Titel:
Beschwerde, Verteidiger, Vollziehung, Rechtsmittel, Anordnung, Ausland, Pkw, Wohnung, verwerfen, Form, Zeitpunkt, Auflage, Verdacht, Polizei, konkrete Anhaltspunkte
Schlagworte:
Beschwerde, Verteidiger, Vollziehung, Rechtsmittel, Anordnung, Ausland, Pkw, Wohnung, verwerfen, Form, Zeitpunkt, Auflage, Verdacht, Polizei, konkrete Anhaltspunkte
Vorinstanz:
AG München, Beschluss vom 15.07.2020 – ER V Gs 2071/20
Fundstelle:
BeckRS 2021, 59970
Tenor
1. Die Beschwerde des Beschuldigten C. vom 22.02.2021 gegen den Beschluss des Amtsgerichts München vom 15.07.2020 wird als unbegründet zurückgewiesen.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
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Mit Beschluss des Amtsgerichts München vom 15.07.2020 (SoBa Vermögensabschöpfung) wurde gem. §§ 111e Abs. 1, 111j Abs. 1 S. 1 StPO für den Freistaat Bayern, vertreten durch die Staatsanwaltschaft M. I, als Gläubiger der Vermögensarrest in Höhe von 8.570,00 EUR in das Vermögen des Beschwerdeführers als Schuldner angeordnet.
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Gegen den Beschluss, welcher dem Beschwerdeführer am 15.02.2021 zugestellt wurde (HA II Bl. 374), legte der Beschuldigte über seinen Verteidiger, Rechtsanwalt N2., mit Schriftsatz vom 22.02.2021, eingegangen bei Gericht am 23.02.2021, Beschwerde ein. Eine Begründung der Beschwerde erfolgte nicht.
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Das Amtsgericht München half mit Beschluss vom 04.03.2021 (HA II Bl. 373) der Beschwerde nicht ab.
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Für weitere Einzelheiten wird auf den Beschluss des Amtsgerichts München vom 15.07.2020 sowie vom 04.03.2021 verwiesen.
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Das Rechtsmittel des Beschuldigten war mangels Begründetheit zu verwerfen, da die Voraussetzungen der §§ 111e Abs. 1, 111j Abs. 1 S. 1 StPO vorliegen.
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1. Der Vermögensarrest zur Sicherung der Wertersatzeinziehung kann gem. §§ 111e Abs. 1, 111j Abs. 1 S. 1 StPO durch das Gericht angeordnet werden, wenn die Annahme begründet ist, dass die Voraussetzungen der Einziehung von Wertersatz vorliegen (dazu a), dies zur Sicherung der Vollstreckung erforderlich ist (dazu b) und die Anordnung verhältnismäßig sowie ermessensfehlerfrei ergangen ist (dazu c).
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a) Aufgrund bestimmter Tatsachen muss der Verdacht der Begehung einer rechtswidrigen Tat gegen den Beschuldigten gegeben sein, der bei dessen Bestätigung die Anordnung der Wertersatzeinziehung zur Folge hätte (Meyer-Goßner/Schmitt, 63. Auflage 2020, § 111e Rn. 4).
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Dabei genügt das Bestehen eines Anfangsverdachts i. S. d. § 152 Abs. 2 StPO (BeckOKStPO/Huber, 39. Edition, Stand 01.01.2021, § 111e Rn. 4).
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Nach den bisherigen Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens, insbesonders den Erkenntnissen der TKÜ und den Angaben der Zeugin F., besteht der Verdacht, dass sich der Beschuldigte zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt, jedenfalls aber vor dem 20.06.2020, mit den Mitbeschuldigten K., Y. und H. zusammenschloss, um fortan organisiert und arbeitsteilig Betrugstaten zu begehen. Entsprechend des gemeinsamen Tatplans wollten sich die Beschuldigten als Polizeibeamte ausgeben und in Form von Anrufen, die über sog. Keiler aus dem türkischen Ausland erfolgen sollten, Kontakt zu - meist älteren - Personen aufnehmen.
