Titel:
Schadensersatz, Fahrzeug, Kaufpreis, Rechtsanwaltskosten, Haftung, Auslegung, Software, Marke, Frist, Anspruch, Zeitpunkt, Beweisaufnahme, Ablehnung, Kraftfahrzeug, Zug um Zug, ins Blaue hinein, substantiierter Vortrag
Schlagworte:
Schadensersatz, Fahrzeug, Kaufpreis, Rechtsanwaltskosten, Haftung, Auslegung, Software, Marke, Frist, Anspruch, Zeitpunkt, Beweisaufnahme, Ablehnung, Kraftfahrzeug, Zug um Zug, ins Blaue hinein, substantiierter Vortrag
Fundstelle:
BeckRS 2021, 59923
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf … € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Klagepartei begehrt von den Beklagten Schadensersatz insbesondere wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung bzw. deliktischem Handeln im Zusammenhang mit dem Kauf eines von der Beklagten zu 2 hergestellten Fahrzeuges, in das ein Dieselmotor verbaut ist, der von der Beklagten zu 1 hergestellt wurde.
2
Der Kläger erwarb am 07.08.2017 bei dem Porsche Zentrum … das streitgegenständliche Fahrzeug Porsche Macan S Diesel mit der Fahrzeugidentifikationsnummer … als Gebrauchtwagen zu einem Kaufpreis von … € brutto.
3
Zum Zeitpunkt des Kaufes hatte das Fahrzeug einer Gesamtlaufleistung von 14.500 km.
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Am 27.08.2021 lag ein Kilometerstand von 37.891 km vor.
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Im Hinblick auf den im streitgegenständlichen Fahrzeug verbauten Motor besteht ein Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) unter dem Hersteller - Code ….
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Mit Datum vom 28.12.2018 ist die Ehefrau des Klägers, …, von der P. Deutschland GmbH angeschrieben worden.
7
Darin heißt es (Bl. 36 d.A.):
„Porsche Macan 3,0 - Liter - V6 - Diesel (Euro 6)
Rückrufaktion AJ07 für Ihr Fahrzeug ….
Mit diesem Schreiben möchten wir Ihnen mitteilen, dass aufgrund einer angeordneten Rückrufaktion von Fahrzeugen des Typs Porsche Macan 3,0 - Liter - V6 - Diesel (Euro 6) ein Software-Update am Motorsteuergerät vorgenommen werden muss.
Hintergrund ist, dass Unregelmäßigkeiten in der Motorsteuerung Software dieser Fahrzeuge … festgestellt wurden.“
8
Mit anwaltlichen, außergerichtlichen Schreiben vom 02.07.2020 forderte die Klagepartei die Beklagte zu 1 auf den entrichteten Kaufpreis sowie Zinsen auf den Kaufpreis in Höhe von 4 Prozentpunkten ab Kaufzeitpunkt Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeuges bis zum 16.07.2020 auf das Kanzleikonto der Prozessbevollmächtigten zu zahlen, so wie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten binnen gleicher Frist zu zahlen (Bl. 38 ff. der Akten).
9
Die Klagepartei trägt im Wesentlichen vor, der Kläger sei als Eigentümer des streitgegenständlichen Fahrzeugs aktivlegitmiert. Das Fahrzeug sei auf seine Ehefrau, … zugelassen. Diese sei Halterin. Das Fahrzeug verfüge über eine unzulässige Abschalteinrichtung, die dazu führe, dass das Kraftfahrzeug einen wesentlich höheren NOx - Ausstoß aufweise, als die Typengenehmigung des KBA aufweise. Das Fahrzeug sei zum Zeitpunkt des Kaufs weder genehmigungs- noch verkehrsfähig gewesen. Die nach der einschlägigen Abgasnorm Euro 6 vorgegebenen NOx - Grenzwerte würden nur auf dem Prüfstand eingehalten. Im tatsächlichen Fahrbetrieb seien die Stickoxidwerte deutlich höher und überschritten die zulässigen Grenzwerte. Die Abschalteinrichtung bestehe in einem unzulässigen Aufheizen, bei dem im Fahrzeug eine Software installiert sei, die die Umgebungstemperatur und andere physikalische Größen messe. … Im realen Straßenbetrieb werde diese Funktion hingegen abgeschaltet, das Fahrzeug stoße dann das Vielfache an Schadstoffen aus.
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Weiterhin liege eine illegale Abschaltungseinrichtung in Form des sogenannten „Thermofenster“ vor.
