Titel:
Schadensersatz, Schmerzensgeld, Schadensersatzanspruch, Erfolgsaussicht, Berufung, Betriebsstilllegung, Zahlung, Anspruch, Feststellung, Schaden, Rechtsmittel, Verdienstausfallschaden, Aufwendungen, Revision, vorgerichtliche Anwaltskosten, kein Anspruch, hinreichende Erfolgsaussicht
Schlagworte:
Schadensersatz, Schmerzensgeld, Schadensersatzanspruch, Erfolgsaussicht, Berufung, Betriebsstilllegung, Zahlung, Anspruch, Feststellung, Schaden, Rechtsmittel, Verdienstausfallschaden, Aufwendungen, Revision, vorgerichtliche Anwaltskosten, kein Anspruch, hinreichende Erfolgsaussicht
Vorinstanz:
LG Bamberg, Endurteil vom 23.09.2020 – 11 O 281/16
Rechtsmittelinstanzen:
OLG Bamberg, Beschluss vom 14.04.2021 – 3 U 319/20
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 27.07.2022 – VII ZR 423/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 60096
Tenor
I. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Bamberg vom 23.09.2020 durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
II. Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme bis spätestens 12.04.2021.
Entscheidungsgründe
1
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus Schlechterfüllung eines Werkvertrags.
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Die Klägerin betrieb unter der Bezeichnung „…“ in gemieteten Räumen im Anwesen A-Straße .. in … ein Geschäft für Damenbekleidung.
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Am 12.02.2015 führte der Beklagte in den von der Klägerin gemieteten Räumen Fliesenarbeiten durch. Dabei kam es zu einer erheblichen Staubentwicklung, wobei der Beklagte keinerlei Staubschutzvorkehrungen getroffen hatte.
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Der Beklagte hat vorgerichtlich auf die Schadensersatzansprüche der Klägerin wegen dieses Vorfalles eine Zahlung in Höhe von 50.000,00 Euro geleistet.
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Die Klägerin trägt vor, sämtliche Textilien in ihren Geschäftsräumen seien so erheblich durch Staub verschmutzt worden, dass sie nicht mehr hätten veräußert werden können, auch nicht auf dem Zweitmarkt. Hierdurch sei ihr ein Schaden in Höhe von 66.739,48 Euro entstanden.
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Sie trägt weiter vor, sie habe ihr Geschäft bis Anfang 2016 nicht wiedereröffnen können. Grund hierfür sei zum einen, dass sie die verschmutzen Kleidungsstücke an Ort und Stelle habe belassen müssen, um eine Beweissicherung durch den gerichtlich bestellten Gutachter zu ermöglichen; zum anderen sei ihr eine Wiedereröffnung des Geschäfts nicht möglich gewesen, weil sie aufgrund der gesundheitlichen Schäden, die sie in Folge des streitgegenständlichen Vorfalles erlitten habe, berufsunfähig gewesen sei. Mit ihrem Geschäft habe sie einen durchschnittlichen Jahresgewinn in Höhe von 15.000,00 Euro erwirtschaftet. Ihr sei ein Gewinn in dieser Höhe entgangen. Zuzüglich des im Jahr 2015 tatsächlich erwirtschafteten Verlustes in Höhe von 61.937,05 Euro ergebe sich somit ein Schaden in Höhe von 76.937,03 Euro, der ihr in Folge der Betriebsstilllegung entstanden sei.
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Die Klägerin trägt weiter vor, sie habe für die Einlagerung der Ware Kleiderbügel für 1.033,05 € neu anschaffen müssen. Für die Einlagerung der verschmutzen Kleidung seien ihr ferner Kosten in Höhe von 1.551,17 Euro entstanden.
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Die Klägerin meint weiter, sie habe einen Anspruch auf Ersatz nutzloser Aufwendungen in Höhe von 24.130,70 Euro für die Neuware, die sie zum Schadenszeitpunkt bereits bestellt habe und nicht mehr habe stornieren können und die sie dann wegen der Betriebsschließung nicht mehr habe veräußern können.
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Für die Reinigung der Geschäftsräume seien ihr Kosten in Höhe von rund 2.000,00 Euro entstanden.
