Titel:
Beihilfe, Aufbau des Alveolarfortsatzes nach der Entfernung eines Zahnes, Abgrenzung der GOZ-Nrn. 9100 und 4110/4138, Wundkontrolle, Nachbehandlungsmaßnahmen (GOZ-Nrn. 3290, 3000), Zielleistungsprinzip
Normenketten:
BBhV § 6
GOZ § 5
Schlagworte:
Beihilfe, Aufbau des Alveolarfortsatzes nach der Entfernung eines Zahnes, Abgrenzung der GOZ-Nrn. 9100 und 4110/4138, Wundkontrolle, Nachbehandlungsmaßnahmen (GOZ-Nrn. 3290, 3000), Zielleistungsprinzip
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Urteil vom 10.01.2023 – 24 B 22.1769
Fundstelle:
BeckRS 2021, 60013
Tenor
I. Unter Aufhebung des Bescheides vom 14. August 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. November 2019 wird die Beklagte verpflichtet, dem Kläger eine weitere Beihilfe in Höhe von 10,67 € zu gewähren.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt die Gewährung weiterer Beihilfeleistungen für zahnmedizinische Behandlungen. Er ist gegenüber der Beklagten beihilfeberechtigt. Der Bemessungssatz zu krankheitsbedingten Aufwendungen beträgt 50 v. H.
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Mit Formblatt vom 24. Juni 2019 beantragte der Kläger die Gewährung von Beihilfe unter anderem für eine Zahnarztrechnung der Praxis Dr. … in B. vom 11. Juni 2019 über einen Betrag von 902,23 €.
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Mit Bescheid vom 5. Juli 2019 wurde seitens der Beklagten hinsichtlich dieser Rechnung nur ein Betrag in Höhe von 475,78 € als beihilfefähig anerkannt und dem Kläger dementsprechend eine Beihilfe in Höhe von 237,89 € (50 v. H. von 475,78 €) gewährt. Begründet wurden die Kürzungen der beihilfefähigen Aufwendungen damit, dass die GOZ-Nr. 9100 in Verbindung mit Zahnextraktionen nicht berücksichtigt werden könne. Anstelle der GOZ-Nr. 9100 sei die GOZ-Nr. 4110 erstattet worden. Für die Membraneinbringung sei zusätzlich die GOZ-Nr. 4138 erstattet worden. Statt der GOZ-Nr. 0530 sei die GOZ-Nr. 0500 erstattet worden. Die GOZ-Nr. 3290 sei in der gleichen Sitzung sowie in der gleichen Kieferhälfte nicht neben der GOZ-Nr. 3300 oder 3310 berücksichtigungsfähig. Die GOÄ-Nr. 5000 werde nur bis zum 1,8-fachen Satz erstattet, da eine patientenbezogene Begründung bezüglich des höheren Steigerungssatzes fehle.
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Mit Schreiben vom 24. Juli 2019 legte der Kläger ein Schreiben des behandelnden Zahnarztes Dr. … … vom 22. Juli 2019 vor, in dem dieser insbesondere ausführte, dass eine Augmentation und keine Socket Preservation durchgeführt worden sei, weshalb die GOZ-Nr. 9100 abrechnungsfähig sei. Der Ansatz des erhöhten Steigerungssatzes bei der GOÄ-Nr. 5000 wurde nachbegründet. Weiterhin wurde zur Begründung der Abrechnung von GOZ-Nr. 3300 neben GOZ-Nr. 3290 ausgeführt, dass an den Behandlungstagen 28. Mai 2019, 3. Juni 2019 und 4. Juni 2019 zunächst eine Wundkontrolle durchgeführt worden sei, die nach der GOZ-Nr. 3290 berechnet worden sei; nach dieser Wundkontrolle sei jeweils eine Nachbehandlungsmaßnahme (am 28. Mai 2019 die Wundreinigung mit CHX, am 3. Juni 2019 die Nahtentfernung und am 4. Juni 2019 eine Spülung mit CHX) nach GOZ-Nr. 3300 erfolgt. Es habe sich jeweils um zwei voneinander getrennte selbständige Leistungen gehandelt.