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Klägerseits wird der verbaute Motor zunächst als EA 897 evo bezeichnet. Im Verlauf legt man sich auf einen EA 897 fest, wobei die Klagepartei der Auffassung ist, die konkrete Bezeichnung sei letztlich irrelevant.
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Die Beklagten seien gesamtschuldnerisch haftbar insbesondere wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung. Die Beklagte zu 1 als Herstellerin des Motors des streitgegenständlichen Fahrzeuges und die Beklagte zu 2 als Herstellerin des streitgegenständlichen Fahrzeuges. Die Verantwortlichen der Beklagten zu 2 hätten vom Einsatz unzulässiger Abschalteinrichtungen im streitgegenständlichen Fahrzeug Kenntnis gehabt.
13
Zunächst hat der Kläger mit Klageschrift vom 21.09.2020 die Beklagte zu 1 in Anspruch genommen. Mit Klageerweiterung vom 12.05.2021 hat der Kläger die Klage auf die Beklagte zu 2 erweitert (Blatt 150 der Akten).
14
Der Kläger beantragt zuletzt,
15
Die Beklagten beantragen zuletzt,
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Die Beklagte zu 1 trägt im Wesentlichen vor, ihrerseits bestehe keine Haftung. Der streitgegenständliche Motor verfüge nicht über die Umschaltlogik der Abgasrückführung, die im Hinblick auf die Motoren des Typs EA 189 (EU 5) bekannt geworden sei. Der Einbau der streitgegenständlichen Software habe keine sittenwidrige Schädigung dargestellt. Das streitgegenständliche Fahrzeug verfüge über eine wirksame EG Typengenehmigung für die Emissionsklasse EU6 und entsprach dem genehmigtem Typ jederzeit. Das KBA habe die EG Typengenehmigung für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp nicht widerrufen. Die Behauptungen der Klagepartei gingen insoweit ins Leere, als sich die Behauptungen darauf stützen, dass im Fahrzeug ein Motor des Typs EA 897 evo verbaut sei. Zwar sei es richtig, dass das KBA die Auffassung vertreten habe, dass im streitgegenständlichen Fahrzeugtyp eine unzulässige Abschalteinrichtung zum Einsatz gekommen sei. In der Folge sei lediglich die Bedatung der vom KBA beanstandenden Softwarebestandteile zu ändern bzw. auszuweiten gewesen, um einen breiteren Anwendungsbereich im Straßenbetrieb zu gewährleisten. Dies sei durch eine entsprechende Anpassung der Motorsteuerungssoftware sichergestellt.
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Die Klagepartei habe keinen Nachweis geführt, dass das Emissionsverhalten des Fahrzeugs die eigene Kaufentscheidung beeinflusst habe. Die Klagepartei habe das Fahrzeug nach Bekanntwerden der sogenannten „Diesel - Thematik“ erworben. Die Klagepartei habe nicht vorgetragen, dass sie sich im Rahmen der Verkaufsgespräche nach der Betroffenheit streitgegenständlichen Fahrzeugs erkundigt habe. Jedenfalls müsse sich die Klagepartei Nutzungsersatz im Wege der Vorteilsanrechnung anrechnen lassen.
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Die Beklagte zu 2 trägt im Wesentlichen vor, dass sie als Herstellerin des Fahrzeugs keine Haftung trage. Porsche habe im Zusammenhang mit dem Aufkommen der Dieselthematik im Herbst 2015 umfangreiche eigene interne technische Prüfungen angestoßen. Gegenstand dieser technischen Prüfungen seien Durchführung von Emissionstests gewesen. Dabei habe man keine unzulässigen Abschalteinrichtungen festgestellt. In der Folge habe Porsche erfahren, dass die vom KBA in Bezug auf den hier nicht streitgegenständlichen Cayenne Diesel V6 EU6 als unzulässig verbeschiedene Bedatung auch beim Macan Diesel V6 EU6 enthalten gewesen sei. Von diesen Tatsachen habe Porsche zuvor keine Kenntnis gehabt. Zudem verfüge das streitgegenständliche Fahrzeug bereits ab Werk bzw. vor Erwerb durch die Klagepartei über einen aktualisierten Softwarestand, der die konkrete, vom KBA letztlich als unzulässig festgestellte Bedatung der Motorsteuerungssoftware nicht mehr enthalten habe. Das streitgegenständliche Fahrzeug habe ab Werk bereits über einen Softwarestand entsprechend WG22 verfügt. Zu diesem aktualisierten Softwarestand habe das KBA keine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt. Soweit die Klagepartei suggeriere, dass im streitgegenständlichen Fahrzeug eine Umschaltlogik wie im EA 189 (EU5) - Motor (Modus O/Modus 1) verbaut sei, sei dies unzutreffend. Das KBA habe bei den V6 EU6 Modellen von Porsche lediglich die konkrete Bedatung des Warmlaufmodus als unzulässig verbeschieden.