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Schließlich habe sie, da sie keine Einkünfte mehr aus ihrer Geschäftstätigkeit erzielt habe, Privatdarlehen in Höhe von insgesamt 173.750,00 Euro zu einem Zinssatz in Höhe von 9% p.a. aufnehmen müssen. Ihr sei daher ein Zinsschaden in Höhe von 13.689,56 Euro entstanden.
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Die Klägerin trägt weiter vor, sie leide unter einer Sarkoidose 3. Grades, die kausal auf den streitgegenständlichen Vorfall zurückzuführen sei. Außerdem sei es durch den Vorfall bei ihr auch zu psychischen Erkrankungen gekommen, nämlich einer posttraumatischen Belastungsstörung, einem psycho-physischen Überlastungssyndrom und einer schweren bis mittelgradigen Depression.
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Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt, den Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 135.047,49 Euro nebst Zinsen und Schmerzensgeld von 20.000,- Euro nebst Zinsen an die Klägerin, Feststellung der Schadensersatzpflicht gegenüber der Klägerin und Freistellung der Klägerin für vorgerichtliche Anwaltskosten von 3.245,22 Euro zu verurteilen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des Ersturteils Bezug genommen.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil der Klägerin kein Anspruch zustehe, der über die bereits geleisteten 50.000,- Euro hinausgehe. Die Klägerin habe im Hinblick auf die verschmutzten Kleidungsstücke jedenfalls keinen über 21.000,- Euro hinausgehenden Schaden dargelegt. Da nur eine Geschäftsschließung von zwei Monaten veranlasst gewesen sei, seien als Verdienstausfallschaden höchstens 2.500,- Euro anzusetzen. Auch unter Berücksichtigung der behaupteten Aufwendungen von 1.033,05 Euro (Kleiderbügel), 1.551,70 Euro (Transport-/Lagerkosten) und 2.000,- Euro (Reinigung) bestehe kein Anspruch der Klägerin mehr. Für die Anschaffung der Neuware, die Aufnahme des Darlehens, die Arbeitsunfähigkeit stehe der Klägerin kein Schadensersatzanspruch zu. Gleiches gelte im Hinblick auf das geforderte Schmerzensgeld.
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Die Klägerin wendet sich mit der Berufung gegen die Klageabweisung mit Ausnahme des abgewiesenen Anspruchs auf Schmerzensgeld. Sie trägt vor, sie habe einen Schaden an den Kleidungsstücken in Höhe von 66.739,48 Euro hinreichend dargelegt. Sie habe das Geschäft aus Beweissicherungsgründen bis Januar 2016 schließen müssen. Die Aufnahme des Darlehens sei erforderlich gewesen. Im Hinblick auf den Feststellungsantrag seien zukünftige Schäden nicht ansatzweise vorauszusehen. Fehlerhaft seien die Ersatzansprüche für Kleiderbügel, Transport- und Einlagerungskosten, die Abnahme der Neuwaren und die Reinigung ohne nachvollziehbare Begründung abgewiesen worden.
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Die Klägerin beantragt in der Berufungsinstanz:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 135.047,49 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5% Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.02.2016 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche zukünftigen Schäden aufgrund des Schadensereignisses vom 12.02.2016 in den Räumlichkeiten der Klägerin, A-Straße .., …, sowohl in materieller als auch in immaterieller Hinsicht zu ersetzen, sofern diese nicht auf sonstige Dritte oder Sozialversicherungsträger übergegangen sind.
3. Der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von der Erstattung des nicht anrechenbaren Teils der außergerichtlichen Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG zzgl. Auslagen in Höhe von 3.245,25 € durch Zahlung an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin freizustellen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.