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Mit Bescheid vom 14. August 2019 wurde der Bescheid vom 5. Juli 2019 dahingehend abgeändert, dass bezüglich der GOÄ-Nr. 5000 ein weiterer Betrag von 1,78 € als beihilfefähig anerkannt wurde und dem Kläger hieraus eine weitere Beihilfe von 0,89 € (50 v. H. von 1,78 €) gewährt wurde. Eine darüber hinaus gehende Erstattung sei auch unter Berücksichtigung der nachgereichten Unterlagen nicht möglich. Die GOZ-Nr. 9100 umfasse Knochenaufbaumaßnahmen größeren Umfangs, welche eine Volumenänderung des Kieferknochens sowohl in der Höhe als auch in der Breite bewirkten.
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Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 12. September 2019 Widerspruch. Zur Begründung legte er ein Schreiben des Zahnarztes Dr. … … vom 9. September vor, in dem dieser bezüglich der GOZ-Nr. 9100 ergänzend ausführt, dass beim Patienten ein Aufbau größeren Umfangs in der Lateralen vorgenommen worden sei, was die Röntgenbilder bestätigen würden.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 1. November 2019 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Die Leistung nach der GOZ-Nr. 9100 sei als Komplexleistung ausgestaltet und beschreibe die Augmentation des Alveolarfortsatzes als vorbereitende oder begleitende Maßnahme für eine Implantateinbringung. Die Leistung nach der GOZ-Nr. 4110 beschreibe das Auffüllen von paradontalen Knochendefekten mit Aufbaumaterial, das aus Knochen oder Knochenersatzmaterial bestehen könne. Die Leistung sei mit der Leistung nach GOZ-Nr. 4138 kombinierbar, die die zusätzliche Verwendung einer Membran zur Behandlung eines Knochendefektes abbilde. Vorliegend sei eine Entfernung eines Zahnes lediglich in Region 36 erfolgt. Da es sich um eine Region kleinerer Ausdehnung handle und kein Knochenersatzmaterial in größerer Menge verbraucht oder eine zusätzliche Knochenentnahme außerhalb des OPGebiets durchgeführt worden sei, sei davon auszugehen, dass das Knochenersatzmaterial als Aufbaumaterial für den Ausgleich des vorliegenden Knochendefizits ausreichend gewesen sei.
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Hiergegen erhob der Kläger durch Schriftsatz seines Bevollmächtigten am .. Dezember 2019 Klage und beantragte,
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I. Der Erstattungsbescheid der Beklagten vom 14. August 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. November 2019 wird aufgehoben.
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II. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die vollen Leistungen als Erstattung der bereits bezahlten Zahnarztrechnung zu bewilligen und auszubezahlen.
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Sowohl der Kläger als auch sein behandelnder Zahnarzt hätten nachgewiesen, dass aufgrund der gesundheitlichen Situation des Klägers und der vorgefundenen Kieferproblematik die vom behandelnden Zahnarzt gewählte Behandlungsmethode notwendig und im Umfang auch erforderlich gewesen sei. Der behandelnde Zahnarzt habe in seiner Stellungnahme klargemacht, dass nur notwendige Behandlungsschritte erfolgt seien und diese auch mit der angemessenen Rechnungsgröße angesetzt worden seien. Ergänzend wurde eine Stellungnahme des Zahnarztes Dr. … vom 21. Oktober 2019 sowie eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Klägers vom 25. Mai 2019 bis zum 28. Mai 2019 mit der Begründung „Zustand nach Extraktion“ vorgelegt.
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Die Beklagte beantragte mit Schreiben vom 8. Januar 2020,
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen auf den Widerspruchsbescheid verwiesen.
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Mit Schreiben vom 8. Januar 2020 und 6. Oktober 2021 verzichteten die Beteiligten auf eine mündliche Verhandlung.
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Mit Beschluss vom 6. Dezember 2021 wurde der Rechtsstreit auf den Einzelrichter übertragen.
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Wegen des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der vorgelegten Behördenakte sowie der Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage, über die nach übereinstimmender Erklärung der Beteiligten im schriftlichen Verfahren nach § 101 Abs. 2 VwGO entschieden werden konnte, hat in der Sache in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang teilweise Erfolg.
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Die Klage ist begründet, soweit der Kläger die Gewährung weiterer Beihilfe in Höhe von 10,67 € begehrt. Im Übrigen ist sie unbegründet.