19
Auf den Inhalt des Protokolls zur mündlichen Verhandlung vom 30.08.2021 wird Bezug genommen (Bl. 334 ff. d.A.).
20
Hinsichtlich des übrigen Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze samt ihrer Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage war sowohl gegenüber der Beklagten zu 1), als auch gegenüber der Beklagten zu 2) als unbegründet abzuweisen.
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Das Gericht geht grundsätzlich davon aus, dass der Kläger aktivlegitmiert ist. Entscheidend sind nicht die jetzigen Eigentumsverhältnisse am Fahrzeug, sondern die Frage, wer das streitgegenständliche Fahrzeug zum relevanten Zeitpunkt gekauft hat. Der Kläger ist unstreitig Käufer des Fahrzeugs (vgl. auch verbindliche Bestellung, Bl. 32 d.A.)
23
Allerdings stehen ihm die eingeklagten Ansprüche gegen die Beklagten nicht zu.
24
Eine Haftung der Beklagten zu 1) liegt nicht vor.
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1. Ein Anspruch der Klagepartei aus §§ 826, 31 BGB bzw. § 831 BGB gegen die Beklagte zu 1), scheidet schon deshalb aus, weil das klägerseits behauptete Verhalten der Beklagten zu 1), soweit man überhaupt von einem substantiierten Vortrag ausgehen konnte, unter keinem Gesichtspunkt als sittenwidrig anzusehen ist. Soweit insbesondere die Klage auf eine angebliche unzulässige Abschalteinrichtung gestützt wird, erfolgte der Vortrag ins Blaue hinein, so dass bereits ein substantiierter Vortrag nicht vorlag und die Klage ohne weitere Beweisaufnahme abzuweisen war.
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a) Objektiv sittenwidrig wäre eine Handlung, die nach Inhalt oder Gesamtcharakter, der durch zusammenfassende Würdigung von Inhalt, Beweggründen und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt, d.h. mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht vereinbar ist. Ein Unterlassen wäre dann sittenwidrig, wenn das geforderte Tun einem sittlichen Gebot entspricht. Dass das Verhalten gegen vertragliche Pflichten oder das Gesetz verstößt, unbillig erscheint oder einen Schaden hervorruft, genügt nicht. Insbesondere ist die Verfolgung eigener Interessen bei der Ausübung von Rechten im Grundsatz auch dann legitim, wenn damit eine Schädigung Dritter verbunden ist. Hinzutreten muss nach der Rechtsprechung eine nach den Maßstäben der allgemeinen Geschäftsmoral und des als „anständig“ Geltenden besondere Verwerflichkeit des Verhaltens, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage tretenden Gesinnung oder den eintretenden Folgen ergeben kann (vgl. m.w.N.: Palandt/Sprau, BGB, 79. Auflage 2020, § 826 BGB, Rn. 4).
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Allein das Vorliegen eines verpflichtenden Rückrufs des KBA wegen des Einsatzes einer unzulässigen Abschalteinrichtung führt nicht per se zur Bejahung einer Haftung des Motorenherstellers wegen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB. Damit dies eine solche Haftung auslösen kann, müssen nach der mittlerweile gefestigen höchstrichterlichen Rechtsprechung weitere Umstände hinzutreten, die das Verhalten der für sie handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen lassen (BGH, Beschluss v. 29.09.2021, Az. VII ZR 126/21, Rn. 14 m.w.N., zitiert nach juris).
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b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist ein sittenwidriges Verhalten gem. § 826 BGB nicht dargetan bzw. erfolgte erkennbar ins Blaue hinein und war deshalb unbeachtlich, so dass eine Beweisaufnahme in Form des angebotenen Sachverständigengutachtens nicht zu erfolgen hatte.
