Titel:
Verkehrsunfall, Mietwagenkosten, Abtretung, Unfall, Leistungen, Rechtsanwaltskosten, Mitverschulden, Betriebsgefahr, Unkostenpauschale, Versicherungsnehmer, Bank, Rechtsverfolgungskosten, Vollkaskoversicherung, Mietwagen, Treu und Glauben, merkantiler Minderwert, im eigenen Namen
Schlagworte:
Verkehrsunfall, Mietwagenkosten, Abtretung, Unfall, Leistungen, Rechtsanwaltskosten, Mitverschulden, Betriebsgefahr, Unkostenpauschale, Versicherungsnehmer, Bank, Rechtsverfolgungskosten, Vollkaskoversicherung, Mietwagen, Treu und Glauben, merkantiler Minderwert, im eigenen Namen
Rechtsmittelinstanzen:
LG Bayreuth, Urteil vom 01.06.2022 – 13 S 69/21
BGH Karlsruhe, Urteil vom 17.01.2023 – VI ZR 203/22
Fundstelle:
BeckRS 2021, 60593
Tenor
I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 236,69 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.03.2021 zu bezahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Vollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abgewendet werden, falls nicht die andere Seite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Streitwert wird auf 2.516,54 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten um restliche Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall.
2
Der Kläger begehrt im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft die Regulierung weiterer Schäden aus einem Verkehrsunfall vom 26.09.2020 in Bayreuth. Die hilfsweise erhobene Widerklage betrifft die Feststellung eines Freistellungsanspruchs bei Bestehen der klageweise geltend gemachten Zahlungspflicht.
3
Zur Finanzierung seines Kfz nahm der Kläger durch Vertrag vom 12.08.2020 ein Darlehen bei dem Kreditinstitut MKG Bank auf. Zu Sicherungszwecken übereignete der Kläger dieser zum einen das Kfz und trat zum anderen sämtliche Ansprüche aus einem Verkehrsunfallereignis mit dem Kfz im Voraus ab. Gleichzeitig ermächtigte die MKG Bank den Kläger, Schadensersatzansprüche aus einem solchen Ereignis im eigenen Namen und auf eigene Rechnung geltend zu machen.
4
Am 26.09.2020 kam es zu einem Unfall zwischen dem Kläger und dem bei der Beklagten Kfz-Haftpflichtversicherten Ulrich Hein im Parkhaus des Rotmain-Centers in Bayreuth. Letzterer parkte in Fahrtrichtung unmittelbar links neben einer Auffahrt. Als er sich unter linkem Lenkradeinschlag rückwärts aus der Parktasche tastete, konzentrierte er sich aufgrund der Richtungsführung der hinter ihm liegenden Fahrgasse auf den Bereich links hinter ihm; wegen des Geländers der Auffahrt war seine Sicht nach rechts auch eingeschränkt. Dabei übersah der Versicherte der Beklagten, dass von rechts der Kläger in gerader Fahrlinie rückwärts auf der Fahrgasse fuhr. Dieser hatte gegenüber der Auffahrt geparkt und konnte nach dem Ausparken nicht sofort in die Auffahrt einbiegen, so dass er zunächst das Kfz nach vorne gerade zog und sodann auf der Fahrgasse zurücksetzte. Bei dem resultierenden Zusammenstoß wurden beide Kfz beschädigt.
5
Ein Sachverständiger schätzte den nötigen Reparaturkostenaufwand des klägerischen Fahrzeugs auf 3.296,75 € netto, für die Erstellung des Gutachtens berechnete er 690,34 €. Für die Durchführung der Reparatur zwischen dem 06.10.2020 und dem 09.10.2020 stellte die vom Kläger mit der Reparatur beauftragte Firma Autohaus W. GmbH 3.337,70 € in Rechnung. Für diesen Zeitraum mietete der Kläger bei der Firma Autohaus W. GmbH einen Ersatzwagen für 240,02 €. Es verblieb ein merkantiler Minderwert des verunfallten Kfz in Höhe von 500,00 €. Zusätzlich entstanden dem Kläger im Rahmen der Unfallabwicklung Rechtsanwaltskosten in Höhe von 540,50 € sowie Telekommunikationskosten.