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Nach der einstimmigen Auffassung des Senats ist die Berufung offensichtlich unbegründet mit der Folge, dass das Rechtsmittel keine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO bietet. Zu Recht und auch mit überzeugender Begründung hat das Landgericht die Klage als unbegründet abgewiesen. Die zutreffenden Feststellungen im Ersturteil werden durch das Berufungsvorbringen auch nicht entkräftet. Zu den Berufungsangriffen sind lediglich die folgenden Anmerkungen veranlasst:
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1. Zutreffend hat das Erstgericht festgestellt, dass die Klägerin nicht hinreichend konkret und substantiiert zu dem für die verschmutzten Kleider geforderten Schadensersatz vorgetragen hat. Schlüssig und damit ausreichend substantiiert ist eine Klage, wenn die vom Kläger vorgetragenen Tatsachen den Klageantrag rechtfertigen, wenn sie also geeignet und erforderlich sind, die geltend gemachten Rechte als in der Person des Klägers entstanden erscheinen zu lassen (BGH NJW-RR 2017, 380). Nähere Einzelheiten sind anzugeben, wenn sie für die Rechtsfolgen von Bedeutung sind oder erforderlich sind, um dem Gegner die Nachprüfung der behaupteten Tatsachen und den Antritt von Gegenbeweisen zu ermöglichen (BGH NJW-RR 2004, 45).
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In der Klage (S. 5 = Bl. 5 d.A.) nannte die Klägerin lediglich - ohne jedwede Aufschlüsselung - „insgesamt einen Schaden für die Waren i.H.v. 66.739,48 Euro“. Mit Beschluss vom 10.09.2019 (S. 2 = Bl. 285) wies das Landgericht darauf hin, dass eine nähere Erläuterung und Aufschlüsselung dieser Schadenssumme fehle. Mit Schriftsatz vom 12.11.2019 (S. 3 = Bl. 307) hat die Klägerin den Hinweis des Gerichts vorgetragen, „auch dieser Vortrag ist nicht nachvollziehbar und im Übrigen nicht konkret genug, um der Klägerin etwaige Darlegungspflichten aufzuerlegen.“ Sodann folgen zahlreiche Seiten, auf denen Tabellen einkopiert wurden, die aus sich heraus allenfalls teilweise verständlich sind. Die - teils geschwärzten - Tabellen auf den S. 3 - 19 (Bl. 307 - 325) des Schriftsatzes lassen keinen einzigen Schadensbetrag erkennen. Auf der fast ausschließlich geschwärzten S. 21 (Bl. 327) ist ebenso wie auf sieben weiteren Seiten (Bl. 330, 335, 338, 340, 342, 347, 349) kein Artikel zuordenbar. Mit Ausnahme der ersten Zeile auf S. 22 des Schriftsatzes (= Bl. 328) ist bis S. 34 (= Bl. 340) an Hand des Vortrages nicht nachvollziehbar, an welchem Ort sich die beschädigten Artikel befunden haben sollen. In fast jeder Tabelle fehlen Artikelnummern oder sind überhaupt nicht (vgl. Bl. 341, 345, 351, 353) aufgenommen worden. Selbst wenn man die Tabellen, in denen die Bekleidungsgegenstände benannt und mittels Artikelnummer (teilweise) individualisierbar aufgenommen wurden, für einen schlüssigen Vortrag ausreichen lassen würde, würde sich der Schadensbetrag auf maximal 36.689,90 Euro (2.676,90 Euro, 250,40 Euro, 2.787,95 Euro, 1.671,45 Euro, 1.762,85 Euro, 2.976,90 Euro, 1.956,80 Euro, 2.177,15 Euro, 1.664,35 Euro, 1.829,40 Euro, 2.377,50 Euro, 1.837,70 Euro, 2.640,25 Euro, 1.646,- Euro, 1.867,55 Euro, 479,85 Euro, 605,85 Euro, 1.225,95 Euro, 1.104,10 Euro, 230,80 Euro, 1.565,60 Euro, 904,- Euro, 450,60 Euro) belaufen.