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aa) Hinsichtlich des sogenannten „Thermofensters“ wäre, selbst wenn ein Verstoß anzunehmen wäre, ein Verschweigen des Einsatzes der Abschalteinrichtung in Gestalt eines sog. „Thermofensters“ bei Würdigung der Gesamtumstände auch unter Berücksichtigung eines durchschnittlichen Anstandsmaßstabs schon objektiv nicht als sittenwidrig zu bewerten. Insoweit unterscheidet sich die Fallgestaltung deutlich und entscheidend vom Einsatz einer Motorsteuerungssoftware, die zielgerichtet den Prüfstandslauf erkennt und dann in einen völlig anderen Betriebsmodus schaltet. Die Fallgestaltung eines sog. „Thermofensters“ unterscheidet sich damit signifikant von der Fallgestaltung einer „Schummelsoftware“ in Form einer Umschaltlogik, wie sie Gegenstand der im Jahr 2015 bei einem anderen Hersteller gerichtsbekannt aufgedeckten Geschehnisse ist bzw. wie sie maßgeblich Gegenstand der meisten klägerseits vorgelegten Entscheidungen ist. Dabei hat dieser Hersteller nämlich nicht nur gesetzliche Abgaswerte außer Acht gelassen, sondern mit der Abschalteinrichtung ein System zur planmäßigen Verschleierung seines Vorgehens gegenüber den Aufsichtsbehörden und den Verbrauchern geschaffen.
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Das von der Klagepartei für das hier streitgegenständliche Fahrzeug behauptete „Thermofenster“ würde im Falle seiner Unzulässigkeit zwar ebenfalls einen Gesetzesverstoß darstellen, wäre jedoch nicht mit den Grundbedürfnissen loyaler Rechtsgesinnung unvereinbar. Unstreitig ist, dass das sogenannte Thermofenster die Abgasreinigung bei sehr niedrigen und sehr hohen Temperaturen nicht mehr voll durchführen lässt bzw. ab einer gewissen Temperatur gänzlich ausschaltet. Dies ist im Prüflauf jedoch genauso wie im realen Straßenverkehr. Ein heimliches, planvoll angelegtes Vorgehen unter Ausnutzung eines eigenen Informations- und Wissensvorsprungs gegenüber dem nichtsahnenden Verbraucher kann darin nicht gesehen werden. Es wird auch nicht die Einhaltung der gesetzlichen Umweltstandards durch eine lediglich auf dem Prüfstand erfolgende Abgasreinigung bewusst „vorgespielt“, um damit ein dem gesellschaftlichen Zeitgeist der Umweltfreundlichkeit und Umweltverträglichkeit entsprechendes Fahrzeug zu vermarkten. Vielmehr ist unstreitig, dass die beworbene Umweltfreundlichkeit des Fahrzeugs zumindest innerhalb des „Thermofensters“ voll gegeben ist. Anders als in den Fällen, in denen eine effektive Abgasreinigung lediglich bei Erkennen des Prüfstands durchgeführt wird, ist auch nicht substantiiert dargetan und auch nicht ersichtlich, dass Gewinnstreben um jeden Preis Motivation auf Herstellerseite gewesen ist (so auch LG Schweinfurt, Urteil vom 17.01.2020, Az. 21 O 95/19).
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Zudem ist angesichts der äußerst kontroversen Diskussionen über die Zulässigkeit des „Thermofensters“ eine Auslegung dahingehend, dass ein „Thermofenster“ eine zulässige Abschalteinrichtung darstellt, jedenfalls nicht unvertretbar. Ein Handeln unter vertretbarer Auslegung des Gesetzes kann ebenso nicht verwerflich sein (so auch LG Stuttgart, Urteil vom 03.05.2019, Az. 22 O 238/18, juris, Rn. 30 ff.; LG Limburg, Urteil vom 24.05.2019, Az. 2 O 50/19, juris, Rn. 25; LG Bonn, Urteil vom 17.05.2019, Az. 15 O 132/18, juris, Rn. 25 ff.; LG Schweinfurt, Urteil vom 17.01.2020, Az. 21 O 95/19).
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In der Gesamtschau kann deshalb selbst beim Vorliegen eines objektiv unzulässigen „Thermofensters“ nicht von objektiver Sittenwidrigkeit ausgegangen werden.
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bb) Die Voraussetzungen einer Haftung für ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten wurden von Klägerseite auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer sonstigen unzulässigen Abschalteinrichtung ausreichend substantiiert dargetan. Insbesondere bot der diesbezüglich erstattete Sachvortrag der Klägerseite keinen Anlass zur Durchführung einer Beweisaufnahme, da er ersichtlich „ins Blaue hinein“ erfolgt ist.
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(1) Der Anspruchssteller ist für die einen Anspruch gem. § 826 BGB begründenden Tatsachen darlegungs- und beweisbelastet (BGH, Urteil vom 04.12.2012, Az. VI ZR 378/11).