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Der Kläger hat einen Anspruch auf Gewährung weiterer Beihilfe in Höhe von 10,67 € (§ 113 Abs. 5 VwGO); der Bescheid vom 14. August 2019 und der Widerspruchsbescheid vom 1. November 2019 sind insoweit rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Darüber hinaus hat der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung weiterer Beihilfe, die streitgegenständlichen Bescheide sind insoweit rechtmäßig; § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO), so dass die Klage im Übrigen abzuweisen war.
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1. Der Kläger ist beihilfeberechtigt nach § 80 Abs. 1 des Bundesbeamtengesetzes (BBG).
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1.1. Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (stRspr, vgl. statt aller BVerwG, U.v. 2.4.2014 - 5 C 40.12 - NVwZ-RR 2014, 609 Rn. 9). Für die zahnärztliche Untersuchung und Behandlung entstehen Aufwendungen mit jeder Inanspruchnahme des Arztes. Danach kommt für die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen für die Behandlungen im Mai und im Juni 2019 die auf Grundlage von § 80 Abs. 6 BBG erlassene Verordnung über Beihilfe in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen (Bundesbeihilfeverordnung - BBhV) vom 13. Februar 2009 (BGBl. I 2009, S. 326) in der Fassung vom 1. Januar 2019 zur Anwendung.
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1.2. Nach § 14 Satz 1 BBhV sind Aufwendungen für ambulante zahnärztliche und kieferorthopädische Untersuchungen und Behandlungen nach Maßgabe des § 6 BBhV grundsätzlich beihilfefähig. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BBhV sind beihilfefähig grundsätzlich nur notwendige und wirtschaftlich angemessene Aufwendungen. Gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 BBhV sind wirtschaftlich angemessen grundsätzlich Aufwendungen für zahnärztliche Leistungen, wenn sie dem Gebührenrahmen der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) entsprechen.
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1.3. Gemäß § 4 Abs. 2 S. 2 GOZ kann der Zahnarzt für eine Leistung, die Bestandteil oder eine besondere Ausführung einer anderen Leistung nach dem Gebührenverzeichnis ist, eine Gebühr nicht berechnen, wenn er für die andere Leistung eine Gebühr berechnet (sog. Zielleistungsprinzip). Insoweit sind gegen das Zielleistungsprinzip verstoßende durch den Zahnarzt abgerechnete Leistungen im Rahmen der Beihilfe nicht beihilfefähig. Hierdurch soll eine Doppelhonorierung von Leistungen verhindert werden. Zu beachten ist unter Anlegung eines abstrakt-generellen Maßstabs wegen des abrechnungstechnischen Zwecks dieser Bestimmungen vor allem der Inhalt und der systematische Zusammenhang der Gebührenordnungsposition und deren Bewertung (BGH v. 5.6.2008, NJW-RR 2008, 1278).
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2. Unter Anwendung dieses Maßstabs auf den konkreten Fall ergibt sich, dass der Kläger einen Anspruch auf Gewährung einer weiteren Beihilfe in Höhe von 10,67 € (50 v. H. des von der Beklagten nicht als beihilfefähig anerkannten Betrags in Höhe von 21,33 €) für die Honorarforderung des Zahnarztes für die Leistungen nach GOZ-Nr. 3290 hat. Die Abrechnung der Leistung nach GOZ-Nr. 3290 an den Behandlungstagen 28. Mai 2019, 3. Juni 2019 und 4. Juni 2019 ist jeweils neben der Leistung nach GOZNr. 3300 anzuerkennen, da die jeweiligen Nachbehandlungsmaßnahmen nach der Kontrolle der Wunde als selbständige Maßnahmen vorgenommen wurden.
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Die Leistung nach GOZ-Nr. 3290 beinhaltet die Kontrolle nach chirurgischem Eingriff, als selbständige Leistung. Die GOZ-Nr. 3290 ist für die Kontrolle nach einem chirurgischen Eingriff berechnungsfähig, ggf. auch im Sinne einer Sichtkontrolle, ohne Durchführen von Behandlungsmaßnahmen. Das Ergebnis der Kontrolle ist Grundlage für die nachfolgende Therapie. Die Vornahme von Nachbehandlungsmaßnahmen an der gleichen Wunde erfüllt den Leistungsinhalt der Nummer 3300 und ist zusätzlich berechnungsfähig (vgl. Bundeszahnärztekammer (BZAEK), Kommentar zur GOZ, Stand 10/2018, Nr. 3300, S. 130).