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Zur Regulierung des Schadens zahlte die Beklagte an den Kläger die Hälfte der Reparaturkosten, die Kosten für die Gutachtenserstellung und die Hälfte der Wertminderung, sowie hinsichtlich der Unkostenpauschale einen Betrag in Höhe von 12,50 €. Darüber hinaus gehende Zahlungen an den Kläger verweigerte sie zunächst, beglich aber schließlich von den Rechtsanwaltskosten des Klägers noch 255,85 €. Hinsichtlich der Kosten für den Mietwagen zeigte sich die Beklagte zur hälftigen Kostentragung bereit, erstattete diese aber bis zuletzt nicht, und erklärte in Höhe von 120,01 € die Aufrechnung mit einem Regressanspruch; zuvor hatte die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Vollkaskoversicherer an den bei ihr auch Kfz-Haftpflichtversicherten zur Regulierung der Schäden an dessen Kfz 3.580,35 € bezahlt.
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Der Kläger ist der Auffassung, dass ihm die Beklagte die Kosten, die ihm im Zusammenhang mit dem Unfall entstanden seien, einschließlich der Mietwagenkosten in vollem Umfang ersetzen müsse. Dazu behauptet er, dass allein der Versicherte der Beklagten den Unfall verursacht habe, welcher für ihn selbst unvermeidbar gewesen sei. Zudem vertritt er die Auffassung, dass sein etwaiger Mithaftungsanteil ohnehin nicht in Abzug gebracht werden könne, weil sich die Versicherungseigentümerin, deren Forderung er mit der Klage im Wege gewillkürter Prozessstandschaft geltend mache, einen solchen nicht zurechnen lassen müsse. Der Kläger geht zudem von einer allgemeinen Unkostenpauschale von 30,00 € aus. Der Kläger hat hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zunächst beantragt, den Beklagten zur Zahlung von 540,50 € zu verurteilen. Auf Anregung der Beklagten im Schriftsatz vom 19.04.2021 hat der Kläger die Klage mit Schriftsatz vom 26.05.2021 in Höhe der zwischenzeitlich erfolgten Erstattung von 255,85 € durch die Beklagte teilweise für erledigt erklärt.
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Der Kläger beantragt zuletzt:
- 1.
-
Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.516,54 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 15.11.2020 zu bezahlen sowie
- 2.
-
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger vorgerichtliche, nicht anrechenbare Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 284,65 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem auf die Rechtshängigkeit der Klage folgenden Tag zu bezahlen.
die Klage kostenpflichtig abzuweisen.
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Für den Fall, dass die Klage Erfolg hat, erhebt die Beklagte Widerklage mit dem Antrag:
Es wird festgestellt, dass der Kläger verpflichtet ist, die Beklagte im Falle ihrer Verurteilung zur Zahlung weiterer Reparaturkosten und weiterer Wertminderung sowie weiterer Sachverständigenkosten einschließlich jeweils ausgeurteilter Zinsen in Höhe des sich daraus ergebenden Urteilsbetrages nebst titulierter Zinsen gegenüber dem MKG Bank zur Vertragsnummer 1009032556/6644 freizustellen.
Die Widerklage abzuweisen.
12
Die Beklagte ist der Ansicht, dass die beiden Unfallbeteiligten wegen der beiderseitigen Rückwärtsfahrt jeweils zur Hälfte verantwortlich seien, so dass die Schäden bereits abgegolten seien. Auf die fehlende Zurechenbarkeit seines Mithaftungsanteils zu Lasten der Sicherungseigentümerin könne sich der Kläger nach Treu und Glauben nicht berufen, weil er den Differenzbetrag in seiner Eigenschaft als Gesamtschuldner sogleich wieder zurückzahlen müsse. Jedenfalls sei hinsichtlich der Mietwagenkosten und der allgemeinen Unkostenpauschale, die auch nur mit 25,00 € zu bemessen sei, ein Mitverschulden des Klägers beachtlich, weil der Kläger insoweit Ansprüche aus eigenem Recht geltend mache, nachdem die Abtretung des Klägers an die Sicherungseigentümerin nur Ansprüche hinsichtlich unmittelbarer Fahrzeugschäden betroffen habe.