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Die Ablehnung eines Beweises für eine beweiserhebliche Tatsache ist nur dann zulässig, wenn die unter Beweis gestellten Tatsachen zwar in das Gewand einer bestimmt aufgestellten Behauptung gekleidet, aber ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen aufs Geratewohl gemacht, gleichsam „ins Blaue“ aufgestellt sind und sich deshalb als Rechtsmissbrauch darstellen (BGH, Urteil vom 23.04.1991, Az. X ZR 77/89; BGH, Beschluss vom 16.04.2015, Az. IX ZR 195/14). Nach der zutreffenden Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Bamberg (Beschluss vom 31.03.2020, Az. 3 U 57/19), die sich auch mit der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in einem obiter dictum im Beschluss vom 28.01.2020, Az. VIII ZR 57/19, auseinandersetzt, ist ausnahmsweise keine Beweisaufnahme geboten, wenn eine angebotene Beweiserhebung zur reinen Ausforschung verkommen würde, weil eine Behauptung ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhaltes willkürlich aufgestellt worden ist.
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(2) Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Klägerseite hat lediglich vorgetragen, das Fahrzeug enthalte neben dem Thermofenster auch eine Steuerungssoftware, die … - erkennt, ob das Fahrzeug einer Abgasprüfung auf dem Prüfstand unterzogen werde oder nicht (Bl. 115). Die Klägerseite trägt aber keinerlei maßgeblichen technischen Details der angeblich vorliegenden unzulässigen den Prüfstand bzw. das Durchfahren des NEFZ erkennenden Abschalteinrichtung vor.
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Weiteren Aufschluss bringt weder die Vorlage des Anschreibens … vom 28.12.2018 (Bl. 36 d.A.), noch der Ausdruck der Rückrufdatenbank (Bl. 328 d.A.).
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Ein solcher Sachvortrag macht deutlich, dass die Klägerseite tatsächlich über keine konkreten technischen Erkenntnisse oder auch nur Erkenntnisansätze hinsichtlich einer solchen von ihr behaupteten unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne einer Prüfstandserkennungsoftware im streitgegenständlichen Fahrzeug verfügt, sondern den entsprechenden Sachvortrag lediglich „ins Blaue hinein“ erstattet.
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Damit liegt in der Gesamtschau auch bei der gebotenen Zurückhaltung ein völlig willkürlicher Vortrag ins Blaue hinein vor, wobei jegliche Anhaltspunkte fehlen. Mangels substantiierten Vortrags zu einer die Prüfstandsanordnung erkennenden und gezielt umgehenden Abschalteinrichtung, scheidet auch unter diesem Gesichtspunkt ein Anspruch auf Grund sittenwidrigen Verhaltens aus.
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2. Dem Kläger steht auch kein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB zu.
41
Es fehlt bereits an einer für einen solchen Anspruch erforderlichen Stoffgleichheit zwischen dem behaupteten Schaden des Klägers und einer möglichen Bereicherung der Beklagten. Der Kläger stützt seinen Anspruch letztlich darauf, ihm sei ein Schaden in Form der Eingehung einer ungewollten Kaufpreisverpflichtung entstanden. Bei der Beklagten zu 1), deren Bereicherung der mögliche Täter erstrebt haben könnte, ist eine solche jedoch allenfalls dadurch eingetreten, dass sie das Fahrzeug an den Erstkäufer ausgeliefert hat, nicht aber an den Kläger als Gebrauchtwagenkäufer (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 23.01.2020, Az. 1 U 308/19; OLG Stuttgart, Urteil vom 08.08.2019, Az. 9 U 9/19; OLG Karlsruhe, Urteil vom 09.01.2020, Az. 17 U 133/19).
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3. Auch Ansprüche aus §§ 823 Abs. i.V.m. §§ 6, 27 Abs. 1 EG-FGV sind nicht gegeben.
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Ein solcher Anspruch scheidet schon deshalb aus, da es sich bei §§ 6, 27 Abs. 1 EG-FGV jedenfalls nicht um Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020, Az. VI ZR 252/19).
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4. Mangels Hauptanspruch unterliegen auch die gegen die Beklagte zu 1) geltend gemachten Nebenforderungen der Klageabweisung.
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Ein Anspruch gegen die Beklagte zu 2) scheidet bereits mangels Passivlegitimation aus.
46
Die Beklagte ist nicht passivlegitimiert.