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Die Leistung nach GOZ-Nr. 3000 beinhaltet die Nachbehandlung nach chirurgischem Eingriff (z.B. Tamponieren), als selbständige Leistung. Die GOZ-Nr. 3000 ist für Nachbehandlungsmaßnahmen nach einem chirurgischen Eingriff berechnungsfähig. Das Tamponieren ist nur beispielhaft genannt. Auch andere Nachbehandlungsmaßnahmen können den Leistungsinhalt erfüllen, z. B. die Nahtentfernung, der Drainagewechsel, Wundspülungen, Desinfektionsmaßnahmen an der Wunde oder das Aufbringen wundheilungsfördernder Medikamente. Eine Nachbehandlung der gleichen Wunde nach dieser Nummer kann im Anschluss an eine Wundkontrolle nach der GOZNr. 3290 berechnet werden (BZAEK, Kommentar zur GOZ, Stand 10/2018, Nr. 3300, S. 131).
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Nach der Stellungnahme des behandelnden Zahnarztes Dr. … … vom 22. Juli 2019 wurde an den Behandlungstagen 28. Mai 2019, 3. Juni 2019 und 4. Juni 2019 zunächst eine Wundkontrolle durchgeführt. Am Behandlungstag 28. Mai 2019 wurde danach als Nachbehandlungsmaßnahme eine Wundreinigung mit CHX vorgenommen, am Behandlungstag 3. Juni 2019 die Nachbehandlungsmaßnahme der Nahtentfernung und am Behandlungstag 4. Juni 2019 die Wundspülung mit CHX. Bei der Wundreinigung, Nahtentfernung und Wundspülung handelt es sich um Nachbehandlungsmaßnahmen, die jeweils selbständige Leistungen gegenüber der Wundkontrolle darstellen und nicht als Bestandteil der Wundkontrolle zu qualifizieren sind. Die Abrechnung der GOZ-Nr. 3290 an den Behandlungstagen 28. Mai 2019, 3. Juni 2019 und 4. Juni 2019 ist deshalb als beihilfefähig anzuerkennen.
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3. Im Übrigen hat der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung einer weiteren Beihilfe.
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Die Beklagte hat die Beihilfefähigkeit der Abrechnung der Gebührenziffer GOZNr. 9100 abgelehnt und stattdessen die für das Auffüllen von parodontalen Knochendefekten mit Aufbaumaterial in der GOZ vorgesehene GOZ-Nr. 4110 und die für die Verwendung einer Membran zur Behandlung eines Knochendefektes in der GOZ vorgesehene GOZ-Nr. 4138 anerkannt. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden.
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Voraussetzung eines weitergehenden Beihilfeanspruchs über die von der Beklagten angesetzten Abrechnungsziffern GOZ Nrn. 4110 und 4138 hinaus ist, dass die der Zahnarztrechnung vom 11. Juni 2019 zugrundeliegende zahnärztliche Leistung auch die GOZ-Nr. 9100 erfüllt. Dies ist indes jedoch nicht der Fall.
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Die GOZ-Nr. 9100 lautet „Aufbau des Alveolarfortsatzes durch Augmentation ohne zusätzliche Stabilisierungsmaßnahmen, je Kieferhälfte oder Frontzahnbereich. Mit der Leistung nach der Nr. 9100 sind folgende Leistungen abgegolten:
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- Glättung des Alveolarfortsatzes,
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- gegebenenfalls Entnahme von Knochen innerhalb des Aufbaugebietes,
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- Einbringung von Aufbaumaterial (Knochen und/oder Knochenersatzmaterial) und
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- Wundverschluss mit vollständiger Schleimhautabdeckung, gegebenfalls einschließlich Einbringung und Fixierung resorbierbarer oder nicht resorbierbarer Barrieren.“
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Die GOZ-Nr. 9100 umfasst dabei augmentative Maßnahmen größeren Umfangs am Alveolarfortsatz sowohl in horizontaler als auch in vertikaler Richtung, die eine Volumenvermehrung und Veränderung der Außenkontur des Alveolarfortsatzes bewirken (Kommentar der Bundeszahnärztekammer, GOZ, Stand: 10/2018, Nr. 9100, S. 268 f.). Die Nr. 9100 beinhaltet die großflächigere Verbreiterung des Knochenangebotes sowohl in horizontaler als auch in vertikaler Richtung bzw. augmentative Maßnahmen größeren Umfangs (Kommentierung der PKV zur Gebührenordnung für Zahnärzte, Stand 8.12.2021). Die Nr. 9100 steht im Kontext des Abschnitts K (Implantologische Leistungen, Allgemeine Bestimmungen) der GOZ und wegen der Notwendigkeit einer großflächigen Verbreiterung des Knochenangebotes wird in Nr. 1 des Leistungstextes klargestellt, dass die Glättung des Alveolarfortsatzes im Bereich des Implantatbettes nicht berechnungsfähig ist. Gleichermaßen ist wegen der vorausgesetzten Großflächigkeit der Maßnahme die Nr. 9100 nur je Kieferhälfte oder Frontzahnbereich abrechnungsfähig.