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Auch die Widerklage stützt die Beklagte auf ihre Auffassung, dass sie im Fall ihrer Verurteilung zum Gesamtschuldnerregress gegenüber dem Kläger berechtigt sei.
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Der Kläger hält die Widerklage bereits für unzulässig, weil die Beklagte kein Rechtsschutzbedürfnis habe. Außerdem meint er, dass zwischen ihm und der Beklagten schon kein Gesamtschuldverhältnis bestehe.
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Wegen des weiteren Sachvortrags wird auf die beiderseits gewechselten Schriftsätze und das Verhandlungsprotokoll vom 08.06.2021 verwiesen. Das Gericht ist mit Zustimmung der Parteien mit Beschluss vom 06.07.2021 ins schriftliche Verfahren übergegangen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist überwiegend unbegründet, der Kläger kann lediglich weitere Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 236,69 € nebst Zinsen von der Beklagten verlangen.
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Der Kläger kann in eigenem Namen Rechte der Sicherungseigentümerin geltend machen, weil er im Wege gewillkürter Prozessstandschaft prozessführungsbefugt ist. Die Sicherungseigentümerin hat ihn zur Prozessführung ermächtigt; mit den Schadensersatzansprüchen betrifft die Ermächtigung Rechte, die durch einen Dritten ausgeübt werden können. Schließlich hat der Kläger ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der Prozessführung, weil die Entscheidung über die Ansprüche aufgrund des Finanzierungsvertrages und des Sicherungsverhältnisses mit der Sicherungseigentümerin auf seine eigene Rechtsstellung von Einfluss ist.
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Die Klage ist hinsichtlich der Hauptforderung aber unbegründet, weil der zur Entscheidung verbliebene Klageanspruch nicht mehr besteht. Hinsichtlich der Nebenforderung ist sie teilweise begründet.
19
Der Kläger stützt seine Klage ausdrücklich auf Ansprüche aus ursprünglich eigenem Recht, die er an die MKG Bank abgetreten habe und nunmehr für diese im Wege gewillkürter Prozessstandschaft geltend macht. Diese Ansprüche sind durch die Zahlungen der Beklagten an den Kläger gemäß § 362 Abs. 1 BGB bzw. durch Aufrechnung gemäß §§ 406, 389 BGB erloschen.
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Insoweit haftet die Beklagte als Kfz-Haftpflichtversicherer des Unfallgegners des Klägers zum einen dem Grunde nach aus § 398 Satz 2 BGB i.V.m. §§ 7, 18 StVG i.V.m. § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, § 1 PflichtVG.
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Zur Haftungsausfüllung ist zunächst festzuhalten, dass zunächst von einem Schaden des Klägers in Höhe von 4.293,06 € auszugehen ist. Dieser setzt sich zusammen aus den Reparaturkosten in Höhe von 3.337,70 €, den Sachverständigenkosten in Höhe von 639,34 €, einer üblicherweise vom Gericht angesetzten Pauschale in Höhe von 25,00 € sowie Mietwagenkosten in Höhe von 240,02 €. Nach Auffassung des Gerichts sind auch die Ansprüche hinsichtlich der Mietwagenkosten von der Abtretung an die MKG Bank umfasst, da es sich auch insoweit um fahrzeugbezogene Schäden handelt. Aus dem Schreiben der MKG Bank vom 05.11.2020 ergibt sich nämlich, dass „Ansprüche gegen die jeweilige Versicherung abgetreten wurden“.
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Hinsichtlich des verbleibenden merkantilen Minderwerts des Kfz kann das Gericht nicht von einem Schaden des Klägers ausgehen, weil der Kläger nicht vorgetragen und dargelegt hat, dass er diesen auszugleichen verpflichtet wäre.
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Der Anspruch ist allerdings gemäß §§ 404 BGB i.V.m. §§ 18 Abs. 3, 17 Abs. 2 und 1 StVG in Höhe von 50 % zu kürzen, weil der Kläger und sein bei der Beklagten versicherter Unfallgegner den Unfall zu gleichen Teilen verursacht haben.