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Diesen wurde wahrheitswidrig geschildert, dass sie zu einem Kreis vermeintlicher Einbruchsopfer gehörten, weshalb sie sämtliche Vermögenswerte, selbst auf der Bank gelagerte, an die „Ermittlungsbehörden“ übergeben sollten. Sobald die kontaktierten Opfer Kooperationsbereitschaft zeigten, informierten die sog. Keiler ein weiteres Bandenmitglied, das die Abholung der Beute koordinierte. Der Mitbeschuldigte K. diente als Logistiker der Bande, der die weiteren Bandenmitglieder bezüglich des weiteren Vorgehens anwies. Die Aufgabe des Beschwerdeführers bestand darin, den weiteren Mitbeschuldigten H.anzuwerben und als Abholer anzuweisen, während er selbst ständig Instruktionen zum weiteren Vorgehen durch den Mitbeschuldigten K. erhielt.
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Am 20.06.2020 gegen 17:00 Uhr erhielt die 82-jährige Geschädigte S1. A. B. Fr., geb. ... 1938, wohnhaft M2.weg 4, ... H., einen Anruf einer unbekannten männlichen Person, welche sich als „Herr M3. S2.“ von der Polizei ausgab. Der Anrufer spiegelte der Geschädigten vor, dass sich vier Einbrecher im Bereich Huglfing und Peißenberg aufhalten würden, wovon zwei bereits von der Polizei festgenommen worden seien. Aus Sicherheitsgründen solle die Geschädigte sich einsperren. Zudem fragte der Anrufer, ob die Geschädigte einen Ersatzschlüssel versteckt hätte. Als diese daraufhin keine Antwort gab, legte der Anrufer auf. Gegen 20:00 Uhr desselben Tags erhielt die Geschädigte erneut einen Anruf durch einen unbekannten Anrufer. Dieser teilte mit, dass auch die beiden weiteren Einbrecher festgenommen worden seien, diese aber im Besitz der Kontodaten und weiterer persönlicher Daten der Geschädigten, wie ihre Wohnadresse, gewesen seien. Darum solle die Geschädigte den Goldbarren, den sie zuhause hätte, sowie jeglichen Schmuck vor ihrer Haustür in einer schwarzen Tüte ablegen. Er werde in 15 Minuten bei ihr erscheinen, um in seinem Pkw Lichtbilder von den Gegenständen zu fertigen und diese dann vor die Wohnungstür zurück zu legen. Es sei jedoch wichtig, dass die Geschädigte in dieser Zeit nicht aus dem Fenster schaue oder die Wohnung verlasse.
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Die Geschädigte kam täuschungsbedingt der Aufforderung nach und legte einen Goldbarren im Wert von ca. 4.000, 00 EUR bis 5.000,00 EUR, Bargeld in Höhe von 620,00 EUR sowie zwei Goldketten und ein Goldarmband mit unbekanntem Wert vor ihrer Haustür ab.
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Zwischen 20:30 Uhr und 21:00 Uhr erschien der Mitbeschuldigte H.an der Wohnanschrift der Geschädigten und nahm die vorhandenen Gegenstände an sich, um diese den Hintermännern, unter ihnen auch der Beschwerdeführer, zuzuführen.
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Somit hat der Beschwerdeführer mindestens folgende Taterträge erlangt:
- Goldbarren im Wert von 5.100,00 EUR
- Bargeld im Wert von 620,00 EUR
- Goldkette mit echter Perle im Wert von 900,00 EUR
- Goldkette im Wert von 850,00 EUR
- Armreif gold mit Anhängern im Wert von 1.100,00 EUR
- in der Summe somit 8.570,00 EUR
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Dabei wurde der Gold- und Schmuckwert gem. § 73d Abs. 2 StGB geschätzt, da keine genauen Angaben der Geschädigten vorlagen.
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Aus diesem Verhalten ergibt sich der Verdacht, dass der Beschwerdeführer sich des gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs gem. §§ 263 Abs. 1, Abs. 3 S. 2 Nr. 1, Abs. 5, 25 Abs. 2 StGB strafbar gemacht hat und in Bezug auf 8.570,00 EUR die Einziehung von Wertersatz gem. §§ 73 Abs. 1, 73c StGB anzuordnen ist.