47
1. Dem Käufer eines Gebrauchtwagens stehen weder deliktsrechtliche oder vertragliche Ansprüche gegen die Herstellerin des Fahrzeugs zu, das - gegebenenfalls - mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung für das Abgasreinigungssystem ausgestattet ist (s. auch Urteil des OLG Stuttgart vom 28.07.2020, 16a U 200/19).
48
Vertragliche Ansprüche scheiden bereits deshalb aus, da der Kläger den hier streitgegenständlichen Pkw beim Autohaus … erworben hat, und damit die Beklagte zu 2) nicht Vertragspartnerin des Klägers ist. Die Beklagte zu 2) hat auch nicht auf die Verkaufsverhandlungen Einfluss genommen.
49
Aber auch deliktische Ansprüche gegen die Beklagte zu 2) gemäß § 826 BGB scheiden hier aus.
50
Zwischen den Parteien ist im Ergebnis unstreitig, dass die Beklagte zu 2) nicht Herstellerin des hier streitgegenständlichen Motortyps ist. Im Sinne höchstrichterlicher Rechtsprechung haftet aber deliktisch wegen einer (angeblichen) unzulässigen Abschalteinrichtung allenfalls derjenige, der den betreffenden Motor hergestellt und entwickelt hat (BGH, Urteil vom 25.05.2020, Az.: VI ZR 252/19). Denn es fehlt letztlich dann, wenn die Beklagte zu 2) den Motor weder entwickelt noch hergestellt hat, an einer haftungsbegründenden sittenwidrigen oder sonst mit Schädigungsvorsatz erfolgten Handlung der Beklagten zu 2).
51
2. Für die erforderliche Zurechnung von Kenntnissen im Sinne des § 31 BGB über den Inhalt der Motorsteuerungssoftware auf die Beklagte zu 2) als Fahrzeugherstellerin fehlt es an ausreichend substantiiertem Vortrag des insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Klägers. Der hierzu gehaltene Sachvortrag erschöpft sich im Wesentlichen in der Behauptung, dass eine unzulässige Abschalteinrichtung nicht „versehentlich“ eingebaut werden könne. Dies sei nur vorsätzlich möglich. Die Verantwortlichen der Beklagten zu 2), Vorstand und leitende Mitarbeiter, hätten vom Einsatz der unzulässigen Abschalteinrichtung gewusst. Die Beklagte hafte für den Vorsatz ihrer Mitarbeiter gemäß § 831 Abs. 1 BGB (Bl. 151 d.A.).
52
Voraussetzung einer Zurechnung ist, dass ein verfassungsgemäß berufener Vertreter der Beklagte im Sinne von § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand der Anspruchsgrundlagen verwirklicht hat. Um die Voraussetzungen des für § 826 BGB charakteristischen moralischen Unwerturteils als erfüllt betrachten zu können, bedarf es der Feststellung, dass die grundlegende strategische Entscheidung in Bezug auf den Einsatz des mit einer unzulässigen Software versehenen Motors, der bei der Beklagten zu 1) hergestellt wurde, in Fahrzeugen der Marke Prosche Macan von den im Haus der Beklagten zu 2) verantwortlichen Personen selbst oder zumindest mit ihrer Kenntnis und Billigung getroffen bzw. jahrelang umgesetzt worden ist (BGH, Urteil vom 30.07.2020, VI ZR 5/20, Rn. 39). Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass der von der Beklagten zu 1) entwickelte Motor von einer von der Beklagten zu 2) zu unterscheidenden Rechtspersönlichkeit mit eigenem Vorstand stammt. Eine generelle Zurechnung von Wissen und Kenntnissen ist dem Deliktsrecht fremd (s. OLG Bamberg, Urteil vom 03.02.2021, 8 U 83/20; m.w.N.).
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Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund des Vortrags der Beklagten zu 2), dass dort in der Folge der im September 2015 bekannt gewordenen „Diesel-Thematik“ umfangreiche Prüfungen durchgeführt worden seien, man dennoch erst durch das KBA von der unzulässigen Abschalteinrichtung Kenntnis erlangt habe.
54
Die Beklagte zu 2) ist auch Sicht des Gerichts insofern auch ihrer etwaig bestehenden „sekundären Darlegungslast“ nachgekommen, an die aufgrund der oben genannten pauschalen Behauptung der Klagepartei geringe Substantiierungsanforderungen zu stellen sind.
55
Im Ergebnis war die Klage insgesamt abzuweisen.
56
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
57
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ist § 709 S. 2 ZPO entnommen.