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2. Zu Recht hat das Erstgericht die Geschäftsschließung bis Anfang 2016 als nicht erforderlich eingeordnet. Auch der Wunsch der Klägerin nach Beweissicherung rechtfertigte ein Abwarten bis zum Ende des selbstständigen Beweisverfahrens nicht. Wie im Ersturteil zutreffend darlegt, hätte die Klägerin den Zustand der Geschäftsräume und die Verschmutzung der Kleidungsstücke fotografisch oder mittels einer Videoaufnahme, gegebenfalls unter Hinzuziehung von Zeugen dokumentieren können. Es wäre auch möglich gewesen, jedes einzelne Bekleidungsstück unter Angabe von Artikelnummer, Einkaufspreis, Aufbewahrungsort und konkreter Verschmutzungsart zu dokumentieren. Dies wäre mit einem erheblichen Aufwand verbunden gewesen, den die Klägerin aber, um ihrer Pflicht zur Schadensminderung (§ 254 II BGB) und ihrer Darlegungslast nachzukommen, hätte betreiben müssen. Der Umstand, dass die Beklagtenseite Ursache und Schaden bestritten hat, änderte nichts an der Pflicht zur Dokumentation und Schadensminderung. Auch die klägerische Darlegungs- und Beweislast betreffend Schadensgrund und -höhe rechtfertigt eine Geschäftsschließung über ein Jahr nicht. Zutreffend hat das Erstgericht lediglich einen Verdienstausfallschaden für zwei Monate in Höhe von 2.500,- Euro bei der Schadensberechnung angesetzt.
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3. Anders als die Klägerin meint, ist das Erstgericht von Schäden in Höhe von 1.033,05 Euro (Kleiderbügel), 1.551,70 Euro (Transport- und Lagerkosten) und 2.000,- Euro (Reinigung) ausgegangen, vgl. S. 8 Ersturteil. Zu Recht und mit zutreffender Begründung (Ersturteil S. 7) hat das Erstgericht die geltend gemachten Aufwendungen für die Neuware abgelehnt.
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4. Der Klägerin steht auch kein Schadensersatz für Zinsen von 13.689,56 Euro für ein Privatdarlehen ihres Lebensgefährten über 173.750,- Euro mit einem Zinssatz von 9% zu. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Erstgerichts wurden Zahlungen auf Hauptsache und Zinsen weder geleistet noch gefordert. Die Einordnung als Scheingeschäft durch das Erstgericht hat die Klägerin nicht substantiiert widerlegt. Selbst wenn ein wirksamer Darlehensvertrag abgeschlossen worden wäre, könnte die Klägerin aber insoweit keinen Schadensersatz verlangen, da ihr kein entsprechender Anspruch gegen den Beklagten zustand. Daran ändert es nichts, dass die Klägerin „von ganz anderen Schadensbeträgen ausgeht“ (Berufungsbegründung S. 5 = Bl. 446), denn dies tut sie zu Unrecht (s.o.).
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5. Zu Recht hat das Erstgericht den Feststellungsantrag als unbegründet abgewiesen. Auf die zutreffenden Gründe im Ersturteil (S. 10) wird Bezug genommen.
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6. Selbst wenn man hinsichtlich der verschmutzten Kleider einen Schadensbetrag von 36.689,90 Euro ansetzt und wie das Erstgericht die geltend gemachten Positionen für Kleiderbügel, Transport- und Lagerkosten und Reinigung hinzuaddiert, errechnet sich daraus ein Gesamtschaden von 41.274,65 Euro, das heißt ein Betrag, der immer noch erheblich unter dem von dem Beklagten bezahlten Betrag von 50.000,- Euro liegt.
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1. Auch die weiteren Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen vor. Der Senat weicht nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs oder anderer Obergerichte ab. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Sie ist geprägt durch die ihr innewohnenden Besonderheiten eines Einzelfalles. Eine Zulassung der Revision wäre im Falle einer Entscheidung durch Urteil nicht geboten.
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2. Auch eine mündliche Verhandlung ist in der vorliegenden Sache nicht veranlasst (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO). Es ist auszuschließen, dass in einer mündlichen Verhandlung neue, im Berufungsverfahren zuzulassende Erkenntnisse gewonnen werden können, die zu einer anderen Beurteilung führen.
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3. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert des Berufungsverfahrens auf 145.047,49 Euro festzusetzen. Neben den Zahlungsantrag von 135.047,49 Euro verbleibt der Feststellungsantrag, für den der Senat einen Streitwert von 10.000,- Euro festzusetzen beabsichtigt.
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Der Senat regt daher - unbeschadet der Möglichkeit zur Stellungnahme - die kostengünstigere Rücknahme des aussichtslosen Rechtsmittels an.