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b) Die Anordnung des Vermögensarrests bedarf zudem eines Sicherungsbedürfnisses. Hiervon ist auszugehen, wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die besorgen lassen, dass ohne die Anordnung und Vollziehung des Arrests der staatliche Zahlungsanspruch in Gestalt der Wertersatzeinziehung ernstlich gefährdet ist. Dies ist der Fall, wenn aufgrund einer Gesamtschau aller Umstände des Einzelfalls eine Verschlechterung der Vermögenslage oder eine wesentliche Erschwerung des Zugriffs auf das Vermögen des Betroffenen droht (MeyerGoßner/Schmitt, aaO, § 111e Rn. 6). Dabei kann sich die Besorgnis aus der Person des Beschuldigten, das Vor- und Nachtatverhalten, seinen Lebensumständen sowie der Art und Weise der Tatbegehung ergeben (BeckOK-StPO/Huber, aaO, § 111e Rn. 9). Dabei begründet zwar allein die Tatsache, dass die gegenständliche Straftat gegen fremdes Vermögen gerichtet war, grundsätzlich kein Sicherungsbedürfnis, es muss vielmehr zu erwarten sein, dass die Arrestforderung vom Betroffenen bei einem Zuwarten nicht mehr beigetrieben werden kann, wovon in der Regel aber auszugehen ist, wenn sich der Beschuldigte V. durch Straftaten beschafft hat (vgl. BeckOK-StPO/Huber, aaO, § 111e Rn. 11 mwN). Bei mehreren Tatbeteiligten ist zudem von einem Sicherungsbedürfnis auszugehen, wenn der personelle Hintergrund der Straftaten nicht vollständig aufgehellt werden konnte und darum zu besorgen ist, dass der Einziehungsadressat sein noch vorhandenes Vermögen mit der Unterstützung noch nicht gefasster oder unbekannt gebliebener Mittäter dem Zugriff entzieht (MeyerGoßner/Schmitt, aaO, § 111e Rn. 7).
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Vorliegend ist von einem entsprechenden Sicherungsbedürfnis auszugehen. Der Beschwerdeführer hat - soweit sich der Anfangsverdacht bestätigt - mit der Betrugstat eine gegen fremdes Vermögen gerichtete Tat begangen und in deren Rahmen Vermögensvorteile erlangt. Es ist folglich anzunehmen, dass eine Erschwerung des Zugriffs auf das Vermögen des Beschuldigten C. droht, da aufgrund der gegen fremdes Vermögen gerichteten Straftat nicht davon ausgegangen werden kann, dass er selbst über ausreichende finanzielle Mittel verfügt, um den Anspruch zu bedienen. Anhaltspunkte, die dies widerlegen, sind nicht ersichtlich.
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Vielmehr bestätigt die bestehende Verbindung zu den sog. Keilern, welche die Anrufe aus der Türkei tätigten, dass der Beschuldigte über Kontakte ins Ausland verfügt und damit ein Anreiz besteht, etwaiges Vermögen dorthin zu verbringen, woraus sich ebenfalls ein Sicherungsbedürfnis ergibt (Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 111e Rn. 7). Ebenfalls zur Bejahung des Sicherungsinteresses führt die Tatsache, dass der Beschwerdeführer als Mitglied einer Bande agierte, von der, insbesondere mit Hinblick auf die in der Türkei ansässigen sog. Keiler, noch nicht alle Täter ermittelt und strafrechtlich verfolgt werden konnten und darum auch insoweit eine Verbringung des Vermögens in das Ausland und somit zumindest Erschwerung der Einziehung droht.
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c) Zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Anordnung ist das Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit gegen das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 14 Abs. 1 GG abzuwägen (OLG Stuttgart NJW 2017, 3731). Dabei muss vorliegend das Grundrecht des Beschwerdeführers insbesondere unter Berücksichtigung des staatlichen Interesses an der Abschöpfung inkriminierten Vermögens zurücktreten.
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Etwaige Ermessensfehler des Amtsgerichts sind nicht ersichtlich.
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2. Die Kostenpflicht folgt aus § 473 Abs. 1 S. 2 StPO.