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Demgegenüber sind die von der Beklagten ersatzweise anerkannten Leistungsziffern 4110 (Auffüllen von parodontalen Knochendefekten mit Aufbaumaterial (Knochen- und/oder Knochenersatzmaterial), auch Einbringen von Proteinen zur regenerativen Behandlung parodontaler Defekte, gegebenenfalls einschließlich Materialentnahme im Aufbaugebiet, je Zahn oder Parodontium oder Implantat) und 4138 (Verwendung einer Membran zur Behandlung eines Knochendefektes einschließlich Fixierung, je Zahn, je Implantat) auf kleinflächigere Maßnahmen, nämlich auf den einzelnen Zahn, dessen Zahnhalteapparat bzw. auf das einzelne Implantat bezogen.
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Ausweislich der Rechnung vom 11. Juni 2019 erfolgte der Aufbau des Alveolarfortsatzes nur in Region 36, wo ein Zahn extrahiert worden war. Nach der Stellungnahme des behandelnden Zahnarztes Dr. … … vom 22. Juli 2019 wurde eine Augmentation durchgeführt. Nach den allgemeinen Bestimmungen zu Abschnitt E (Nrn. 4000 ff. GOZ, Kommentierung der PKV zur Gebührenordnung für Zahnärzte, Stand 8.12.2021) ist Leistungsinhalt der Abrechnungsziffern, zu denen auch GOZ-Nrn. 4110 und 4138 gehören, u.a. die Anlagerung von Knochen an den vorhandenen Knochen (z. B. Eigenknochen, Fremdknochen und/oder Knochenersatzmaterial) an den vorhandenen Knochen, um bei einem unzureichenden Knochenvolumen infolge von z. B. Extraktionen, Resektionen oder auch um Hohlräume beim Einsetzen von Implantaten zu schließen (Augmentation).
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Hieraus wird deutlich, dass es sich im Falle des Klägers nicht um einen Wiederaufbau verlorengegangener Knochensubstanz großflächigen Ausmaßes mit einer Volumenvermehrung oder Veränderung der Außenkontur des Alveolarfortsatzes (z.B. als Grundlage für ein Implantat) oder dem Auffüllen eines knöchernen Defektes, der die Größe einer Zahnregion übersteigt, gehandelt hat. Vielmehr lag der Behandlung ein kleinflächiger Knochendefekt in Region 36 nach Entfernung des Zahnes 36 zugrunde.
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Da die Leistung nach GOZ-Nr. 9100 nicht beihilfefähig ist, ist auch die Abrechnung des OP-Zuschlags nach GOZ-Nr. 0530 nicht beihilfefähig. Die Beklagte hat den Ansatz der GOZ-Nr. 0530 deshalb zu Recht nicht anerkannt und stattdessen die GOZNr. 0500 (Zuschlag bei nichtstationärer Durchführung von zahnärztlich-chirurgischen Leistungen, die mit Punktzahlen von 250 bis 499 Punkten bewertet sind) berücksichtigt.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Nach dieser Vorschrift können einem Beteiligten die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist. Die zivilrechtliche Rechtsprechung nimmt einen solchen Fall im Rahmen der Parallelvorschrift des § 92 Abs. 2 ZPO bei einem Unterliegen unter 10% an. Bei einem Gesamtstreitwert von 209,65 € fällt die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen zu GOZ-Nr. 3290 mit einem Streitwert von 10,67 € kostenrechtlich nicht ins Gewicht. Der Kläger hat daher die Kosten des Verfahrens insgesamt zu tragen, § 155 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 VwGO.
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5. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.