Titel:
Vermutung der Fluchtgefahr bei Selbstverletzung
Normenkette:
AufenthG § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 1, Nr. 2
Leitsatz:
Fluchtgefahr iSv § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 wird widerleglich vermutet, da sich der Betroffene der Abschiebung entzogen hat, indem er sich ein Klappmesser in den Bauch stieß und ausdrücklich in der Vergangenheit erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Abschiebungshaft, Fluchtgefahr, Selbstverletzung, Erklärung
Rechtsmittelinstanz:
LG Coburg, Beschluss vom 07.11.2022 – 41 T 25/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 60383
Tenor
1. Gegen den Betroffenen ... wird Haft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet.
2. Der Vollzug der angeordneten Haft endet spätestens am 25.11.2021.
3. Die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung wird angeordnet.
Gründe
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I. Der Betroffene ist iranischer Staatsangehöriger.
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II. Die beteiligte Ausländerbehörde beabsichtigt, den Betroffenen abzuschieben und hat am 26.08.2021 beantragt, gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung der Abschiebung bis 25.11.2021 anzuordnen.
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III. Der Betroffene wurde zu dem Antrag richterlich gehört.
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Auf die Niederschrift vom heutigen Tage wird Bezug genommen.
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IV. Die Voraussetzungen für die Anordnung der Haft zur Sicherung der Abschiebung sind gegeben.
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Es liegen die Voraussetzungen des § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 und 2 AufenthG vor.
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Die Voraussetzungen des § 62 Abs. 3. S. 1 Nr. 1 AufenthG sind gegeben, da Fluchtgefahr besteht.
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Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nr. 1 wird widerleglich vermutet, da
- der Betroffene sich bereits am Morgen des 26.08.2021 der Abschiebung entzogen hat indem er sich ein Klappmesser in den Bauch stieß und
- der Betroffene ausdrücklich in der Vergangenheit erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.
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Es besteht der konkrete Anhaltspunkt für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nr. 1, da
- der Betroffene wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist (Amtsgericht Coburg Az. 3 Ls 108 Js 11348/18 und 122 Cs 10785/16).
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Die Voraussetzungen des § 62 Abs. 3. S. 1 Nr. 2 AufenthG sind gegeben, da der Betroffene auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist.
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Umstände, die einer Durchführung der Abschiebung innerhalb der nächsten 3 Monate aus Gründen, die der Betroffene nicht zu vertreten hat, entgegenstehen, sind nicht ersichtlich.
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Ein milderes Mittel als die Inhaftierung des Betroffenen im Sinne von § 62 Abs. 1 AufenthG ist nicht vorhanden. Insbesondere ist die Hinterlegung von Ausweispapieren bzw. eine Meldeauflage bzw. die Auflage, sich an einem bestimmten Ort aufzuhalten, vorliegend nicht ausreichend.
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V. Die beantragte Dauer der Haft ist angemessen. Die Dauer der Haft wird von der Behörde glaubhaft mit den für die Organisation und Durchführung der Abschiebung notwendigen Erfordernissen begründet.
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Bei der Bestimmung der Dauer der Abschiebehaft ist auf die voraussichtliche Dauer des Rückübernahmeverfahrens abzustellen. Sollte dieses Verfahren bereits vor Ablauf der Frist abgeschlossen sein, so ist die Behörde gehalten, den Betroffenen unverzüglich abzuschieben.
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VI. Das Verfahren beruht auf den §§ 417, 416, 420, 38, 41 FamFG. Die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit der Entscheidung beruht auf § 422 Abs. 2 FamFG.