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Der hier vorliegende Fall der Abtretung eigener Ansprüche, die sodann vom ursprünglichen Anspruchsinhaber im Wege gewillkürter Prozessstandschaft geltend gemacht werden, ist dabei anders gelagert als die Konstellation der Geltendmachung von vornherein fremder Ansprüche – namentlich des Sicherungseigentümers – im Wege gewillkürter Prozessstandschaft. In letzterem Fall ist anerkannt, dass nur hinsichtlich der Ansprüche nach dem StVG eine Kürzung erreicht werden kann, nicht aber hinsichtlich der Ansprüche nach §§ 823 BGB. In der vorliegenden Konstellation hingegen handelt es sich um Ansprüche, denen schon in der juristischen Sekunde ihrer Entstehung der Mitverschuldenseinwand gegenüberstand, der durch die Abtretung gemäß § 404 BGB nicht verloren ging.
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Das Gericht geht davon aus, dass der Kläger und der Versicherte der Beklagten den Unfall zu gleichen Teilen verursacht haben. Beide befanden sich vor dem Aufprall in Rückwärtsfahrt und haben dabei gegen § 9 Abs. 5 StVO verstoßen. Dem Versicherten der Beklagten ist dabei auch kein größerer Vorwurf zu machen als dem Kläger, auch wenn der Kläger den Verkehr vornehmlich zu seiner Linken beobachtet hat. Denn zum einen war wegen der Richtung der Fahrgasse hauptsächlich von dort mit Fahrzeugen zu rechnen und zum anderen war auch der Kläger gehalten, auf die hinter dem Geländer der Auffahrt befindliche Parklücke zu achten.
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Folglich konnte der Kläger nur die Hälfte seiner Schäden ersetzt verlangen. Hinsichtlich der zu ersetzenden Reparatur, Sachverständigen und Pauschale entstandenen Kosten sind die Ansprüche aufgrund der Zahlung der Beklagten gemäß § 362 Abs. 1 BGB erloschen. Im Hinblick auf die dem Kläger dem Grunde nach zustehenden hälftigen Kosten der Mietwagen mit 120,01 € sind diese gemäß § 389 BGB durch die Aufrechnung der Beklagten aus §§ 86 Abs. 1 VVG i.V.m. §§ 17, 18 StVG und § 823 Abs. 1 BGB sowie § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 9 Abs. 5 StVO erloschen. Die Beklagte hat in dieser Höhe unstreitig Leistungen aus der gegenüber ihrem Versicherungsnehmer bestehenden Vollkaskoversicherung erbracht.
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Die Aufrechnung scheitert nicht daran, dass sich Haupt- und Gegenforderung infolge der Abtretung des Schadensersatzanspruchs von dem Kläger an die Sicherungseigentümerin nicht mehr gegenüberstehen. Denn die Beklagte bleibt gemäß § 406 BGB zur Aufrechnung gegenüber der Sicherungseigentümerin als neue Gläubigerin berechtigt. Die Beklagte ist ihrer Darlegungslast für das Bestehen und den Zeitpunkt des Entstehens der Forderung durch den Verweis auf das Regulierungsschreiben vom 04.01.2021 nachgekommen. In tatsächlicher Hinsicht ist dieses Vorbringen unbestritten geblieben. Für das Vorliegen der Einschränkungen nach §§ 406 BGB a.E. ist dagegen der Kläger beweisbelastet, hierzu hat er nichts vorgetragen.
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Auch die Ansprüche wegen Verletzung des berechtigten Besitzes aus §§ 823 Abs. 1 BGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 9 Abs. 5 StVO, die ursprünglich zugunsten des Klägers entstanden, von diesem an die MKG Bank abgetreten wurden und nunmehr im Wege gewillkürter Prozessstandschaft geltend gemacht werden, führen zu keinem anderen Ergebnis, da das Mitverschulden des Klägers insoweit gemäß §§ 404, 254 BGB in gleicher Weise zu berücksichtigen ist.
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Der Kläger kann sich auch nicht auf Ansprüche aus dem Recht der Sicherungseigentümerin des vom Kläger gehaltenen Kfz stützen. § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO steht der Entscheidung die Geltendmachung dieser Ansprüche durch den Kläger nicht entgegen. Denn auch wenn der Kläger sich ausdrücklich auf ursprünglich eigene, sodann abgetretene und nunmehr in Prozessstandschaft geltend gemachte Ansprüche beruft, bezieht sich der Großteil seiner rechtlichen Ausführungen doch wie gezeigt auf Rechte, die von Anfang an solche der Sicherungseigentümerin waren. Mit diesen Ausführungen will der Kläger seinen einheitlichen Sachvortrag stützen und auch der Lebenssachverhalt, den der Kläger seinem Antrag zugrunde legt, bleibt hierdurch unverändert. Damit macht er auch Ansprüche aus originärem Recht der Sicherungseigentümerin zum Streitgegenstand. Nach dem Schreiben der Sicherungseigentümerin vom 05.11.2020 wurde der Kläger ermächtigt, die Ansprüche aus dem Schadensfall geltend zu machen, so dass davon auszugehen ist, dass auch die genannten Ansprüche enthalten sind. Dabei ist wegen der zwischenzeitlich erfolgten Reparatur des Kfz nur von einem eigenen Schaden der Sicherungseigentümerin aufgrund der Wertminderung des Kfz, mithin von 500,00 € auszugehen. Der Sicherungseigentümerin steht aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG i.V.m. § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG kein weitergehender Schadensersatzanspruch zu, weil sie sich das Mitverschulden des Klägers als Fahrer des Kfz gemäß § 9 StVG i.V.m. § 254 BGB anrechnen lassen muss, welches mit 50 % zu beziffern ist.
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Dagegen steht der Sicherungseigentümerin gegen die Beklagte dem Grunde nach ein ungekürzter Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB bzw. auch § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 9 Abs. 5 StVO, jeweils i.V.m. § 115 Abs. 1 VVG zu, der allerdings Einrede behaftet ist. Die haftungsbegründenden Voraussetzungen des Anspruchs liegen vor, weil der Versicherte der Beklagten das Eigentum der Sicherungseigentümerin schuldhaft und rechtswidrig verletzt hat. Der Anspruch ist auch nicht wegen des Mitverschuldens des Klägers oder der Betriebsgefahr des Kfz zu kürzen: §§ 17 Abs. 2 und 1 StVG ist nicht anzuwenden, weil die Sicherungseigentümerin weder Halterin noch Fahrerin ist und daher nicht selbst nach dem StVG haftet. § 9 StVG findet im Rahmen der §§ 823 ff. BGB als Spezialregelung des StVG ebenso wenig Anwendung; eine analoge Anwendung scheitert schon am Bestehen einer planwidrigen Regelungslücke, denn der Gesetzgeber hat sich bewusst für eine unterschiedliche Ausgestaltung der Haftungssysteme nach dem StVG und den §§ 823 ff BGB entschieden.
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Damit verbleibt nur ein Rückgriff auf die allgemeine Regel der §§ 254 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 278 BGB. Eine Zurechnung etwaigen Mitverschuldens des Klägers zu Lasten der Sicherungseigentümerin nach diesen Vorschriften muss aber schon deshalb ausscheiden, weil zwischen dieser und dem Versicherten der Beklagten kein Schuldverhältnis besteht. Das ist aber erforderlich, weil es sich bei der Verweisung des § 254 Abs. 2 S. 2 BGB ausweislich des Wortlauts des § 278 S. 1 BGB um eine Rechtsgrundverweisung handelt.
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Allerdings steht der Geltendmachung dieses Anspruchs durch den Kläger eine „dolo agit“ Einrede gemäß § 242 BGB entgegen. Der Kläger verhält sich treuwidrig, weil er im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft etwas fordert, was er sogleich aus eigenem Recht gemäß § 426 Abs. 2 S. 1 BGB zurückgewähren müsste.
33
Der Versicherte der Beklagten und der Kläger haften gemäß §§ 823, 840 Abs. 1, 421 BGB als Gesamtschuldner für den Schaden der Sicherungseigentümerin. Die Haftung des Klägers ergibt sich zwar nicht aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, weil diese Ansprüche nur andere Sachen als das gehaltene Kfz umfassen. Mangels Vortrag und Vorlage des Sicherungsvertrages kann aber auch auf keine Haftung nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB aufgrund der Verletzung einer Pflicht zum pfleglichen Umgang mit dem Kfz geschlossen werden. Jedoch haftet der Kläger der Sicherungseigentümerin wegen der schuldhaften Mitverursachung des Unfalls aus §§ 823 Abs. 1 BGB und 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 9 Abs. 5 StVO. Das Vorliegen einer Gesamtschuld scheitert auch nicht an der Gleichrangigkeit der Ansprüche, denn sowohl der Kläger als auch die Beklagte haften der Sicherungseigentümerin vorliegend aus §§ 823 Abs. 1 BGB, bzw. 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 9 Abs. 5 StVO. Insoweit setzt sich das Gericht nicht in Widerspruch mit der vom Kläger zitierten neueren Entscheidung des BGH (Urteil vom 27.10.2020 – IX ZR 429/19), weil sich diese auf den Fall bezieht, dass sich Ansprüche aus Gefährdungshaftung und Ansprüche aus Verschuldenshaftung gegenüberstehen (so auch LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 18.02.2021 – 2 O 4846/20).
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Der Erhebung der „dolo agit“-Einrede steht es nicht entgegen, dass sie sich auf einen Anspruch gegen den Kläger aus eigenem Recht bezieht, aber gegenüber der Inanspruchnahme aus dem Recht der Sicherungseigentümerin geltend gemacht wird. Denn die „dolo agit“-Einrede setzt eine solche Gegenseitigkeit im Sinne etwa des § 387 BGB nicht voraus. Die „dolo agit“-Einrede knüpft nicht an die Gläubigerstellung an, sondern ist als Rechtsinstitut anerkannt, um unnötigen Kostenaufwand und unnötige Vollstreckung sowie Insolvenzrisiken durch ein „Hin und Her“ an Zahlungen zu vermeiden. Gerade dieser Zweck ist hier einschlägig, weil der Kläger Zahlung an sich verlangt, also die Zahlung an denjenigen erfolgen soll, („Hin“), der zur sofortigen Rückgabe („Her“) verpflichtet ist. Das Gericht schließt sich insoweit der Rechtsauffassung des LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 18.02.2021 – 2 O 4846/20) an.
35
Hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten haben die Parteien den Rechtsstreit in Höhe von 255,85 € übereinstimmend für erledigt erklärt. Zu entscheiden war daher zur Hauptsache nur noch über die weiteren Rechtsanwaltskosten in Höhe von 284,65 €. Der Kläger hatte gegen die Beklagte einen verbleibenden Anspruch aus Ersatz von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten als Verzugsschaden aus §§ 280 Abs. 1 und Abs. 2, 286 Abs. 1 BGB in Höhe von 239,69 €. Ursprünglich hatte der Kläger einen Anspruch auf Ersatz von 492,54 €, der durch die Zahlung der Beklagten gemäß § 362 Abs. 1 BGB in Höhe von 255,85 € erlosch. Soweit der Kläger von Kosten in Höhe von 540,50 € ausgeht, bezieht er sich auf die erst seit 01.01.2021 geltenden Gebührensätze, obwohl er nur anwaltliche Tätigkeiten im Jahr 2020 benennt. Auszugehen ist daher von der bis 31.12.2020 geltenden Gebührentabelle, mithin ein Betrag in Höhe von 492,54 €.
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Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291 S. 2, 288 und 188 BGB.
37
Über die Eventualwiderklage war nicht zu entscheiden, weil die Bedingungen des Erfolgs der Klage nicht eingetreten ist.
38
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2, 91 a ZPO.
39
Die Beklagte ist nur hinsichtlich einer Nebenforderung unterlegen, die wertmäßig auch weniger als 10 % des Streitwertes beträgt. Dies gilt auch für die übereinstimmend für erledigt erklärte und von der Beklagten ausgeglichene Forderung der vorgerichtlichen Kosten.
40
Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
41
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 3 ZPO.