seines gegenwärtigen Vermögens zu übertragen, der notariellen Beurkundung gemäß § 311 b Abs. 3 BGB bedarf. Nach der ratio der Norm soll der sich Verpflichtende vor einem übereilten Eingehen einer besonders gefährlichen Verpflichtung geschützt werden (BGHZ 25, 5). Unter Vermögen wird allerdings die Gesamtheit der Aktiva oder eine Quote hiervon verstanden, unanwendbar ist die Norm auf Verträge über einzelne Vermögensgegenstände (BGH WM 1976, 744), da durch die Benennung der einzelnen Vermögensstände dem Verfügenden vor Augen geführt wird, welche Teile seiner Aktiva erfasst werden und es deshalb der Warnfunktion und des Übereilungsschutzes einer notariellen Beurkundung nicht bedarf.
16
So liegt der Fall hier.
17
Im Kaufvertrag vom 17.02.2016 sind die einzelnen Wirtschaftsgüter (Calciumacetat Prorenal, Produktentwicklung Aterofit, Calciumacetat Prorenal NEM, Calciumrenal, Omegarenal, Vitakarnitin, Vitarenal, Marke Ferrorenal und Firmenname P.) einzeln genannt, ebenso die Marken. Damit bedarf schon der Kaufvertrag keiner Form und selbst wenn das Beraterhonorar Teil des Kaufvertrags wäre, der Beratervertrag ebenso wenig.
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Da das Dienstvertragsrecht keine Gewährleistung kennt, kommt eine Minderung des Vergütungsanspruchs wegen Schlechtleistung nicht in Betracht. Nur im Falle einer Nichtleistung entfällt der Vergütungsanspruch (Palandt-Weidenkaff, BGB, 80. Aufl., 2021, § 611 BGB Rn. 16; BGH NJW 2004, 2817).
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Es mag zwar sein, dass die Klägerin im Zeitraum Oktober 2016 bis Januar 2019 keine Beratungsleistungen für die Beklagte erbracht hat. Der Senat ist allerdings der Auffassung, dass gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 des zwischen den Parteien geschlossenen Beratervertrages die Beklagte die einzelnen Aufgaben im jeweiligen Einzelfall zu konkretisieren hatte. Auch in § 1 Abs. 3 Satz 2 war eine Konkretisierung der Anforderungen, nämlich welche Tätigkeiten und Aufgaben die Klägerin bei Informations- und Werbekampagnen, Mitwirkung bei der textlichen Gestaltung der jeweiligen Botschaften, Kongressberatung und gegebenenfalls Kongressbeteiligung sowie die Sondierung neuer Absatz- und Vertriebsmöglichkeiten unter Berücksichtigung fortschreitender medizinischer Erkenntnisse zu erbringen hatte. Auch soweit sich die Klägerin in § 1 Abs. 1 dazu verpflichtet hat, für einen wesentlichen Wissenstransfer zu sorgen, kann die Klägerin ihre Informationen und Kenntnisse angesichts der Abstraktheit nicht per se zur Verfügung stellen, vielmehr kann nur die Beklagte im Einzelfall konkretisierte Wünsche äußern. Die Beklagte hat also die Leistungen der Klägerin abzurufen. Wie die Klägerin vorgetragen hat, hat sie insbesondere in der Anfangsphase nach dem Abschluss des Kaufvertrages und des Beratungsvertrages Beratungsleistungen erbracht (Anlagen K 12 bis K 17, K 28). Ein wörtliches Angebot der Leistungen der Klägerin war deshalb nicht erforderlich, weil die zu erbringende Beratungsleistung nach § 1 des Beratervertrages abstrakt gefasst ist, so dass es an der Beklagten liegt, ihre Beratungsbedürftigkeit zu konkretisieren.
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Es bleibt deshalb dabei, dass die Voraussetzungen für den absoluten Ausnahmefall des Entfallens des Vergütungsanspruchs weder dargelegt noch ersichtlich sind.
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Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit gründet in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Streitwertfestsetzung fußt in §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1 Satz 1, 40, 48 GKG, 3 ff. ZPO.
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Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Es handelt sich um eine Entscheidung in einem Einzelfall in Übereinstimmung mit der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung.